
Zum 9. Mai 2025: Danke und Freundschaft!
Rede von Klaus Hartmann
gehalten am 9. Mai 2025 bei der Kranzniederlegung am sowjetischen Ehrenmal auf dem Hauptfriedhof in Frankfurt am Main
Geehrte Vertreter der Konsularischen Corps, Vertreter der Geistlichkeit,
liebe russischen und deutschen Freunde und Genossen!
Alljährlich vereint uns dieser Tag, um die Frauen und Männer zu ehren, die im Kampf gegen den Faschismus ihr Leben gaben. Mit 27 Millionen Opfern und einem zerstörten Land trug die Sowjetunion die Hauptlast der Befreiung vom Faschismus. 3,3 Millionen von über 5 Millionen sowjetischer Soldaten und Zivilisten wurden in deutscher Kriegsgefangenschaft ermordet, durch Genickschuss, Massenerschießungen und „Vernichtung durch Arbeit“. Über 700.000 von ihnen ruhen auf deutschem Territorium, in mehr als 4.000 Begräbnisstätten.
Die Schuld Hitler-Deutschlands an diesen Millionen Toten ist unbestreitbar, aber heute maßen sich die Regierenden des Täterstaates an, dem Opferstaat vorzuschreiben, ob und wie für die eigenen gefallenen und ermordeten Bürger getrauert werden darf. Nichts verdeutlicht die Infamie der deutschen Bundesregierung, den Verlust jeden Anstands so krass wie ihre Weisung, offizielle Repräsentanten der Russischen Föderation und aus Belarus von Gedenkfeiern auszuschließen und fernzuhalten. Wir freuen uns besonders, dass zu dieser Gedenkstunde eine Vertretung des Russischen Generalkonsulats in Bonn unter Leitung des Stellvertretenden Generalkonsuls Yury Uraksin bei uns ist.
Am 25. April 2025 wurde in Torgau an der Elbe des 80. Jahrestages der Begegnung von US-Truppen und Roter Armee gedacht, aber die Stadt beging diesen Jahrestag würdelos. Neben dem Oberbürgermeister, einem Regionalbischof und einem Gedenkstätten-Geschäftsführer sprach der sächsische Ministerpräsident Kretschmer, alle vier drehten dem Botschafter der Russischen Föderation Sergej Netschajew den Rücken zu, keiner erwähnte seinen Namen oder begrüßte ihn, er durfte sich Belehrungen anhören, aber mangels Rederecht nichts erwidern, das war keine Begegnung, sondern eine öffentliche Demütigung des Landes der Erben der Befreier vom Faschismus. Ganz anders reagierte die Bevölkerung, die sich um den Botschafter scharte und ihre Solidarität bekundete, ich selbst hieß Sergej Netschajew im Namen des Deutschen Freidenker-Verbandes willkommen und dankte ihm für seine Teilnahme am Gedenktag.
Liebe Freunde, Genossen,
uns vereint mehr denn je die Mahnung vor einer Wiederholung des Grauens. In den vergangenen Jahren habe ich von einer zunehmenden Geschichtsvergessenheit im Westen gesprochen, aber das erfasst das Problem nicht ganz. Sie leiden nicht an Vergesslichkeit, sie wollen die Geschichte umschreiben, wenn wie z.B. mit der Resolution des EU-Parlaments von 2019 versucht wurde, die Schuld für den 2. Weltkrieg außer Nazi-Deutschland gleichermaßen der Sowjetunion zuzuweisen, was bedeutet: das Urteil des Nürnberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher aus den Angeln zu heben und zu revidieren. Es bedeutet die Gleichsetzung von Henkern und Opfern.
Dieser Geschichtsrevisionismus hat einen Zweck: Sie wollen den entscheidenden Anteil der Roten Armee an der Befreiung vom Faschismus negieren und aus dem öffentlichen Bewusstsein drängen, weil er ihr erklärtes Ziel der neuen „Kriegstüchtigkeit“ stören würde. Die Befreiung soll raus aus den Köpfen, an ihrer Stelle soll eine Bedrohung durch Russland platziert werden. Wer heute als Feind gelten soll, kann nicht Befreier gewesen und kann niemals Freund sein.
Von Scholz bis von der Leyen haben sie keine Probleme mit dem Neonazismus in der Ukraine, mit Begeisterung rufen sie in den Parlamenten den Faschistengruß „Sieg Heil“ auf ukrainisch: „Slawa Ukraini“. Die Partei der EU-Außenbeauftragten Kallas unterstützte das Gesetz, nachdem Angehörige der Waffen-SS in Estland als Freiheitskämpfer gelten. „Wir führen Krieg gegen Russland“, sagte die bisherige Außenministerin Baerbock. „Russland wird für immer ein Feind für uns bleiben“, sagt Johann Wadephul, der neue deutsche Außenminister – wird damit nicht der alte-neue Erbfeind beschworen? Der neue Bundeskanzler Merz will „Taurus“-Marschflugkörper an die Ukraine liefern, damit sie u.a. die Kertsch-Brücke zerstören kann (wie schon im März 2024 in einem abgehörten Gespräch von Luftwaffen-Chef Ingo Gerhartz mit drei Untergebenen durchgespielt).
Wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass wir von einer Generation der Nazi-Enkel regiert werden. Von einem Bundeskanzler, der seinen Großvater als „beeindruckende Persönlichkeit und erfolgreichen Bürgermeister“ lobt. Was er verschweigt: es war der NSDAP-Bürgermeister von Brilon und Mitglied der SA. Oder von Baerbock, die sich an der polnischen Grenze „auf den Schultern ihres Großvaters“ Waldemar sah, der an dieser Stelle bereits 1945 für die Einheit Europas gekämpft habe. Was sie verschweigt: er kämpfte als Offizier der Nazi-Wehrmacht, gegen die vorrückenden Befreier vom Faschismus.
Weil nach den Worten von Pistorius „wir kriegstüchtig werden und die Gesellschaft dafür aufstellen müssen“, kommt man ohne Psychologische Kriegsvorbereitung nicht aus. Das ist der Grund, warum diese beispiellose Hysterie gegen Russland entfacht wird, eine „Bedrohung durch Russland“ herbeigelogen wird. Die Beschuldigung Russlands soll eine beispiellose Aufrüstung rechtfertigen, um für einen Krieg gegen Russland zu rüsten, sie soll verdecken, dass in Wahrheit Westeuropa selbst einen Krieg gegen Russland vorbereitet. Das ist keine Spekulation, keine übertriebene Interpretation, das sagen sie selbst.
Der französische Präsident Macron lobte am Mittwoch in der Pressekonferenz zur ersten Auslandsreise von Merz die jüngsten Beschlüsse des alten Bundestages über die neuen Kriegskredite in Deutschland als „historisch“. Man wolle „gemeinsam den Herausforderungen begegnen, die auf Europa zukommen“, „mit Blick auf die systemische Bedrohung, die Russland für unser Gesamtgefüge darstellt“. „Wir wollen auch die Innovationen im technischen Bereich fördern, die wichtig sind für die Kriegsführung der Zukunft.“ Die Kriegsführung der Zukunft – das sagen sie frei heraus, als wäre das gar nichts, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt.
1990 wurde im 2+4-Vertrag, der völkerrechtlichen Basis der deutschen Einheit, bekräftigt, „die Sicherheitsinteressen eines jeden zu berücksichtigen, sich gegenseitig nicht als Gegner zu betrachten, sondern auf ein Verhältnis des Vertrauens und der Zusammenarbeit hinzuarbeiten“. Dieser international verbindliche Vertrag wird durch die aktuelle Kriegsrhetorik, die deutschen Waffen, die wieder auf Russen schießen sollen, die Stationierung der Bundeswehr in Litauen und die Errichtung eines NATO-Kommandos in Rostock gebrochen. Es muss daran erinnert werden, dass die Feindstaatenklausel der UN-Charta deshalb nicht mehr gelten soll, weil mit dem 2+4-Vertrag die „abschließende Friedensregelung mit Deutschland“ verabschiedet wurde, im Umkehrschluss: Bei deutschem Vertragsbruch i. S. einer aggressiven Politik könnten die UN-Gründerstaaten Zwangsmittel ohne besondere Ermächtigung durch den UN-Sicherheitsrat verhängen.
Liebe Freunde, Genossen, 2025 ist das vierte Jahr in Folge, in dem vielerorts das Zeigen russischer und sowjetischer Symbole bei Zeremonien an Denkmälern am Tag des Sieges verboten ist. Im Treptower Park in Berlin ist das Abspielen und Singen des Liedes „Der Heilige Krieg“ ausdrücklich verboten – ein Lied, an dem eigentlich nur Hitler-Anhänger Anstoß nehmen können. Es erweckt den Eindruck, dass man der Sowjetunion nicht für die Befreiung dankbar ist, sondern ganz im Gegenteil, ihr die Befreiung übelnimmt. Ich zitiere in Ansprachen selten aus Texten von Gedichten und Liedern, muss aber in diesem Fall eine Ausnahme machen: – Swjashchjennaja Wojna mit dem deutschen Text von Stephan Hermlin:
Steh auf, steh auf, du Riesenland!
Heraus zur großen Schlacht!
Den Nazihorden Widerstand!
Tod der Faschistenmacht!
Es breche über sie der Zorn wie finstre Flut herein.
Das soll der Krieg des Volkes, der Krieg der Menschheit sein.
Den Würgern bieten wir die Stirn,
Den Mördern der Ideen.
Die Peiniger und Plünderer,
Sie müssen untergehn.
Es breche über sie der Zorn wie finstre Flut herein.
Das soll der Krieg des Volkes, der Krieg der Menschheit sein.
Die schwarze Schwinge schatte nicht mehr
Uns überm Heimatland.
Und nicht zertrete mehr der Feind
Uns Feld und Flur und Strand.
Es breche über sie der Zorn wie finstre Flut herein.
Das soll der Krieg des Volkes, der Krieg der Menschheit sein.
Wir sorgen dafür, dass der Brut
Die letzte Stunde schlägt.
Den Henkern ein- für allemal
Das Handwerk jetzt gelegt!
Es breche über sie der Zorn wie finstre Flut herein.
Das soll der Krieg des Volkes, der Krieg der Menschheit sein.
Was können wir tun? Wir müssen beständig den Kriegstreibern und ihren Bedrohungslügen widersprechen, sie mit Fakten kontern, die Bevölkerung aufklären. Wir müssen die Interessen der Rüstungsgewinnler aufdecken und ihre Pläne für neue Beutezüge auf die Bodenschätze im Osten, die in der Tradition der Nazi-Wehrmacht stehen.
Wir widersprechen entschieden der russophoben Hetze und dem antislawischen Rassismus, wir bekämpfen die Wiederauferstehung des Neonazismus und seine Rehabilitierung durch die westlichen Eliten.
Den Kern unseres Widerstands aber bildet die Freundschaft deutscher Friedensfreunde mit den russländischen Menschen, hier in Deutschland, in der Russischen Föderation, in Belarus. Wir danken den Befreiern gestern und heute. Wir sind solidarisch mit der Russischen Föderation, ihren Völkern, ihrer Regierung, ihrem Präsidenten.
Danke und Freundschaft!
Klaus Hartmann ist Stellvertretender Bundesvorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbandes
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Bild ganz oben: Während der Kundgebung am sowjetischen Ehrenmal in Frankfurt am Main. In der Bildmitte: Klaus Hartmann. Links neben ihm (im blauen Anzug): Stellvertretender Generalkonsul Yury Uraksin, Russisches Generalkonsulat in Bonn. Foto: Sebastian Bahlo