Demokratie – Medien – Aufklärung

Die Protagonisten des Krieges handeln richtungsweisend: Auf Krieg einstellen!

Ein Kommentar von Wolfgang Effenberger

Auch veröffentlicht als Tagesdosis vom 07.03.2024 auf apolut.net

Der Beitrag ist auch als Audiopodcast verfügbar:

Bereitgestellt von apolut.net
Download

 

Am Abend des 26. Februar 2023 haben in Paris auf einer Hilfskonferenz für die Ukraine mehr als 20 Staats- und Regierungschefs beschlossen, schnell und effektiv Hilfe für das von Russland angegriffene Land zu leisten. Unter den politischen Repräsentanten war auch Bundeskanzler Olaf Scholz. Es gab zwar keine Einigkeit unter den Konferenzteilnehmern (den Einsatz von NATO-Bodentruppen in der Ukraine betreffend), aber im künftigen Kriegsverlauf könne nichts gänzlich ausgeschlossen werden, sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron: „Wir werden alles tun, was nötig ist, damit Russland diesen Krieg nicht gewinnen kann.“(1)

Mit der Einladung zur Pariser Konferenz hat Macron den Führungsanspruch Frankreichs unter-mauert. Vor seiner Abreise nach Paris hatte der slowakische Ministerpräsident Robert Fico vor einer „gefährlichen Eskalation der Spannungen mit Russland“ gewarnt.(2) Einzelne NATO-Staaten seien offenbar bereit, eigene Soldaten in den Ukraine-Krieg zu schicken.

Auf Wunsch von Emmanuel Macron beschlossen die teilnehmenden Staats- und Regierungschefs, die Ukraine mit Raketen und Bomben mittlerer und längerer Reichweite für Schläge weit hinter die russischen Linien zu versorgen. Außerdem soll zusätzlich benötigte Munition für die ukrainischen Streitkräfte mittelfristig auch von Drittländern (also Nicht-NATO-Staaten) geliefert werden. Macron unterstützte zudem Vorschläge, angesichts des Ukraine-Kriegs europäische Rüstungsausgaben auf Schuldenbasis zu finanzieren. Ähnlich wie in der Corona-Krise seien von Russlands Aggression sämtliche europäischen Länder betroffen, was den Sonderweg gemeinsamer Schulden rechtfertige.

„Die Niederlage Russlands ist unerlässlich“, sagte Emmanuel Macron am späten Abend des 26. Februar 2024 nach der Pariser Ukraine-Konferenz. „Wir sind bereit, alles Nötige zu tun, damit Russland diesen Krieg nicht gewinnen kann“, wiederholte Macron immer wieder, und mit der Forderung, man solle die Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine zugunsten der Dynamik „nicht ausschließen“ ging Macron weiter als alle europäischen Regierungen zuvor.(3) Olaf Scholz wies das zurück. Auf die Frage nach einem möglichen Einsatz von Truppen durch Polen antwortete Macron, jedes Land könne eigenständig und souverän über den Einsatz von Bodentruppen entscheiden.(4)

Prompt sprang der ehemalige deutsche Botschafter in Washington Wolfgang Ischinger, von 2008 bis 2022 Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz und seitdem Präsident des Stiftungsrats MSK, Macron bei. Er finde es „ein bisschen kühn, aber nicht falsch“, dass der französische Präsident Emmanuel Macron sage: „Wenn das so weitergeht, ist es besser, wir schließen gar nichts aus.“(5)

„Frankreich bleibt sich treu“, schreibt der ehemalige Staatssekretär im Verteidigungsministerium Willy Wimmer. „Einmal Beresina, immer Beresina; einmal Versailles, immer Versailles“. Anders kann Willy Wimmer die Aussagen des französischen Präsidenten zum Ukraine-Krieg nicht interpretieren. Er erinnert an das Gipfeltreffen in Paris am 19. März 2011. Bevor sich damals die Teilnehmer auf ein Vorgehen gegenüber Libyen einigen konnten, gab ein Sprecher des französischen Verteidigungsministeriums bekannt, dass um 16:45 Uhr (GMT) französische Kampfflugzeuge mit dem Angriff auf das libysche Militär begonnen hatten.(6) Und nun sind es laut Wimmer in Napoleon-Manier die europäischen Bodentruppen, die in den Krieg eingreifen sollen. Wie bei Napoleon und Hitler, als die Deutschen verbluten durften, von anderen Völkern ganz zu schweigen.

Auf die Europäer und damit auch auf die Deutschen kommt nach Wimmer die bekannte Frage zu: „Wollt ihr den französischen Krieg in Europa?“(7)
Der US-Drei-Sterne-General Keith Kellogg kann sich freuen. In der Senatsanhörung vom 28. Februar 2023 zum Ukraine-Krieg schwärmte er dem Senator Rick Scott vor:

Wenn man einen strategischen Gegner besiegen kann und dabei keine US-Truppen einsetzt, ist man auf dem Gipfel der Professionalität, denn wenn man die Ukrainer siegen lässt, ist ein strategischer Gegner vom Tisch und wir können uns auf das konzentrieren, was wir gegen unseren Hauptgegner tun sollten, und das ist im Moment China…. wenn wir dabei scheitern, müssen wir vielleicht einen weiteren europäischen Krieg führen, das wäre dann das dritte Mal.“(8)

Anfang Juni 2023 schlug der frühere Generalsekretär des Transatlantischen Bündnisses Anders F. Rasmussen (2009-2014) Alarm und verwies auf die Gefahr, dassPolen und die baltischen Staaten nach dem NATO-Gipfel in Vilnius damit beginnen könnten, ihre Streitkräfte autonom in der Ukraine zu stationieren.“(9)

Nun, zweifelsfrei wird der Einsatz von NATO-Truppen auf ukrainischem Staatsgebiet zu einer direkten militärischen Konfrontation des „Wertewestens“ mit Russland führen. Mit einem einfachen Taschenspielertrick könnten die Befürworter jedoch versucht sein, die NATO aus dem Spiel zu nehmen: Es werden nur Truppen geschickt, die nicht der NATO assigniert sind – ein simpler Unterstellungswechsel auf dem Papier.

Einen Krieg im Jahr 2024 gewinnen? Diese Sprache offenbart das zynische Denken von 1914/1918, und dieses Denken hat die Welt dahin gebracht, wo sie heute steht: Am Rand eines Abgrunds!

Die Kriegsursachen von 1914 wurden nie aufgearbeitet, sondern nur zugedeckt, und drängen jetzt weltweit an die Oberfläche. Zugleich verfolgen die USA ihre Strategie von 2014 „Win in a Complex World 2020 -2040“ und gießen weiter Öl ins Feuer.

Bis 2040 soll die unipolare Weltherrschaft der USA verankert werden. In ihrem CNN-Interview erklärte die amtierende stellvertretende US-Außenministerin Victoria Nuland am 25. Februar 2024, Putin habe den US-Plan für Russland vereitelt. Putins Russland sei „nicht das Russland, das wir wollen“.(10) Washington wolle einen willfährigen Führer im Kreml, der das Land „verwestliche“.

Viele werden sich noch an Nulands berühmt gewordene Aussage als Europabeauftragte des US-Außenministeriums und führende Kraft im Maidan-Putsch während ihres Gesprächs mit dem US-Botschafter in Kiew, Geoffrey Pyatt, erinnern: „Fuck the EU“(11). Es ging um den Wunsch der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, Witali Klitschko in die ukrainische Regierung zu holen.

Die undurchsichtige Rolle des deutschen Kanzlers Olaf Scholz –
Scholz stellt sich (noch) gegen Taurus-Lieferung an die Ukraine

Während auf der Ukraine-Unterstützerkonferenz in Paris der französische Präsident Macron sogar die Option von Truppenentsendungen offen artikulierte, sprach sich der deutsche Kanzler vehement gegen die Lieferung des deutschen Marschflugkörpers Taurus aus. Dieser Taurus wurde nach dem Kalten Krieg als modulare Abstandswaffe (MAW) für den Panavia Tornado mit einer Reichweite von über 500 Kilometern entwickelt – also bestens geeignet, um Angriffe gegen Ziele in Russland durchzuführen.

Der Bundeskanzler erklärte in Paris sein Nein zur Lieferung deutscher Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine: „Was an Zielsteuerung und an Begleitung der Zielsteuerung vonseiten der Briten und Franzosen gemacht wird, kann in Deutschland nicht gemacht werden … Das, was andere Länder machen, die andere Traditionen und andere Verfassungsinstitutionen haben, ist etwas, was wir jedenfalls in gleicher Weise nicht tun können.“(12) Damit sorgte Scholz für heftige Kontroversen.

Dabei gibt es in der Tat Spekulationen, dass Franzosen und Briten ihre an die Ukraine gelieferten Marschflugkörper Scalp und Storm Shadow selbst programmieren und dass zumindest Großbritannien dafür Personal in der Ukraine stationiert hat. Offiziell bestätigt wurde das nie.(13)

Das NEIN von Scholz verärgerte Macron:

Viele Menschen die heute „nie, nie“, sagten, seien dieselben, die vor zwei Jahren sagten, „nie, nie Panzer, nie, nie Flugzeuge, nie, nie Raketen mit längerer Reichweite“. Heute drehe sich die Diskussion darum, bei der Lieferung von Panzern und Raketen schneller und stärker zu werden. „Also ist alles möglich, wenn es hilfreich ist, um unser Ziel zu erreichen.“(14)

Was meint Macron mit „unser Ziel“? Es geht doch hier ausschließlich um das Ziel der USA!

Ja, es stimmt, der Kreml führt seit 24. Februar 2022 einen Stellvertreter-Krieg mit den USA und der NATO. Er hat bisher auf alle Provokationen zurückhaltend reagiert. Das könnte sich aber schlagartig ändern.

Am 11. März 2022 hatte Biden vor dem Bild des Rough Riders Theodore Roosevelt im Roosevelt-Room die Warnung ausgesprochen: Aber sehen Sie, die Idee, dass wir Offensivausrüstung schicken und Flugzeuge und Panzer und Züge mit amerikanischen Piloten und amerikanischen Besatzungen hineinfliegen, verstehen Sie einfach – und machen Sie sich nichts vor, egal was Sie alle sagen – das nennt sich „Dritter Weltkrieg“. Okay? Lasst uns das klarstellen, Leute. Das alte Sprichwort – „Mach keine Witze“.(15) Am 25. Januar 2023 hatte Biden Witze gemacht: „Heute gebe ich bekannt, dass die USA 31 Abrams-Panzer in die Ukraine schicken werden, was einem ukrainischen Bataillon entspricht.“(16)

Nun hofft der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba auf die Lieferung von Taurus-Marschflugkörper aus Deutschland, um militärische Ziele weit hinter der Frontlinie (auf russischem Territorium) treffen zu können.(17) Dass nach dem Einsatz von Leopard-Panzern in der Ukraine die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern die Kriegsgefahr für Deutschland nicht weiter steigern würde, ist eine weitere Illusion auf westlicher Seite. Hier wird allerdings von den Befürwortern dieser Maßnahmen eine gewichtige Veränderung übersehen und bewusst kleingeredet. Die bisherigen Waffen operieren von der Ukraine aus. Der Taurus-Marschflugkörper jedoch bildet mit dem Kampfbomber eine Einheit. Und für derartige Einsätze gibt es nirgendwo in der Ukraine eine geeignete Start- und Landebasis. Diese Bomber müssten von Flugplätzen angrenzender NATO-Staaten aus operieren. Auch wenn Russland bisher nicht auf die Provokationen des Wertewestens reagiert hat, heißt das noch lange nicht, dass es auch in Zukunft so sein wird. Vor allem dann nicht, wenn deutsche Taurus-Marschflugkörper sensible militärische Bereiche der russischen Streitkräfte treffen, etwa eine Abschussbasis für taktische Atomraketen. Das wäre der absolute Super-Gau, der alle Schleusen in Richtung atomaren Schlagabtausch auf europäischem Boden öffnen würde.

Und da warf am 27. Februar 2024 im „ZDF-heute Journal“ der Grünen-Politiker Anton Hofreiter doch tatsächlich dem deutschen Bundeskanzler fahrlässiges Handeln vor wegen dessen „völlig unverantwortlicher Begründung für die Taurus-Absage“.(18)

Doch auch wenn der Olaf Scholz die von einer Taurus-Lieferung ausgehende Gefahr für Deutschland erkannt haben mag, lässt er unwidersprochen den Kriegstrommler Roderich Kiesewetter (Bundestagsabgeordneter der CDU) öffentlich fordern: „Russische Militäreinrichtungen und Hauptquartiere müssen zerstört werden. Wir müssen alles tun, dass die Ukraine in die Lage versetzt wird, nicht nur Ölraffinerien in Russland zu zerstören, sondern Ministerien, Kommandoposten und Gefechtsstände.“(19)

Wie kann ein deutscher Politiker, der einst als Offizier der Bundeswehr (im Dienstgrad Oberst) und als ehemaliger Präsident des Verbandes der Reservisten der Deutschen Bundeswehr (2011 – 2016) geschworen hat, das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, Deutschland im Interesse einer kleinen US-Elite in einen Krieg mit Russland treiben?

Eigentlich hätte Kiesewetter aufzeigen müssen, dass sich die Ukraine bislang noch nie an die Einsatzgrundsätze und Verwendungsbegrenzungen der von anderen Staaten gelieferten Waffen-systeme gehalten und somit fahrlässig eine Kriegsausweitung in Kauf genommen hat.

In diesem Zusammenhang ist auch zu bedenken, dass die Charta der Vereinten Nationen Deutschland nach wie vor unter der Feindstaatenklausel auflistet und somit den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs das Recht einräumt, auf aggressives oder feindseliges Verhalten Deutschlands angemessen zu reagieren. Diesen Passus könnte Russland für sich beanspruchen. Auch sollte bedacht werden, dass mit dem „2 plus 4 Vertrag“ das wiedervereinigte Deutschland spezifische Verpflichtungen eingegangen ist. Diese verbindlichen Absprachen gelten auch noch heute. Eine derartige Vertragsverletzung könnte Russland zur Aufkündigung des Vertrags veranlassen – mit unabsehbaren Folgen.

Deutsche Luftwaffenführung spielte Taurus-Angriff auf Krim-Brücke durch

Die Chefin des russischen Staatssenders RT, Margarita Simonjan, hatte am Freitag, dem 1. März 2024, einen Audiomitschnitt eines 38-minütigen Gesprächs vom 19. Februar 2024 veröffentlicht. Darin sind der Luftwaffeninspekteur der Bundeswehr Generalleutnant Ingo Gerhartz, der Leiter der Abteilung Operationen und Übungen des Luftwaffenkommandos, Brigadeneral Frank Graefe, der aus einem Hotel in Singapur zugeschaltet war, und die Luftwaffenoffiziere Fenske und Frostedte des Lufteinsatzzentrums des Weltraumkommandos der Bundeswehr zu hören, wie sie über theoretische Möglichkeiten eines Einsatzes deutscher Taurus-Marschflugkörper durch die Ukraine diskutieren.(20) Das Weltraumkommando der Bundeswehr ist eine Kommandobehörde der Luftwaffe und der zentrale Kompetenzträger der Bundeswehr für die Planung und Führung von Weltraumoperationen.

Nach dpa-Informationen ist das Gespräch authentisch. Die Offiziere schalteten sich demnach über die Plattform Webex zusammen. So konnte ohne großen Aufwand von den Diensten mitgeschnitten werden. Dass diese Form der Kommunikation gewählt wurde, deutet zum einen darauf hin, dass die Luftwaffenführung unter starkem Zeitdruck stand. Zum anderen ist aber auch nicht auszuschließen, dass diese Offiziere bewusst dieses Gespräch im öffentlichen Raum geführt haben, um den Kreml zu einer Reaktion zu veranlassen oder auf die Aktivitäten der Briten und Franzosen hinzuweisen. Es könnte auch von deutschen Insidern nach Moskau durchgesteckt wurden sein, um die Pläne ihrer eigenen Kriegskuratoren zu vereiteln, die eindeutig darauf aus sind, den Dritten Weltkrieg zu provozieren.

Das Gespräch sollte der Vorbereitung auf eine Unterrichtung für Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) dienen. In dem in der Audiodatei dokumentierten Austausch geht es unter anderem um technische Fragen wie Adjustierung der Taurus-Marschflugkörper, geeignete Zielauswahl sowie die Verschleierung der deutschen Beteiligung. Nicht ohne Brisanz ist im Verlauf des Gesprächs die Offenlegung der Tatsache, dass die Briten im Zusammenhang mit dem Einsatz ihrer an die Ukraine gelieferten Storm-Shadow-Marschflugkörper „ein paar Leute vor Ort“ hätten.(21) Gerade erst hatte es in Großbritannien Verärgerung gegeben über eine Äußerung von Kanzler Olaf Scholz, die ihm von einigen als Indiskretion ausgelegt wurde: „Was an Zielsteuerung und an Begleitung der Zielsteuerung vonseiten der Briten und Franzosen gemacht wird, kann in Deutschland nicht gemacht werden“.(22)

Diese Aussage und Scholz´ klares Nein zur Taurus-Lieferung am 26. Februar 2024 – also 7 Tage nach dem Mittschnitt des Gesprächs und der vom Kreml geforderten Aufklärung – auf dem Ukraine-Gipfel in Paris, macht einen Zusammenhang wahrscheinlich.

Hier einige Gesprächsausschnitte:

Gerhartz:

…Wir müssen uns vorstellen, dass sie Flugzeuge mit Halterungen für Taurus-Raketen und für Storm Shadow verwenden können. Die Briten waren vor Ort und rüsteten die Flugzeuge aus. Die Systeme sind nicht so unterschiedlich, sie können auch für den Taurus verwendet werden….

Fenske:

Eine mögliche Option ist die planmäßige technische Unterstützung, theoretisch kann dies von Büchel [der einzige Standort, an dem in Deutschland Kernwaffen der Streitkräfte der Vereinigten Staaten gelagert werden. W.E.] aus erfolgen, sofern eine sichere Verbindung mit der Ukraine hergestellt wird….

Frostedte:

ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es zwei interessante Ziele gibt – die Brücke im Osten und die Munitionsdepots, die sich darüber befinden. Die Brücke im Osten ist schwer zu erreichen, es ist ein ziemlich kleines Ziel, aber der Taurus kann es schaffen …

Fenske:

Ich möchte noch etwas zur Zerstörung der Brücke sagen. Wir haben uns intensiv mit diesem Thema beschäftigt und sind leider zu dem Schluss gekommen, dass die Brücke aufgrund ihrer Größe einer Start- und Landebahn ähnelt. Daher werden möglicherweise 10 oder sogar 20 Raketen benötigt.

Gerhartz:

Es gibt die Meinung, dass der Taurus Erfolg haben wird, wenn man das französische Kampfflugzeug Dassault Rafale einsetzt.

…Wir alle wissen, dass sie die Brücke zerstören wollen … Es gibt gewisse Bedenken, wenn wir eine direkte Verbindung zu den ukrainischen Streitkräften haben. Daher wird sich die Frage stellen: Ist es möglich, einen solchen Trick anzuwenden und unsere Leute in die MBDA [Ein multinationaler Rüstungs-Konzern mit mehr als 14.000 Mitarbeitern, die in Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, dem Vereinigten Königreich und den USA. W.E.](23) zu schicken? Es wird also nur über die MBDA eine direkte Verbindung mit der Ukraine geben, was viel besser ist, als wenn eine solche Verbindung mit unserer Luftwaffe besteht.

Diese Angriffs- und Vertuschungsplanungen führender Luftwaffenoffiziere mit Taurus sind weder mit dem Völkerrecht noch mit dem Grundgesetz vereinbar.

Im Hinblick auf den Art 26 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland sind

Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen“.

So muss zwingend rechtlich geprüft werden, ob die involvierten Luftwaffenoffiziere nach §80 des Strafgesetzbuchs (Vorbereitung eines Angriffskrieges) angeklagt werden müssen und schließlich zu verurteilen sind. Streng zu prüfen ist auch, ob die beteiligten Offiziere diese Pläne mit Wissen und im Einklang mit der Bundeswehrführung bis hin zum Verteidigungsminister im Alleingang diskutiert haben. Oder zeigte in der Taurus-Diskussion Olaf Scholz ähnlich wie vor dem Cum-Ex-Ausschuss und bei seiner persönlichen Anwesenheit während der Biden-Ankündigung am 7. Februar 2022 zur Zerstörung des Nord-Stream-2-Projekts(24) sein janusköpfiges Gesicht?

Am Sonntag, dem 3. März 2024, äußerte sich Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zu der von der Union in die Diskussion eingebrachten möglichen Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Für ihn stelle sich die Frage, ob der Vorgang einen Untersuchungsausschuss mit all seinen innenpolitischen Implikationen und all dem, was dann öffentlich diskutiert werde, rechtfertige. Unglaublich: Die deutsche Luftwaffenführung lieferte Russland einen „Casus Belli“ (Kriegsgrund), und es wird aller Voraussicht nach keine Konsequenzen geben. Pistorius sieht die Abhöraffäre lediglich als Teil eines „Informations-kriegs“, den der russische Präsident Wladimir Putin führe. „Es handelt sich um einen hybriden Angriff zur Desinformation – es geht um Spaltung, es geht darum, unsere Geschlossenheit zu untergraben …Wir dürfen Putin nicht auf den Leim gehen.“ Deshalb müsse man besonnen reagieren, „aber nicht weniger entschlossen“.(25) In die gleiche Kerbe wie Pistorius schlug auch der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner, der die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss in der Taurus-Abhöraffäre zurückwies. Ein solcher Ausschuss sei nicht angemessen, sagte Stegner dem „Tagesspiegel“ am Sonntag. „Die Forderung ist Oppositions-Klein-Klein.“(26) Über den skandalösen Inhalt des Gesprächs wird der Mantel des Schweigens ausgebreitet.

Das ist kein Skandal, sondern eine Staatsaffäre allerersten Ranges: Das Transskript bietet erschütternde Einblicke in die Mechanismen der militärischen Eskalation und zeigt in erschreckender Weise, wie sich Deutschland immer tiefer in den Ukraine-Konflikt hineinziehen lässt.

Das Bundesverteidigungsministerium hat die Echtheit des Mitschnitts indirekt bestätigt. Eine Sprecherin erklärte: „Wir prüfen, ob Kommunikation im Bereich der Luftwaffe abgehört wurde“.(27)

Bundeskanzler Olaf Scholz sprach am Rande eines Besuchs im Vatikan am 2. März 2024 von einer „sehr ernsten Angelegenheit“. Auf eine Frage der Deutschen Presse-Agentur nach möglichen außenpolitischen Schäden sagte er: „Deshalb wird das jetzt sehr sorgfältig, sehr intensiv und sehr zügig aufgeklärt. Das ist auch notwendig.“(28)

Die Protagonisten des Krieges – voran Union und Ampel – empören sich derweil vor allem über die Sicherheitslücke und fordern Konsequenzen. Die Vorsitzende des Verteidigungs-ausschusses des Bundestags, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, forderte: „Wir müssen dringend unsere Sicherheit und Spionageabwehr erhöhen, denn wir sind auf diesem Gebiet offensichtlich vulnerabel“(29).

Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Johann Wadephul forderte die Bundesregierung auf, die Vorschriften für den Schutz von Kommunikation nachzuschärfen, und der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, der Grünen-Politiker Konstantin von Notz, stellte die Frage, „ob es sich hier um einen einmaligen Vorgang oder ein strukturelles Sicherheitsproblem handelt“; er erwarte eine „umgehende Aufklärung aller Hintergründe“-(30)

Scholz kettet Deutschland an das Schicksal der Ukraine

Im Hype um den Tod des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny am 16. Februar 2024 ist ein Abkommen völlig untergegangen, welches das Schicksal der BRD wesentlich bestimmt. In Berlin unterschrieben vor Beginn der Münchner Sicherheits-Konferenz der deutsche Kanzler Scholz und der ukrainische Präsident Selenskyj einen auf zunächst 10 Jahre befristeten Vertrag samt Ankündigung einer milliardenschweren Militärhilfe.

In diesem sogenannten „Sicherheitsabkommen“ verurteilen beide Länder „…auf das Schärfste den ungerechtfertigten, unprovozierten, illegalen und brutalen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, durch den Russland in gravierender Weise gegen das Völkerrecht einschließlich der UN-Charta verstößt. Deutschland ist unerschütterlich in seiner Unterstützung für die Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Unversehrtheit der Ukraine innerhalb der Grenzen, die seit 1991 international anerkannt sind, einschließlich des Küstenmeers und der freien (maritimen) Wirtschaftszone“.(31)

Damit ist die Bundesrepublik Deutschland auf Gedeih und Verderb an das Schicksal der Ukraine gekettet. Das Eingangsstatement lässt jegliches diplomatische Geschick vermissen und wird die Hardliner im Kreml gegenüber Deutschland nur noch unversöhnlicher stimmen. Deutschland hat jetzt aus Russland keine Zurückhaltung mehr zu erwarten. Wie konnte Olaf Scholz einen für die BRD so existenzbedrohenden Pakt unterschreiben? Gemäß Punkt 4 (Zeitrahmen der Vereinbarung) wurde dieses „Sicherheitsabkommen“ unmittelbar nach der Unterzeichnung wirksam (16. Februar 2024). Keine Ratifizierung durch das Parlament? Artikel 65 des Deutschen Grundgesetzes (Richtlinienkompetenz, Ressort- und Kollegialprinzip) lässt derartige Eigenmächtigkeiten des Kanzlers gar nicht zu!

Hinter diesem „Sicherheitsabkommen“ stehen, wie zu erwarten war, andere Kräfte. Scholz war nur der ausführende Erfüllungsgehilfe. Auf jeden Fall ist der Schatten Bidens erkennbar, denn schon in den ersten Sätzen des Einführungstextes findet sich bereits die am 21. Juli 2021 von Merkel und Biden unterschriebene Erklärung der USA und Deutschlands „…zur Unterstützung der Ukraine, der europäischen Energiesicherheit und unserer Klimaziele“. Darin heißt es im Detail: „Die Vereinigten Staaten und Deutschland unterstützen mit Nachdruck die Souveränität der Ukraine, deren territoriale Unversehrtheit, Unabhängigkeit und den von ihr eingeschlagenen europäischen Weg. Wir bekennen uns heute erneut dazu, gegen russische Aggression und russische destruktive Aktivitäten in der Ukraine und darüber hinaus vorzugehen“.(32)

Wie konnte die deutsche Regierung in einem Staatsvertrag eingangs aufs „Schärfste den ungerechtfertigten, unprovozierten, illegalen und brutalen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, durch den Russland in gravierender Weise gegen das Völkerrecht einschließlich der UN-Charta verstößt“ verurteilen? Man hätte eine Wendung finden können, die künftig eine Annäherung an Russland nicht ganz unmöglich macht – vor allem dann, wenn man selbst „im Glashaus“ sitzt. Außerdem wurde bis jetzt der völlig ungerechtfertigte, unprovozierte, illegale und brutale Angriffskrieg der USA gegen Jugoslawien 1999 vom Westen keineswegs verurteilt. Damals verstieß die NATO in gravierender Weise gegen das Völkerrecht und gegen die UN-Charta. Die USA hebelten somit beide Grundlagen aus, bestehen inzwischen aber auf einer selbstgemachten „regelbasierten“ (Un)Ordnung.

Die Folgen für die BRD sind derzeit noch gar nicht absehbar. Die deutsche Wirtschaft wird darunter jedenfalls schwer leiden. Damit wird sich auch erfüllen, was Winston Churchill 1938 auf einen Vermittlungsversuch Heinrich Brünings (Reichskanzler 1930-32) hin so formulierte: „Was wir wollen, ist, dass die deutsche Wirtschaft vollkommen zusammengeschlagen wird.“(33)

Mit dem Schrumpfen der deutschen Wirtschaft wird ein Abschmelzen des Wohlstands einhergehen. Der für Viele als Paradies angesehene Wohlfahrtsstaat wird der Vergangenheit angehören und der Entzug der bisher gewohnten Zuwendungen wird noch heftige Reaktionen in der deutschen Bevölkerung hervorrufen. Neben möglichen Kriegszerstörungen wird auch der innere Frieden verloren gehen.

Anfang November 2023 gab das deutsche Ministerium der Verteidigung die neuen „Verteidigungspolitischen Richtlinien“ heraus. Darin wird im Hinblick auf die sich ständig steigernde Kriegsgefahr die Kriegsertüchtigung der Bundeswehr gefordert, weil sich die Bedrohungslage in Europa seit dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine dramatisch verändert habe und der Krieg mit Putins brutalem Angriff gegen die Ukraine nach Europa zurückgekehrt sei. Deutschland müsse als bevölkerungsreichstes und wirtschaftlich starkes Land in der Mitte Europas das Rückgrat der Abschreckung und der kollektiven Verteidigung in Europa sein. Die neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien würden auch die geostrategische Ausrichtung berücksichtigen. Da Krisen, Konflikte und regionale Spannungen das europäische Sicherheitsumfeld in Afrika, im Nahen und Mittleren Osten, in der Arktis sowie im Indopazifik beeinflussten, müsse Deutschlands internationales militärisches Engagement über die Bündnis- und Landesverteidigung hinausgehen. Dies entspräche den Vorgaben des Strategischen Konzepts der NATO und des Strategischen Kompasses der EU. In den Richtlinien heißt es weiter:“Ein Leben in Frieden und Freiheit ist in der Mitte Europas keine Selbstverständlichkeit mehr.” Gemeinsam mit den Verbündeten muss die Freiheit und Sicherheit verteidigt werden können. Für die Bundeswehr bedeutet das: Bereitschaft zum Kampf mit dem Anspruch auf Erfolg im hochintensiven Gefecht.(34)

Am 25. Januar 2024 folgten rund 300 Experten der Einladung von Generalleutnant André Bodemann, dem Befehlshaber des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr (gleichzeitig auch Nationaler Territorialer Befehlshaber), zum Symposium „Deutschland. Gemeinsam.Verteidigen“. Als Reaktion auf die veränderte Bedrohungslage erarbeite das Territoriale Führungskommando der Bundeswehr aktuell den „Operationsplan Deutschland“. Er umfasst den operativen Einsatz der Bundeswehr in Deutschland im Frieden, in Krisenzeiten und im Krieg. In diesem Symposium tauschten sich dazu Fachleute aus Landesregierungen, Bevölkerungsschutz- und Sicherheitsbehörden, Wirtschaft und Bundeswehr intensiv aus.

Mit dem „Operationsplan Deutschland“, dessen Fertigstellung Ende März 2024 erwartet wird, reagiert die Bundeswehr auf die sich verschärfende sicherheitspolitische Lage in Europa. In diesem Plan sollen die Aufgaben für die Landes- und Bündnisverteidigung beschrieben werden. Er ist somit – auf Basis der NATO-Verteidigungsplanung – der militärische Beitrag für die staatliche Gesamtverteidigungsplanung der Bundesrepublik Deutschland. Das Ziel des Operationsplans ist: schnelle Handlungsfähigkeit angesichts hybrider Bedrohungslagen und multipler globaler Krisen über alle Ressort- und Ländergrenzen hinweg. Denn in der heutigen Zeit seien innere und äußere Sicherheit oftmals kaum noch voneinander zu trennen. „Am Ende ist die Verteidigung unseres Landes eine gesamtstaatliche, ja gesamtgesellschaftliche Aufgabe“(35), so der General.

Im Kriegsfall wird nach Mitteilung der Bundeswehr ein „größerer Teil“ der regulären Soldaten an der „Ostflanke“ der NATO kämpfen und daher zur Absicherung des deutschen Territoriums selbst „nicht eingeplant werden“. Um den „Schutz“ der Bundesrepublik auf ihrem eigenen Hoheitsgebiet dennoch zu gewährleisten, setzt der für die Erarbeitung des Operationsplans Deutschland verantwortliche Generalleutnant Bodemann auf die „neu aufzustellenden Heimatschutzkräfte“.(36) Diese Truppenteile bestehen hauptsächlich aus Reservisten und nur zu einem geringen Teil aus aktiven Soldaten.

Parallel zur Bundeswehr will auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) das deutsche Gesundheitswesen mobil machen und auf mögliche militärische Konflikte vorbereiten. Deutschland müsse sich nicht nur für künftige Pandemien, sondern „auch für große Katastrophen und eventuelle militärische Konflikte besser aufstellen“.(37)

Nach Lauterbach brauche es „auch eine Zeitenwende für das Gesundheitswesen“. Zumal Deutschland, wenn sich die Nato gegen einen Angriff verteidigen müsste, zur Drehscheibe bei der Versorgung von Verletzten und Verwundeten auch aus anderen Ländern werden könne.

Während in der BRD noch an der Kriegsertüchtigung gearbeitet wird, begann am 11. Februar 2024 die NATO-Übung „Steadfast Defender 2024“ (übersetzt: Standhafter Verteidiger), an der über 90.000 Soldaten teilnehmen.(38) Sie dauert bis 31. Mai 2024 an.  Dabei wird die Verteidigung gegen einen Einfall der Russischen Föderation in ein NATO-Land mit Auslösung von Artikel 5 (Bündnisfall) des Nordatlantikvertrags geübt. Die Manöver finden in den baltischen Staaten, in Deutschland, Polen, Norwegen, Rumänien und auch in den Gewässern der Ostsee statt.

Laut Christopher Cavoli, Oberbefehlshaber der „Gemeinsamen Streitkräfte der NATO in Europa“ wird die NATO-Übung „Steadfast Defender 2024“ die wahre Stärke des westlichen Militärbündnisses zeigen und die Fähigkeit demonstrieren, die euro-atlantische Region durch komplexe Operationen schützen und im Ernstfall auch verteidigen zu können.

Warum lässt die NATO die Muskeln spielen?

Der niederländische Admiral Rob Bauer, Vorsitzender des NATO-Militärausschusses, hat bei der Ankündigung des Manövers im Brüsseler NATO-Hauptquartier Klartext gesprochen und festgehalten: „Wir bereiten uns auf einen Konflikt mit Russland und Terrorgruppen vor.“(39)

Das entspricht auch der Arbeitsteilung: Außerhalb der Bundesrepublik Deutschland übernimmt die NATO die Führungsverantwortung und innerhalb der BRD wird nach Vorgabe des Operationsplans Deutschland vorgegangen.(40)

 Russland kritisiert Macrons Gedankenspiele als gefährliche Entwicklung

Der russische Botschafter in Washington, Anatoli Antonow, bedauerte in seinem Kanal im Nachrichtennetzwerk Telegram die auf dem Pariser Gipfel erkennbare Entwicklung.

Dass die europäischen Verbündeten der USA eigene Streitkräfte in die Ukraine entsenden, sei lange Zeit undenkbar gewesen, werde nun aber laut diskutiert. Antonow deutet diplomatisch an, dass die „…amerikanischen Kuratoren (des Krieges) sehr wohl verstehen, wohin solch eine Entwicklung der Lage führen kann“.(41)

Russischer Botschafter Sergej Netschajew wirbt für diplomatische Verhandlungen
„Wir wollen uns nicht in einen globalen Krieg hineinziehen lassen“(42)

Mit Sorge sehe sein Land, schrieb der russische Botschafter am 19. Februar 2024 in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, dass die „antirussische Rhetorik“ in Deutschland an Fahrt gewinne.

Dabei gehe es im Ukraine-Krieg nicht nur darum, Russland zu schwächen, sondern auch die EU. Zudem werde als Nebenziel versucht, Russland für die Folgen der von Berlin erklärten „Zeitenwende“ verantwortlich zu machen und Angst vor einem globalen Konflikt zu schüren. Stattdessen warb der Botschafter für Verhandlungen. „Ich möchte daran erinnern, dass Russland nie eine Gefahr für Deutschland darstellte. Die deutsch-russischen Beziehungen, die mehrere Generationen unserer Vorgänger gemeinsam gestalteten, bildeten eine tragfähige Grundlage für die Aussöhnung zwischen unseren Ländern und Völkern, für die Deutsche Einheit und eine vielfältige vorteilhafte Zusammenarbeit, die zum Wohlstand und internationalen Ansehen der Bundesrepublik beitrug“.(43)

Netschajew findet es über alle Maßen bedauernswert, dass derzeit alle Brücken, einschließlich der Kontakte zwischen den Menschen, im Eilverfahren zerstört werden. Er ist davon überzeugt, dass diese Entwicklung den nationalen Interessen Deutschlands und seiner Bürger widerspricht. Weiter verwies der Botschafter auf das Interview Putins mit dem US-Journalisten Tucker Carlson, in dem der russische Präsident deutlich gemacht habe, dass die „Bedrohung“, die von den westlichen Ländern beschworen werde, „Fake und billige Provokation“ sei. „Wir hatten und haben keine aggressiven Absichten gegenüber der EU und der NATO“, versicherte der Diplomat und bekräftigte, „… dass sich Russland nicht in einen globalen Krieg hineinziehen lassen will, der die ganze Menschheit an den Rand der Vernichtung bringen würde“. In einem umfassenden Krieg – dann bereits zum dritten Mal in Europa geführt (nach Aussage des US-Generals Keith Kellogg) – kann Europa nur als Ganzes verlieren – zugunsten der USA, die bei den beiden Kriegen zuvor unvorstellbar profitierten und zur Weltmacht aufsteigen konnten.

Am Rande des G20-Treffens in Rio de Janeiro am 21. und 22. Februar 2024 erklärte der russische Außenminister Sergei W. Lawrow, dass die während des Kalten Krieges zwischen der UdSSR und den Vereinigten Staaten im gegenseitigen Einvernehmen ausgehandelten und so sorgfältig aufgebauten Hürden gegen ein zufälliges Abgleiten in einen Nuklearkrieg derzeit durch die irrationalen Handlungen des Westens zerlegt werden. „Mit anderen Worten“, so der Ex-Topspion Rainer Rupp, „…passiert derzeit all das, was auf beiden Seiten der Systemauseinandersetzung während der schlimmsten Zeiten des Kalten Krieges befürchtet wurde.“(44)

Rainer Rupp war als „Topas“ eine Spitzenquelle der DDR im NATO-Hauptquartier. Er verhinderte 1983 nachweislich den Atomkrieg, als während der provokativen NATO-Übung „Able Archer“ die sowjetischen Nuklearwaffen bereits scharf gemacht wurden und Westdeutschland nur noch wenige Minuten von der Vernichtung trennten. „Topas“ informierte Berlin, und die DDR wiederum die sowjetische Führung, dass kein Angriff der NATO bevorstünde.(45)

Es ist unvorstellbar, dass in Europa die in Verantwortung stehende Elite die Gefahr nicht erkennen kann oder will und schlafwandelnd in einen Atomkrieg hineinrutscht.

Wie es scheint, lernen die Deutschen nur durch großes Leid und bittere Not. Es sollte uns vor dem grauen, was auf uns zukommt, wenn wir in diesen Krieg, der uns faktisch nichts angeht, hineingezogen werden! Wer George Friedmans Vortrag mit Diskussion über die aufkommende Krise in Europa von Anfang Februar 2015 gehört hat („Europe: Destined for Conflict?“)(46), weiß, warum Entfremdung und Krieg zwischen Deutschland und Russland im Interesse der USA liegen…

Wo bleiben die Massen-Demos gegen den Dritten Weltkrieg?

Die „Berliner Zeitung“ resümiert: „Die abgehörte Besprechung offenbart das dicht verfugte Näheverhältnis der ukrainischen Armee und ihrer westlichen Unterstützer, sowohl in Gestalt der Politik als auch des Militärs und der Rüstungsindustrie.“ Das Schockierendste an der knapp 40-minütigen Besprechung dürfte allerdings sein: In einer geradezu unheimlichen deutschen Gründlichkeit treten die Mechanismen einer kriegerischen Eskalation zu Tage. Wo bleiben die Massen-Demonstrationen gegen den Dritten Weltkrieg? Gefahr droht Deutschland nicht „von „rechts“, Gefahr in einer nie dagewesen Dimension droht Deutschland von den Kriegstreibern in Berlin!

Angesichts dieser Kriegsgefahr sei an den Aufruf vom 31.1.2023 erinnert.(47)

Aufstehen fürs Überleben

Zutiefst besorgt um das Leben und Überleben in der Mitte Europas richten wir diesen Aufruf vorrangig an die Menschen in den deutschsprachigen europäischen Ländern. Bei einer Vielfalt gesellschaftspolitischer Ansichten werden wir von der gemeinsamen Überzeugung getragen, dass unsere Welt zu keiner Zeit seit der Kubakrise 1962 so nah an der Katastrophe war. Wenn der gegenwärtig in den Massenmedien geschürten wahnhaften Kriegsbegeisterung nicht effektiv entgegengewirkt wird, besteht die große Gefahr, dass der Ukraine-Krieg zum Einsatz von Atomwaffen in Europa führt.

Die vielschichtigen Konfrontationen zwischen den Kräften, die eine unipolare Weltherrschaft anstreben und denen, die für eine multipolare Weltordnung sind, haben bereits verheerende Verwüstungen unter anderem in Jugoslawien, Sudan, Irak, Afghanistan, Libyen, Syrien und Jemen verursacht. Die seit 2014 bestehenden militärischen Auseinandersetzungen in der Ukraine stellen einen Teil dieser weltweiten Entwicklung dar.

Inmitten des Kalten Krieges war die Kubakrise ein Weckruf. Anders als heute suchten damals die beiden Großmächte ein Entgegenkommen in beiderseitigem Interesse. So wurden unter anderem die Verträge über die Abwehr ballistischer Raketen und die Verträge über nukleare Mittelstreckenraketen, die inzwischen verworfen wurden, ausgehandelt.

Ausgehandelte Friedensabkommen basieren weniger auf Vertrauen als auf dem gegenseitigen Verständnis, dass die gefundene Alternative im Interesse beider Seiten ist. Wir erheben unsere Stimme für sofortige Friedensverhandlungen und gegen die Kriegstrommler, die eine Fortsetzung des Krieges „bis zum Sieg der Ukraine“ und die entsprechenden Waffenlieferungen fordern.

Unser Schicksal steht auf des Messers Schneide!

Nun kommt es darauf an, durch vielfältige Aktionen dem allgegenwärtigen Kriegsgetrommel aufklärend entgegenzuwirken, damit das Überleben gesichert werden kann.“(48)

Wolfgang Effenberger, Jahrgang 1946, erhielt als Pionierhauptmann bei der Bundeswehr tiefere Einblicke in das von den USA vorbereitete „atomare Gefechtsfeld“ in Europa. Nach zwölfjähriger Dienstzeit studierte er in München Politikwissenschaft sowie Höheres Lehramt (Bauwesen/Mathematik) und unterrichtete bis 2000 an der Fachschule für Bautechnik. Seitdem publiziert er zur jüngeren deutschen Geschichte und zur US-Geopolitik. Zuletzt erschienen vom ihm „Schwarzbuch EU & NATO“ (2020) sowie „Die unterschätzte Macht“ (2022)

 

Quellen und Anmerkungen

1) Macron schließt Einsatz französischer Bodentruppen in Ukraine nicht aus: http://web.de/magazine/politik/russland-krieg-ukraine/macron-schliesst-einsatz-bodentruppen-ukraine-39368452

2) www.merkur.de/politik/nicht-aus-ukraine-macron-schliesst-einsatz-von-bodentruppen-zr-92856275.html

3) www.fr.de/politik/analyse-macron-nato-ukraine-aussage-bodentruppen-soldaten-was-dahinter-steckt-92857249.html

4) www.merkur.de/politik/nicht-aus-ukraine-macron-schliesst-einsatz-von-bodentruppen-zr-92856275.html

5) http://web.de/magazine/politik/russland-krieg-ukraine/ischinger-macron-recht-bodentruppen-debatte-angebracht-39373764

6) www.forbes.com/feeds/ap/2011/03/19/general-libya-diplomacy_8364927.html

7) Willy Wimmer: persönliche mail vom 27. Februar 2024

8) https://www.congress.gov/118/crec/2023/02/28/169/38/CREC-2023-02-28-dailydigest.pdf; https://www.youtube.com/watch?v=tmmPHvlbdwI

9) https://www.agenzianova.com/de/news/lingresso-delle-truppe-nato-in-ucraina-portera-a-uno-scontro-diretto-con-le-forze-di-mosca/

10) www.moser-willi.at/2024/02/26/25-feb-2024-2130-uhr-victoria-nuland-putin-hat-us-plan-fr-russland-vereitelt/

11) www.derstandard.at/story/1389859581781/us-diplomatin-fuck-the-eu

12) https://www.tagesschau.de/inland/scholz-taurus-ukraine-102.html

13) www.zeit.de/news/2024-02/29/experte-kritisiert-scholz-aussagen-zu-verbuendeten-scharf

14) https://www.tagesschau.de/ausland/europa/macron-bodentruppen-ukraine-100.html

15) https://www.whitehouse.gov/briefing-room/speeches-remarks/2022/03/11/remarks-by-president-biden-at-the-house-democratic-caucus-issues-conference/

16) www.cbsnews.com/live-updates/ukraine-m1-abrams-tanks-biden-white-house/

17) https://www.merkur.de/politik/lieferung-ukrainischer-aussenminister-rechnet-mit-taurus-zr-92838921.html

18) http://web.de/magazine/politik/russland-krieg-ukraine/entsetzen-russland-macrons-bodentruppen-aussage-39373148

19) www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/ukraine-krieg-russland-holt-kiesewetters-truppen-aus-den-schuetzengraeben-li.2186338

20) www.msn.com/de-de/nachrichten/welt/sie-sprachen-über-einsatzmöglichkeit-von-taurus-haben-die-russen-vier-top-soldaten-der-bundeswehr-abgehört/ar-BB1jbAAw?ocid=msedgntp&pc=ACTS&cvid=4f425d6877bb4d798f33b8ddfa80c62c&ei=28

21) Scholz verspricht Aufklärung zu Luftwaffen-Mitschnitt

http://web.de/magazine/politik/russland-krieg-ukraine/scholz-verspricht-aufklaerung-luftwaffen-mitschnitt-39387920

22) Ebda.

23) Ein Joint Venture der drei führenden europäischen Unternehmen der Luft- und Raumfahrt sowie der Verteidigung: Airbus (37,5%), BAE Systems (37,5%) und Leonardo (25%). Das einzige integrierte Verteidigungsunternehmen, das Raketen und Raketensysteme für alle Teilstreitkräfte (Luft, See, Land) anbietet. www.mbda-systems.com/about-us/

24) https://www.merkur.de/politik/ukraine-scholz-usa-biden-konflikt-russland-washington-kanzler-deutschland-putin-news-zr-91285339.html

25) www.zeit.de/politik/deutschland/2024-03/pistorius-informationskrieg-abhoeraffaere-taurus-russland

26)  http://msn.com/de-de/nachrichten/politik/taurus-abhöraffäre-ralf-stegner-lehnt-forderung-nach-untersuchungsausschuss-ab/ar-BB1ji2Of?ocid=msedgdhp&pc=ACTS&cvid=04ae5aadd74c4098a9764aef5bb0990c&ei=58

27) Scholz verspricht Aufklärung zu Luftwaffen-Mitschnitt: http://web.de/magazine/politik/russland-krieg-ukraine/scholz-verspricht-aufklaerung-luftwaffen-mitschnitt-39387920

28) Ebda.

29) Ebda.

30) Ebda.

31) www.bundesregierung.de/resource/blob/975226/2260264/8efa1868839ede7609437b341d75c3c5/2024-02-16-ukraine-sicherheitsvereinbarung-deu-data.pdf?download=1

32) www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/gemeinsame-erklaerung-usa-und-deutschland/2472074

33) Heinrich Brüning: Briefe und Gespräche 1934-1945, München 1974, S. 207

34) www.bmvg.de/de/aktuelles/verteidigungspolitische-richtlinien-2023-veroeffentlicht-5701338

35) www.bundeswehr.de/de/organisation/weitere-bmvg-dienststellen/territoriales-fuehrungskommando-der-bundeswehr/aktuelles/symposium-deutschland-gemeinsam-verteidigen-5731912

36) www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_100329044/bundeswehr-deutschland-stellt-streng-geheimen-verteidigungsplan-auf.html

37) Lauterbach bereitet Gesundheitswesen auf „militärische Konflikte“ vor:  www.zeit.de/politik/deutschland/2024-03/krieg-karl-lauterbach-gesundheitsminister-krankenhaus-versorgung-gesetzentwurf-notfall-plan

38) http://archive.ph/20240127233859/https://shape.nato.int/nato-exercises

39) www.watson.ch/international/nato/678905231-steadfast-defender-das-groesste-nato-manoever-seit-1988-in-6-punkten

40) Interessanter Podcast „Was tun, Herr General?“ des MDR vom 8.Februar 2024 mit General Erhard Bühler:#187 „Operationsplan Deutschland“ der Bundeswehr: www.youtube.com/watch?v=7sAtep2WFR0

41) http://web.de/magazine/politik/russland-krieg-ukraine/entsetzen-russland-macrons-bodentruppen-aussage-39373148

42) https://www.presseportal.de/pm/58964/5716692

43) Ebda.

44) Schlafwandeln in den Atomkrieg!

http://freedert.online/meinung/197212-schlafwandeln-in-atomkrieg/

45) Rainer RuppKarl RehbaumKlaus Eichner: Militärspionage (eBook, ePUB). Berlin 2012; www.buecher.de/shop/geschichte–politik/militaerspionage-ebook-epub/rupp-rainer-rehbaum-karl-eichner-klaus/products/detail/prod_id/37075662/

46) Rede Friedmans am 4. Februar 2025 unter www.youtube.com/watch?v=QeLu_yyz3tc

47) Die Unterzeichnerliste wurde zuletzt am 7.1.2024 aktualisiert. https://afsaneyebahar.com/2023/02/13/20694777/

48) V.i.S.d.P.: Wolfgang Effenberger, Dorfmoos 12, 82343 Pöcking

 


Bild oben: Deutsche Soldaten des 3. Panzerbataillons mit Leopard 2A6 auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr, 03. Juni 2018
Foto: U.S. Army Photo by Lacey Justinger, CC BY 2.0
Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=69781474