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Jacques Baud im Visier der EU: Sanktionen gegen Schweizer Ex-Offizier geplant

Berichten zufolge will die Führung der EU die Liste ihrer antirussischen Sanktionen erweitern. Das soll erneut auch angebliche «Propagandisten» treffen, darunter den ehemaligen Schweizer Offizier Jacques Baud. Gegenüber «Transition News» zeigte er sich überrascht.

Von Tilo Gräser

Erstveröffentlichung am 13.12.2025 auf transition news

Die Außenminister der Europäischen Union (EU) wollen am Montag die antirussischen Sanktionen auf weitere Personen außer- und innerhalb der EU ausweiten. Das geht aus Berichten des deutschen Auslandssenders Deutsche Welle (DW) und des US-Senders Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL) hervor.

Laut DW sollen Mitglieder des russischen Diskussionsforums Waldai-Club auf die Sanktionsliste kommen. Die Korrespondentin des Senders spricht unüberprüft von «russischen Propagandisten», die getroffen werden sollen. Das habe eine EU-Beamtin am Freitag auf einer Pressekonferenz mitgeteilt.

Begründet werde das Vorgehen Brüssels damit, dass der Waldai-Club von der russischen Regierung gegründet wurde. Er fungiere «als komplexes Instrument zur Beeinflussung der internationalen Wahrnehmung und der Narrative über Russland», habe die EU-Beamtin erklärt.

Die jährliche Veranstaltung unterliege bereits den Sanktionen und mehr als 60 Namen von Teilnehmern seien schon auf der Liste, die am Montag erweitert werde. Nun sollen unter anderem die russischen Politikwissenschaftler Dmitri Suslow, Fjodor Lukjanow und Andrej Suschenzow hinzukommen.

Bezeichnenderweise legte die DW-Korrespondentin nach und bezeichnet den Waldai-Club selbst als «Propagandaplattform zur Förderung russischer Narrative in der Außen- und Innenpolitik und zur Rechtfertigung der imperialistischen Politik der russischen Führung». Sie liefert damit einen Beleg, wie wenig unabhängig westlicher Journalismus ist.

Das gilt auch für den Sender Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL) – einst als US-Propagandasender gegründet und von der CIA geführt –, der bereits am Mittwoch berichtete, dass die Sanktionsliste der EU erweitert werden soll. Demnach gilt das neben Schiffen der angeblichen russischen «Schattenflotte» auch für Personen, von denen die EU-Verantwortlichen «glauben, dass sie im Auftrag Russlands weltweit destabilisierende Aktivitäten durchgeführt haben».

Neben angeblichen Mitarbeitern des russischen Militärgeheimdienstes GRU sowie dem US-amerikanisch-russischem Staatsbürger John Mark Dougan sowie dem ehemaligen französischen Offizier Xavier Moreau solle es nun auch Jacques Baud treffen. Der ist ehemaliger Offizier des Schweizer Armee und des Schweizer Nachrichtendienstes und hat für die NATO ebenso wie für die UNO gearbeitet.

Baud analysiert seit mehreren Jahren die internationale Sicherheits- und Militärpolitik, vor allem seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar 2022. In mehreren Büchern, zahlreichen Beiträgen sowie Interviews hat er sich kritisch mit der Entwicklung und insbesondere der westlichen Politik auseinandergesetzt. Dabei warnt er insbesondere vor Fehlentscheidungen in Folge unrealistischer Einschätzungen und der Ignoranz gegenüber den russischen Interessen und Sichten.

Nun wird ihm laut dem RFE/RL-Bericht nach vorgeworfen, er habe «als Sprachrohr für pro-russische Propaganda fungiert und Verschwörungstheorien verbreitet, beispielsweise indem er die Ukraine beschuldigt, ihre eigene Invasion inszeniert zu haben, um der NATO beizutreten». Das ist aus seiner Sicht «absurd», wie er im Gespräch mit Transition News am Samstag dazu erklärte.

Er sei «überrascht», dass er als «Propagandist» bezeichnet werde, sagte Baud und verwies darauf, dass er den Konflikt um die Ukraine analysiere und nie zugunsten einer Seite Propaganda mache. Er habe mehrfache Anfragen russischer Medien wie RT abgelehnt, «weil ich nicht wollte, dass meine Analysen von den Parteien instrumentalisiert werden können».

Seine Bücher und Beiträge zum Ukraine-Krieg stützen sich hauptsächlich auf umfangreiche ukrainische und westliche Quellen, worauf er auch immer wieder hinweist und die er auch in Video-Interviews angibt. Seine Arbeit sei nicht politisch motiviert, sondern fachlich, betonte er im Gespräch. Dafür nehme er keine russischen Quellen, außer bei direkten Zitaten, weil er bewusst auf Informationen verzichte, die Propaganda sein könnten und die er nicht machen wolle.

«Das ist auch interessant. Es zeigt, dass trotz der Tatsache, dass ich nur ukrainische und westliche Quellen nehme, das als russische Propaganda erscheint.»

Bei seiner Analyse verzichte er auf Emotionen oder persönliche Einschätzungen, hob der ehemalige Nachrichtendienstanalytiker hervor. Er dokumentiere stattdessen, was geschieht, und dazu gehören seinen Worten nach die seit 2022 gemachten Fehler in der Ukraine. Die zeigten, auch aus Sicht der US-Amerikaner, dass die Ukraine den Krieg verlieren werde, aber in Europa habe niemand die Warnungen zur Kenntnis genommen.

«Heute merkt man vielleicht, man hätte auf diese Warnungen reagieren müssen. Vielleicht ist das der echte Grund dahinter.»

Nun werde auf den Überbringer der Botschaft geschossen, sagte Baud zu den EU-Sanktionsplänen gegen ihn. Aber auch die Botschaft, die er übermittle, werde ins Visier genommen, «statt Lösungen zu finden». Das grundlegende Problem seit 2022 sei, dass sich der Westen auf das eigene Narrativ zum Ukraine-Krieg fokussiere, statt auf die Fakten zu achten.

«Man überzeugt sich selbst, dass die Ukraine gewinnt. Doch die Fakten zeigen etwas anderes. Das ist eine grundlegende Frage. Das Narrativ ist das Wichtigste.»

Im Gespräch betonte Baud, wie wichtig es sei, in einem Konflikt den Gegner beziehungsweise Feind zu verstehen. Das habe er im Nachrichtendienst gelernt – «aber genau das hat man in Europa gar nicht gemacht». Dagegen seien alle russischen Informationskanäle und Medien blockiert und gesperrt und systematisch auf die «Botschafter» geschossen worden. Ein Schweizer Journalist habe ihm beispielsweise vorgeworfen, er sei vom Kreml bezahlt. Dazu sagte er:

«Ich habe nie einen einzigen Rubel oder Euro von Russland bekommen. Ich bin nie in den russischen Medien. Ich habe nie im Auftrag von jemandem etwas geschrieben.»

Der Vorwurf an Baud, «Verschwörungstheorien» zu verbreiten, «indem er die Ukraine beschuldigt, ihre eigene Invasion inszeniert zu haben, um der NATO beizutreten», ignoriert nicht nur seine Analyse. Er verschweigt, das genau das der ehemalige ukrainische Präsidentenberater Oleksej Arestowitsch in einem Interview im März 2019 erklärte – was Baud nur zitiert. Arestowitsch, der inzwischen im Exil lebt, sagte damals unter anderem:

«Der Preis für den NATO-Beitritt ist jedoch höchstwahrscheinlich ein umfassender Konflikt mit Russland: entweder ein größerer Konflikt mit Russland als derzeit oder eine Reihe solcher Konflikte. In diesem Konflikt würden wir jedoch sehr aktiv vom Westen unterstützt werden – mit Waffen, Technik, Hilfe, neuen Sanktionen gegen Russland und möglicherweise auch mit der Entsendung von NATO-Truppen, einer Flugverbotszone usw. Das heißt, wir würden ihn nicht verlieren, und das ist schon mal gut.»

Die europäischen Politiker hätten alle Informationen ignoriert und weggelassen, die ihr Narrativ stören, kritisiert Baud. Statt das Problem zu behandeln, würden Informationen vernachlässigt, die eine andere Sichtweise ermöglichen würden.

«Das ist genau die Erklärung dafür, warum die Ukraine heute verliert. Der Grund dafür ist nur, dass wir alles falsch verstanden haben.»

Im Gespräch sagte der ehemalige Schweizer Offizier, dass er noch keinerlei offizielle Informationen zu den geplanten Sanktionen gegen ihn bekommen habe. Auf der Plattform Telegram war schon zu lesen, dass alle Bankkonten und Vermögenswerte von Baud, der in der EU lebt, gesperrt worden seien.

Er habe alle bisherigen Informationen zu dem Vorgang auch nur aus den Medien bekommen, erklärte er auf Nachfrage. Er wisse daher auch gar nicht, wie er rechtlich gegen die Sanktionen vorgehen könne. Personen, die von der EU sanktioniert werden, dürfen sich nicht in deren Territorium aufhalten und bekommen keinen Zugriff auf finanzielle und sonstige Vermögenswerte in der EU.

Baud machte auch auf den Unterschied zum vom RFE/RL-Bericht erwähnten französischen Ex-Offizier Xavier Moreau aufmerksam. Dieser lebe in Russland, habe dessen Staatsbürgerschaft bekommen und arbeite unter anderem für RT. Der Schweizer Ex-Offizier betonte dazu noch einmal, dass er keinerlei vertragliche Beziehungen zu Russland habe.

In dem 17. EU-Sanktionspaket wurden im Mai dieses Jahres bereits die beiden in Russland lebenden und arbeitenden deutschen Staatsbürger und Journalisten Alina Lipp und Thomas Röper (wir berichteten) sowie der deutsche Journalist Hüseyin Doğru aufgeführt. Der Vorwurf gegen sie ähnlich wie gegen Baud und die anderen jetzt ins Visier Genommenen: Sie sollen «russische Propaganda» verbreitet und durch ihre Berichterstattung zu «destabilisierenden Aktivitäten» beigetragen haben. Für alle von den Sanktionen Betroffenen gibt es kaum rechtliche Möglichkeiten, gegen die EU-Maßnahmen vorzugehen.

Tilo Gräser ist diplomierter Journalist und Mitglied des Deutschen Freidenker-Verbandes

Quelle:  Radio Free Europe/Radio Liberty: Brussels Adds New Names To Blacklist In Latest Russia Sanctions Package – 10. Dezember 2025


Bild oben: Jacques Baud bei einem Video-Interview mit Diether Dehm, „Die Ukraine kann nicht gewinnen“, 04.11.2023
Screenshot aus dem Video von Diether Dehm
Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=ZPVD2wpHuaM