Frieden - Antifaschismus - Solidarität

Die neuen Leiden des alten Peter F.  

Das traumatische Erlebnis vom 30.08.2025

von Peter Federl 

Morgens war mir schon bewusst, dass dieser Tag ein langer wird: Um 13:00 Uhr  Termin im Rathaus in Porz zur Kommunalwahl (Info für Wahlhelfer) und für 13:30 hatte das Kölner Friedensforum zu einer Demo aufgerufen:

„Auf zur Demo am Antikriegstag! Frieden schaffen – Aufrüstung stoppen!“

Als Friedensaktivist war damit für mich die Teilnahme selbstverständlich.  Als die Bahn Richtung Porz am Heumarkt vorbeifuhr, füllte sich der Heumarkt schon mit Demonstranten. Mir war klar, dass ich erst später dazustoßen werde.  Die Veranstaltung im Rathaus dauerte etwas länger, und so kam ich um 15:00 Uhr am Heumarkt an. In der Bahn kam schon die Durchsage, dass alle aussteigen müssen, wegen der Demo fährt die Bahn nicht weiter.

Zu meinem Erstaunen sah ich, dass der Demonstrationszug noch gar nicht gestartet war, alle befanden sich noch auf den Heumarkt. So ging ich dann hin und bekam dann noch mit, dass die Polizei seit über einer Stunde den Abmarsch verhinderte und von Auflagen sprach, die eingehalten werden mussten. Da ging es dann noch um das Material der Stöcke von den Fahnenstangen und Transparenten. Einige waren aus Metall, das wäre wohl nicht erlaubt, sowie Vermummung mit Sonnenbrillen und Palitüchern auch nicht.

Aber dann durfte der Zug losmarschieren. Aber nur ein kurzes Stück, dann wurden weitere Auflagen bekanntgegeben: die längsseitigen Transparente dürfen nicht miteinander verknotet werden und sollten nicht so hoch getragen werden, weil alle Gesichter auch erkennbar sein müssen. Danach ging es dann wieder mal ein Stückchen weiter, dann zündete im vorderen Bereich jemand zwei Böller. Passiert schon mal, es gab dann einen Knall und etwas Qualm und Rauch. Und das war es schon. Für den Abend war in Köln eine Veranstaltung geplant, Kölner Lichter, Feuerwerk und Böller zur Volksbelustigung ohne Ende. Aber für die Polizei war das dann auch wohl der Anlass, diese Demo in einer kleinen Seitenstraße zu leiten, um dann vorne und hinten zuzumachen. Ich befand mich im hinteren Teil (fast am Ende) des Demozuges und konnte sehen, wie jede Menge Mannschaftswagen auffuhren, auch Krankenwagen mit Blaulicht durften da schon nicht fehlen.

Der Lautsprecherwagen der Polizei war vorne, und so konnte ich auch noch die meisten Durchsagen nicht verstehen. Denn im Demozug waren auch zahlreiche Musikanten, die sangen und Instrumente bespielten. Es war trotz aller bis dahin gelaufenen Schikanen der Polizei die Stimmung noch gut. Aber vermutlich gab es vorne ein Gerangel zwischen der Polizei und Demonstranten.

Und dann stellten sich die Polizisten ringsum auf und uns (auch mir) wurde klar, es gibt einen Kessel. Ob es vorne Gespräche oder Verhandlungen zwischen Polizei und Demoleitung gegeben hat, kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls wurde gefordert, dass die Polizei die Demo in ihrem Ablauf nicht behindern soll, sondern die Straße freizumachen hat, um wie geplant zum Chlodwigplatz zu demonstrieren und eine Abschlusskundgebung durchzuführen.

Dieses wurde aber nicht gestattet und alles richtete sich darauf ein, dass dieser Kessel wohl länger dauert. Nach meiner Erinnerung müsste dies so um 16 – 17 Uhr gewesen sein. Einige Demonstranten – vor allem mit Kindern – verließen dann die Demo. Auch dieses ging nicht so einfach wie ich teilweise sehen konnte. Sie mussten wohl um Erlaubnis fragen und Erklärungen abgeben und sich dann auch entfernen. Aufforderungen, den Toilettengang zu ermöglichen, wurden abgelehnt. Die Demo-Sanitäter verteilten schon mal Snacks und Wasser und wurden dabei von Polizisten eskortiert. Eine ärztliche Versorgung durch die Sanitäter wurde teilweise auch behindert.

Da ich nicht mehr der Jüngste bin, fiel es mir nun immer schwerer zu stehen. Sitzen war ja kaum möglich, nur auf dem Boden, dann hätte ich das Problem, aufzustehen. Aber es waren ja sehr viele junge Leute auch in diesem hinteren Teil, die mir dann als älteren Menschen halfen, aufzustehen, mir Getränke, Snacks und Obst überreichten. Und immer wieder die Frage stellten, ob ich denn noch körperlich kann, was ich dann auch bejahte, obwohl mir die Beine schon sehr weh taten. Auch aus diesem Grund wollte ich diese jungen Menschen nicht im Stich lassen und habe mich vorbehaltlos mit ihnen solidarisiert. Denn es waren dann schon fast 4 Stunden Stehen. Viel trinken wird mir ja immer gesagt, aber was mache ich, wenn es keine Toilette gibt. In meinem Alter kann man nicht mehr so lange aushalten. Die Würde des Menschen ist doch unantastbar, dachte ich und konnte diesen Gedanken dann abhaken. Es steht ja nur im Grundgesetz. Wie hatte Max Reimann mal gesagt: Es wird die Zeit kommen in denen wir das GG verteidigen müssen. Es ist wohl (längst?) soweit.

Und die Anwohner auf dieser Straße, liebe Menschen, waren solidarisch. Aus den Fenstern wurden Müsli-Riegel und auch Wasser ausgegeben. Irgend jemand hatte auch ein Pizzataxi bestellt. An Essen und Trinken hat es nicht gemangelt, und „Wasser lassen“ war schließlich auch kein Problem, weil zwei Gullys genutzt werden konnten und mit Transparenten ein Sichtschutz erstellt wurde. Wenn sich etwas bewegte, dann waren es immer Rangeleien mit Polizisten. Und so wurden Lieder gesungen, Instrumente bespielt, bis es wohl der Polizei zu viel wurde. Etwa um 20:00 Uhr wurde von der Polizei das Ende der Demo bekannt gegeben, und wir sollten uns wohl irgendwie auflösen. Mit großer Übereinstimmung wurde bekannt gegeben: wir wollen weiterhin geschlossen zum Chlodwigplatz demonstrieren. Das war dann für die Polizei der Anlass, um den Kessel enger zu schließen. Wer jetzt nicht freiwillig geht, wird dann entsprechend von der Polizei behandelt. Gruppen der Polizei stellten sich dann auf und fingen an, einzelne Menschen mit Gewalt aus dem Block zu ziehen. Wir haben uns dann untergehakt,  sodass dieses Herausziehen oftmals nur mit großer Anstrengung und Schlägen nach links und rechts vor sich ging.

Und die Menschen reagierten natürlich auch unterschiedlich, je mehr sie sich sträubten, umso mehr Gewalt wurde angewendet. Und so wurde der Block immer kleiner, da es aber immer nur 2-3 Personen waren, konnte ich mir ausrechnen wann ich dran war. Und damit auch überlegen, wie viel Widerstand ich leiste. Ich bin ja ein alter Mann und werde mich natürlich nicht mit 2 oder 3 Polizisten rumprügeln. Das sind ausgebildete Kämpfer, haben Knüppel und Pfefferspray, da bin ich sowieso chancenlos. Aber einfach mitgehen wollte ich auch nicht.

Dann so nach 00:00 Uhr war auch ich dran, vorher aber noch die junge Frau die rechts von mir untergehakt war. Als diese Frau geholt wurde, bekam ich von einem Polizisten einen Schlag ins Gesicht, sodass ich das Unterhaken öffnen musste.  Diese Frau wurde dann abgeführt. Danach war ich dran. Ich hatte ein mulmiges Gefühl und den Gedanken: Beiß die Zähne zusammen. Du hast auch schon Unfälle gehabt und der Schmerz währt nicht ewig. Dann kamen sie, zwei massive Gestalten und zogen mich aus dem von ihnen errichteten Kessel. Da ich aber auch noch untergehakt war, schlugen sie auf den anderen ein und warfen mich zu Boden. Das war schon sehr schmerzhaft für mich. Ich wollte wegkriechen, aber dann packten sie mich, zogen mich ein Stück und stellten mich wieder auf die Füße. Bei dieser Aktion wurde mein Hemd zerrissen und meine Hörgeräte gingen dabei verloren. Das ist auch schmerzlich, denn immerhin haben diese 1000,00 € gekostet. Die Schürfwunde im Gesicht habe ich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht bemerkt.

Dann wurde ich zur Vernehmung geschleppt, Taschen- und Rucksackkontrolle, Leibesvisitation. Aber ich hatte keine Waffen dabei. Und trotz aller Schmerzen hatte ich meinen Humor nicht verloren. Auf die Frage nach Waffen gab ich die Antwort: Ja, ich habe Verstand. Und weitere Fragen beantworte ich nicht, mein Rechtsanwalt kommt erst in den nächsten Tagen aus dem Knast. Das fand der Beamte gar nicht lustig, und erklärte mir, dass ich eine Anzeige bekomme wegen schwerem Landfriedensbruch. Aha, dachte ich, schwerer Landfriedensbruch ist das, an einer erst genehmigten Demo teilzunehmen und mich dann nicht auf Anforderung zu entfernen. Untergehakt habe ich mich, solidarisches Verhalten würde ich das nennen. Aber da gehen die Meinungen wohl auseinander. Dann sagte er mir noch, dass ich die Stadt Köln bis Sonntag 17:00 Uhr nicht verlassen darf. Auf meinen Einwand, dass ich zur Landeskonferenz des DFV (Deutscher Freidenker-Verband) nach Duisburg muss, kam dann die lapidare Antwort, meine eigene Schuld und ich sollte mir gut überlegen, was ich mache. Dann wurde auch noch ein Platzverbot ausgesprochen, selbst mein Handy durfte ich erst nach Verlassen dieser Bannmeile benutzen. Ich wollte auch nur noch schnell nach Hause, und stellte dann fest, das meine Hörgeräte weg waren und ich eine Schürfwunde im Gesicht habe. Hätte ich wohl melden sollen, habe ich leider nicht getan, jedoch von einem Demo-Sanitäter pflastern lassen. Seinem Hinweis, zum Krankenhaus zu fahren, bin ich nicht nachgekommen. Eigentlich konnte ich kaum noch klar denken. Die Beine schmerzten mir noch bis tief in die Nacht. Um 02:30 Uhr war ich zu Hause und froh, im Bett zu liegen. Zur Landeskonferenz hätte ich es wohl eh nicht geschafft.

Jetzt bin ich noch gespannt was da auf mich zukommt, denn „schwerer Landfriedensbruch“ hört sich ja sehr schlimm an. Aber als typischer Steinbock werde ich doch wieder auf die nächsten Demos gehen, ich kann wohl nicht mehr anders. Und die gesellschaftlichen Verhältnisse verlangen es einfach. Und das Verhalten vieler junger Menschen, die Einwohner von Köln, die solidarisch waren, bestärken mich in dieser Auffassung.

Peter Federl ist Mitglied des Landesvorstandes NRW des Deutschen Freidenker-Verbandes


Bild oben: Polizeigewalt gegen die Antikriegsdemo am 30.08.2025 in Köln
Screenshot aus einem Video von Cologne “Captain Jeck” Jeck
© Cologne “Captain Jeck” Jeck
Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=fwa0HEHZ9t0