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80 Jahre Begegnung an der Elbe

von Klaus Hartmann

Stadt Torgau gestaltet einen Tag der Würdelosigkeit

Am historischen Jahrestag des Zusammentreffens von Soldaten der Roten Armee und der US-Armee hat die Stadt Torgau auch 2025 zum Gedenken am Begegnungs-Denkmal geladen. Der „Elbe-Tag“ heißt inzwischen „Elbe Day“, und auf großflächigen Plakaten warb die Stadt: „Schafft Begegnung“. Genau die schaffte sie aber nicht, vorsätzlich.

Torgaus Oberbürgermeister Henrik Simon begrüßte zunächst die weiteren Redner: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), den evangelischen Regionalbischof Dr. Johann Schneider und Dr. Markus Pieper von der „Stiftung Sächsische Gedenkstätten“, dann die „städtische Zivilgesellschaft“ (also nicht die anwesende Polizei) sowie „Gäste“. Der bereits vor der Ankunft der Provinzprominenz anwesende Botschafter der Russischen Föderation wurde weder begrüßt noch namentlich erwähnt, und „selbstverständlich“ wurde ihm ein Rederecht verwehrt. Auch im Bericht von dem Wochenende auf der Internetseite der Stadt wird die Anwesenheit des russischen Botschafters Sergej Netschajew verschwiegen, sein Name nicht genannt.

Ministerpräsident Kretschmer bedauerte dann die Abwesenheit von Vertreter u.a. von Belarus, die doch laut Anweisung des deutschen Außenministeriums ebenso wie Vertreter Russlands von Gedenkveranstaltungen ferngehalten werden sollten. Doch Kretschmer bevorzugte die Methode „Haltet den Dieb!“, und log ungeniert: „Dass sie nicht kommen, hat vermutlich mit der Anwesenheit des russischen Kollegen zu tun.“ (dpa, 25.04.2025)

Es folgte der NATO-Propaganda-Standard: „Es war Russland, das einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine begonnen hat“, dann wurde Kretschmer wieder wunderlich: Russland habe den Krieg „nicht erst 2021“ begonnen – eine Jahreszahl, die man in diesem Zusammenhang eher selten hört – sondern „bereits 2014“, und zwar mit „der Besetzung der Schwarzmeer-Halbinsel Krim“. (Auch das verblüfft, wurde doch das auf der Krim vertragsgemäß stationierte russische Truppenkontingent überhaupt nicht aufgestockt und auch nicht ein Schuss abgegeben.) Mit seinem Satz „es liegt an Russland, nur an Russland, diesen Krieg zu beenden“ erzielte der Ministerpräsident endlich die fälligen Buh-Rufe.

Regionalbischof Schneider beschimpfte die Konkurrenz und warf der Russisch-Orthodoxen Kirche die „Verachtung des Friedens“ vor. Zum Abschluss gab auch Gedenkstätten-Pieper nochmal den Scharfmacher, nach dem unvermeidlichen „Überfall Russlands“ entwarf er das Horrorbild eines „schrecklichen Handschlags“, nämlich „zwischen dem Aggressor in Moskau und dem neuen amerikanischen Präsidenten“. Allen Rednern war gemeinsam, dass sie nach Erwähnung der Kriegsschuld der deutschen „Nationalsozialisten“ (soviel Werbung für die Faschisten muss wohl sein) alsbald auf den „Stalinismus“ zu sprechen kamen, und diesen teilweise synonym für die Sowjetunion verwendeten.

Die Befürchtungen, die Gedenkveranstaltungen könnten „instrumentalisiert werden“, haben sich bewahrheitet – allerdings nicht, wie unterstellt – durch die Vertreter von Belarus und Russland.

Wladislaw Sankin zieht das bittere Fazit: „Damit wurde die Gedenkzeremonie zu einer öffentlichen Demütigung eines ganzen Landes und der offiziellen Erben der Befreier vom Hitler-Faschismus. So, wie die Gedenkveranstaltung ablief, erinnerte sie nicht an den freundschaftlichen Handschlag von vor 80 Jahren. Vielmehr glich sie einer gehässigen Konfrontation, mit dem russischen Botschafter als armem Sünder, der sich aufgrund des über ihn verhängten Maulkorbs nicht zur Wehr setzen konnte. Ihm blieb nichts weiter übrig, als das üble Spiel mit Würde zu ertragen. Von ‚Begegnung‘ war keine Rede. So macht das Gedenken an den ‚Elbe-Tag‘ keinen Sinn mehr.“

Gut gelaunt bei der Gedenkveranstaltung am Denkmal der Begegnung in Torgau, 25.04.2025: Sergej Netschajew, Botschafter der Russischen Föderation in Deutschland. Klaus Hartmann begrüßte ihn herzlich im Namen des Deutschen Freidenker-Verbandes und dankte ihm für sein Kommen, ungeachtet der Bemühungen der Regierenden in Deutschland, eine russophobe, feindselige Atmosphäre zu schaffen. Botschafter Netschajew bedankte sich und erwiderte, dass für ihn das Interesse und die freundliche Aufnahme durch die Bürger das Entscheidende sei.
Foto: Wladislaw Sankin
Botschafter Sergej Netschajew am Denkmal der Begegnung. Links davon im Hintergrund (mit Sonnenbrille): Klaus Hartmann (Foto: Botschaft der Russischen Föderation)

 


Eindrucksvolle Manifestationen für den Frieden

Doch vom folgenden 26.04.2025 gibt es Erfreuliche zu berichten – zwei große Demonstrationen und Kundgebungen gegen Kriegskredite und für den Frieden mit Russland fanden am Elbufer statt.

Eine davon wurde von der DKP und einem Friedensbündnis veranstaltet, zu der auch der Deutsche Freidenker-Verband aufgerufen hatte, die andere von einer Mittelstandsinitiative „Torgau für Frieden“. Es rief bei Teilnehmern auf „beiden Seiten“ Verwunderung und auch Kritik hervor, dass zwei Veranstaltungen mit dem gleichen Anliegen zur selben Zeit nur wenige hundert Meter voneinander entfernt stattfanden, und man sich offenbar nicht auf ein gemeinsames Friedensbekenntnis einigen konnte. So kam es schließlich zu „gegenseitigen Besuchen“ der Teilnehmer der jeweils anderen Kundgebung, Mitglieder der Friedensglocke und der Freidenker fand man auf beiden Seiten, die Abordnung der Russischen Botschaft besuchte beide Veranstaltungen, Tino Eisbrenner trat sowohl „hier wie da“ auf.

Gegenüber Wladislaw Sankin von RT sagte ein Besucherpaar aus den USA: „Ich bin hier für die amerikanisch-russische Freundschaft und auch, um gegen die NATO-Aggression zu demonstrieren“ und „Ich habe keine anti-amerikanischen Sentiments gespürt. Ich sehe auch die Rolle Deutschlands, Englands und der NATO sehr kritisch. Es gibt jede Menge US-Amerikaner, die die NATO infrage stellen. Sie ist irrsinnig geworden. Sie hätte nach dem Kalten Krieg abgeschafft werden müssen.“

Seinen kompletten Bericht „Der Mut, auch die Befreier von heute zu würdigen“ über die friedenbewegten Demonstrationen und Kundgebungen am 26.04.2025 kann man hier nachlesen: https://freedert.online/meinung/204334-mut-auch-befreier-von-heute-wuerdigen-elbe-tag-torgau-seine-neue-akzente/.

Ein weiterer Bericht stammt von der Freidenkerin Aglaja Beyes-Corleis in der UZ vom 2. Mai 2025:

DKP und Friedensbündnis erinnern an historischen Handschlag an der Elbe

Zukunftsgestaltung statt Geschichtsvergessenheit

Kommunisten und Friedensfreunde aus ganz Deutschland haben am Samstag in Torgau an den Handschlag sowjetischer und US-amerikanischer Soldaten erinnert, die dort vor 80 Jahren aufeinander getroffen waren. Das Friedensbündnis „80. Jahrestag der Begegnung von Torgau 1945“ hatte zusammen mit der DKP Torgau zu einer Friedensdemonstration aus diesem Anlass aufgerufen.

Die Mitorganisatoren Elke und Gerd Brucks eröffneten die Auftaktkundgebung. Der Journalist und UZ-Autor Arnold Schölzel berichtete von seinen ersten Eindrücken an diesem geschichtsträchtigen Ort, darunter dem sowjetischen Ehrenfriedhof, auf dem auch viele Frauen und Kinder begraben sind. Das jüngste wurde nur sechs Monate. „Keiner ist vergessen“, gemahnte Schölzel im Gedenken an die 3,5 Millionen sowjetischer Kriegsgefangener, die in Deutschland ums Leben kamen.

Damit war die Friedens-Demonstration eröffnet, und der Zug bewegte sich über die fünfhundert Meter lange Torgauer Elb-Brücke. Vorneweg SDAJ und DKP, dann Friedensglocke, Freidenker und BSW, Berliner NaturFreunde, Deutsch-Chinesische Freundschaftsgesellschaft zu Ludwigsfelde und viele andere. Auf etwa 1.000 Teilnehmer war der Zug angewachsen und füllte die Brücke von einem Ende bis zum anderen. Vorne ertönten kommunistische und Arbeiterlieder aus dem Lautsprecher, weiter hinten sangen Teilnehmer lautstark selbst. Die Prägung vieler Menschen durch die DDR war unverkennbar, denn die Gesänge erschallten nicht nur auf deutsch und englisch, sondern auch auf Russisch.

Das Thälmann-Denkmal bildete die erste Station. Hier sprach Patrik Köbele, Vorsitzender der DKP, und gedachte der ermordeten Sowjetbürger, die „für unsere Freiheit gestorben sind“. Der Bundesregierung warf er Geschichtsvergessenheit vor. Scharf geißelte er die geplante Wehrpflicht, die unsere Kinder zu Kanonenfutter machen will. Doch aus dieser Wut müsse Widerstand wachsen. Das sei das Versprechen am Tag der Begegnung in Torgau vor 80 Jahren gewesen. „Dank euch ihr Sowjetsoldaten. Das ist das, was sich hinter ‚Spasiba‘ verbirgt.“

Alfred Geißler vom Revolutionären Freundschaftsbund erinnerte an die historische Bedeutung von Thälmann und zitierte ihn mit den Worten: „Die Kriegsgefahr liegt im Wesen des Kapitalismus begründet.“ Frieden aber sei das erste Menschenrecht, weshalb die Stationierung neuer Mittelstreckenraketen in Deutschland verhindert werden müsse.

Mit kämpferischen Liedern und „Ras, dva, tri“-Rufen (Etwa: „Eins, zwei, drei“) ging es zum Marktplatz, wo Thomas Kachel vom BSW Sachsen und die Journalistin und Autorin Christiane Reymann sprachen. Thomas Kachel erinnerte an den Schwur von Buchenwald und sagte, mit dem heutigen Ukraine-Krieg hätten die sowjetischen Soldaten von 1945 nichts zu tun. Er rief dazu auf, Differenzen innerhalb der Friedensbewegung zu überwinden. In ihrer kämpferischen Rede geißelte Christiane Reymann die heute stattfindende Umdeutung der Geschichte und rief: „Wir lassen es nicht durchgehen, dass die Toten verschwinden!“ Wer die Geschichte vergesse, könne die Zukunft nicht gestalten. Indem Russland als Feind aufgebaut werde, werde ein neuer Krieg vorbereitet, was einher gehe mit „anti-slawischem Rassismus“.

Höhepunkt und letzte Station war das große, blumengeschmückte Denkmal für die gefallen sowjetischen Soldaten. Hier hatte sich der russische Botschafter Sergej Netschajew am Vortag Vorhaltungen anhören müssen. Seine Anwesenheit sei daran schuld, dass Botschafter anderer Länder fernblieben, so der sächsische Ministerpräsident Kretschmer. Vor dem Hintergrund dieses unrühmlichen Vorfalls dankte Tino Eisbrenner, der auf der gegenüber aufgebauten Bühne mit seinem Orchester auftrat, dass an diesem 26. April 2025 hier würdevolles Gedenken möglich war. In stiller und andächtiger Trauer verneigten sich Angehörige der russischen Botschaft und legten Kränze und Blumen nieder.

Quelle: https://www.unsere-zeit.de/zukunftsgestaltung-statt-geschichtsvergessenheit-4802790/

Video: Die Rede von Patrik Köbele

Direktlink zum Video von DKP Gießen auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=qDGvF292nkI

Bildergalerie

von der Demonstration für Frieden und Abrüstung (DKP und Bündnis)

Alle Fotos: Ralf Lux


Kundgebung „Torgau für den Frieden“

An der Kundgebung „Torgau für den Frieden“ nahmen u.a. Wolfgang Effenberger, Hermann Ploppa, Wilhelm Domke-Schulz und Yann Song King teil, Patrik Baab war per Video zugeschaltet.

Zahlreiche Videos, u.a. mit der ,,Kleinen weißen Friedenstaube“ findet man hier:

Direktlink zum Video von „US-Kriege im Mittleren- und Nahen Osten“ auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=8H1gW9AzTcw

Direktlink zum Video von „US-Kriege im Mittleren- und Nahen Osten“ auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=CCnOmHuqzKQ

Direktlink zum Video von „Beste Leben“ auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=cDlA7z2wkR0

Direktlink zum Video von apolut.net: https://apolut.net/am-set-demonstration-torgau-fur-frieden-anlasslich-des-handschlags-von-torgau-vor-80-jahren/

Klaus Hartmann ist Präsident der Weltunion der Freidenker und stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbandes


Bild ganz oben: Ralf Lux