Frieden - Antifaschismus - Solidarität

20 Jahre seit NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien – Teil 9 und 10

Der Angriffskrieg der NATO gegen Jugoslawien am 24. März 1999 markierte das Ende des Friedens in Europa, ein Frieden, der seit der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs gehalten hatte, zumindest in Europa. Mit Beiträgen in loser Folge wird RT-Deutsch in den nächsten Wochen die wichtigsten Stationen der NATO-Vorbereitungen auf diesen Krieg in Erinnerung rufen.

Wir veröffentlichen die Teile 9 und 10 hier zusammenhängend.

Übersicht

Bisher veröffentlicht:

Teil 1 – 16.02.2019: Ursachen, Hintergründe, Fake News und False Flag von Rainer Rupp

Teil 2 – 21.02.2019: Deutschlands Rückbesinnung auf unrühmliche Traditionen von Klaus Hartmann

Teil 3 – 25.02.2019: Luftangriffe in Bosnien-Herzegowina als Test für Kosovo von Rainer Rupp

Teil 4 – 01.03.2019:  Falsche-Flagge-Massaker als Vorwand für NATO-Aggression von Rainer Rupp

Teil 5 – 02.03.2019: Warum wurde Milošević zum Hassobjekt des Westens? von Klaus Hartmann

Teil 6 – 04.03.2019: Das „Račak-Massaker“ – Teil des NATO-Drehbuchs (I) von Doris Pumphrey

Teil 7 – 06.03.2019: Das „Račak-Massaker“ – Teil des NATO-Drehbuchs (II) von Doris Pumphrey

Teil 8 – 08.03.2019: Teil des NATO-Drehbuchs – „Massaker von Srebrenica“ (I) von George Pumphrey

Neu auf dieser Seite:

Teil 9 – 09.03.2019: Teil des NATO-Drehbuchs – „Massaker von Srebrenica“ (II) von George Pumphrey

Teil 10 – 09.03.2019: Terror-Paten und die letzte Chance von Klaus Hartmann


Teil 9 (Erstveröffentlichung auf RT Deutsch am 09.03.2019)

Teil des NATO-Drehbuchs – „Massaker von Srebrenica“ (II)

von George Pumphrey

(Fortsetzung von Teil I)

Mit dem Haager Tribunal schuf sich die NATO ein Gericht gegen ihre Gegner. Mit Schauprozessen, die jeder rechtsstaatlichen Gerichtsbarkeit Hohn sprachen, sollte den Serben „Völkermord“ nachgewiesen und die UN-Konvention für die Bestrafung derartiger Verbrechen unterhöhlt werden.

 

Das „Haager Tribunal“ – Instrument der NATO

Bereits zehn Tage nachdem serbische Truppen Srebrenica übernommen hatten, erhob der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) in Den Haag („Haager Tribunal“) Anklage gegen die bosnisch serbische Führung wegen „Verbrechen gegen die Menschheit“ und „Völkermord“– basierend nur auf Vertrauen in Versprechungen der US Regierung stichhaltige Beweise zu liefern.

Das ICTY wurde 1993 unter dem Einfluss der NATO-Staaten im UNO-Sicherheitsrat gegründet – zu einem Zeitpunkt, als Russland eine sehr schwache außenpolitische Rolle spielte. Die NATO „ist der Freund des Tribunals“, wie ihr Sprecher Jamie Shea im Mai 1999 erklärte. Die NATO lieferte die Angeklagten, finanzierte die Einrichtung und war Hauptfinancier dieses Gerichts. Es ist nichts anderes als ein Instrument der NATO – gerichtet hauptsächlich gegen die Serben.

Die Kriminalisierung und Anklage leitender serbischer Politiker, diente der politischen Enthauptung der serbischen Gesellschaft. Auch auf der diplomatischen Ebene spielte das Tribunal eine wichtige Rolle, um unliebsame Politiker aus dem Verhandlungsprozess auszugrenzen. Wie Antonio Cassese, der erste Präsident des Tribunals nach der Anklage Radovan Karadzics wegen Völkermords triumphierend erklärte: „Die Entscheidung stellt einen bedeutenden Schritt dar. Mal sehen, wer sich jetzt an den Verhandlungstisch setzt, mit einem Mann, der des Völkermords beschuldigt wird. Dieser Herr wird nicht an Friedensverhandlungen teilnehmen können.“

Bestätigt hat diese Funktion des Tribunals später auch Richard Holbrooke, der Hauptverhandlungsführer der USA in Dayton gegenüber der BBC: „Das Kriegsverbrechertribunal war ein sehr wertvolles Instrument. Wir haben es benutzt, um die beiden meistgesuchten Kriegsverbrecher in Europa aus dem Dayton-Prozess herauszuhalten, und wir haben es verwendet, um alles, was danach folgte, zu rechtfertigen.“

Zu Beginn glaubte das Gericht, die US-Regierung würde tatsächlich die versprochenen Beweise für eine Massenhinrichtung von Muslimen liefern. Laut New York Times vom November 1995, hatte der Richter Richard Goldstone diese mehrmals angefordert, insbesondere auch die von Albright im Sicherheitsrat präsentierten Fotos. Goldstone beschwerte sich, dass ein Großteil der von der US-Regierung bereitgestellten Informationen auf öffentlich zugänglichem Material bestünde, die für den Prozess irrelevant seien. Als Antwort erklärte der Sprecher des Weißen Hauses, es gäbe „bestimmte Arten von Geheimdienstinformationen, die unsere Regierung nicht mit der internationalen Gemeinschaft teilen kann“ – aus „Sicherheitsgründen“ natürlich.

Auf Verlangen der USA, Frankreich und Großbritannien wurden alle Srebrenica-relevanten Akten in der New Yorker UNO-Zentrale für die nächsten 30 bis 50 Jahre weggesperrt und durften auch dem Tribunal nicht vorgelegt werden.

Wenn „Srebrenica“ für die NATO-Politiker das „größte Verbrechen seit dem Holocaust“ ist, könnte man erwarten, dass sie alles dransetzen dies auch zu beweisen. Warum also die Geheimnistuerei und Verweigerung bei der Aufklärung? Verheimlichen sie Beweise für ein Verbrechen oder Beweise dafür, dass sie keine Beweise für ein Verbrechen haben?

Der „wichtigste Zeuge“ der Anklage

Das Ausbleiben von Beweisen sollte der bosnische Kroate Dražen Erdemović als Kronzeuge gut machen. Er hatte schon öfter die Uniform gewechselt, um auf verschiedenen Seiten des Bürgerkriegs zu kämpfen. Zuletzt habe er, nach eigener Aussage, an der “Hinrichtung von 1.200 muslimischen Zivilisten in Srebrenica“ teilgenommen. Mit dem Tribunal machte er einen Deal: Seine Aussage gegen die serbischen Führer im Austausch für Strafminderung und Zeugenschutzprogramm mit neuer Identität und Leben in einem westlichen Land.

Aufgrund dieses Deals brauchte er auch den Wahrheitsgehalt seiner Behauptungen nicht zu beweisen.. Die eklatanten Widersprüche in seinen Aussagen wurden von der Anklage nicht hinterfragt. Während eines Kreuzverhörs fragte Präsident Slobodan Milošević (der sich selbst verteidigte) Erdemović, ob er während der Hinrichtungen Serben gesehen oder gehört habe? Erdemović gestand, dass das nicht der Fall war.

Seine Beschreibung der angeblichen Hinrichtung konnte einer rein rechnerischen Prüfung nicht standhalten und auch die Diskrepanz zwischen seinen Angaben und den später am genannten Ort gefundenen 150 bis 200 Leichen, wurde nie geklärt. Die Öffentlichkeit wurde auch nie darüber informiert, ob es sich dabei um Opfer einer Exekution oder eines bewaffneten Konfliktes handelte.

Erdemović hatte sieben mutmaßliche Komplizen in dem Massaker namentlich genannt. Das Gericht zeigte kein Interesse sie strafrechtlich zu verfolgen. Fürchtete das Gericht, diese könnten eine andere Version der Geschehnisse vortragen?

Völkermord?

Die erste Verurteilung in Sachen Srebrenica erging gegen den bosnisch-serbischen General Radislav Krstić im August 2001. Er wurde laut New York Times des Völkermords für schuldig befunden „aufgrund seiner Rolle in dem Massaker von mehr als 7000 Muslimen durch bosnische Serben in Srebrenica im Juli 1995. Es war das erste Urteil eines internationalen Gerichts über Völkermord in Europa”.

Die NYT nennt auch die Beweislage die zu seiner Verurteilung geführt hatte: Ermittler des Tribunals „hätten 2.028 Leichen aus Massengräbern in der Region exhumiert.“ Weitere 2.500 seien geortet worden.

Die Suche nach den in Srebrenica „mehr als 7.000 Hingerichteten“ war bereits seit fünf Jahren im Gang, doch das Tribunal hatte keine „Beweise“, dass es mehr als 2.028 Tote gab. Das Tribunal wusste sehr wohl, dass Leichen in einem Massengrab nicht automatisch Opfer einer Massenexekution sind. Die Entdeckung von in Eile begrabenen Leichen in Gebieten, in denen über drei Jahre ein Bürgerkrieg tobte, ist sicherlich nicht ungewöhnlich. Bei einer plötzlichen großen Anzahl von Toten durch Kriegseinwirkungen ist die sofortige zivile Einzelbeerdigung oft unmöglich und ein Massengrab die einzige Lösung. In diesem Bürgerkrieg haben nicht nur Serben geschossen und sind nicht nur Muslime gestorben.

Doch das Tribunal ließ weder die Identität der exhumierten Leichen, noch den Todeszeitpunkt oder die Ursache des Todes ermitteln. Zum Zeitpunkt des Urteils hatte das Tribunal also keinen materiellen Beweis dafür, dass eine Massenhinrichtung von ”mehr als 7.000 Menschen” in Srebrenica stattgefunden hatte.

Die NYT verschwieg, dass General Krstić zur fraglichen Zeit nicht in Srebrenica war, sondern mit seinen Truppen bereits unterwegs nach Žepa. Nachdem sie auch diese muslimische Enklave eingenommen hatten, brachten die serbischen Truppen, laut NYT, die verwundeten muslimischen Soldaten ins Krankenhaus nach Sarajewo. Wie sich herausstellte, waren viele von ihnen „Vermisste“ aus Srebrenica. Mit vielen anderen muslimischen Soldaten waren sie vor den Serben aus Srebrenica geflohen. „Diese Männer schafften es nicht nach Tuzla, wo die meisten Flüchtlinge landeten, sondern wurden die Verteidiger von Žepa.“

Es mag seltsam erscheinen, dass die muslimischen Verteidiger Žepas bei der Flucht aus der Stadt ihre verwundeten Kameraden den einrückenden Serben hinterließen. Oder dass die 5.000 muslimischen Soldaten bei ihrer Flucht aus Srebrenica ihre Frauen und Kinder dort ungeschützt zurückgelassen hatten – wo doch den Serben angeblich der Ruf von brutalen Sadisten und Vergewaltigern vorausging. Oder glaubten die muslimischen Soldaten etwa der eigenen Regierungspropaganda nicht, weil sie wussten, dass sie sich um ihre Frauen, Kinder und um ihre verwundeten Kameraden keine Sorgen machen mussten, wenn sie in die Hände ihrer serbischen Landsleute fallen würden?

Das serbische Militär ließ die verletzten moslemischen Soldaten von Žepa hinter die muslimischen Linien ins Krankenhaus nach Sarajevo evakuieren. So begeht man einen „Völkermord“? Ist das die Militärmacht, die man mit den Nazis vergleicht?

Das Haager Tribunal befand General Krstić schuldig des „Völkermords“ auf der Basis des eigenen Statuts und ausdrücklich nicht auf der Basis der UNO „Konvention für die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes”. Er wurde zu 46 Jahren Gefängnis verurteilt, eine Strafe 4,6-mal höher als die gegen Hitlers Nachfolger Admiral Karl Doenitz (10 Jahre) und 2,3-mal höher als die gegen Albert Speer (20 Jahre), Hitlers Chefarchitekten.

Niederländische Soldaten des Dutchbat (Kontingent der UN Protection Force) waren die einzigen westlichen Augenzeugen während der Übergabe Srebrenicas an die Serben. Sie berichteten, dass die bosnisch muslimischen Soldaten Srebrenica etwa zwei Tage vorher verlassen hatten. Allerdings hätte sie auch geärgert, dass die flüchtenden muslimischen Soldaten ihre Frauen und Kinder zurückließen. Laut Dutchbat Soldaten, seien zehn muslimische Soldaten von einzelnen Serben hingerichtet worden. Das sind Kriegsverbrechen – aber kein Völkermord. Auch der Befehlshaber der niederländischen Bodentruppen Lieutenant General Hans Couzy hatte keine Hinweise darauf, dass bosnische Serben in Srebrenica Verbrechen begangen hätten, die einem Völkermord ähneln. Und der Befehlshaber des Dutchbat in Srebrenica erklärte, serbische Militärs hätten ihre Operationen korrekt durchgeführt.

Das waren die Aussagen der Militärs. Das konnten die Politiker so nicht stehen lassen und begannen öffentlich die Berichte der militärischen Augenzeugen zu entkräften. Der niederländische Verteidigungsminister, Joris Voorhoeve, der selbst nicht in Srebrenica war, bestand darauf, „dass die Offiziersversion die Möglichkeit von Gräueltaten nicht minimiere“ und behauptete, „was wir wissen, ist, dass mehrere tausend Männer und Jungen vermisst werden, seit die Stadt fiel.“ Der Entwicklungsminister Jan Pronk erklärte, man solle sich nicht durch jene „zum Narren halten lassen“, die sagen, es gäbe noch keine Beweise. „Es sind dort Tausende Menschen ermordet worden. Wir wussten, dass so etwas passieren könnte. Die Serben haben dies mehrere Male getan.“ Wann und wo, bleibt sein Geheimnis, bis heute.

Die NATO-Politiker hatten beschlossen, Serben begingen „Völkermord“. Die EU drängt seitdem darauf, dass diese Version auch von serbischen Amtsträgern selbst bestätigt wird und benutzt die „Anerkennung des Völkermords“ als Druckmittel. Serbische Politiker, die ihr Land unter allen Umständen in die EU bringen wollen, haben sich diesem Druck gebeugt und sich für die vermeintlichen Verbrechen entschuldigt. Doch sie haben sich nicht tief genug verbeugt. Ende November letzten Jahres bedauerten die Damen und Herren des EU-Parlaments in einer Resolution, dass sich einige serbische Politiker immer noch weigerten, den „Völkermord in Srebrenica“ anzuerkennen. Dies sei jedoch „ein grundlegender Schritt auf dem Weg Serbiens zum EU-Beitritt.“

Für Deutschland war Srebrenica von besonderer Bedeutung, um sich des Stigmas der im Zweiten Weltkrieg begangenen Verbrechen zu entledigen. Srebrenica wurde gerne mit Auschwitz verglichen, um die Nazi-Barbarei zu relativieren und zu trivialisieren. Und es lässt die bleibende historische Schuld Deutschlands an dem Aggressionsverbrechen gegen Jugoslawien im Zweiten Weltkrieg und an den 1,6 Millionen jugoslawischen Opfern vergessen.

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Teil 10 (Erstveröffentlichung auf RT-Deutsch am 09.03.2019)

Terror-Paten und die letzte Chance

von Klaus Hartmann

Bevor die NATO am 24. März 1999 unter Bruch des Völkerrechts ihre Aggression startete, markierten zwei Ereignisse den Beginn der „heißen Phase“: Das – vermeintliche – „Massaker“ von Račak und die „Verhandlungen“ im Schloss Rambouillet bei Paris.

 

Ein gefaktes Massaker und ein „Vertrag“, der in Wirklichkeit ein Diktat darstellte, waren die sorgfältig vorbereiteten und für die Öffentlichkeit zurechtgemachten Kriegsgründe. Dass die Wahrheit im (und vor dem) Krieg das erste Opfer ist, wurde wiederum glänzend unter Beweis gestellt.

Über den letzten Akt der Kriegsvorbereitung berichtete die New York Times am 22. März 1999, zwei Tage, bevor die Bomben fielen: „Die Clinton-Administration entsandte heute einen Sonderbeauftragten, Richard C. Holbrooke, zu einem Treffen mit Slobodan Milošević, das als ‚letzte Chance‘ bezeichnet wurde, um den jugoslawischen Führer davon zu überzeugen, ein Friedensabkommen für den Kosovo zu akzeptieren und Bombenangriffe der NATO zu vermeiden. Außenministerin Madeleine K. Albright sagte, sie schicke den Gesandten, um Herrn Milošević eine ‚harte Wahl‘ zu präsentieren: zustimmen oder mit NATO-Luftangriffen konfrontiert werden“.

Eine „letzte Chance“ bekommt, wer zuvor eine oder mehrere hat verstreichen lassen, und ihre Gewährung soll von der unendlichen Geduld und reinen Großherzigkeit derjenigen zeugen, die diese Chance gewähren. Zumindest soll es das Publikum glauben oder so verstehen, die „letzte Chance“ ist das Deutungsmuster, das man ihm nahelegt. Neuerdings wird das „Framing“ genannt, ein Wort, das dank der ARD eine sagenhafte Karriere hingelegt hat.

Der Weg zur „letzten Chance“ führte über 45 Leichen nahe des Dorfes Račak im Kosovo, von der UÇK „zusammengetragene“ eigene Kämpfer in Zivilkleidung. Die UÇK wurde im Westen euphemistisch „Befreiungsarmee des Kosovo“ genannt, zumindest seit sie in Washington nicht mehr als Terrororganisation gelistet wurde – ein Erfolg deutscher Außenpolitik – doch dazu später. Die US-Außenministerin hatte auch so ihre Erfolge, z. B. den, einen „verdienten“ CIA-Mann an der Spitze der OSZE-Verification-Mission einzusetzen. „Der US-Botschafter William Walker inszenierte das angebliche Massaker an friedlichen Zivilisten in Račak, das als letzter Vorwand für den barbarischen, völkerrechtswidrigen NATO-Überfall unter bundesdeutscher Beteiligung diente“, so Ralph Hartmann, letzter Botschafter der DDR in Jugoslawien. Willi Wimmer (CDU), damals Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der OSZE: „Beim Jugoslawien-Krieg hatte man seitens der NATO noch den schändlichen Umweg über die Toten von Račak eingelegt, die man unbedingt durch den verhängnisvollen amerikanischen OSZE-Repräsentanten William Walker in Priština den Serben in die Schuhe schieben wollte.“

Das sogenannte Massaker kam nicht überraschend, zumindest nicht für jeden. Die New York Times vom 19.01.1999 berichtete von einem Treffen von Außenministerin Albright mit engsten Vertrauten und Beratern am 15.01. Dort kündigte sie mit hellseherischen Fähigkeiten ein bevorstehendes „Schlüsselereignis“ an, einen „entscheidenden Moment“, der die US-Politik verändern würde. Und sie behielt Recht, am 16.01.1999 war es soweit. Ihr Special Agent William Walker erkannte auf den ersten Blick ein „Massaker“, in Szene gesetzt von Albrights nützlichen UÇK-Idioten, „just in time“. Praktischerweise hatte Deutschland zu diesem Zeitpunkt die EU-Ratspräsidentschaft inne, daher konnte ihr Höfling Joschka Fischer den gerichtsmedizinischen Bericht bis nach der Aggression unter Verschluss halten.

Als „vorletzte Chance“, die Bombardierung zu verhindern, hätte sich Jugoslawien bei den „Verhandlungen“ im französischen Schloss Rambouillet den vorgelegten „Bedingungen“ unterwerfen sollen. Denn am 15.02.1999 berichtete die New York Times, Albright habe dem serbischen Präsidenten Milošević mit Luftangriffen gedroht, falls die Serben „ein Abkommen“ ablehnen sollten. Formal richtete sich die Drohung an „beide Seiten“, doch das war gelogen: Die Kosovo-Albaner sehnten ein NATO-Eingreifen ja geradezu herbei. Ein „Abkommen“ war das in Rambouillet präsentierte Vertragswerk nur der Form halber, insofern, als dass von „beiden Seiten“ eine Unterschrift gefordert wurde. Vom Inhalt her war es kein Vertrag, sondern ein Diktat – ein Ultimatum gegen Jugoslawien. „Ein Diktat“ hatte schon zu Beginn des Stelldicheins in Rambouillet der österreichische EU-Unterhändler Wolfgang Petritsch erwartet.

Die serbische Seite machte eine Reihe von Vorschlägen und stimmte einer internationalen Militärtruppe zur Friedenssicherung im Kosovo zu, in Form „einer auf 5.000 bis 6.000 Mitglieder verstärkten OSZE-Mission“. Heinz Loquai, Brigadegeneral der Bundeswehr und Militärberater der deutschen OSZE-Vertretung in Wien, berichtet: „Den Verifikateuren könnte auch gestattet werden, leichte Waffen zu tragen“. Serbien schlug weiter vor, „für die Implementierung einen gemeinsamen Stab aus NATO und jugoslawischer Armee zu bilden. Beide Vorschläge wurden rundweg abgelehnt“, so Loquai.

Wenige Stunden vor dem geplanten Verhandlungsende wurde der serbischen Seite ein Text mit dem umstrittenen Anhang ultimativ zur Unterzeichnung vorgelegt, ein weitgehend unbekannter Text, über den nie gesprochen worden war. Der russische Außenminister Awdejew distanzierte sich „von denjenigen, die Druck auf Belgrad auszuüben versuchen, um mit Gewalt die Einwilligung zur Stationierung eines Militärkontingents zu erzielen“. Wenn das eigentliche Ziel der Frieden war, ist es nicht seltsam, dass die Bedingungen für die Unterzeichnung für die Serben inakzeptabel gemacht wurden? Die lauteten: „Das NATO-Personal hat zusammen mit seinen Fahrzeugen, Schiffen, Flugzeugen und Ausrüstungen freien und unbeschränkten Durchgang und ungehinderten Zugang in der gesamten Bundesrepublik Jugoslawien, einschließlich des zugehörigen Luftraums und der Hoheitsgewässer. Dazu gehört unter anderem das Recht auf Feldlager, Manöver, Unterkunft und die Nutzung von Bereichen oder Einrichtungen, die für Unterstützung, Ausbildung und Betrieb erforderlich sind.“

Diese ultimativen Forderungen waren härter als die Regelungen im Abkommen von Kumanovo nach der Bombardierung. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer: „Dies entspricht faktisch einem NATO-Truppenstatut für Jugoslawien insgesamt, was normalerweise nur ein Staat nach einer vollständigen Kapitulation zu unterschreiben bereit ist.“ Willy Wimmer nennt dies ein „NATO-Diktat über den Durchmarsch durch Jugoslawien“: „Damit Belgrad dies auch richtig verstehen sollte, hatte die NATO dazu Planungen vorgelegt, die denen von Adolf Hitler gegenüber Jugoslawien aus dem Zweiten Weltkrieg bis ins Einzelne entsprochen haben. Rambouillet war – und das wissen wir heute zu genau – nur der Vorwand zum Krieg, der wenige Wochen später mit Bomben auf Belgrad folgen sollte.“

Ein Jahr später erklärte Madeleine Albright in der BBC-Sendung „Die Moral-Schlacht: NATO im Krieg“: „Wenn die Serben nicht zustimmen sollten und die Albaner zustimmen sollten, dann böte das einen sehr klaren Anlass für die Anwendung von Gewalt.“ James Rubin, Sprecher ihres Außenministeriums, machte in derselben Sendung deutlich, dass eine Zustimmung der Serben inoffiziell weder das angestrebte noch das erwartete Ergebnis war, und offenbarte so die ganze „Moral“ des Westens: „Nach außen, öffentlich, mussten wir es so aussehen lassen, als ob wir eine Übereinkunft anstrebten, aber insgeheim wussten wir, dass die Chancen auf eine Zustimmung der Serben sehr gering waren.“ Daher mussten die Kosovo-Albaner unbedingt unterschreiben, wie im Spiegel nachträglich zu lese war: „Madeleine Albright kniete förmlich vor den UÇK-Kommandeuren, es war ein unwürdiger Anblick (…), sie wollte endlich mit den Bombardierungen beginnen, und das ging nur, wenn die Fronten klar waren: da die ‚guten Albaner‘, dort die ‚dämonischen Serben‘.“

Die historische Parallele zu dem erpresserischen Ultimatum Österreich-Ungarns an Serbien vom 23. Juli 1914 ist unübersehbar: Damals wollten österreichische Staatsorgane auf serbischem Territorium selbst die Sarajevo-Ermittlungen durchführen. Diesen einzigen Punkt des Ultimatums akzeptierte Serbien nicht. Diese unannehmbare Forderung war wohl von vornherein darauf ausgelegt, dass ein Krieg ausgelöst wird. Es diente damit als Vorbild für das Ultimatum von Rambouillet 85 Jahre später, mit dem die NATO-Aggression gegen Jugoslawien ausgelöst wurde.

Vor dieser „vorletzten Chance“ gab es eine „vorvorletzte Chance“: Es war das Holbrooke-Milošević-Abkommen, das am 13.10.1998 geschlossen wurde. Doch der Reihe nach: Die 1992 gegründete albanische paramilitärische Organisation „Befreiungsarmee des Kosovo“ (UÇK) verkündete im Januar 1998 öffentlich ihr Ziel, für die Vereinigung der serbischen Provinzen Kosovo und Methojia mit Albanien zu kämpfen. Der Bundesaußenminister und vormalige Chef des Bundesnachrichtendienstes, Klaus Kinkel, hatte schon länger gefordert, „Kosovo zum internationalen Hauptthema zu machen“. Nach der Konferenz zur Umsetzung des Friedensvertrages von Dayton für Bosnien-Herzegowina im Dezember 1997 auf dem Petersberg bei Bonn erklärte er, nun müsse „das internationale Scheinwerferlicht auf die Entwicklung im Kosovo gelenkt“ werden. Das ließ nichts Gutes erwarten.

Die Geheimdienst-Experten Erich Schmidt-Eenboom und Klaus Eichner haben die Rolle der deutschen Geheimdienste als Geburtshelfer des kosovo-albanischen Terrorismus beleuchtet: „Seit Anfang der neunziger Jahre kooperieren und konkurrieren Bonn und Washington bei der Etablierung ihrer jeweiligen Einflusszonen im Balkan. Ihre Geheimdienste haben dabei sowohl zusammen – als auch gegeneinander gearbeitet. Nach Angaben des amerikanischen Geheimdienstexperten John Whitley wurde die verdeckte Unterstützung der Kosovarischen Rebellenarmee als gemeinsame Operation der CIA und des Bundesnachrichtendienstes geleitet. Die Aufgabe, die UÇK zu erschaffen und zu finanzieren, sei ursprünglich Deutschland zugefallen. Nach diplomatischen und geheimdienstlichen Quellen in Paris habe das Engagement der deutschen Geheimdienste im Kosovo-Konflikt im Februar 1996 begonnen. Der BND beschaffte weitgehend die Kommunikationstechnik der UÇK und bildete UÇK-Kämpfer daran aus. Auch der MAD und das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr lieferten Ausrüstungen und Waffen und organisierten die Ausbildung.“

Die so trainierten und bewaffneten Terroristen besetzten im Frühjahr 1998 Verkehrs- und Kommunikationsverbindungen sowie Dörfer des Kosovo. Aus ihnen vertrieben sie die serbischen Bewohner, ebenso Sinti und Roma, und ermordeten albanische Bürger, die ihnen aufgrund ihrer Loyalität zum jugoslawischen Staat als Kollaborateure und Verräter galten. Serbische Polizisten und jugoslawische Armee gingen gegen die Terroristen vor und befreiten wieder große Gebiete, was den Westen dazu veranlasste, die „Belgrader Gewalt“ anzuklagen. Im Juni 1998 traf sich der US-Gesandte Richard Holbrooke medienwirksam mit Bewaffneten der UÇK, erreichte zwar keinen Waffenstillstand, aber deren politische Anerkennung, nachdem sie noch kurz zuvor in den USA als „terroristische Organisation“ bezeichnet worden waren, gegen die die Anwendung von militärischer Gewalt gerechtfertigt sei.

Im Juli 1998 hatte die UÇK, ungebremst vom Westen, fast 40% des Kosovo unter ihre Kontrolle gebracht. In dieser Situation starteten serbische Sicherheitskräfte eine Gegenoffensive und drängten die UÇK massiv zurück. Vielfach geriet die Zivilbevölkerung zwischen die Fronten. Die Resolution 1199 des UN-Sicherheitsrates beklagte die „übermäßige Anwendung von Gewalt durch die serbischen Sicherheitskräfte“, sodass „über 230.000 Menschen ihre Häuser verlassen“ hätten. Mit dem Holbrooke-Milošević-Abkommen und der folgenden UN-Resolution 1203 wurden eine Verifikationsmission der OSZE und eine Luftüberwachung durch die NATO beschlossen. Madeleine Albright setzte ihren geschickten Gesandten William Walker, den späteren Massaker-Erfinder, als Vorsitzenden der OSZE-Mission durch.

Brigadegeneral Heinz Loquai von der OSZE-Mission berichtete, die jugoslawische Seite habe „Ende Oktober ihre militärischen Verpflichtungen im Wesentlichen erfüllt“. Die „als vertrauensbildende Maßnahme“ praktizierte „Abmachung mit der serbischen Sonderpolizei“, dass „Fahrzeuge der diplomatischen Beobachter die Polizei bei ihren Einsätzen begleiteten“, wurde Ende November 1998 eingestellt, denn „die UÇK warnte vor der Fortsetzung dieser Praxis, da sie die Sicherheit der Diplomaten nicht garantieren könne“. Den serbisch-jugoslawischen Teilrückzug nutzte die UÇK zum erneuten Vorrücken, und Ende Januar 1999 kontrollierte sie wieder dieselben Gebiete wie im Frühsommer 1998. Dies und wiederholte Mordanschläge gegen serbische Polizisten führten erneut zu Gegenaktionen serbischer Polizei- und jugoslawischer Armeeeinheiten. OSZE-Beobachter Heinz Loquai: „Doch kam es nicht zu großen Flüchtlingsbewegungen, sondern zur Rückkehr vieler Flüchtlinge, wenn die Kämpfe abgeflaut waren und die OSZE vor Ort war.“

Aber Madeleine Albright und die NATO wollten den Krieg unbedingt, und führten auch in dieser Phase Regie: Ein Jahr später, am 28.03.2000, berichtete die FAZ von der Warnung „westlicher“ Diplomaten an die UÇK, „dass es bei weniger als fünftausend Toten keine westliche Präsenz im Kosovo geben würde. Prompt verstärkten die Albaner ihre Angriffe auf die serbische Polizei, welche zu Vergeltungsschlägen gegen Zivilisten führen sollten. Dazu stellten sie Bilder von Massakern ins Internet und schickten Kinder vor die Kameras, welche von den Verbrechen erzählten.“ Der britische Verteidigungsminister George Robertson, ab 1999 Generalsekretär der NATO, sagte, „bis Račak“ sei die UÇK im Kosovo für mehr Tote verantwortlich gewesen als die jugoslawischen Behörden. Machte nichts, es galt weiterhin der vom deutschen Außenminister Kinkel ausgegebene Befehl „Wie müssen Serbien in die Knie zwingen“. Der Countdown zum Krieg lief weiter.

Klaus Hartmann ist Vorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbandes

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