Frieden - Antifaschismus - Solidarität

Fürs Klima und die NATO – Die manipulierte Ostermarschbewegung

Die traditionelle Friedensbewegung schließt sich der NATO-Verurteilung Russlands wie dem Klimarettungs-Narrativ des WEF an. In ihren Aufrufen verschweigt sie, dass sich inzwischen eine unabhängige Friedensbewegung entwickelt hat, die bundesweit eigene Ostermärsche organisiert. Ausdrücklich will sich diese nicht für „transatlantische Interessen“ kapern lassen.

Von Felicitas Rabe

Erstveröffentlichung am 07.04.2023 auf RT DE

Orientiert man sich an der Website der traditionellen deutschen Friedensbewegung, finden am kommenden Wochenende in Deutschland 123 angemeldete Ostermärsche statt. Mit den vielen Friedensdemonstrationen wirkt die Planung der österlichen Aufzüge eher kleinteilig. Auch der überregional bekannte Ostermarsch Rhein-Ruhr wird verteilt auf 14 Veranstaltungen stattfinden.

Den Auftakt bildet in diesem Jahr ein Ostermarsch in Erfurt, der neben zwei weiteren Märschen bereits am Gründonnerstag (6. April) stattfinden soll. Der Aufruf dazu wird auf der Webseite der Erfurter Linken veröffentlicht. Es sticht überhaupt ins Auge, in welchem Ausmaß die Linkspartei in diesem Jahr geradezu wahlkampfartig in die Ostermärsche der Friedenskooperative eingebunden ist.

So wie Lara Herrlich von der Linkspartei auf der Ostermarschkundgebung in Gießen, werden am Ostersamstag auch in Hannover, Wismar, Neumünster, Kaiserslautern, Bielefeld, Potsdam und in vielen anderen Städten Vertreter der Linkspartei zu den Friedensmarschierern sprechen. Mancherorts veranstalten die Linken den Ostermarsch direkt selbst, wie in Wismar, Gera und weiteren Städten.

Ostermarschierer werden auf NATO-kompatible Position gebracht

Dabei ist nicht nur die Linkspartei zur Frage der deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine und zur Frage des Verständnisses für Russland gespalten, was sich auch in der Spaltung der Ostermärsche insgesamt widerspiegelt. Beispielsweise werden Friedensaktivisten auf der Kundgebung am 8. April in Mainz laut Programm gleich zwei eindeutig antirussischen Reden lauschen. Gernot Lennert, Landesgeschäftsführer der DFG-VK RLP, wird dort zum Thema „Nein zum russischen Angriffskrieg“ sprechen und Franz Nadler von der Organisation Connection zum Thema „Kriegsdienstverweigerung in Russland“.

Im Gespräch mit der Autorin erklärte der Präsident der Freidenker-Weltunion Klaus Hartmann am Mittwoch, die Aufrufe der traditionellen Ostermärsche seien in diesem Jahr von Russland-Beschuldigungen geprägt. Hartmann stellte fest: „Die überwältige Zahl der diesjährigen Ostermarsch-Aufrufe kommt nicht umhin, Russland zu beschuldigen, es habe die Ukraine überfallen und führe einen ‚völkerrechtswidrigen Angriffskrieg‚.“ Bei aller Kritik an Waffenlieferungen und der Aufrüstung in Deutschland seitens der Friedensbewegung so Hartmann, „folgt diese Erzählung der NATO-Erzählung, dass der Krieg im Februar 2022 begonnen habe und nicht bereits 2014, als der Angriff der Kiewer Putschisten auf den Donbass begann.“

„Und damit werden die Ostermarschierer am Ende des Tages doch auf eine NATO-kompatible Position gebracht!“

stellte der Vorsitzende der Freidenker-Weltunion fest.

Die deutschen Freidenker verteilen zu Ostern einen Flyer mit eigener Bewertung der deutschen Russlandpolitik. Widersprüchlich erscheint auch der Umgang mit Vertretern und Anhängern politischer Parteien bei den traditionellen Ostermärschen. Obwohl Vertreter der Linkspartei häufig als Organisatoren oder Redner auftreten, wird den Teilnehmern vielen Aufrufen zufolge grundsätzlich untersagt, Parteiabzeichen und -fahnen mitzuführen. Offenbar will man damit den Eindruck der Überparteilichkeit der Friedensbewegung erwecken.

Scheinbare Überparteilichkeit bei Ausgrenzung von AfD-Vertretern und -Wählern

Gleichzeitig wird Überparteilichkeit fast überall klar begrenzt. Dazu heißt es sinngemäß nicht nur im Aufruf des Ostermarsches Rhein/Ruhr, dass man sich „den menschenfeindlichen Umtrieben von AfD (…) und anderen rechten Ideologen entgegenstellen“ werde. Auch im Aufruf zum Rostocker Ostermarsch wird „die Teilnahme von Mitgliedern und Anhängern der AfD sowie nationalistischen und rechtsradikalen Kräften nicht gestattet“.

Selbst wer kein Fan der AfD ist, sollte realisiert haben, dass es die AfD war, die Waffenlieferungen in die Ukraine konsequent abgelehnt hat. Nach Aussage des ehemaligen UN-Diplomaten Michael von der Schulenburg hat die AfD genau wegen dieser Haltung so viel Zuspruch von Friedensaktivisten erhalten. Sie habe dadurch neue Anhänger gewonnen, die keine typischen AfD-Wähler seien, erklärte von der Schulenburg erst kürzlich bei einem Vortrag bei SPD-Senioren.

Es scheint so, als habe man seitens der traditionellen Friedensbewegung ausgerechnet vor den Menschen Angst, die aus Sorge um eine Eskalation zu einem Dritten Weltkrieg eine Partei wählten, die sich am eindeutigsten gegen deutsche Waffenlieferungen ausspricht.

Hingegen darf der Ostermarsch in Passau, wo laut Aufruf auch keine Parteiabzeichen und -fahnen akzeptiert werden, anscheinend problemlos vom stellvertretenden Vorsitzender der Grünen-Fraktion in Passau Karl Synek organisiert werden. Dabei haben sich die Grünen als Koalitionspartei für die Lieferung von deutschen Kampfpanzern an ein Land entschlossen, das im Zweiten Weltkrieg durch den deutschen Angriffskrieg 27 Millionen Tote zu beklagen gehabt hatte.

Die Grünen liefern nun Kampfpanzer gegen Russland, obwohl sie in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021 festgelegt hatten, Waffenlieferungen in Kriegsgebiete abzulehnen. Auf Seite 250 des Parteiprogramms heißt es unter dem Kapitel „Keine deutschen Waffen in Kriegsgebiete und Diktaturen“:

„Exporte von Waffen und Rüstungsgütern an Diktaturen, menschenrechtsverachtende Regime und in Kriegsgebiete verbieten sich.“

Für traditionelle Friedensfunktionäre scheint es dennoch kein Problem zu sein, diese Partei, deren Mitglieder und deren Anhänger auf den Ostermärschen zu begrüßen.

Als Teilnehmer an den Friedensmärschen der Friedenskooperative muss man darüber hinaus einige Kompromisse eingehen. Von den Veranstaltern wird mehrheitlich vorausgesetzt, dass Friedensaktivisten auch gleichzeitig Anhänger des offiziellen „Klima-Narrativs“ des Weltwirtschaftsforums (WEF) und der EU-Kommission sind, wie man vielen Aufrufen entnehmen kann. In dieser Hinsicht folgt man den Aktivisten der „Letzten Generation“. Nach deren Vorstellung gehe die Welt, wenn ein paar Länder des Westens nicht auf Atomkraft verzichteten und ihre Wirtschaft zusammenbrechen ließen.

Wenige Länder, die zur „Klimarettung“ den Verbrennermotor verbieten wollen / Telegrammeldung vom 3.04.2023
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Dementsprechend lautet zum Beispiel das Motto des Landshuter Ostermarschs „Gemeinsam für Frieden. Klima. Gerechtigkeit.“, und im Stuttgarter Flyer heißt es ebenfalls kurz und bündig „Klima retten“. Im Aufruf des Rhein/Ruhr-Ostermarsches liest man: „Die Klimarettung ist nur in einer gemeinsamen weltweiten Kraftanstrengung im Frieden möglich.“ Die angebliche Dringlichkeit einer Verbindung von Ostermarsch und Klimabewegung war bereits im Dezember auf dem Kasseler Friedensratschlag mehrfach betont worden und wurde tatsächlich in vielen Aufrufen umgesetzt.

Infolgedessen wird Teilnehmern der traditionellen Ostermärsche quasi unterstellt, sie seien für den Handel mit Klimazertifikaten, für die faktische Enteignung von Eigenheimbesitzern, gegen die weitere Nutzung von Verbrennermotoren, gegen den Erhalt des deutschen Mittelstands, für die zunehmende Nutzung von Stromenergie im Straßenverkehr, gegen die Nutzung von Atomkraftwerken in Deutschland und für die Unterstützung von Klimaaktivisten, Straßenklebern und Museumsrandalierern.

Am Ende unterstützt man als Friedensaktivist der traditionellen Friedensbewegung eigentlich die Vision der allgemeinen Volksenteignung von WEF-Gründer Klaus Schwab und der neoliberalen Wirtschaftselite: „Ihr werdet nichts besitzen, und ihr werdet glücklich sein.“

Unterschlagung einer unabhängigen Friedensbewegung

Von den Organisatoren der Friedenskooperative wird versehentlich oder absichtlich unterschlagen, dass zu Ostern 2023 auch unabhängige Friedensdemonstrationen stattfinden. In München wird neben dem traditionellen Ostermarsch die große zentrale Friedensdemo des überregionalen oppositionellen Bündnisses „Macht Frieden“ organisiert. Die alternative Friedensbewegung ist aus der Bewegung für Grundrechte und den Corona-Protesten hervorgegangen. In deren Aufruf heißt es: „Wir machen ein Angebot an alle Menschen, die ehrlichen Herzens für den Frieden demonstrieren wollen“.

Während das traditionelle Münchner Friedensbündnis sich auf den „völkerrechtswidrigen Krieg Russlands“ bezieht und die „Klimarettung“ fordert, heißt es im Münchner Aufruf der neuen Friedensbewegung:

„Wir fordern die sofortige Reparatur der Nord-Stream-Gasleitungen und die lückenlose Aufklärung des Anschlags auf europäische Energie-Infrastruktur in der Nordsee, der im September 2022 Teile der Gasleitungen zerstörte. Unsere Haushalte und Industrie brauchen zuverlässige, bezahlbare Energie.“ Dazu bedauern die neuen Friedensaktivisten die Kaperung traditioneller Ostermärsche für transatlantische Interessen:

„Leider haben teilweise deutsche Regierungsparteien lokale Ostermarschgruppen für transatlantische Interessen gekapert und ihre Forderungen, Reden und Protestaktionen entsprechend weichgespült. Da machen wir nicht mit.“

 

Felicitas Rabe interviewte u.a. bereits Diether Dehm (https://www.freidenker.org/?p=15713), Karin Leukefeld (https://www.freidenker.org/?p=14867) und Klaus Hartmann (https://www.freidenker.org/?p=14852).

Der im Text erwähnte Flyer des Deutschen Freidenker-Verbandes ist hier zu finden: https://www.freidenker.org/?p=15703


Bild oben: © Felicitas Rabe