
In Rumänien gewinnt erneut der „falsche“ Kandidat …
… und was Spiegel-Leser darüber (nicht) erfahren
Bei der Präsidentschaftswahl in Rumänien hat erneut der „falsche“ Kandidat die erste Wahlrunde gewonnen. Interessant ist, wie der Spiegel darüber berichtet und was er seinen Lesern verschweigt.
von Anti-Spiegel (d.i. Thomas Röper)
Erstveröffentlichung am 05.05.2025 auf anti-spiegel.ru
Ende November fand in Rumänien die erste Runde der Präsidentschaftswahlen statt und dabei gewann Calin Georgescu, ein als Nationalist bezeichneter Kandidat, der sich kritisch gegenüber NATO und EU äußert, mit 22,9 Prozent der abgegebenen Stimmen. Den zweiten Platz belegte eine Bürgermeisterin, deren politische Positionen nicht wirklich berechenbar waren. Damit hatte es kein Kandidat des pro-EU- und pro-NATO-Establishments in die entscheidende zweite Wahlrunde geschafft.
Die Präsidentschaftswahlen in Rumänien
Rumänien ist zwar eine parlamentarische Demokratie, in der der Ministerpräsident die Regierung anführt, aber der rumänische Präsident hat wichtige Vollmachten in den Bereichen Militär- und Sicherheitspolitik. Da Rumänien einer der Standorte der sogenannten US-Raketenabwehr ist und weil in Rumänien derzeit die größte NATO-Basis in Europa für 10.000 Soldaten gebaut wird und weil Rumänien als Schwarzmeerstaat und Nachbar der Ukraine für die NATO strategisch wichtig ist, war die Aufregung in der EU, der NATO und den (damals noch vom Biden-Team regierten) USA groß und es wurde Druck gemacht, die zweite Wahlrunde zu verhindern.
So geschah es auch. Das rumänische Verfassungsgericht gab dem Druck nach und annullierte die erste Wahlrunde unter dem Vorwand, der Wahlsieger Georgescu habe von einer TikTok-Kampagne profitiert, die von Russland finanziert worden sei. Sein Wahlsieg sei das Ergebnis einer russischen Wahleinmischung und daher müsse die Wahl annulliert werden. Die für Anfang Dezember geplante Stichwahl wurde abgesagt.
Allerdings stellte sich bald darauf heraus, dass die TikTok-Kampagne gar nicht von Russland finanziert war. Am 20. Dezember wurde bekannt, dass die Kampagne von der EU-freundlichen liberalkonservativen Partei PNL finanziert wurde, die im EU-Parlament zum EVP-Block gehört. Die Kampagne hatte wahltaktische Gründe, denn die PNL wollte mit der Kampagne für Georgescu einen anderen Kandidaten schwächen, indem sie Wähler von ihm zu Georgescu „umleiten“ wollte. Dass Georgescu die Wahl gewinnt, war natürlich nicht gewollt.
Die Tatsache, dass der Vorwand, unter dem das Verfassungsgericht die Wahlen annulliert hatte, damit hinfällig war, interessierte niemanden. Die Wahl wurde für Mai neu angesetzt und Georgescu wurde die erneute Kandidatur untersagt.
In Rumänien brodelte es und es gab immer wieder Demonstrationen für Georgescu. Für ihn ging George Simion ins Rennen, der angekündigt hat, Georgescu im Falle seines Wahlsieges zum Regierungschef zu ernennen.
Die offensichtliche Manipulation der Wahlen durch das Verbot für Georgescu, bei den Wahlen anzutreten, führte dazu, dass „sein“ Kandidat Simion in Umfragen führte und am Sonntag bei der ersten Wahlrunde mit 41 Prozent noch viel deutlicher gewann als Georgescu, der die erste Wahlrunde im November mit nur knapp 23 gewonnen hatte. Der zweitplatzierte Kandidat, der Bukarester Bürgermeister Nicusor Dan, bekam am Sonntag mit etwa 20 Prozent nicht einmal halb so viele Stimmen wie Simion.
Die Frage ist nun, ob auch diese erneute Präsidentschaftswahl in Rumänien auch annulliert wird oder ob andere Tricks angewendet werden, um den Wahlsieg von Simion bei der Stichwahl am 18. Mai zu verhindern. Die Vorarbeit dafür wurde gemacht, denn Ende April wurden gegen Simions Partei Ermittlungen wegen der Finanzierung des Wahlkampfes eingeleitet. Nach den Erfahrungen vom November ist also nicht auszuschließen, dass auch diese Wahlen wieder annulliert werden, weil die Menschen in Rumänien „falsch“ abgestimmt haben.
Kommen wir nun dazu, was der Spiegel über die Wahlen in Rumänien (nicht) berichtet.
Der Spiegel verschweigt Vertragsbrüche der NATO
Der Spiegel hat unter der Überschrift „Präsidentschaftsfavorit Simion in Rumänien – Er bewundert Trump und hält nicht viel von Europa“ über den Wahlsieg von Simion berichtet und der Spiegel-Artikel ist ein sehr anschauliches Beispiel dafür, wie die Medien ihre Leser durch geschickte Formulierungen, Weglassen von Informationen und sogenannter Dekontextualisierung desinformieren. Dekontextualisierung bedeutet, wichtige Informationen nicht in den zum Verständnis nötigen Zusammenhang zu stellen.
Zunächst verteufelt der Spiegel Simion als „Rechtspopulist“, damit die Spiegel-Leser die gewollte Antipathie gegen ihn entwickeln. Danach schreibt der Spiegel über die geplante NATO-Basis in Rumänien:
„In den Strategiepapieren des transatlantischen Verteidigungsbündnisses nimmt Rumänien eine zentrale Rolle ein, allein am Stützpunkt Mihail Kogălniceanu nahe der Schwarzmeermetropole Constanța sollen in wenigen Jahren mehr als 10.000 Männer und Frauen die größte Nato-Basis Europas bevölkern.“
Die Formulierung, „Männer und Frauen“ würden eine Nato-Basis „bevölkern“, habe ich hier zum ersten Mal gelesen. Das klingt richtig niedlich, dabei wäre die korrekte Formulierung, dass in der NATO-Basis 10.000 Soldaten stationiert werden sollen. Aber der Spiegel bemüht sich um eine möglichst harmlose Formulierung.
Wichtiger ist aber etwas anderes, denn der Spiegel verschweigt seinen Lesern, dass diese neue, größte NATO-Basis Europas gegen einen internationalen Vertrag verstößt. Auch wenn der Westen die NATO-Russland-Grundakte von 1997 schon seit über zehn Jahren bricht, ist der Vertrag immer noch in Kraft. Und der Vertrag verbietet der NATO die dauerhafte Stationierung von Soldaten in den nach dem Ende des Kalten Krieges neu hinzugekommenen NATO-Mitgliedsstaaten.
Aber das müssen Spiegel-Leser ja nicht wissen, denn sie könnten ja Verständnis für Russland entwickeln, wenn sie wüssten, dass die NATO diesen Vertrag seit mindestens 2014 bricht, als sie begonnen hat, Truppen in den baltischen Staaten zu stationieren.
Eine Lektion in geschickter Desinformation
Faszinierend wird der Spiegel-Artikel, als er endlich auf die annullierten Wahlen zu sprechen kommt. Um dieses Kunststück der Desinformation zu genießen, muss ich daraus ausführlich zitieren. Zunächst schreibt der Spiegel nebulös von Calin Georgescu als „dem rechtsextremen Kandidaten, der vor wenigen Monaten zur Zentralfigur der bis heute andauernden rumänischen Staatskrise wurde“. Interessant wird es, als der Spiegel diese „Staatskrise“ danach erklärt:
„Georgescu hatte am 24. November die erste Runde der Präsidentschaftswahl mit klarem Vorsprung für sich entschieden. In der Folge urteilte das Verfassungsgericht, die Wahl komplett zu annullieren. Der Vorwurf: Der bis dahin weitgehend unbekannte Kandidat Georgescu habe die Finanzierung seines Wahlkampfs nicht ausreichend offengelegt. Es lägen Geheimdienstdokumente vor, die ihn als Mann Moskaus auswiesen.“
Damit hat der Spiegel wieder die Feindbilder seiner Leser gefüttert, denn dass jemand ein „Mann Moskaus“ ist, ist für Spiegel-Leser etwas Schreckliches. Erst dann schreibt der Spiegel:
„Dass die das Land seit Jahrzehnten regierenden Sozialisten und Nationalliberalen mithalfen, den Außenseiter Georgescu aus wahltaktischen Motiven großzumachen, kam erst nach und nach ans Licht. Das rumänische Verfassungsgericht befand am 11. März letztinstanzlich, dass der Kandidat aus dem Rennen um das höchste Amt im Staate ausgeschlossen werden müsse.“
Man kann dem Spiegel nicht vorwerfen, dass er verschwiegen hätte, dass es die angeblichen Hinweise auf eine russische Wahleinmischung nie gegeben hat. Aber der Spiegel formuliert es so geschickt, dass Leser, die die Geschichte nicht kennen, das nicht verstehen können, denn der Spiegel erklärt seinen Lesern nicht, dass die Wahl wegen der TikTok-Kampagne annulliert wurde, von der sich danach herausstellte, dass sie nicht von Russland, sondern von einen politischen Konkurrenten finanziert worden war.
So, wie der Spiegel es formuliert, klingt es so, als habe die Geschichte zwar irgendwie ein „Geschmäckle“, aber der Spiegel-Leser kann nicht verstehen, dass es sich um einen handfesten Skandal handelt. Und da der Spiegel seinen Artikel damit begonnen hat, dass Georgescu und Simion gegen die Ukraine-Hilfen, die NATO und die EU, aber für Trump und Putin und außerdem auch noch „Rechtspopulisten“ sind, sorgt der Spiegel dafür, dass bei seinen Lesern erst gar keine Sympathien für die beiden aufkommen können.
Das ist ein sehr anschauliches Beispiel dafür, mit welchen Tricks die westliche Propaganda funktioniert: Zuerst wird der Leser in die gewollte Stimmung gebracht, indem der Spiegel Georgescu und Simion in den Augen seiner Leser schlecht macht, danach kommt die eigentliche Meldung, wobei die Dinge, die nicht ins Bild passen, so formuliert werden, dass der normale Leser die Zusammenhänge nicht verstehen kann.
Bloß die Rolle der EU nicht erwähnen!
Danach schreibt der Spiegel noch folgendes:
„Nicht nur im Inland wurde der Verdacht laut, die alten Eliten des Landes hätten einen unliebsamen Kandidaten aus dem Verkehr gezogen. US-Vizepräsident JD Vance sprach bereits im Februar von »fadenscheinigen Verdachtsmomenten eines Geheimdienstes« und dem »enormen Druck seitens der kontinentalen Nachbarn« auf Rumänien, Georgescus Triumph zu verhindern.“
Der Verdacht ist nicht etwa, dass „die alten Eliten des Landes“ Georgescu „aus dem Verkehr gezogen“ haben, sondern dass das auf Druck aus Brüssel und Washington geschehen ist. Und das lässt sich ja auch recht leicht belegen, wenn man sich die Ereignisse von Anfang Dezember 2024 anschaut. Brüssel und Washington haben dem rumänischen Verfassungsgericht öffentlich mitgeteilt, wie es zu entscheiden hat – und das Gericht hat dem gehorcht.
Aber auch das müssen Spiegel-Leser ja nicht wissen, weil Brüssel ja angeblich der Hort der Demokratie ist. Wenn der Spiegel schon eingesteht, dass die Wahlen in Rumänien ein „Geschmäckle“ haben, dann ist daran bitte Rumänien alleine Schuld, aber unter keinen Umständen der offene Druck aus Brüssel, den übrigens auch US-Vizepräsident Vance in seiner Rede angeprangert hat, was der Spiegel hier auch verschweigt.
Mehr erfahren Spiegel-Leser über die Wahlen nicht, danach geht es in dem Artikel wieder darum, dass Simion ein „bedingungsloser Bewunderer“ von Trump sein soll, dass er „als Gegner anhaltender militärischer Unterstützung für die Ukraine“ gilt und so weiter.
So hat der Spiegel es fertig gebracht, einen aus 15 Absätzen bestehenden Artikel über die Wahlen in Rumänien zu veröffentlichen, wobei es in nur vier Absätzen tatsächlich um die Wahlen geht. Der Rest des Artikels ist Beiwerk, das gebraucht wird, um den Spiegel-Leser von dem Skandal der auf Druck von Brüssel und der Biden-Regierung annullierten Wahlen abzulenken.
Thomas Röper, geboren 1971, lebt seit über 15 Jahren in Russland. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Bild oben: George Simion auf einer Wahlkampfveranstaltung im November 2024
Foto: AUR Alianța pentru Unirea Românilor, CC0
Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=161208206