Was der Korruptionsfall in der EU mit dem „Reparationskredit“ für Kiew zu tun hat
Machtkämpfe und Korruption
Zwischen den Bemühungen der EU-Kommission, die in der EU eingefrorenen russischen Vermögenswerte zu enteignen und für einen „Reparationskredit“ zu benutzen, stehen offenbar in Verbindung mit dem Korruptionsskandal, der die EU erschüttert.
von Anti-Spiegel
Erstveröffentlichung am 06.12.2025 auf anti-spiegel.ru
Ich habe es bereits in der letzten Tacheles-Sendung gesagt, komme aber erst jetzt dazu, darüber zu schreiben und es ausführlich zu begründen: Die Bemühungen der EU-Kommission, die in der EU eingefrorenen russischen Vermögenswerte zu enteignen und für einen „Reparationskredit“ für die Ukraine zu benutzen, stehen in einer sehr offensichtlichen Verbindung zu dem Korruptionsskandal, der die EU erschüttert.
Allerdings will ich mich nicht mit fremden Federn schmücken, denn auf diesen Zusammenhang bin ich durch einen Artikel gestoßen, der am Donnerstag in der russischen Nachrichtenagentur TASS erschienen ist. Da der Artikel für sich selbst spricht, kommen wir direkt zu der Übersetzung des Artikels.
Beginn der Übersetzung:
Woher der Wind weht: Hängen die Korruptionsfälle in der EU und das Bestreben, russische Vermögenswerte zu stehlen, zusammen?
Andrej Nisamutdinow darüber, wie Ursula von der Leyen die Versuche nicht aufgibt, den Konflikt in der Ukraine auf Kosten Russlands fortzusetzen, und was der Fall Mogherini damit zu tun hat.
Ursula von der Leyen, die Präsidentin der EU-Kommission, bleibt dabei, die eingefrorenen russischen Vermögenswerte, die bei Euroclear hinterlegt sind, trotz der Proteste und Warnungen der belgischen Regierung um jeden Preis zu beschlagnahmen. Das Treffen der Außenminister der EU-Länder, bei dem die EU-Kommission versprochen hatte, klare rechtliche Begründungen für ihren Plan vorzulegen, wurde für den 3. Dezember angesetzt (und fand auch statt). Bemerkenswert ist jedoch, dass die belgische Polizei am 2. Dezember plötzlich Durchsuchungen bei ehemaligen hochrangigen Beamten des diplomatischen Dienstes der EU durchführte, die der Korruption verdächtigt wurden.
Zufall? Ich glaube nicht.
Ein ähnliches Schema
Was in Brüssel geschah, ähnelt stark dem, was sich einige Wochen zuvor in Kiew ereignet hatte.
Dort haben die mit direkter Beteiligung der USA und der EU geschaffenen und unter ständiger Kontrolle der amerikanischen Geheimdienste stehenden Antikorruptionsbehörden ein groß angelegtes Korruptionsschema aufdeckt, an dem Personen aus dem engen und sogar engsten Umfeld von Wladimir Selensky beteiligt waren. Das geschah genau zu dem Zeitpunkt, als Washington seinen Plan zur Beilegung des Konflikts in der Ukraine vorlegte und die Amerikaner Druck auf Selensky ausüben mussten, damit er diesem Plan zustimmte.
Die Operation, um ihn zu Verhandlungen zu zwingen, wurde in zwei Phasen durchgeführt: Zunächst wurden Anklagen gegen den Geschäftsmann Timur Minditsch erhoben, der in der Ukraine als „Selenskys Geldbeutel” bezeichnet wird, aber Selensky versuchte dennoch, sich rauszureden. Daraufhin nahmen die Korruptionsbekämpfer seinen engsten Vertrauten und Berater ins Visier, den Leiter des Präsidialamtes Andrej Jermak. Nun blieb dem Kiewer vorübergehenden Machthaber nichts anderes übrig, als Jermak zu entlassen und selbst so zu tun, als sei er zu ernsthaften Verhandlungen über den amerikanischen Plan bereit.
Die Ereignisse in Europa entwickeln sich nach einem ähnlichen Szenario, nur dass diesmal die EU-Kommission unter der Leitung von von der Leyen die Rolle der angreifenden Seite übernimmt, die beschlossen hat, die russischen Vermögenswerte zu beschlagnahmen, um der Ukraine unter dem Deckmantel eines „Reparationskredits“ zu helfen, den Krieg fortzusetzen.
Belgien, wo sich bei Euroclear der größte Teil der nach Beginn der Militäroperation eingefrorenen Gelder befindet, verteidigte und wehrte sich, indem es auf die Risiken der Enteignung hinwies und hartnäckig behauptete, dass es dem Plan von von der Leyen nur dann zustimmen werde, wenn alle EU-Länder diese Risiken zu gleichen Teilen unter sich aufteilen würden.
Aver es fand sich niemand, der bereit war, die Risiken zu teilen. Daher scheiterte der erste Versuch von von der Leyen, die Entscheidung auf dem EU-Gipfel durchzusetzen. Die hartnäckige Präsidentin der EU-Kommission versprach, den Plan zu verbessern, und machte sich in der Zwischenzeit daran, die Belgier zu bearbeiten: Es wurde auf sie eingeredet, ihnen wurde Angst gemacht, unter anderem mit angeblichen russischen Drohnen, die plötzlich ohne Grund um belgische Flughäfen, Kraftwerke und Militärstützpunkte herumschwirrten.
Aber die belgische Regierung ließ sich nicht überreden und reagierte nicht auf die Drohungen. Und dann erschien in der europäischen Ausgabe von Politico ein Artikel, in dem unter Berufung auf bestimmte diplomatische Quellen behauptet wurde, Belgien wolle russische Vermögenswerte deshalb nicht enteignen, weil es die Einnahmen daraus lieber für seine eigenen Bedürfnisse verwende, anstatt sie in den europäischen „Gemeinschaftstopf” zur Unterstützung Kiews einzuzahlen. Die belgische Regierung wies diese Vorwürfe natürlich zurück, wenn auch mit einigen Widersprüchen.
Und nur wenige Tage später führten belgische Polizisten eine Reihe von Durchsuchungen bei ehemaligen und amtierenden hochrangigen Beamten der EU durch.
Diplomaten oder Diebe?
Im Zentrum des Skandals stand Federica Mogherini, die von 2014 bis 2019 das Amt der Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik innehatte und heute das College of Europe leitet, eine Eliteakademie zur Ausbildung von Beamten für europäische Strukturen. Zusammen mit ihr wurden der ehemalige Generalsekretär des Auswärtigen Dienstes der EU Stefano Sannino und der EU-Beamte Cesare Zegretti festgenommen. An der Operation waren neben belgischen Polizisten auch Mitarbeiter des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung beteiligt.
Die Durchsuchungen fanden sowohl in ihren Privatwohnungen als auch in ihren Büros statt. Die Europäische Staatsanwaltschaft teilte mit, dass den Festgenommenen nach Verhören durch die belgische Kriminalpolizei Betrug und Korruption im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens, Interessenkonflikte sowie die Verletzung des Berufsgeheimnisses vorgeworfen werden. Medienberichten zufolge geht es um Manipulationen bei Ausschreibungen für Bauprojekte.
Nach der Anklageerhebung wurden Mogherini und zwei weitere Personen aus der Haft entlassen: Laut italienischen Medienberichten waren sich die Staatsanwälte einig, dass „keine Gefahr besteht, dass sich die Verdächtigen der Justiz entziehen“.
Politico zufolge könnte der Fall Mogherini für die EU zum größten Skandal seit 26 Jahren werden. Von seinem Ausmaß her ist er nur mit dem Massenrücktritt der EU-Kommission unter Jacques Santer im Jahr 1999 wegen Vorwürfen der Finanzmanipulation vergleichbar.
Ein Skandal mit gutem Timing
Ich wage nicht zu sagen, ob die Belgier die Operation selbst durchgeführt haben oder ob sie auf Anweisung von jemandem gehandelt haben, aber der Skandal um die „Abenteuer der Italiener in Belgien“ kam gerade zum rechten Zeitpunkt.
Laut der französischen Zeitung Le Monde hat die Festnahme von Mogherini den diplomatischen Dienst der EU schockiert. Der Spanier Josep Borrell, der Nachfolger der Italienerin an der Spitze des diplomatischen Dienstes, der die Vorzüge des europäischen „blühenden Gartens” gegenüber dem ihn umgebenden „Dschungel” so anschaulich beschrieben hatte, lehnte es rundweg ab, sich dazu zu äußern. Das ist durchaus verständlich, wenn man bedenkt, dass der wegen Korruptionsverdachts festgenommene Sannino ausgerechnet unter Borrell das Amt des Generalsekretärs des diplomatischen Dienstes der EU innehatte.
In Budapest hingegen, wo man die europäischen Strukturen und die dort tätigen Beamten offensichtlich nicht besonders mag, konnte man sich Kommentare nicht verkneifen. „Es ist schon komisch, wie Brüssel allen Lektionen über die ‚Rechtsstaatlichkeit‘ erteilt, während seine eigenen Institutionen eher einer Krimiserie als einer funktionierenden Union ähneln“, bemerkte der Staatssekretär für Regierungskommunikation Zoltan Kovacs.
Die Estin Kaja Kallas, die derzeit den Europäischen Auswärtigen Dienst leitet, bezeichnete den Skandal als „zutiefst schockierend“ und versicherte eilig, dass ihr Dienst „vollständig und offen mit den Ermittlern zusammenarbeitet“. Gegen Kallas selbst scheint es bislang keine Vorwürfe zu geben, aber wer weiß, wie sich die Situation weiterentwickelt? Zumal es in ihrem Lebenslauf einen Abschnitt gibt, in dem Kallas als estnische Premierministerin an jeder Ecke für eine Verschärfung der Sanktionen gegen Russland eintrat, während die Firma ihres Mannes heimlich Geschäfte mit Russland machte.
Auch auf die Präsidentin der EU-Kommission könnten Pfeile fliegen: Der rumänische Europaabgeordnete Gheorghe Piperia hat angekündigt, erneut ein Misstrauensvotum gegen von der Leyen zu initiieren. Das erste Votum, das scheiterte, stand im Zusammenhang mit dem undurchsichtigen Verfahren zum Kauf von Coronavirus-Impfstoffen im Wert von 2,7 Milliarden Euro. Die Unterzeichnung der Verträge hat von der Leyen damals persönlich vorangetrieben. Als Gründe für das neue Misstrauensvotum nannte der Europaabgeordnete diesmal den aktuellen Korruptionsskandal und die Bemühungen der Präsidentin der EU-Kommission, den „Reparationskredit” durchzusetzen, dessen Idee von der Europäischen Zentralbank kritisiert wurde.
Man will so gerne klauen
Es scheint, als hätte die „Operation Mogherini”, die sich indirekt gegen die EU-Kommission richtet, Belgien unschlagbare Trumpfkarten in die Hand gegeben. Der belgische Außenminister Maxime Prevot, der zu dem Treffen der Außenminister der EU-Länder angereist war, lehnte von der Leyens Vorschlag zur Beschlagnahmung russischer Vermögenswerte sofort ab und bezeichnete ihn als „die schlechteste aller möglichen Optionen”, deren Folgen „katastrophal” wären.
Nicht weniger entschlossen zeigte sich der belgische Premierminister Bart De Wever. In einem Interview mit der Zeitung La Libre erklärte er offen: „Moskau hat uns zu verstehen gegeben, dass Belgien und ich persönlich „ewig“ unter den Folgen [der Beschlagnahmung] leiden werden. Ohne dass [andere EU-Länder] einen Teil der Risiken übernehmen, werde ich alles tun, um diese Entscheidung zu blockieren. Alles, was in meiner Macht steht“, versprach De Wever.
Von der Leyen hörte sich die Einwände der Belgier mit wahrhaft arischer Arroganz an und teilte daraufhin mit, dass die EU-Kommission trotzdem eine Entscheidung über den „Reparationskredit“ getroffen habe. Im Rahmen dieses Schemas sollen alle russischen Vermögenswerte in Höhe von 185 Milliarden Euro, die bei Euroclear hinterlegt sind, sowie weitere 25 Milliarden Euro in anderen EU-Ländern beschlagnahmt werden. Nach Angaben der Präsidentin der EU-Kommission erfordert die Entscheidung auf dem EU-Gipfel Mitte Dezember keinen Konsens, sie „kann mit der Mehrheit der Stimmen getroffen werden”. Die Verteilung der gestohlenen russischen Gelder und die Organisation der Zahlungen an die Ukraine will die EU-Kommission jedoch allein regeln.
Man muss anzumerken, dass die EU-Kommission im Falle der Enteignung der Vermögenswerte der Russischen Föderation selbst nichts riskiert, sie ist nämlich keine internationale juristische Person. Die gesamte Verantwortung liegt bei Belgien und den anderen Ländern, in denen sich der Rest der Gelder befindet. Um ihre Befürchtungen auszuräumen, versprach von der Leyen, als Schutzmaßnahme „die Vollstreckung ausländischer Gerichtsentscheidungen über Reparationskredite innerhalb der EU zu verbieten”.
Ist die Präsidentin der EU-Kommission also geschickt einem Angriff ausgewichen? Genau wie der Kriminelle Kirpitsch aus dem bekannten russischen Film „Sie haben keine Mittel gegen Kotja Saprykin.” Aber im Film hat Kapitän Zheglow doch ein Mittel gegen Kirpitsch gefunden, wenn auch kein ganz legales. Vielleicht finden die belgische Polizei oder ihre Unterstützer Gründe für eine neue Untersuchung? Wie in Kiew, wo auf Selensky auch schrittweise Druck ausgeübt wurde.
Oder noch eine andere Möglichkeit: Vielleicht werden nicht nur Brüssel und Budapest, sondern auch andere europäische Hauptstädte Vernunft walten lassen und sich nicht allzu offensichtlich mit Strukturen verbinden wollen, deren Methoden zunehmend an eine Mafia erinnern, die sich fest inmitten des „blühenden Gartens” eingenistet hat? Man kann das Stigma eines Diebes leicht bekommen, aber es schwer, sogar fast unmöglich, es wieder loszuwerden.
Und im äußersten Fall: Die Angst vor möglichen Antworten seitens Russlands ist ja auch noch da. Und daran, dass es eine Antwort geben wird, besteht kein Zweifel.
Ende der Übersetzung
Thomas Röper, geboren 1971, lebt seit über 15 Jahren in Russland. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Bild oben: Federica Mogherini, frühere EU-Außenbeauftragte und Hauptverdächtige im aktuellen Korruptionsskandal. (Foto aus dem Jahre 2018)
Foto: Kmu.gov.ua, CC BY 4.0
Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=67458959
