Religions- & Kirchenkritik, Säkulare Szene

Ein Häusle of One?

von Hans-Günther Dicks

Jemand baut ein Haus. Ein ziemlich großes, und mitten in Berlin. Nicht für sich, sondern für ganz viele. Vor allem für solche, die an den Einen glauben, denn es soll House of One heißen. Anhänger dreier monotheistischer Religionen (Protestanten, Muslime und Juden) sind denn auch die „Bauherren“ des Projekts, dessen Gesamtbaukosten von den Initiatoren anfangs mit 43,5 Millionen Euro angegeben wurden. Die wollten der Bundestag und der Berliner Senat mit je zehn Millionen bezahlen, den Rest hoffte man durch Spenden, Sponsoren und Crowd Funding aufzubringen. Letzteres erwies sich rasch als schwierig, doch man machte unverdrossen weiter. Bis zur Grundsteinlegung am 27. Mai dieses Jahres bezifferte man mit der in Berlin üblichen Steigerungsrate die Gesamtkosten bereits mit 47,3 Mio., aber Bund und Senat sprangen eifrig in die Bresche und erhöhten ihren Anteil auf je 15 Millionen.

Wo „Staatsknete“ so leicht zu haben ist, sollte die katholische Kirche, die weltweit größte der monotheistischen Religionen, bald auf der Matte stehen. Die aber hatten die Initiatoren laut Wikipedia erst gar nicht angesprochen. Einen so mächtigen Partner ins Boot zu holen hätte wohl den Glanz der eigenen Initiative getrübt. Oder hatte deren Amtskirche sich wegen dringender anderer Probleme nicht ansprechen lassen? Schließlich laufen dem Oberhirten in Rom seine deutschen Schäfchen in einem so rasanten Tempo davon, dass der Name des geplanten Hauses am Ende auf andere Art ganz wörtlich wahr werden könnte.

Unbedingt auf Mehrheiten ausgerichtet sind allerdings auch die Bauherren selbst nicht. Die Protestanten leiden an ähnlichem Mitgliederschwund wie die Katholiken. Die jüdischen Gemeinden Berlins, die mehrheitlich konservativer eingestellt sind als die am Projekt beteiligten Reformjuden, zeigten kaum Interesse, und unter den Muslimen gab es Bedenken, denn das beteiligte „Forum für interkulturellen Dialog“ (FID) vertritt nur eine Minderheit der türkischen Muslime, weil es als Sprachrohr der von den USA operierenden und in der Türkei verbotenen Gülen-Bewegung gilt.

À propos Mehrheiten. Noch krasser wird das Missverhältnis, wenn man die jeweilige Gesamtbevölkerung in den Blick nimmt. Laut Wikipedia zählten 2019 bundesweit nur 52,1% der Bevölkerung zu einer der beiden großen Kirchen, in Berlin gar nur 23,3%. Der Anteil der Konfessionslosen lag mit 38,8% höher als der jeder Einzelkirche, und er steigt noch stetig an. An den Einen, dessen Namen das House of one tragen soll, glaubten laut einer „Spiegel“-Umfrage 2019 selbst unter den Christen ein Viertel Katholiken und ein Drittel Protestanten nicht mehr. Aber, so meinten wohl Bundestag und Berliner Senat: Wer nicht daran glaubt, muss eben „dran glauben“ und den sparsamen Häuslebauern ihr Projekt über Steuern mitfinanzieren. Schöne Demokratie!

Hans-Günther Dicks ist Mitglied des Deutschen Freidenker-Verbandes, Landesverband Berlin


Bild: Berlin-Mitte, The House of One, Baustelle 2015
Foto: Molgreen, CC BY-SA 4.0
Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:20150917_xl_P1030026_Berlin-Mitte_Petriplatz_an_der_Gertraudenstrasse_The_House_of_One.JPG