Die Gründung der DDR 1949
Ein historischer Überblick von Wolfgang Schürer
Die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD)
Die SMAD wurde am 09. Juni 1945 gebildet, nachdem die Sowjetunion, die Vereinigten Staaten, das Vereinigte Königreich und Frankreich 4 Tage vorher die volle Souveränität über Deutschland übernommen hatten. Die Hauptverwaltung der SMAD befand sich in Karlshorst, ein Ortsteil des Bezirkes Lichtenberg, im Sowjetischen Sektor von Berlin.
Die Bevölkerung der Sowjetischen Besatzungszone
Die SMAD ließ am 01. Dezember 1945 die Bevölkerung zählen. Ergebnis: 16,195 Mio., verteilt auf:
- 5,253 Mio.: Bundesland Sachsen
- 3,900 Mio.: Provinz Sachsen (später umbenannt in das Land Sachsen-Anhalt)
- 2,777 Mio.: Land Thüringen
- 2,318 Mio.: Provinz Mark Brandenburg (später umbenannt in das Land Brandenburg)
- 1,947 Mio.: Land Mecklenburg-Vorpommern (später umbenannt in Mecklenburg)
Quelle: Die Volkszählung vom 1. Dezember 1945 in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, Deutscher Zentralverlag, Berlin, Dezember 1946;
(Am 29. Oktober 1946 ließ die 4-Mächte-Regierung in Berlin eine Volkszählung in allen 4 Zonen und Berlin durchführen. Sie ergab für die Sowjetische Besatzungszone 17,314 Mio.)
Die Bevölkerung der 4-Sektoren-Stadt Berlin
Die Zählung am 12. August 1945 ergab 2,807 Mio. Am 29. Oktober 1946 wurden 3,171 Mio. gezählt, darunter 1,175 Mio. im Sowjetischen Sektor und 1,996 Mio. in den 3 Westsektoren.
Die Zulassung von 4 politischen Parteien in der Sowjetischen Besatzungszone und ganz Berlin 1945
Am 10. Juni erlaubte die SMAD die Bildung politischer Parteien. Einen Tag später wurde die KPD legalisiert, weitere 4 Tage später die SPD, am 26. Juni die CDU, und am 10. Juli die LDP.
Die Bildung der deutschen Zentralverwaltungen
Am 27. Juli 1945 befahl die SMAD die Errichtung von 11 Zentralverwaltungen (Brennstoffindustrie, Industrie, Landwirtschaft, Verkehrswesen, Nachrichtenwesen, Handel/Versorgung, Finanzen, Justiz, Arbeit/Soziales, Gesundheitswesen, Volksbildung). 5 weitere folgten (Umsiedler, Inneres, Statistik, Zwangsverwaltung/Beschlagnahme, Interzonenhandel/Außenhandel). Am 11. Juni 1947 wurden die 16 Zentralverwaltungen zur Deutschen Wirtschaftskommission zusammengelegt.
Die Vereinigung von KPD und SPD in der Sowjetischen Besatzungszone
Nach dem Potsdamer Abkommen (02. August 1945) wurden noch 1945 in den Westzonen politische Parteien zugelassen (US-Zone im August, UK-Zone im September, FR-Zone im Dezember). KPD und SPD wurden legalisiert. CDU, CSU und FDP waren Neugründungen.
Am 19./20. April 1946, in Berlin, fand der 15. Parteitag der gesamtdeutschen KPD statt. Von den 519 Delegierten kamen 130 aus den Westzonen. Der Parteitag beschloss die Vereinigung mit der SPD.
Gleichzeitig fand in Berlin ein SPD-Parteitag statt, der die Nummer 40 erhielt. 548 Delegierte nahmen teil, darunter 103 aus den Westzonen. Der Parteitag beschloss die Vereinigung mit der KPD. Die SPD der Westzonen anerkannte weder diesen Parteitag noch den Beschluss.
Am 21./22. März 1946, in Berlin, im Admiralspalast der Deutschen Staatsoper, tagten 507 Delegierte der KPD und 548 der SPD. 230 Delegierte stammten aus den Westzonen. Der Parteitag beschloss die Vereinigung von KPD und SPD zur SED.
(Die SPD der 3 Westzonen anerkannte weder den Vereinigungsparteitag noch den Beschluss.)
Die Zulassung von SPD und SED in allen 4 Sektoren Berlins
Am Sonntag, den 31. März 1946, fand in der SPD der 3 Westsektoren eine Abstimmung statt, an der sich 23.755 der 32.547 SPD-Mitglieder beteiligten. Sie beantworteten zwei verschiedene Fragen: 19.529 (82,21 %) stimmten gegen eine sofortige Vereinigung von SPD und KPD zur SED. 14.663 (61,73 %) stimmen für eine politische Zusammenarbeit von SPD und KPD.
Die Sowjetunion und die 3 Westalliierten legalisierten SED und SPD in ganz Berlin.
Die ersten Landtagswahlen in der Sowjetischen Besatzungszone, am 20. Oktober 1946
Zugelassen waren 3 Parteien (SED, CDU, LDP) und 3 Massenorganisationen: Die Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VGBH), der Kulturbund und Frauenausschüsse.
- In Sachsen gab es 3,803 Mio. Wahlberechtigte und 3,291 Mio. gültige Stimmen. Die SED erhielt 1,616 Mio., CDU und LDP zusammen 1,580 Mio., die Massenorganisationen 95.000.
- Sachsen-Anhalt: 2,701 Mio. Wahlberechtigte, 2,331 Mio. gültige Stimmen; 1,069 Mio. für die SED, 1,205 Mio. für LDP/CDU, 57.000 für die VGBH.
- Thüringen: 1,986 Mio. Wahlberechtigte, 1,662 Mio. gültige Stimmen; 819.000 für die SED, 788.000 für LDP/CDU, 55.000 für die VGBH.
- Brandenburg: 1,656 Mio. Wahlberechtigte, 1,447 Mio. gültige Stimmen; 635.000 für die SED, 741.000 für CDU/LDP, 71.000 für die VGBH.
- Mecklenburg: 1,309 Mio. Wahlberechtigte, 1,114 Mio. gültige Stimmen; 552.000 für die SED, 518.000 für CDU/LDP, 44.000 für die VGBH.
Die Wahlen zur Berliner Stadtverordnetenversammlung, am 20. Oktober 1946
In jedem der 4 Sektoren waren 4 Parteien zugelassen: SPD, CDU, LDP und SED.
Es gab 2,307 Mio. Wahlberechtigte und 2,085 Mio. gültige Stimmen. Die SPD erhielt 1,016 Mio., die CDU 462.000, die LDP 195.000. Die SED erzielte 412.000, darunter 233.000 im Sowjetischen Sektor und 179.000 in den 3 Westsektoren.
Das Ende der Viermächte-Regierung, im US-Sektor Berlins, am 20. März 1948
Die Londoner Außenministerkonferenz der 3 Westalliierten und der Sowjetunion (25. November bis 15. Dezember 1947) verlief ergebnislos. Die 3 Westalliierten und die Beneluxstaaten vereinbarten eine Sechsmächtekonferenz, die vom 23. Februar bis zum 02. Juni 1948 in London tagte. Die 6 Staaten beschlossen die Bildung eines separaten westdeutschen Teil-Staates. Die Sowjetunion protestierte gegen die Sechsmächtekonferenz und zog sich am 20. März 1948 aus der Viermächte-Regierung zurück.
Das Ende des einheitlichen deutschen Währungsgebietes, am Sonntag, den 20. Juni 1948
Die Reichsmark (RM) war seit dem 30. August 1924 das gesetzliche Zahlungsmittel in Deutschland. Ende 1933 betrug waren Banknoten von 4,2 Mrd. RM im Umlauf. Ende 1939 belief sich der Umlauf auf 11,8 Mrd. RM, Anfang 1945 auf 73,0 Mrd. RM. (Quelle: Manfred Borchert, Geld und Kredit, Oldenburg, 2003, Seite 13) Die 3 Westalliierten und die Sowjetunion ließen weitere Banknoten drucken, die jeweils mit einem Sonderzeichen versehen waren.
(Frankreich hatte, am 16. Juli 1947, im Saarland die Saar-Mark (SM) eingeführt. Der Französische Franc war, vom 20. November 1947 bis zum 05. Juli 1959, dort gesetzliches Zahlungsmittel.)
Am 18. Juni 1948 teilten die 3 Westalliierten der Sowjetunion mit, dass 2 Tage später eine separate Währungsreform in den Westzonen, nicht jedoch in den 3 Berliner Westsektoren, durchgeführt werde. Die neue Währung hieß D-Mark, die inoffizielle Bezeichnung war Westmark. Um Mitternacht wurden die RM-Banknoten in den Westzonen ungültig. Nunmehr drohte eine Inflationierung der Sowjetischen Besatzungszone und Berlins, sollten dorthin RM-Banknoten gebracht werden.
Die Währungsreform in der Sowjetischen Besatzungszone und Berlin
Die SMAD reagierte, zunächst, mit der Einführung der „Kupon-Mark“: In der Sowjetischen Besatzungszone waren RM-Banknoten dann und nur dann gültig, wenn Kupons mit einer Zahl, jedoch ohne Angabe des Namens der Währung, versehen waren.
Am 21. Juni 1948 befahl die SMAD der Deutschen Wirtschaftskommission, eine neue Währung für die Sowjetische Besatzungszone und Berlin einzuführen. Sie hieß ebenfalls D-Mark, die inoffizielle Bezeichnung war Ostmark. 70 RM konnten in 70 Ostmark umgetauscht werden. Am 24. Juni 1948 wurde die Ostmark das gesetzliche Zahlungsmittel in der Sowjetischen Besatzungszone und für alle 4 Berliner Sektoren.
Die Kupon-Mark-Banknoten wurde am 24. Juli 1948 durch neue Ostmark-Banknoten ersetzt. Kupon-Mark-Banknoten konnten bis zum 28. Juli 1948 in Ostmark-Banknoten umgetauscht werden.
Die ökonomische Abtrennung West-Berlins von Ost-Berlin und der Sowjetischen Besatzungszone
Am 24. Juni 1948 führten die Westalliierten in ihren 3 Berliner Sektoren zusätzlich die Bären-Mark ein. Es handelte sich um Westmark-Banknoten, die mit einem „B“-Stempel versehen waren. (Der Berliner Bär war seit ungefähr 1280 das Berliner Wappen.)
Die rationierten Lebensmittel, Mieten, Strom, Gas und alle städtischen Abgaben wurden in Ostmark bezahlt. Löhne und Gehälter wurden hauptsächlich in Bären-Mark gezahlt.
Die 3 Westalliierten gaben nur relativ wenige Bären-Mark-Banknoten aus. In West-Berlin öffneten Wechselstuben, die Ostmark-Banknoten gegen Westmark zu Freimarktkursen ankauften und verkauften. Das Ostmark-Angebot war bedeutend kleiner als die Ostmark-Nachfrage. Die Freimarktkurse der Ostmark waren sehr niedrig.
(Die SMAD verbot den Besitz von Westmark-Banknoten im Sowjetischen Sektor Berlins und in der Sowjetischen Besatzungszone. Es bildete sich ein Schwarzer Markt für Westmark-Banknoten. Die Westmark-Nachfrage war bedeutend größer als das Westmark-Angebot. Die Schwarzmarktkurse der Westmark waren sehr hoch.
Am 20. März 1949 erklärten die 3 Westalliierten die Ostmark in West-Berlin für ungültig. Die Westmark wurde das alleinige gesetzliche Zahlungsmittel. (Die B-Mark-Banknoten wurden aus dem Umlauf gezogen.)
Die gesamtdeutsche Volkskongress-Bewegung, 1947-1949
Schon vor Beginn der Londoner Außenministerkonferenz war immer deutlicher geworden, dass die Vereinigten Staaten die Bildung eines separaten westdeutschen Teilstaates anstrebten, dass das Vereinigte Königreich dies unterstützte, und dass Frankreich, wenngleich widerstrebend, sich allmählich dieser Politik anschloss. Am 26. November 1947 rief die SED alle Deutschen auf, einen Volkskongress zwecks Erhalts der Einheit Deutschlands zu bilden. Die KPD der Westzonen unterstützte diesen Aufruf. Im Sowjetischen Sektor Berlins fanden statt:
Erster Deutscher Volkkongress, 06./07. November 1947;
Er bestimmte eine 17-köpfige Delegation, die zur Londoner Außenministerkonferenz gesandt wurde. Die 3 Westalliierten verweigerten den Empfang.
Zweiter Deutscher Volkskongress, 17./18. März 1948;
Er wählte den 400-köpfigen Deutschen Volksrat (DVR), der den Entwurf einer gesamtdeutschen Verfassung ausarbeitete.
Dritter Deutscher Volkskongress, 29./30. Mai 1949;
Er bestätigte die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR).
Artikel 1 Absatz 1: Deutschland ist eine unteilbare demokratische Republik; sie baut sich auf den deutschen Ländern auf.
Artikel 1, Absatz 4: Es gibt nur eine deutsche Staatsangehörigkeit.
Artikel 2: Die Farben der Deutschen Demokratischen Republik sind Schwarz-Rot-Gold. Die Hauptstadt der Republik ist Berlin.
An den 3 Volkskongressen nahmen jeweils etwa 2.000 Personen teil. Mehr als 70 % der Teilnehmer wohnten in der Sowjetischen Besatzungszone oder im Sowjetischen Sektor Berlins, weniger als 30 % in den 3 Westzonen oder den 3 Berliner Westsektoren.
In Vegesack, in Niedersachsen (UK-Zone), nahe der Grenze zu Bremen, am 17./18. Januar 1948, fand einer der wenigen westzonalen Landes-Volkskongresse statt. Das Vereinigte Königreich verbot bereits geplante Volkskongresse in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Hamburg. Die USA erlaubten keine Volkskongresse in der US-Zone (Bayern, Hessen, Württemberg-Baden, Bremen). Der DVR organisierte ein Volksbegehren zur Durchführung einer Volksabstimmung über die Einheit Deutschlands. Im Mai/Juni 1948 trugen sich ungefähr 13 Mio. Personen in die Listen ein, darunter 1 Mio. aus der UK-Zone. (In der US-Zone und der FR-Zone war das Volksbegehren verboten worden.) Quelle: Heike Ambos, Die Westpolitik der SED 1948/49 bis 1961, Seite 15f, Berlin, 1999;
Am 15./16. Mai 1949 hieß der Stimmzettel in der Sowjetischen Besatzungszone: „Ich bin für die Einheit Deutschlands und einen gerechten Friedensvertrag. Ich stimme daher für die nachstehende Kandidatenliste zum Dritten Deutschen Volkskongress.“ 13,533 Mio. waren Abstimmungsberechtigte. 12,883 Mio. beteiligten sich. 12,033 Mio. gaben gültige Stimmzettel ab. 7,954 Mio. stimmten mit JA. 3,887 Mio. stimmten mit NEIN. 192.000 notierten weder JA noch Nein.
(Berechnung der Zahlen aus: PLOETZ, Die Deutsche Frage, 2. Auflage, Seite 31, Würzburg, 1964)
Die Bildung der ersten DDR-Regierung
Am 07. Oktober 1949 erklärte sich der Deutsche Volksrat zur provisorischen Volkskammer und setzte die Verfassung in Kraft. Damit war aus der Sowjetischen Besatzungszone ein Staat, die DDR, gebildet worden. 3 Tage später wurde die SMAD aufgelöst.
Die Volkskammer beauftragte Otto Grotewohl (1894-1964) mit der Regierungsbildung. Er gehörte seit 1912 zur SPD, 1918-1922 zur USPD, danach wieder zur SPD, seit 1946 zur SED.
Am 11. Oktober 1949 wurde Wilhelm Pieck (1876-1960) von der Volkskammer zum Präsidenten der DDR gewählt. Er gehörte seit 1895 zur SPD, seit 1917 zur USPD, und seit 1919 zur KPD.
Die provisorische Regierung der DDR bestand aus 18 Personen, dem Ministerpräsidenten, 3 Stellvertretern (Walter Ulbricht, SED; Otto Nuschke, CDU; Hermann Kastner, LDP) und 14 Ministern. 6 gehörten zur SED, 3 zur CDU, 2 zur LDP, 1 zur Demokratischen Bauernpartei Deutschlands (DBD), 1 zur National-Demokratischen Partei Deutschlands (NDPD), 1 war Parteiloser.
(Die DBD war am 29. April 1948, die NDPD am 25. Mai 1948, im Rahmen der Volkskongress-Bewegung, in der Sowjetischen Besatzungszone zugelassen worden.)
Die Sowjetische Kontrollkommission, am Sitz der früheren SMAD, hatte bis zum 20. September 1955 die Souveränität über die DDR.
Die DDR hatte seit dem 11. Oktober 1949 einen Außenminister, Georg Dertinger (1902-1968). Er war in der Weimarer Republik Mitglied der DNVP gewesen und hatte 1933 Franz von Papen bei den Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl zum Abschluss des Konkordats (20. Juli 1933) begleitet. Er gehörte, im Juni 1945, zu den Gründern der CDU.
Wolfgang Schürer ist Vorsitzender des Kreisverbandes Offenbach a. M. der Freidenker
Bild oben: v.l.n.r.: Der erste Präsident der DDR, Wilhelm Pieck, und der erste Ministerpräsident der DDR, Otto Grotewohl, am 11. Oktober 1949 in Berlin
Foto: Bundesarchiv, Bild 183-19000-3301 / Zühlsdorf / CC-BY-SA 3.0,
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