Elbe Tag: Torgauer „Offizielle“ nicht unter sich

Nachdem am 24.04.2021 die große Friedensdemonstration durch Auflagen der Versammlungsbehörde des Nordkreises Sachsen auf vier Kundgebungen reduziert wurde (siehe Bericht), fand am Sonntag, 25.04.2021 das „staatsoffizielle“ Gedenken statt.

Die Torgauer Zeitung hatte die Ankündigung als 21-Zeilen-Meldung tief im Lokalteil versteckt, und das Gedenken „als Minimalvariante“ angekündigt, es würde „nur im kleinen Rahmen stattfinden.“ Dann der Gag: „Wegen der aktuellen Pandemielage bittet die Stadtverwaltung die Torgauer von einem Besuch der Gedenkveranstaltung abzusehen.“ Wohlgemerkt fand sie unter freiem Himmel, nicht etwa im Saal statt!

Trotz der Ausladung kamen noch gut 80 Personen zusammen, weil insbesondere Mitglieder einiger Motorradclubs, die DKP Torgau, der Revolutionäre Freundschaftsbund und der Deutsche Freidenker-Verband die „Offiziellen“ nicht alleine feiern lassen wollten.

Nur wenige Torgauer Bürger fanden sich 2021 zum offiziellen Gedenken ein. Hinter dem Denkmal spannte sich die historische Brücke über die Elbe, Ort dieses ersten Zusammentreffens sowjetischer und US-amerikanischer Soldaten. Doch am 16. Juni 1994 bewies die Stadt Torgau ein merkwürdiges Geschichtsbewusstsein, und ließ die Brücke sprengen.

Von der amtlichen „Corona-Warnung ließen sich die Mitglieder der Motorradclubs nicht von der Teilnahme abschrecken: Motorradfahrgemeinschaft Dübener Heide …

… und Nachtwölfe.

Deutscher und russicher Uniformträger

Torgaus Oberbürgermeisterin Romina Barth, der amerikanische Generalkonsul Ken Toko, der russische Generalkonsul Andrej Yurevich Dronov und auch die Landesvorsitzende des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Andrea Dombois, richteten Grußworte an die Anwesenden.

Der russische Generalkonsul Andrej Yurevich Dronov bei der Kranzniederlegung

Damit die städtischen und Torgauer Offiziellen nicht unter sich blieben, …

… hielten Mitglieder der DKP Torgau, des Revolutionären Freundschaftsbundes und des Deutschen Freidenker-Verbandes ihre Fahnen und Transparente hoch: …

…gegen die NATO, gegen die Atomwaffen in Büchel, …

… gegen den Aufmarsch gegen Russland.

Auch die Fahne von Wolgograd / Stalingrad wurde von der DKP Torgau gezeigt

Elke und Gerd Brucks öffneten am Abend des 24.04. das Büro der DKP Torgau für die Beratung der sächsischen Freidenker und retteten damit die Veranstaltung. Das ursprünglich vorgesehene Hotel bot zwar den Versammlungsraum an, durfte aber auf Druck des Ordnungsamtes weder Essen noch Getränke anbieten. Unser Dank an Elke und Gerd!

Zum Abschluss der offiziellen Veranstaltung lassen Torgauer Schulkinder weiße Tauben als Symbol des Friedens in den Himmel aufsteigen

Danach sang Ernst Schwarz die Lieder „Katjuscha“, „Meinst Du die Russen wollen Krieg?“ und die „Kinderhymne“ an der gegenüberliegenden Stelenwand für das Sowjetvolk.

Einträchtig nebeneinander: Die Kränze der Generalkonsulate der USA und der Russischen Föderation

Unverschämt: Die bei jeder Gelegenheit gegen Russland hetzende Kramp-Knarrenbauer lässt von ihren Uniformierten ebenfalls einen Kranz niederlegen

Fotos: Monika Krotter-Hartmann und Webredaktion

Das wenig ambitionierte Herangehen der Stadt Torgau an den „Tag der Begegnung“ wurde auch an anderen Stellen deutlich. So fehlte am Grab des US-Veteranen Joseph P. Polowsky auf dem städtischen Friedhof jedweder „offizielle“ Blumenschmuck.

Blumen für Joe

Der US-Soldat Joseph P. Polowsky war Mitglied einer jener Patrouillen, die am 25.04.1945 über die Elbe setzten und auf Soldaten der Roten Armee trafen. Dem „Schwur von der Elbe“, das Versprechen von amerikanischen und sowjetischen Soldaten, der Menschheit fortan Kriege zu ersparen, blieb er sein Leben lang treu und setzte sich für die US-amerikanisch-sowjetische Freundschaft und den Frieden ein. Er sammelte Geld für den Friedenskampf und initiierte zahlreiche Aktionen gegen den Krieg. 1955 besuchte er mit acht weiteren Kriegsveteranen anlässlich des zehnten Jahrestages der Begegnung Moskau, in der Ära Mc Carthys wurde er wegen „unamerikanischer Umtriebe“ verfolgt. Bei seinem USA-Besuch im Januar 1959 besuchte der sowjetische Vizeregierungschef Mikojan auch Polowskys Familie, 1959 wurde er mit weiteren Kriegsveteranen im Kreml von Nikita Chruschtschow empfangen. Jedes Jahr hielt er auf der Michigan Avenue Bridge in Chicago in Erinnerung an den „Elbe-Day 1945“ eine Mahnwache ab. 1960 kam er wieder nach Torgau, ein Jahr später empfing ihn Walter Ulbricht.

Der 1983 verstorbene Joe hatte als letzten Willen geäußert, in Torgau begraben zu werden. Die Bestattung am 26. November 1983 genehmigte Erich Honecker persönlich, 1984 erfolgte die Einweihung eines Gedenksteins am Grab Polowskys. 1985 haben anlässlich des 40. Jahrestages der Begegnung an der Elbe 40 US-Gouverneure den 25. April in ihren Bundesstaaten zum „Elbe-Day“ erklärt.

An Joe Polowskys Grab auf dem Städtischen Friedhof in Torgau: Willi Schulze-Barantin, Vorsitzender der hessischen Freidenker, legt Blumen nieder

Der Friedhof für die bei der Befreiung gefallenen Sowjetsoldaten in Torgau blieb auch am 25. April 2021 verschlossen – Gedenken als Zaungäste

Fotos: Monika Krotter-Hartmann

Beitragsbild oben: Monika Krotter-Hartmann