Frieden - Antifaschismus - Solidarität

Truppenstationierungsvertrag kündigen!

Rede – gehalten für die Kampagne „NATO raus – raus aus der NATO“ am 30. Mai 2020 am Brandenburger Tor im Rahmen der Kundgebung von KündigtRamsteinAirBase

Von Andreas Neumann

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde, ich möchte mit einer Frage beginnen. Was wollen wir?

Wollen wir, dass in Deutschland und anderen Teilen Europas Jahr für Jahr Kriegsmanöver wie „US Defender Europe 2020“ stattfinden? Nein, das wollen wir nicht! Gibt es ein Mittel, uns der Manöver zu entledigen? Ja, das gibt es!

Wollen wir, dass der deutsche Militärhaushalt entsprechend des irrsinnigen 2-Prozent-Ziels der NATO von 42,9 Milliarden (2019) auf ca. 80 Milliarden Euro pro Jahr steigt? Nein, das wollen wir nicht! Gibt es ein Mittel, diesen Irrsinn zu verhindern? Ja, das gibt es!

Wollen wir, dass in Deutschland US-Atomwaffen gelagert bleiben und von hier aus womöglich zum Einsatz kommen? Nein, das wollen wir nicht! Gibt es ein Mittel, uns der Atomwaffen zu entledigen? Ja, das gibt es!

Wollen wir, dass in Deutschland infolge der Kündigung des INF-Vertrags neue atomare Mittelstreckenraketen stationiert werden? Nein, das wollen wir nicht! Gibt es ein Mittel, die Stationierung zu verhindern? Ja, das gibt es!

Wollen wir, dass die Bundeswehr an zig Orten auf der Welt im Schlepptau der USA im Einsatz ist? Nein, das wollen wir nicht! Gibt es ein Mittel, die Bundeswehr-Einsätze zu beenden? Ja, das gibt es!

Wollen wir, dass in Deutschland weiterhin US-Kriegsdrehscheiben wie die in Ramstein betrieben werden? Nein, das wollen wir nicht! Gibt es ein Mittel, uns der Kriegsdrehscheiben zu entledigen? Ja, das gibt es!

Wollen wir, dass in Deutschland weiterhin die US-Kriegskommando-Zentralen EUCOM und AFRICOM betrieben werden? Nein, das wollen wir nicht! Gibt es ein Mittel, uns der Kommando-Zentralen zu entledigen? Ja, das gibt es!

Wollen wir, dass die mehr als 50 militärischen Einrichtungen von NATO, USA und Großbritannien in Deutschland erhalten bleiben? Nein, das wollen wir nicht! Gibt es ein Mittel, uns all dieser militärischen Einrichtungen zu entledigen? Ja, das gibt es!

Wollen wir, dass die in Deutschland von USA, Großbritannien und NATO für militärische Zwecke besetzte Fläche von mehr als 600 Quadratkilometern für Mord und Totschlag genutzt wird? Nein, das wollen wir nicht! Gibt es ein Mittel, diese Fläche entsprechend eines Streifens, der sich ein Kilometer breit von Hamburg bis nach München erstreckt, zivil zu nutzen? Ja, das gibt es!

Militärische Einrichtungen von NATO, USA und Großbritannien finden sich in

  • Ansbach-Katterbach
  • Baumholder
  • Bielefeld
  • Böblingen
  • Dülmen
  • Geilenkirchen
  • Germersheim
  • Grafenwöhr
  • Griesheim
  • Gütersloh
  • Hohenfels
  • Illesheim
  • Kaiserslautern
  • Kalkar
  • Landstuhl
  • Mainz
  • Mannheim
  • Miesau
  • Mönchengladbach
  • Oberammergau
  • Paderborn
  • Pirmasens
  • Ramstein
  • Spangdahlem
  • Stuttgart
  • Vilseck
  • Uedem
  • Ulm
  • Wackernheim
  • Wiesbaden
  • Wulfen

Gibt es ein Mittel, um all diese Tod bringenden Einrichtungen los zu werden? Ja, das gibt es!

Und was ist das für ein Mittel? Es ist ein Mittel, das innerhalb von nur zwei Jahren seine Wirkung entfaltet – innerhalb von nur zwei Jahren! Gibt es so ein Mittel tatsächlich? Ja, das gibt es! Dieses Mittel heißt – Kündigung des Truppenstationierungsvertrags – in Kombination mit dem Austritt aus der NATO!

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Der Truppenstationierungsvertrag stammt aus dem Jahr 1954 und heißt genauer „Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland“. Er gestattet es den USA, Großbritannien, Kanada, Belgien, den Niederlanden, Frankreich, Luxemburg und Dänemark in Deutschland militärisch präsent zu sein.

Doch der Truppenstationierungsvertrag kann infolge von Notenwechseln vom Herbst 1990 mit 2-Jahres-Frist gekündigt werden. In diesen Notenwechseln heißt es; „Die Bundesrepublik Deutschland kann den Aufenthaltsvertrag in bezug auf eine oder mehrere Vertragsparteien durch Anzeige an die Vertragsparteien unter Einhaltung einer Frist von zwei Jahren beenden.“

Und dann gilt folgendes: Jedes Mitglied kann gemäß NATO-Vertrag von 1949 mit 1-Jahres-Frist aus der NATO austreten. Der exakte Wortlaut: „Nach zwanzigjähriger Geltungsdauer des Vertrags kann jede Partei aus dem Vertrag ausscheiden, und zwar ein Jahr, nachdem sie der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika die Kündigung mitgeteilt hat.“

Und dann gibt es noch den so genannten 2+4-Vertrag von 1990 – den Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland. Der stützt – ja gebietet – diese beiden Schritte (Kündigung des Truppenstationierungsvertrags und Austritt aus der NATO), denn es heißt dort, „daß von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird“.

So kann Deutschland in Sachen Entmilitarisierung und Friedenspolitik Vorbild werden. So kann Deutschland sich der US-Strategie, in die Feindschaft mit Russland getrieben zu werden, entziehen – und die Bundeswehr abgerüstet werden. So kann es heißen: Freundschaft mit Russland, Freundschaft mit der VR China und mit allen Völkern der Welt.

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Diese Fakten sind in einem Flyer zusammengetragen. Er trägt den Titel: „Kriegsmoloch verbannen – damit von deutschem Boden nur Frieden ausgeht“ und ist eine Publikation der Kampagne „NATO raus – raus aus der NATO“. Nehmt ihn mit, wenn Ihr ihn noch nicht habt.

In dem Flyer ist auch beschrieben, was schon erreicht ist – inwieweit die Forderungen in der Friedensbewegung aufgegriffen sind, dass die Kampagne „NATO raus – raus aus der NATO“ im September 2019 einen Appell mit den Forderungen nach Kündigung und NATO-Austritt an Bundesregierung und alle über 700 Bundestagsabgeordneten gerichtet hat und dass die LINKE den Antrag „Abzug der US-Soldaten aus Deutschland“ mit der Forderung nach Kündigung des Truppenstationierungsvertrags im Oktober 2019 in den Bundestag eingebracht hat. Im März dieses Jahres ist er in die erste Lesung gegangen.

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Trotzdem ist zu fragen: Warum sind diese Gedanken nicht schon längst viel stärker ins Bewusstsein der Friedensbewegung und der Linken gedrungen? Ja, das ist eine interessante Frage. So ein ungemein wirkungsvolles Mittel wie die Kündigung des Truppenstationierungsvertrags müsste doch längst begierig von der Friedensbewegung aufgegriffen sein. Die Antwort ist ganz einfach. Das Imperium hat daran kein Interesse. Aber seit wann richtet sich die Friedensbewegung nach den Interessen des Imperiums? Versetzen wir uns einen Moment lang in die Rolle von dessen Strategen. Dann erkennen wir sofort, worauf es ankommt. Es kommt darauf an – aus Sicht eines Imperiums – Friedensbewegung und Linke so weit wie möglich zu neutralisieren. Das gelingt bedauerlicherweise viel zu gut. Wie gelingt das? Friedensbewegung und Linke werden von Kräften des Imperiums durchsetzt. Das ist immer wieder zu beobachten – z.B. wenn ein Organisator der Proteste gegen das US-Manöver Defender 2020 die Marschrichtung vorgibt, die Proteste sollten sich nicht gegen die USA wenden. Oder wenn ein führendes Mitglied der Friedensbewegung offenbart, es ginge ihm um die Entgratung der Friedensbewegung – also darum, ihr die Spitze zu nehmen. Oder wenn Friedensorganisationen sich zwar gegen Krieg aussprechen, aber gleichzeitig die Feindbilder bedienen, die die wesentliche Voraussetzung für das Führen von Kriegen sind, und damit den Angegriffenen eine Mitschuld geben – Stichwort Äquidistanz zu Tätern und Opfern.

Aus Sicht des Imperiums gilt es auch, linke Medien zu unterwandern. Wenn dann Medien mit typisch linken Attributen das Geschäft der Herrschenden betreiben – wie bei den Attacken gegen die „Neue Friedensbewegung“ von 2014 oder jetzt aktuell gegen die Grundrechte-Bewegung –, dann ist das besonders heimtückisch und damit leider zu wirkungsvoll. Die Wächter des Imperiums – oft auch als Tiefer Staat bezeichnet – sind uns sehr nah. Sie durchsetzen fast das gesamte öffentliche Leben. Wir finden sie in Parteien, Medien, NGOs und anderen Organisationen.

Übrigens: KündigtRamsteinAirBase ist die erste Initiative, die – neben Freidenker-Verband und Arbeiterfotografie, von denen die Kampagne ins Leben gerufen worden ist – die Slogans „Truppenstationierungsvertrag kündigen“ und „NATO raus aus Deutschland – Deutschland raus aus der NATO“ an zentraler Stelle aufgegriffen hat. Dank an KündigtRamsteinAirBase dafür! Ganz große Klasse!

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Gestattet mir noch ein paar Worte zur aktuellen Situation. Es ist eine Situation, die wir uns noch vor ca. drei Monaten kaum haben vorstellen können. Anfang des Jahres richtete sich unsere Aufmerksamkeit auf das Defender-Manöver. Doch dann kam ein ganz anderes Manöver. Es ist das Corona-Manöver, das auch jetzt noch diese Veranstaltung teilweise überschattet. Dieses Manöver ist um ein Vielfaches gefährlicher als das Defender-Manöver – allein deshalb, weil es von sehr vielen Menschen nicht als solches erkannt wird. Es ist ein Manöver, das weit mehr zu sein droht als eine Übung. Es ist ein regelrechter Krieg gegen fast die ganze Weltbevölkerung. Er wird nicht mit gewöhnlichen Waffen geführt. Die Waffe ist ein Virus – und vor allem die damit einhergehende perfide Propaganda, mit der die Herrschenden den Krieg gegen uns alle als notwendig und gar als Wohltat verkaufen. Und fast die ganze Opposition schweigt oder spielt mit. Fast alle verhalten sich wie gelähmt – und das, obwohl es um mehr geht, als wir ahnen. Es geht um die dauerhafte Einschränkung unserer Grundrechte. Es geht um Zwangsimpfung. Es geht um die möglichst totale Kontrolle über uns. Es geht um eine weitere Stufe in der Umverteilung des Reichtums von unten nach oben. Das müssen wir erkennen. Es ist die Zeit, den Gehorsam zu verweigern. Wir nähern uns rapide der Zeit, in der uns das Grundgesetz das Recht gibt, Widerstand zu leisten. Es ist die Zeit, in der der Satz von Hannah Arendt erneut seine Gültigkeit erhält: „Kein Mensch hat das Recht zu gehorchen“ – nicht den Corona-Strategen und nicht den Strategen der NATO und der USA!

Andreas Neumann ist Mitherausgeber der Neuen Rheinischen Zeitung,
Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Arbeiterfotografie
und Mitglied des Deutschen Freidenker-Verbandes


Foto: Kundgebung „Kündigt Ramstein jetzt“ am 30. Mai 2020 in Berlin, am Mikrofon Andreas Neumann
© by Arbeiterfotografie 2020