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Die Neuordnung der Welt aus Sicht der Kalten Krieger

Diese dreiteilige Serie bespricht die in der Zeitschrift „Foreign Affairs“ erschienene Analyse renommierter Kalter Krieger aus den USA. Dabei geht es um die wachsende Kooperation zwischen China, Russland, Iran und Nordkorea, ihre gemeinsamen Ziele und die Herausforderung der regelbasierten westlichen Weltordnung.

Beitrag in drei Teilen von Rainer Rupp

Erstveröffentlichung am 13.09.2025 (Teil 1), 14.09.2025 (Teil 2) und 15.09.2025 (Teil 3) auf RT DE

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↓ Teil 1: Achse des Umbruchs
↓ Teil 2: Mächte der Revision
↓ Teil 3: Achse herausfordern


Teil 1: „Achse des Umbruchs“

In einer von geopolitischen Spannungen geprägten Welt sehen amerikanische Vertreter des Kalten-Krieg-Denkens eine neue Machtkonstellation entstehen, die darauf abzielt, die von den USA dominierte globale Ordnung zu untergraben. Teil I untersucht die Entstehung dieser „Achse des Umbruchs“ und ihre ersten Auswirkungen. Teil II analysiert die Dynamiken und Spannungen innerhalb dieser Gruppe sowie ihre strategischen Ambitionen. Teil III skizziert aus Sicht der beiden Foreign Affairs-Autoren Andrea Kendall-Taylor und Richard Fontaine, wie die USA und ihre Verbündeten auf diese Bedrohung reagieren sollten, um die bestehende Weltordnung zu verteidigen.

„Seit Jahren haben China, Russland, Nordkorea und Iran ihre Koordination ausgeweitet mit dem gemeinsamen Ziel, die Vereinigten Staaten und ihre Führungsrolle zu schwächen“, argumentierten die beiden Autoren Kendall-Taylor und Fontaine bereits in einem viel kommentierten Essay im Jahr 2024. Die Konvergenz dieser Länder habe „bereits das Bild der Geopolitik verändert“, schrieben sie. „Ihre kombinierten wirtschaftlichen und militärischen Fähigkeiten ergeben zusammen mit ihrer Entschlossenheit, die Art und Weise zu verändern, wie die Welt seit dem Ende des Kalten Krieges funktioniert, eine gefährliche Mischung.“

Foreign Affairs hat die beiden Autoren kurz wie folgt dargestellt:

ANDREA KENDALL-TAYLOR ist Senior Fellow und Direktorin des Transatlantischen Sicherheitsprogramms am Zentrum für eine neue amerikanische Sicherheit. Von 2015 bis 2018 war sie als Stellvertreterin des National Intelligence Officer für Russland und Eurasien im Nationalen Geheimdienstrat zuständig.

RICHARD FONTAINE ist Chef des Zentrums für eine neue amerikanische Sicherheit. Er hat im US-Außenministerium, im Nationalen Sicherheitsrat und als außenpolitischer Berater des berüchtigten Kriegstreibers und inzwischen verstorbenen US-Senators John McCain gearbeitet.

In dem aktuellen, langen Essay der beiden Autoren in Foreign Affairs warnen sie noch eindringlicher als zuvor vor der neuen geopolitischen Konstellation China, Russland, Iran und Nordkorea, deren informelle Koalition sie als „Axis of Upheaval“ (zu Deutsch: „Achse des Umbruchs“) bezeichnen. Diese Staaten hätten das gemeinsame Ziel, „die Prinzipien, Regeln und Institutionen der bestehenden internationalen Ordnung zu untergraben“, die sie als von den USA dominiert betrachten. Ihre Zusammenarbeit habe bereits international „das Bild der Geopolitik verändert“, und ihre gemeinsamen wirtschaftlichen und militärischen Kapazitäten bildeten eine „gefährliche Mischung“, warnen die Autoren.

Der russische Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 habe diese Kooperation beschleunigt. Die Angriffe in der Ukraine verdeutlichten, dass Russland nicht allein agiert: Die eingesetzten russischen Waffen enthielten Technologie aus China, Raketen aus Nordkorea und Drohnen aus Iran. „Moskau hat mehr als 3.700 iranisch konzipierte Drohnen eingesetzt“, und Russland produziert mittlerweile monatlich mindestens 330 Drohnen selbst (Anm. d. Red.: nach neuesten Angaben sind es bis zu 1.000 täglich), während es mit Iran an Plänen für eine neue Drohnenfabrik arbeitet.

Nordkorea liefere ballistische Raketen und über 2,5 Millionen Schuss Artilleriemunition, während China Russlands wichtigste wirtschaftliche Lebensader geworden ist. Peking hat seine Käufe von russischem Öl und Gas massiv gesteigert und liefert Kriegsmaterial wie Halbleiter, elektronische Geräte und Teile für Kampfflugzeuge. Laut Zollunterlagen nähern sich Russlands Importe von Computerchips trotz westlicher Sanktionen wieder dem Vorkriegsniveau – mehr als die Hälfte stamme aus China, lamentieren die Autoren.

Diese Unterstützung stärke Russlands Position auf dem Schlachtfeld, untergrabe westliche Bemühungen, Russland zu isolieren, und schadeten der Ukraine. Doch die Zusammenarbeit beschränke sich nicht nur auf die Ukraine. Die vier Länder vertieften ihre wirtschaftlichen, militärischen, politischen und technologischen Beziehungen. Sie teilten zunehmend gemeinsame Interessen, stimmen ihre Rhetorik ab und koordinieren ihre militärischen und diplomatischen Aktivitäten. „Ihre Konvergenz schafft eine neue Achse des Umbruchs – eine Entwicklung, die die geopolitische Landschaft grundlegend verändert“, betonen die Autoren.

Die Zusammenarbeit sei nicht neu. China und Russland vertieften ihre Partnerschaft seit dem Ende des Kalten Krieges ‒ ein Trend, der sich nach der „Annexion“ der Krim 2014 durch Russland beschleunigt habe. Zwischen 2013 und 2021 verdoppelte sich Chinas Anteil am russischen Außenhandel von 10 auf 20 Prozent, und Russland lieferte zwischen 2018 und 2022 etwa 83 Prozent der chinesischen Waffenimporte. Russische Technologie habe Chinas militärische Fähigkeiten gestärkt, insbesondere in den Bereichen Luftverteidigung, Anti-Schiff-Waffen und U-Boote.

Auch Iran habe seine Beziehungen zu den anderen Mitgliedern der Achse intensiviert, etwa durch die Zusammenarbeit mit Russland zur Unterstützung des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad seit 2011. Nordkorea, das seit Jahrzehnten auf China als Hauptverbündeten angewiesen ist, hat seit den 1980er Jahren Raketen an Iran geliefert und unterstütze möglicherweise iranische Proxy-Gruppen wie die Hisbollah.

Die vier Staaten bildeten keine exklusive Allianz, sondern eine „Sammlung unzufriedener Staaten“, die durch ihren gemeinsamen Wunsch vereint seien, die von den USA geführte Ordnung herauszufordern. Ihre Kooperation verstärkt ihre militärischen Fähigkeiten, schwächt die Wirksamkeit westlicher Sanktionen und behindert die Fähigkeit der USA und ihrer Partner, globale Regeln durchzusetzen. „Wenn diese vier Länder zusammenarbeiten, haben ihre Handlungen eine weitaus größere Wirkung als die Summe ihrer individuellen Anstrengungen“, warnen Kendall-Taylor und Fontaine.

Trotz ihrer Differenzen – etwa der Konkurrenz zwischen China und Russland in Zentralasien oder zwischen Russland und Iran auf den Ölmärkten – bleibe als starkes Bindeglied ihr gemeinsames Ziel, die USA und ihre Führungsrolle zu schwächen. Die Autoren betonen: „In Regionen in Asien, Europa und dem Nahen Osten haben die Ambitionen der Achsenmitglieder bereits destabilisierende Auswirkungen gezeigt.“ Die Bewältigung dieser Herausforderung müsste nun ein zentrales Ziel der US-Außenpolitik sein.

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Teil 2: Mächte der Revision

Die „Achse des Umbruchs“ – bestehend aus China, Russland, Iran und Nordkorea – ist durch eine gemeinsame Ablehnung der westlich dominierten Weltordnung vereint. Alle vier Staaten betrachten die USA als das Haupthindernis für ihre regionalen Ambitionen und streben eine Reduzierung des amerikanischen Einflusses in ihrer jeweiligen Region an. „Alle vier Länder sehen die Vereinigten Staaten als das primäre Hindernis für die Errichtung ihrer Einflusssphären“, erklären Andrea Kendall-Taylor und Richard Fontaine in ihrem Essay in Foreign Affairs.

Jedes Land verfolge dabei eigene geopolitische Ziele: China beansprucht „Kerninteressen“ wie Taiwan und das Südchinesische Meer, Iran stützt sich auf seine „Achse des Widerstands“ mit Proxy-Gruppen in Ländern wie dem Libanon und dem Jemen, Nordkorea reklamiert die gesamte koreanische Halbinsel für sich, und Russland betrachtet seine „nahe Umgebung“ – die Länder seines historischen Imperiums – als seinen Einflussbereich. So einfach strukturiert scheint die Welt aus Sicht der beiden Autoren zu sein.

Trotz ihrer gemeinsamen Ziele gebe es auch Spannungen innerhalb der Achse. China und Russland konkurrierten etwa um Einfluss in Zentralasien, während Russland und Iran um Ölmärkte in Asien wetteiferten. Historische Konflikte, wie die sowjetische Invasion Irans 1941 oder die langjährige Rivalität zwischen China und Russland, könnten die Zusammenarbeit erschweren. Dennoch betonen die Autoren: „Ihre Differenzen reichen nicht aus, um die Bindungen zu lösen, die durch ihren gemeinsamen Widerstand gegen die westlich dominierte Welt geschmiedet wurden.“ Ihr gemeinsames Ziel, die USA und ihre Führungsrolle zu schwächen, fungiert als starkes Bindeglied.

Russland spiele eine zentrale Rolle als Hauptanstifter dieser Achse. „Die Invasion der Ukraine markierte einen Punkt ohne Wiederkehr in Putins langjährigem Kreuzzug gegen den Westen“, stellen die Autoren fest. Seit Beginn des Krieges sei Moskau auf die Unterstützung seiner Partner angewiesen, da westliche Sanktionen den Zugang zu Handel, Investitionen und Technologie eingeschränkt hätten. China, Iran und Nordkorea lieferten Munition, Drohnen, Mikrochips und andere Hilfsmittel, die Russlands Kriegsmaschinerie am Laufen halten. Diese Abhängigkeit gebe den Partnern jedoch auch Einfluss: China erhalte fortschrittliche Waffensysteme, Iran verbesserte militärische Fähigkeiten, und Nordkorea strebe nach neuen Technologien für Raketen und U-Boote.

Die wachsende militärische Zusammenarbeit der Achse

Schon vor der russischen Invasion in der Ukraine hatte Moskaus militärische Unterstützung für Peking den militärischen Vorsprung der USA gegenüber China verringert. Seither liefert Russland China noch mehr hochentwickelte Waffensysteme. Zugleich haben die gemeinsamen Militärmanöver beider Länder an Umfang, Häufigkeit und Intensität deutlich zugenommen. Russische Offiziere, die in Syrien und in der ukrainischen Donbass-Region gekämpft haben, teilen wertvolle Erfahrungen mit ihren chinesischen Kollegen. Dies hilft der Volksbefreiungsarmee, ihren Mangel an operativer Erfahrung auszugleichen, die laut den Autoren „eine spürbare Schwäche im Vergleich zu den kampferprobten US-Streitkräften“ darstellt.

Zwar habe Chinas militärische Modernisierung dank Russlands Hilfe die Dringlichkeit einer vertieften Verteidigungskooperation mit Russland verringert, doch beide Länder setzten weiterhin auf Technologietransfers sowie die gemeinsame Entwicklung und Produktion neuer Waffensysteme. Im Februar bestätigten russische Vertreter etwa, dass sie mit chinesischen Partnern an militärischen Anwendungen künstlicher Intelligenz arbeiten. Moskau behält laut den Autoren in Schlüsselbereichen wie U-Boot-Technologie, Fernerkundungssatelliten und Flugzeugtriebwerken einen Vorteil gegenüber Peking.

Sollte China Russlands abhängige Position in Bezug auf Wirtschaft und Finanzen nutzen, um Zugang zu weiteren fortschrittlichen russischen Technologien zu erzwingen, dann könnte dies den Vorsprung der USA gegenüber China noch weiter untergraben. Eine ähnliche Dynamik zeige sich in Russlands Beziehungen zu Iran und Nordkorea. Moskau und Teheran hätten eine „beispiellose Verteidigungspartnerschaft“ geschmiedet, die Irans militärische Fähigkeiten erheblich stärke. Russland habe Iran mit modernen Kampfflugzeugen, Luftabwehrsystemen, Aufklärungs- und Überwachungstechnologien sowie Cyberfähigkeiten ausgestattet, die Teheran im Falle militärischer Angriffe der USA oder Israels widerstandsfähiger machen würden.

Im Gegenzug für Nordkoreas Lieferung von Munition und anderer militärischer Unterstützung für Russland soll Pjöngjang fortschrittliche Raumfahrt-, Raketen- und U-Boot-Technologien von Moskau gefordert haben. Sollte Russland diesen Forderungen nachkommen, könnte Nordkorea die Präzision und Überlebensfähigkeit seiner nuklearfähigen Interkontinentalraketen verbessern und mit russischer Nuklearantriebstechnologie die Reichweite und Leistungsfähigkeit seiner U-Boote steigern, sorgen sich die beiden Autoren.

Bereits jetzt liefere Russlands Einsatz nordkoreanischer Waffen auf dem Schlachtfeld in der Ukraine den koreanischen Entwicklern in Pjöngjang wertvolle Daten, die zur Weiterentwicklung ihrer Waffen genutzt werden könnten. Zudem dürfte russische Unterstützung Nordkorea geholfen haben, nach zwei fehlgeschlagenen Versuchen im Vorjahr im November 2024 erfolgreich einen militärischen Spionagesatelliten zu starten.

Die strategischen Ambitionen der Achse

Diese zielen laut den Autoren darauf ab, eine alternative Weltordnung zu schaffen. Gemeinsame Marineübungen in der Straße von Oman, die Erhebung Irans zum Vollmitglied der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) und die Einladung Irans zu den BRICS-Staaten sind Beispiele für ihre Bemühungen, institutionelle Gegenstrukturen aufzubauen. Diese Schritte erhöhen die Legitimität der Mitglieder und eröffnen neue Handelsmöglichkeiten, die westliche Sanktionen umgehen.

Ein zentraler Aspekt ihrer Strategie sei die Schwächung westlicher Instrumente wie Sanktionen. „Der Anteil der russischen Importe, die in chinesischen Renminbi abgerechnet werden, ist von 3 Prozent im Jahr 2021 auf 20 Prozent im Jahr 2022 gestiegen“, verdeutlichen die Autoren. Iran und Russland haben kürzlich ein Abkommen abgeschlossen, um ihren bilateralen Handel in lokalen Währungen abzuwickeln, wodurch sie sich der Wirksamkeit US-amerikanischer Sanktionen entziehen. Zudem nutzen die Länder ihre geografische Nähe, etwa durch den Transport von Waffen über das Kaspische Meer, um westlicher Überwachung zu umgehen.

Die Kooperation der Achse schwäche auch die Fähigkeit der USA, internationale Koalitionen gegen die destabilisierenden Aktionen der Achse zu mobilisieren. Chinas Weigerung, die russische Invasion der Ukraine zu verurteilen, hat es Ländern in Afrika, Lateinamerika und dem Nahen Osten erleichtert, eine neutrale Haltung einzunehmen. Im Informationsbereich verstärken die Länder ihre Wirkung durch abgestimmte Narrative, etwa durch die Unterstützung von Russlands Behauptung, die NATO habe den Krieg in der Ukraine provoziert. Diese parallelen Botschaften verstärken sich gegenseitig und wirken glaubwürdiger, so die Autoren.

Die Achse strebe keine kohärente alternative Ordnung an, doch die Autoren warnen: „Die Geschichte zeigt, dass ein positives Programm nicht notwendig ist, um Unruhe zu stiften.“ Ähnlich wie die Achse von Deutschland, Italien und Japan im Zweiten Weltkrieg bedarf es keiner detaillierten Vision, um die bestehende Ordnung zu destabilisieren. Die wachsende Koordination der vier Länder stelle eine ernsthafte Bedrohung dar, die die geopolitische Landschaft nachhaltig verändere.

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Teil 3: Achse herausfordern

Um der angeblich brandgefährlichen Herausforderung der „Achse“ zu begegnen, müssten die Vereinigten Staaten China, Russland, Iran und Nordkorea als kollektive Bedrohung betrachten, nicht als isolierte Akteure. „Wenn die Vereinigten Staaten eine zunehmend koordinierte Achse bekämpfen wollen, können sie jede Bedrohung nicht als isoliertes Phänomen behandeln“, betonen Andrea Kendall-Taylor und Richard Fontaine in ihrem Aufsatz in Foreign Affairs. Dementsprechend müsse die US-Außenpolitik ihre Strategie anpassen, um die destabilisierenden Effekte der Zusammenarbeit dieser revisionistischen Staaten zu neutralisieren.

Dazu schlagen die Autoren Washington einen zentralen Ansatz vor, der sich allerdings eher nach Realsatire anhört als nach einer ernst zu nehmende Strategie. Ihr Ansatz besteht darin, sogenannte „globale Swing States“ wie Brasilien, Indien, Indonesien, Saudi-Arabien, Südafrika und die Türkei für die westliche Ordnung zu gewinnen. Diese Länder hätten genug geopolitisches Gewicht, um die zukünftige Richtung der internationalen Ordnung zu beeinflussen. „US-Politiker sollten es zur Priorität machen, der ‚Achse des Umbruchs‘ in diesen Ländern Vorteile zu verweigern“, raten die Autoren.

Durch US- und westliche Handelsanreize, militärisches Engagement, Entwicklungshilfe und Diplomatie soll verhindert werden, dass diese Swing States den gefährlichen Achsenmitgliedern Zugang zu militärischen Basen, Technologie oder Möglichkeiten zur Umgehung westlicher Sanktionen bieten. Allerdings scheinen die Autoren nicht verstanden zu haben, dass für die USA dieser Zug längst abgefahren ist.

An diesem Beispiel kann man erneut sehen, wie tief verwurzelt die Realitätsverweigerung selbst bei US-Experten ist. Sie scheinen immer noch im Wolkenkuckucksheim der „unverzichtbaren“ und allmächtigen Nation USA zu leben. Der Glauben der beiden Autoren an die immer noch in alter Größe den Globus uneingeschränkt beherrschende US-Supermacht schimmert in ihren nachfolgenden Vorschlägen für die Lösung des Problems mit der „Achse des Umbruchs“ in jeder Zeile durch.

Als Erstes wird Washington empfohlen, seine Sicherheitszusagen in Regionen wie dem westlichen Pazifik, dem Nahen Osten, der Koreanischen Halbinsel und der Ostflanke der NATO zu bekräftigen. Gleichzeitig müssten allerdings direkte Konflikte mit den Achsenmitgliedern vermieden werden. Die Autoren warnen jedoch vor opportunistischen Aggressionen der Achsenmitglieder, günstige Gelegenheiten auszunutzen: „Wenn eine chinesische Invasion Taiwans eine militärische Intervention der USA auslöst, könnte Russland versucht sein, gegen ein anderes europäisches Land vorzugehen.“ Um solche Szenarien zu verhindern, müssen die USA und ihre Verbündeten sich auf gleichzeitige Konflikte vorbereiten und die Fähigkeiten ihrer Partner stärken, um in mehreren Regionen gleichzeitig handlungsfähig zu bleiben.

Was hier vorgeschlagen wird, ist das Szenario aus den 1960er- und 1970er-Jahren, als die USA noch glaubten, die Fähigkeit zu besitzen, gleichzeitig in verschiedenen Weltregionen zwei große und einen kleinen Krieg zu führen und auch zu gewinnen. Heute gelingt es ihnen nicht einmal, den Huthis im Jemen ihren US-Willen aufzuzwingen. Und den einen kleinen Krieg in Vietnam haben die USA übrigens genau in diesem Zeitfenster verloren, in dem sie sich am stärksten gefühlt haben. Anspruch und Wirklichkeit haben in den USA schon immer weit auseinandergeklafft, heute jedoch mehr denn je.

Aber zurück zu den Autoren, die in einem Anflug von Realismus immerhin erkannt haben, dass die Bekämpfung der Achse „erhebliche Ressourcen“ erfordern würde. „Die Konfrontation mit der Achse wird teuer sein“, stellen die Autoren klar. Die (fast bankrotten) USA müssten ihre Ausgaben für Verteidigung, Entwicklungshilfe, Diplomatie und strategische Kommunikation erhöhen. Unterstützung für Länder wie Israel, Taiwan und die Ukraine, die direkten Bedrohungen durch Achsenmitglieder ausgesetzt seien, seien ebenfalls entscheidend. Eine umfassende, parteiübergreifend unterstützte Strategie im US-Kongress würde ein entscheidendes Signal senden, dass die USA entschlossen sind, ihre globale Führungsrolle zu verteidigen.

Allerding muss man den Autoren zugutehalten, dass sie erkannt haben, dass Versuche, Keile zwischen die Achsenmitglieder zu treiben, zum Scheitern verurteilt sind. Anders als in den 1970er-Jahren, als die USA die Spaltung zwischen China und der Sowjetunion ausnutzten konnte, gebe es heute keine vergleichbare ideologische oder geopolitische Rivalität, die Washington ausspielen könnte. Eine Annäherung an Russland oder China würde wahrscheinlich die Anerkennung ihrer Einflusssphären durch die USA erfordern – ein Preis, den die USA nicht zahlen sollten, meinen die beiden Kalten Krieger aus den USA.

Zum Schluss ihres Werkes kommt dann die übliche US-Selbstbeweihräucherung. Trotz der angeblichen Bedrohung durch die „Achse des Umbruchs“ betonen die Autoren in Foreign Affairs das Selbstvertrauen des Westens: „Der Westen hat alles, was er braucht, um in diesem Wettbewerb zu triumphieren.“

Die kombinierte Wirtschaftskraft, die militärische Überlegenheit, die geografischen Vorteile und die Attraktivität westlicher Werte bildeten ein starkes Fundament, schreiben die Autoren in einer Zeit, in der Europas Niedergang nicht mehr geleugnet werden kann und in der in den politisch und sozial polarisierten USA bürgerkriegsähnliche Zustände drohen. Dennoch fordern die Autoren, dass ein Rückzug der USA von ihrer dominanten Position auf der globalen Bühne und der Verlust der Kontrolle über wichtige Weltregionen für Washington nicht in Frage kommen dürfe.

Sie warnen, dass die wachsende Kooperation der Achse bereits Konflikte wie den Angriff der Hamas auf Israel oder Aserbaidschans Übernahme von Bergkarabach begünstigt habe. Die Normalisierung alternativer Regeln durch die Achse ermutige zudem potenzielle Aggressoren und schwäche die Furcht vor internationaler Isolation.

Um die bestehende Ordnung zu bewahren, müssten die USA und ihre Verbündeten die gegenwärtige Weltordnung stärken, neue Partnerschaften schmieden, die Kooperation der Achse stören und entschlossen gegen diejenigen Staaten vorgehen, die am aktivsten die regelbasierte Ordnung des Westens untergraben. Mit den Worten: „Es ist wahrscheinlich unmöglich, das Entstehen dieser neuen Achse zu verhindern, aber es ist ein erreichbares Ziel, sie daran zu hindern, das aktuelle System zu stürzen“, schließen die Autoren.

Rainer Rupp ist Mitglied des Beirats des Deutschen Freidenker-Verbandes

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Bild oben: Wandbild „Internationale Solidarität“ von Prof. Willi Neubert an der „Stadthalle der Freundschaft“ in Suhl, 1983 (das Bild befindet sich heute am Bahnhof Thale (Harz)
Foto: Archiv Suhl-Informationen, hochgeladen von ivkhoz
Quelle: https://pastvu.com/p/363173