AktuellesFrieden - Antifaschismus - Solidarität

Wer aus der Geschichte nicht lernt, ist verdammt sie zu wiederholen

Seit 2012 Jahren findet auf der ganzen Welt, auch in mehreren deutschen Städten alljährlich vor dem 9. Mai der Gedenkmarsch „Unsterbliches Regiment“ statt, bei dem der Gefallenen der Roten Armee im Großen Vaterländischen Krieg durch ihre Nachfahren gedacht wird. Zu der gestrigen Veranstaltung in Frankfurt am Main dokumentieren wir das Grußwort von Sebastian Bahlo und einige Bilder.

Webredaktion


Wer aus der Geschichte nicht lernt, ist verdammt sie zu wiederholen

Sehr geehrte Organisatoren, sehr geehrte Teilnehmer am Gedenkmarsch „Unsterbliches Regiment“, sehr geehrte Frankfurter Bürger, liebe Freunde,

wie in den vergangenen Jahren bin ich dankbar für die Gelegenheit, als Vorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbandes einige Worte an Sie zu richten. Zum 80. Jahrestag des großen Sieges über den deutschen Faschismus ist es eine besondere Ehre, als Vertreter einer deutschen Organisation zum Gedenken an die sowjetischen Helden eingeladen zu sein. Diese Offenheit und Freundlichkeit beweist, daß das Gedenken an die Gefallenen der Roten Armee weder von einem engstirnigen Nationalismus, noch von einem chauvinistischem Überlegenheitsgefühl getragen wird, sondern von einem tiefen Humanismus. Natürlich haben auch die mutigen Taten deutscher Antifaschisten einen Beitrag zur Befreiung geleistet, viele von ihnen wurden in den Konzentrationslagern ermordet oder vom sogenannten „Volksgerichtshof“ zum Tode verurteilt, darunter der Freidenker-Vorsitzende Max Sievers. Auch ihrer sei heute gedacht.

Es macht wütend, daß achtzig Jahre nach der Befreiung die Nachfahren der Befreier vom offiziellen Deutschland gemieden und gedemütigt werden. Zu den zahlreichen Gedenkveranstaltungen anläßlich der großen Schlachten in der Schlußphase des Krieges werden die Vertreter der Russischen Föderation staatlicherseits nicht nur nicht eingeladen, sondern das deutsche Außenministerium hat sogar in einer geheimen Handreichung ihre Teilnahme als unerwünscht bezeichnet und angeregt, sie gegebenenfalls des Ortes zu verweisen. Das dürfte ein neuer Tiefpunkt in der Geschichte der Diplomatie sein, liegt aber im Rahmen dessen, was von einer noch amtierenden Außenministerin erwartet werden kann, die erst ankündigte, Rußland ruinieren zu wollen und dann freimütig bekannte, sich bereits im Krieg gegen Rußland zu wähnen. Bei der Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag des freundschaftlichen Aufeinandertreffens sowjetischer und US-amerikanischer Soldaten im sächsischen Torgau wurde die Anwesenheit des russischen Botschafters Sergej Netschajew zwar gnädig toleriert, aber Ministerpräsident Kretschmer maßte sich an, ihn in seiner Ansprache über die Schuldfrage im Ukraine-Krieg zu belehren.

Dergleichen Unverschämtheiten und Niedrigkeit sind nun der Dank für die ausgestreckte Hand, mit der Rußland in den ersten Jahren der Präsidentschaft Wladimir Putins auf Deutschland zugegangen ist. Welch großzügige Geste war es, als Putin 2001 seine Rede im Bundestag überwiegend in deutscher Sprache hielt, als noch sehr viele Veteranen und Zeugen deutscher Gräueltaten am Leben waren. Die spezielle deutsche Dankbarkeit macht es unwahrscheinlich, daß wir in Zukunft noch mehr Großzügigkeit zu erwarten haben.

Wer hätte es noch vor wenigen Jahren gedacht: Achtzig Jahre nach dem schmählichen Ende von Hitlers größenwahnsinnigem Versuch, die Sowjetunion zu unterjochen, wird in Deutschland ein neuer Krieg gegen Rußland vorbereitet. Der Bevölkerung werden gigantische Schulden aufgebürdet, um die Aufrüstung zu finanzieren, der voraussichtlich nächste Bundeskanzler will die Ukraine mit Taurus-Marschflugkörpern beliefern, von denen jeder weiß, daß sie nur unter unmittelbarer Leitung von Bundeswehrangehörigen eingesetzt werden können, was Deutschland endgültig zur Kriegspartei machen würde.

Die Kriegstreiber versuchen, die Bevölkerung mit Angst vor russischen Aggressionsplänen gegen Deutschland auf Linie zu bringen, die es nachweislich nicht gibt, heute so wenig wie vor neunzig Jahren. Widerspruch gegen diese Lügen wird schon jetzt kriminalisiert, der Koalitionsvertrag sieht zudem ein Verbot „vorsätzlicher Falschbehauptungen“ vor, mit „Falschbehauptungen“ ist natürlich die Wahrheit gemeint.

Wer aus der Geschichte nicht lernt, ist verdammt sie zu wiederholen, lautet ein weises Wort. Man kann sich leicht ausrechnen, daß der Kriegskurs darauf hinauslaufen wird, daß wieder Millionen Deutsche sterben und Rußland am Ende doch wieder gewinnen wird. Warum? Weil es, wie vor achtzig Jahren, für eine gerechte Sache kämpft. Setzen wir dem Wahnsinn alles entgegen, was wir können. Treten wir für Frieden und Freundschaft zwischen Deutschland und Rußland ein. Nicht zuletzt für die Deutschen wird das billiger und gesünder sein.

Sebastian Bahlo ist Vorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbandes


Bildergalerie

Alle Fotos: © Arbeiterfotografie


Bild oben: © Arbeiterfotografie