Frieden - Antifaschismus - Solidarität

Ostermärsche 2023: „Verhandeln statt schießen“

Wir dokumentieren in Texten, Bildern und Videos verschiedene Ostermärsche unter Mitwirkung von Mitgliedern unseres Verbandes. Wir weisen besonders auf die fast sensationell zu nennende Rede eines Ukrainers beim Ostermarsch im hessischen Bruchköbel hin, der sich klarer als viele Redner an diesem Wochenende gegen Waffenlieferungen an die Ukraine aussprach und feststellte: „Selenskij belügt sein Volk und die ganze Welt, die Ukrainer werden wirklich unterdrückt.“

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Für Friedensgespräche, gegen Waffenlieferungen: Friedensfreunde, vereint euch!

Ein Friedensappell aus der Ukraine

Rede von Pawel Simonow*

gehalten auf dem Ostermarsch in Bruchköbel am 07.04.2023

Guten Tag, liebe Friedensfreunde!

Ich kam heute aus Koblenz nach Bruchköbel und freue mich über so viele friedensgesinnte Leute.

In Koblenz, wie Sie wissen, steht ein wichtiges Bürokratiemonster des Verteidigungsministeriums: das Beschaffungsamt der Bundeswehr. Als am 27.02.22 Olaf Scholz seine „Zeitwende“-Rede gehalten hat, mit der Zusage von 100 Mrd. € „Sondervermögen“ für die Bundeswehr, haben im Beschaffungsamt bestimmt die Sektkorken geknallt.

Mittlerweile wissen wir, dass diese 100 Mrd. € nur ein Tropfen auf den heißen Stein waren. Die Verteidigungspolitiker beziffern den akuten Bedarf der Bundeswehr auf mindestens 300 Mrd. €, und das noch ohne die Unsummen, die Deutschland als militärische und finanzielle Unterstützung in die Ukraine schickt. Die Ukraine, die zum Schwarzen Loch der europäischen Verteidigungspolitik wurde.

Ich bin vor 30 Jahre aus der Ukraine nach Deutschland gekommen, lernte dieses Land hier kennen und lieben. Wir lebten friedlich und freundschaftlich mit Russlanddeutschen, Juden, anderen Bevölkerungsgruppen aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion zusammen in Deutschland. Immer hat mir der deutsche Pazifismus, die Friedfertigkeit, Kompromissbereitschaft in schwierigen politischen Fragen, die Solidität der deutschen Politik am Herzen gelegen. Alles wurde in den Mülleimer der Geschichte geworfen durch diesen „Zeitwendemoment“.

Was hat das der Ukraine gebracht, meinem Heimatland, wo meine Mutter immer noch lebt?

Ukraine, früher blühende Landschaften Europas, liegt teilweise in Trümmern. Der Osten des Landes ist weitgehend zerstört. Die Wirtschaft lahmt und ganze Land lebt wie ein Komapatient nur dank westlicher Hilfe, sowohl militärischer als auch finanzieller. Ein Großteil davon ist deutsche Wehrtechnik und deutsches Geld.

Die Bevölkerung in der Ukraine lebt in Angst. Vor allem Männer zwischen 18 und 60 Jahre sind von den Straßen verschwunden. Diejenige, die noch nicht in die ukrainische Armee einberufen sind, um als Kanonenfutter für die russische Artillerie an die Front geschickt zu werden, diese Männer verstecken sich wo sie nur können.

Die Grenzen sind dicht für sie, mehrere sind schon ums Leben gekommen beim Versuch, die Grenze illegal zu überqueren, viele wurden dafür ins Gefängnis gesteckt.

Keiner will für den „blutigen Clown“ in Kiew sterben. Auch meine Kommilitonen nicht, obwohl sie schon Mitte 50 sind. Mindestens einer ist schon im letzten Sommer gefallen, ich fürchte es sind mehr.

Selenskij belügt sein Volk und die ganze Welt, die Ukrainer werden wirklich unterdrückt. Die Kiewer Regierung ist absolut erbarmungslos zu ihrer Bevölkerung, sie ist bereit, alle zu opfern, nur um den Auftrag der NATO, vor allem der USA zu erfüllen.

Dieser Auftrag lautet: Russland entscheidend zu schwächen.

Die Ukraine wird voll mit Waffen gepumpt, die rechtsradikalen und offenen Nazis aus der ganzen Welt dienen sowohl in „Internationalen Bataillonen“ als auch in Sondereinheiten der ukrainischen Armee und des Innenministeriums. Sie sind schon bekannt für Gräueltaten an Kriegsgefangenen und Zivilbevölkerung.

Und egal, wie viel einfache Soldaten noch sterben, die Kiewer Regierung sagt uns niemals Wahrheit. Ende des Jahres sind es geschätzt 100.000 Gefallene gewesen, jetzt einige 10.000e mehr. „Wälder“ von ukrainischen Fahnen säumen Friedhöfe in Dörfern und Städten des Landes, die gelb-blaue Fahne steht an jeden Soldatengrab. Aber Kiew peitscht seine Truppen weiter gegen die russische Armee. Und der Westen, auch Deutschland, hilft ihm dabei, noch mehr Russen, aber auch Ukrainer, auch noch Zivilisten umzubringen. Das ukrainische Volk wird als Opfer auf die Schlachtbank geführt. Für die Interessen der NATO, für die Interessen der USA.

Waffenlieferungen aus dem Westen, auch aus Deutschland, verschlimmern die Lage ins Unumkehrbare

Der Versuch der Ukraine, die Territorien vor der Krim zurückzuerobern, oder gar die Krim selbst, wird Russland bis zum Äußerstem zwingen. Es werden hoffentlich keine Massenvernichtungswaffen angesetzt, aber die Opferzahl wird dramatisch steigen. Und das nur, weil Kiew dem Willen der NATO über „verbesserte Ausgangspositionen für Friedensgespräche“ folgt. Statt verbesserter Ausgangspositionen eskaliert die Sache vielleicht zum atomaren Krieg.

Es muss nicht so weit kommen. Es müssen besser Hunderte Mrd. € ins marode deutsche Bildungssystem, Schulen, Kitas, Straßen, Wohnungen statt in Panzer und Munition fließen.

Die Klimaveränderungen und Energiewende stellen uns vor riesige Herausforderungen und gigantische Investitionen. Da muss Geld hin und nicht in neue Waffengattungen.

Der alles erdrückende Mainstream muss aufhören, Friedensappelle, Aufrufe zu Gesprächen, Proteste gegen Militarisierung als „Querdenker“ und „Putinversteher“ zu denunzieren.

Viele meiner Landsleute, viele Russlanddeutsche, Türken, Kurden, Deutsche – sind für Gespräche statt Waffenlieferungen, für Frieden statt Krieg, für Schulen statt Panzer. Wir sind die Mehrheit, davon bin ich überzeugt.

Wir müssen uns nur vereinen, um unserer Regierung zu sagen: wir sind für sofortige Friedensgespräche und gegen weitere Waffenlieferungen. Je mehr Menschen es sagen, umso schneller werden wir erhört. Friedensfreunde, vereint euch!

*Name von der Redaktion geändert

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Wir kommen aus der Logik des Krieges nur heraus, wenn wir mit dem Kopf des anderen denken

Zwei Reden von Diether Dehm zum Ostermarsch 2023

Rede auf dem Ostermarsch in Fulda am 08.04.2023

 Direktlink zum Video von HessenChannel auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=g8TnkgO1soE

Rede auf der Abschlusskundgebung des Ostermarsches in Karlsruhe am 09.04.2023

Direktlink zum Video von Markus Huck B.P. in spe auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=s-czvZKO0kc

Dr. Diether Dehm ist Mitglied des Deutschen Freidenker-Verbandes und seines Beirats

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Wir brauchen dringend eine Politik des Friedens und der internationalen Kooperation

Rede von Naisan Raji

gehalten am Montag, den 10.04.2023 auf dem Römerberg in Frankfurt am Main

Naisan Raji – Bild: uz

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,

das ist nun der zweite Ostermarsch nach Beginn der Eskalation des Krieges in der Ukraine, der zu einem grausamen Abnutzungskrieg geworden ist, in dem jeden Tag Hunderte Soldaten auf beiden Seiten sterben. Unsere Forderung ist deshalb ein sofortiger Waffenstillstand und die Aufnahme von Verhandlungen, damit es endlich zu einem Ende des Sterbens kommt.

Der Krieg in der Ukraine ist auch deshalb so gefährlich, weil sich dort in einem Stellvertreterkrieg zwei Atommächte gegenüberstehen und jeder weitere Tag Krieg die Gefahr eines Flächenbrands birgt, deshalb muss die Politik der Konfrontation mit immer mehr und immer schwereren Waffen und mit immer mehr und immer umfassenderen Sanktionen eingestellt werden. Damit ist doch offensichtlich kein Frieden zu haben. Der Weg zum Frieden führt stattdessen über diplomatische Initiativen, wie wir ja gerade im Jemen sehen können, wo nach Jahren des Krieges der von Saudi Arabien geführten Militärkoalition gegen die jemenitische Zivilbevölkerung und nach Jahren der verheerenden Hungerkatastrophe durch See- und Luftblockaden neue Hoffnung entsteht durch das Abkommen der verfeindeten Mächte Iran und Saudi-Arabien, vermittelt durch China.

Unsere Bundesregierung wäre gut beraten, die diplomatischen Bemühungen von China, Brasilien oder Südafrika im Ukrainekrieg zu unterstützen und nicht weiter auf verbale Eskalation, Waffenlieferungen und Wirtschaftskrieg zu setzen, die den Krieg nicht beenden, den globalen Hunger aber durch Ausfälle und Teuerungen von Düngemitteln verschärfen und bei uns mit der Energiepreisexplosion und den massiv gestiegenen Lebensmittelpreisen für eine deutliche Verschlechterung des Lebensstandards für weite Teile der lohnabhängigen Bevölkerung sorgen.

Derzeit müssen wir mit dem Besuch von Ursula von der Leyen in China beobachten, wie die Drohgebärden noch an anderer Stelle weitergehen. Dabei ist es doch so: Die überwiegende Mehrheit der Weltbevölkerung unterstützt den Konfrontationskurs der NATO-Staaten gegen immer neue Länder nicht. Außerhalb unserer westlichen Blase hat man die vökerrechtswidrigen Kriege der NATO-Staaten nicht vergessen. Ebenso wenig die umfassenden Sanktionen gegen den Irak, die über eine Million Menschenleben kosteten, darunter 500.000 Kinder. Die damalige US-Außenministerin Albright hielt das für einen in Kauf zu nehmenden Preis, um die außenpolitischen Ziele der USA zu erreichen. Frau Albright ist übrigens Vorbild von Außenministerin Baerbock.

Im globalen Süden hat man auch nicht vergessen, dass die Sanktionen gegen Syrien den Wiederaufbau dieses vom langen Krieg völlig geschundenen Landes verhindern, oder dass ein Land wie Iran, das mal 95 % seiner Medikamente selbst hergestellt hat, mangels Zugang zu Rohstoffen und Ersatzteilen regelmäßig Engpässe an lebensrettenden Krebsmedikamenten hat.

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, man muss die Regierungen dieser Länder nicht lieben um festzustellen, dass in keinem Fall Sanktionen und Kriege zu mehr Demokratie, zu mehr Frauenrechten oder zu einem besseren Schutz von Minderheiten geführt haben, während alle diese Maßnahmen zu immensem Leid der betroffenen Bevölkerungen führen. Damit lassen sich Kriege nicht beenden, solche Maßnahmen sind Vorbereitung und Begleitmusik von Kriegen und es wäre gut, wenn wir mit dieser westlichen Arroganz gegenüber der großen Mehrheit der Erdbevölkerung endlich Schluss machen würden.

Liebe Mitstreiterinnen, liebe Mitstreiter, es ist im Vorfeld der diesjährigen Ostermärsche viel geredet worden über eine grauhaarige und eine ewiggestrige Friedensbewegung. Damit soll offenbar gerade jungen Leuten suggeriert werden, dass sie bei so einer Veranstaltung nichts zu suchen haben. Das Wiederholen solcher Klischees reiht sich ein in die vielen Versuche des vergangenen Jahres, die Friedensbewegung zu marginalisieren. Dabei ist eine Politik der Deeskalation und der Abrüstung, gerade gegenüber Atommächten, doch nicht von gestern und sie hat auch mit rechter Politik überhaupt nichts zu tun. Im Gegenteil, eine Politik, die mit Hochrüstung und Wirtschaftskriegen gegen ökonomische Konkurrenten auf das Recht des Stärkeren setzt, ist rückwärtsgewandt. Das rücksichtslose Verfolgen der Machtinteressen des eigenen Blocks bei völliger Missachtung der Sicherheitsinteressen der anderen Seite ist keine fortschrittliche Politik. Eine solche Politik hindert uns im Übrigen auch daran, die selbstgesetzten Klimaziele zu erreichen: Ein Panzer verbraucht bis zu 700 l Diesel auf 100 km und jeder Krieg bringt etliche weitere Schäden an Mensch und Natur mit sich.

Eine friedliche Zukunft kann es nur mit Abrüstung und mit internationaler Zusammenarbeit geben und in unserem Streit für ein Ende der Kriege und für ein Ende der Hochrüstung ist gerade in diesem Klima der Diffamierung und Einschüchterung der Friedensbewegung jeder wichtig, egal ob 20 oder 70 Jahre alt. Deshalb: Bleiben wir selbstbewusst und vereint in unseren Forderungen nach einem Stopp aller Waffenexporte, nach der Aufnahme von Verhandlungen im Ukrainekrieg und einer Beendigung der Konfrontationspolitik gegen so viele Länder, denn wir brauchen dringend eine Politik des Friedens und der internationalen Kooperation, damit wir uns den globalen Herausforderungen, von denen es auch ohne Kriege jede Menge gibt, endlich widmen können. Lassen wir uns also nicht einschüchtern – in Zeiten des Krieges braucht es mehr denn starke Stimmen für den Frieden.

Naisan Raji ist Psychologin aus Hessen und Mitglied der Partei DIE LINKE

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Die Süddeutsche Zeitung sorgt für maximale Themenverwirrung mit dem Titel “Querdenker-Szene demonstriert in der Innenstadt”. Wohl aufgrund zahlreihen Leserprotestes wird die Überschrift dann doch um das Thema Frieden erweitert – und der Protest an den rechten Rand gestellt: “Friedensbewegung rückt nach rechts”, so der neue Titel. Schlimmer geht immer. Unsere ausführliche Analyse zum SZ-Artikel findet ihr hier.

BR24 berichtete nur über den Protest des Münchner Friedensbündnis am Vormittag des 8. April, an dem sich rund 700 Menschen beteiligten, und ließ den mehr als doppelt so großen Ostermarsch des Bündnis “Macht Frieden!” vom Nachmittag einfach aus. Konsequent redet der BR die Friedensbewegung klein: In ganz Bayern seien am Osterwochenende 2000 Menschen auf der Straße gewesen. Von wegen! Mit rund 700 bestätigten Teilnehmern beim Münchner Friedensbündnis, ca. 2500 bei “Macht Frieden!” und nochmals 400 bis 600 Demonstranten beim Ostermarsch von Team Menschenrechte in Nürnberg bringen es allein die Städte München und Nürnberg auf über 3000 Demonstranten für den Frieden und gegen Waffenlieferungen. Das systematische Subtrahieren von Demonstranten bei Kundgebungen gegen die Kriegspolitik der Bundesregierung ist regierungsnahe Berichterstattung in Reinform. Auf Steuerkosten.

In Berlin berichtet der rbb immerhin in der Abendschau über den mit rund 2000 Teilnehmern ebenfalls beachtlichen Ostermarsch des Bündnis für Frieden Berlin. Aber auch der rbb verdreht die Tatsachen, indem er Kundgebungen pro Waffenlieferungen, veranstaltet von Grünen, SPD und Exilukrainern, mit den Ostermärschen in einem Topf wirft. Die Friedensbewegung sei “gespalten über die Frage: Frieden schaffen ohne Waffen – oder doch Frieden schaffen mit Waffen”. Nein, lieber rbb, wir sind nicht gespalten, sondern wir sind uns einig: Ein Staatssender, der Nationalismus, einfache Feindbilder und Rufe nach Waffengewalt zu einem Teil der deutschen Friedensbewegung erklärt, betreibt Kriegspropaganda. Wir sind nicht damit einverstanden, dass Leitmedien die Kernbegriffe der Friedensbewegung wie Diplomatie, Abrüstung, und Gewaltverzicht sinnentleeren. Das Ziel von Propaganda ist nicht Überzeugung, sondern Verwirrung. Wir sind viele, und wir lassen uns nicht verwirren. https://t.me/machtfrieden/322

Selbst die Tagesschau kommt nicht umhin, zu berichten, dass zahlreiche lokale und regionale Ostermärsche am Osterwochenende ein Zeichen für den Frieden setzen. Aber statt Bürgerinitiativen und Friedensbündnisse zu interviewen erklärt die Tagesschau lieber die pseudo-oppositionelle Linkspartei zum Sprachrohr der Friedensbewegung. Linken-Co-Chef Martin Schirdewan fordert denn auch brav in der Tagesschau eine “eindeutige Positionierung der Friedensbewegung insgesamt” für eine “klare Verurteilung des russischen Angriffskrieges”. Oppositionspolitik gegen fremde Regierungen ist natürlich bequemer, als oppositioneller Protest gegen unsere eigene Regierung, die Russland aus Versehen den Krieg erklärt und mit Plüschpanzern und Asow-Faschisten kuschelt. Über Kritik an ausländischen Regierungen berichtet der deutsche Staatsfunk gerne. Die Linke liefert.
(https://www.tagesschau.de/inland/ostermaersche-151.html)

Wir widersprechen den deutschen Leitmedien, die uns auf Steuerkosten für dumm verkaufen. Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt.

Dr. Mona Aranea, Soziologin, ist Pressesprecherin des Bündnisses “Macht Frieden!”

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Ostermarsch – am 10.04.2023 in Haldensleben …

Bericht und Gedanken von Thomas Loch

Thomas Loch

Montag, Ostermontag und wieder Zeit für Ostermärsche, Zeit für den Kampf um den Frieden ist eigentlich immer, ein aktuelleres Thema kann es gegenwärtig nicht geben. Die Ostermärsche sind eine spezielle Form des Kampfes für den Frieden, in der alten BRD entstanden, traditionell im Westen verankert, von einer Friedensbewegung ins Leben gerufen, welche diesen Namen noch verdiente, haben diese aktuell an Bedeutung verloren, obwohl eigentlich gegenteiliges notwendig wäre.

In den neuen Bundesländern wurde diese Tradition nach 1990 zum Teil übernommen, regional angebunden und wie dieses Jahr in Haldensleben mit einem regionalen Thema verknüpft.

Kapitalismus, Waffen und Krieg sind das Problem und nicht die Lösung!“* war der Aufruf zum Ostermarsch in Haldensleben überschrieben. Wobei die Probleme gut erkannt, die Ursache ist letztlich das kapitalistische System, in seiner höchsten Ausprägung dem Imperialismus.

Interessant am Ostermarsch in Haldensleben waren die Teilnehmer, es waren Vertreter der verschiedensten Gruppen vor Ort, es reichte vom rechten Flügel der Partei die Linke, über die linke Linke, wenn wir schon bei einfachen Schemen des bürgerlichen Ver(Zer)treterparlamentarismus sind, Initiativen innerhalb dieser Partei, deren kommunistische Plattform und Vertretern der Bewegung Aufstehen, weitere bürgerliche Friedensinitiativen, kommunistisch motivierte Parteien, sozialdemokratisch situierte Bewegungen, ökologisch determinierten Akteuren, mit leckeren Bratwürsten vom Rind, bis hin zu den Freidenkern. Es gab Infostände und an diesen nicht nur Informationsmaterial, sondern auch interessante Gespräche.

Die Veranstaltung zeigte die Widersprüchlichkeit innerhalb unserer Gesellschaft zum Thema Krieg und Frieden und vor allem zu den Ursachen des aktuellen Kriegs in der Ukraine. Einigkeit schien darin zu bestehen, dass Waffenlieferungen keinen Frieden schaffen und Friede nur mittels Verhandlungen zu erreichen ist. Aber allein schon bei den Ursachen für diesen Krieg gingen die Meinungen auseinander. Dementsprechend unterschiedlich waren auch genannte Voraussetzungen für eine Beendigung des Krieges. Der rechte Flügel der Linken und dessen Rednerin vertrat im Grunde die Position der NATO, wie medial verbreitet, mit den einen und anderen relativierenden Aspekt und in dem auf andere Kriege in jüngerer Vergangenheit verwiesen wurde. Allerdings hatte der Generalsekretär der NATO längst bestätigt, dass dieser Krieg nicht erst im Februar 2022, sondern 2014 begonnen hatte und manch politischer Akteur in führenden Positionen westlicher Politik lässt Ambitionen erkennen, auf der Suche nach einen Ausweg aus dem selbst verschuldeten Dilemma.

Von Quedlinburg, über Halberstadt fuhren wir zu viert in einem Auto nach Haldensleben, im Kofferraum einen Tisch und Informationsmaterial. Die Fahrt dauerte nicht solange wie wir gedacht hatten, so blieb genügend Zeit sich mit den Tisch zu positionieren, diesen zu bestücken und die ersten Gespräche zu führen. In der Runde fanden sich Menschen mit denen wir in der Vergangenheit schon gemeinsame Veranstaltungen realisiert haben und es fanden sich auch eine ganze Reihe neue Gesprächsteilnehmer. Einige wussten mit den Freidenkern etwas anzufangen, andere wiederum nicht, so dass es genügend Gelegenheit gab den Verband vorzustellen. In einem Gespräch wurden die Querdenker angesprochen, „böses Völkchen“ wurde festgestellt, allerdings nicht unbedingt Freidenker, wobei ein jeder Freidenker auch ein Querdenker sein sollte, stellte ich fest und Querdenken alles andere, nur nicht negativ zu betrachtet sei. Wie schon geschrieben, die Teilnehmerschaft war breit gefächert, was nicht nur an den Redebeiträgen zu erkennen war.

Es war interessant, hat aber auch gezeigt, wie Komplex das Thema Krieg und Frieden in unserer Zeit betrachtet wird und wie es selbst Politikern, ob männlichen oder weiblichen Geschlechts, oft an progressiver, politischer Bildung mangelt und dieses durch Folgsamkeit ersetzen. So wird nachgebetet, was vorgebetet, nicht selten von den Medien, ohne nachzudenken, ohne zu hinterfragen, oder gar in Frage zu stellen. So muss es auch nicht wundern, dass diese traditionellen Veranstaltungen an Bedeutung verlieren. Die Teilnehmerzahl soll irgendwo zwischen 250 und über 350 gelegen haben, je nachdem wer berichtet und berichtet wurden sogar im MDR mit Filmchen, wohl selektierend wem das Mikrophon vor die Nase gehalten wurde, aktuell war es der „Frauenversteher“ der Partei die Linke, welcher sich etwas ausführlicher äußern durfte.

Allerdings ein Vogel mit zwei ungleich starken Flügeln wird maximal im Kreis fliegen, wenn es ihm gelingt abzuheben.

Es bleibt viel zu tun, im Kampf um Frieden und gesellschaftlichen Fortschritt, welcher in einem deindustrialisierten, unter Umständen zerstörten Land schwer zu verwirklichen ist. Nur wie in den letzten zwei großen Kriegen wird versucht die Krisen kapitalistischen Seins mittels Krieg zu lösen, um damit die Kapitalakkumulation am Laufen zu halten. Es geht um Produktivkraftvernichtung und Zerstörung allgemein, die Anarchie kapitalistischen Wirtschaften wird auf die Spitze getrieben und mittels irrationalistischen Theorien begründet.

In der Betrachtung spielt die Ökonomie als Basis gesellschaftlichen Seins heute kaum eine Rolle, obwohl sie nach wie vor die Hauptrolle inne hat. Sentimental wird mit vielen Themen, so auch mit dem Thema Krieg umgegangen, wobei die Tränen in den Augen nur dazu taugen den Blick auf das Wesentliche zu trüben und zu verschleiern. Den Medien ist die Sentimentalisierung der Gesellschaft in den letzten Jahren mit enormen Auffand gelungen und die etablierten Parteien haben keinen unerheblichen Anteil, was letztlich in beiden Fällen zu enormen Vertrauensverlust führte.

Unabhängig davon, aber durch diese Vorgehensweise bedingt, entwickelte sich in Teilen der Gesellschaft eine neue Sensibilisierung im Umgang mit der aktuell, praktizierten, herrschenden Politik. Alte Strukturen werden in Frage gestellt, auch in dem sie immer seltener genutzt werden, neue Strukturen sind im entstehen, der Boden ist bereitet, die Saat gelegt und es beginnt zu keimen. Gut war dieses in den letzten Jahren im Zusammenhang mit der Entwicklung des Widerstandes gegen die Politik der Pandemie zu sehen. Leider konnte dieser Widerstand, diese Bewegung in ihrer Qualität nicht nahtlos in den notwendigen Widerstand gegen die Kriegspolitik, welche mit der Politik der Pandemie vorbereitet wurde, übergehen. Es ist an der Zeit neue Formen der Organisation, zum Zwecke der Interessenvertretung der breiten Masse der Bevölkerung zu schaffen, es geht um elementare Interessen, es geht im Fall der Kriegspolitik der Bundesregierung ums Leben selbst und nicht nur um qualitative Veränderungen im Leben der Menschen. Diese Probleme sind nur zu lösen, wenn es gelingt, auch unter Nutzung einfacher Schemen und Gegengensätze, die von den herrschenden Kräften gezeugte Spaltung in der Gesellschaft zu überwinden, miteinander zu reden, sich auszutauschen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Dazu ist es Sinnvoll die verschiedensten Veranstaltungen zu nutzen, ob nun im traditionellen Rahmen, oder neu entstandene Bewegungen, wie zum Beispiel die Montagsproteste, oder andere Proteste gegen die gegenwärtige herrschende Politik in diesem Land.

Der Ostermarsch in Haldensleben bot eine Möglichkeit zum Austausch, zudem war das Wetter schön, die Temperatur stieg auf 18°C und der Marsch erinnerte mich an die Rute von 2016, als der Ostermarsch ebenfalls in Haldensleben stattfand.

Ein Gedanke: Frieden schaffen ohne Waffen! Eine berechtigte Losung, wenn die gegenwärtige Entwicklung in der Ukraine betrachtet, vor allen die Folgen der Waffenlieferungen aus dem Westen. Dazu die Ausrichtung westlicher Politik, welche Verhandlungen mit Russland im allgemeinen ablehnt, diese sogar verhindert, nicht nur im März 2022 und mit immer neuen Sanktionen gegen Russland aufwartet. Allerdings berücksichtigen westliche Politiker (ob männlich, weiblich oder sächlich) der herrschenden Politik nicht, dass sich die Welt in den letzten Jahrzehnten verändert hat. Das westlich zentrierte Weltbild bröckelt, es kann sich in der Welt nur schwerlich halten, auch wenn es in den Ländern des regelbasierten Wertewestens mit immer mehr Aufwand aufrecht erhalten wird. Der westliche Imperialismus schaffte selbst die Voraussetzungen, ob er es wollte oder nicht. Ein Merkmal für den Imperialismus ist der zunehmende Kapitalexport, allerdings wird mit dem Kapital in der Regel auch die Wertschöpfung exportiert, was solange kein Problem für die Kapitalexporteure darstellt, solange die Profite den Weg zu den Exporteuren finden. Nur geht mit dem Verlust der Wertschöpfung, die entsprechende ökonomische Basis den Weg allen irdischen und in dem Maße, wie die ökonomische Macht schwindet, schwindet zeitversetzt auch die politische Macht. Aktuell gut in der internationalen Politik zu sehen, speziell an den Entwicklungen außerhalb der westlichen, regelbasierten, von den USA dominierten Ordnung.

Ein zweiter Gedanke: Frieden schaffen ohne Waffen! Ein entscheidender Einschnitt in der Geschichte war der Untergang des sozialistischen Lagers, er schuf die Voraussetzungen für die gegenwärtigen Entwicklungen. Allerdings hatte das sozialistische Lager über Jahrzehnte dafür gesorgt, dass aus dem kalten Krieg kein heißer wurde und das war ohne Waffen nicht möglich. Aber nicht nur die Waffen spielten eine Rolle, viel wichtiger sind die Menschen, welche in der Lage diese zu bedienen. Zum Erhalt des Frieden sind Waffen in unserer Zeit noch notwendig, ein aktuelles Beispiel ist Nordkorea, welches US-amerikanische Interessen durchaus auf Distanz hält und dank seiner Armee nicht das Schicksal des Irak, oder Libyens teilen musste. Auch ist der Krieg in der Ukraine für den Westen sehr lehrreich, selbst wenn die führenden Politiker in diesem Land gegen Erkenntnisse mancher Art resistent zu sein scheinen.

In einer Rede auf dem Ostermarsch wurde vom misslungenen Blitzkrieg der Russen geschwafelt, welcher als Ziel die Eroberung der Ukraine und die Installation einer Marionettenregierung hatte. Damit wurde nicht nur der allgemeinen Propaganda gefolgt, sondern die eigentlichen Ziele, welche von Russland verkündet, ignoriert. Nun ist es in Kriegen so, dass nicht unbedingt jedes Ziel der militärischen Handlung offen gelegt wird, die militärischen Handlungen und ihre Ergebnisse jedoch selbst einiges verraten. Ursache, Handlung, Wirkung, wieso, weshalb, warum, wem nutzt es, was ist das Mittel, was der Zweck und was wird erreicht? Das Erreichte muss nicht immer mit dem vorgegebenen Ziel übereinstimmen, nur wer möchte sagen, dass es nicht Ziel gewesen? Und Blitzkriege sind eher Sache des Westens, der USA mit ihrem Militärbündnis NATO, darauf sind sie vorbereitet und entsprechend auf – und ausgerüstet. Der Krieg in der Ukraine verläuft anders, letztlich konfrontieren die Russen den Westen mit seinen Schwächen in der konventionellen Kriegsführung.

In diesem Zusammenhang sollte nicht vergessen werden, dass die NATO sich bis an die Grenzen Russlands ausgedehnt hat und immer mehr Truppen in der Nähe der russischen Grenze konzentriert und stationiert. Das die NATO längst im Krieg in der Ukraine involviert und direkt beteiligt, steht außer Frage und die Beteiligung geht weit über die Lieferung von Waffen hinaus. Zwar kämpfen keine regulären NATO-Truppen in der Ukraine, aber ohne westliche Unterstützung und Einmischung wäre der Krieg längst vorüber und die Ukraine mit einem blauen Auge davon gekommen. So aber werden ukrainische Soldaten vom Westen ausgebildet und ausgerüstet, Söldner aus den verschiedensten Ländern kämpfen in der Ukraine und längst wurde von der westlichen Wertegemeinschaft verkündet, dass bis zum letzten Ukrainer gekämpft werden soll. Der Krieg in der Ukraine ist ein Strudel, alles in sich aufsaugend was der Westen liefert und in diesen Strudel wirft, ungeachtet dessen, was noch so alles in diesen Strudel verschwinden wird.

Über die Ursachen dieses Krieges wird viel orakelt, die Russen sollen schuld sein, weil sie ein Land überfallen, obwohl sie in einen bestehenden Krieg eingegriffen. Warum sie eingegriffen haben spielt keine Rolle, genauso wie die Opfer, welche der Krieg in der Ostukraine bis zum Eingreifen der Russen schon gefordert hatte.

Letztlich handelt es sich bei diesem Krieg um einen Stellvertreterkrieg der NATO gegen Russland, die Ukraine stellt das Territorium und das Kanonenfutter und somit sind es immer mehr Menschen, auch hierzulande, welche sich die Frage stellen, befindet sich die Welt schon im dritten Weltkrieg, oder steht dieser noch bevor?

Thomas Loch ist stellv. Vorsitzender des Landesverbandes Sachsen-Anhalt des Deutschen Freidenker-Verbandes

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Bildergalerie

200 Teilnehmer beim verregneten Start der hessischen Ostermärsche am 07.04.2023 in Bruchköbel, links unter grünem Zeltdach der Freidenker-Infostand. Ernesto Schwarz singt u.a. die „Resolution der Friedensverteidiger“. Foto: Heinz Leipold
Rede von Dr. Diether Dehm, Mitglied des Deutschen Freidenker-Verbandes und seines Beirats, zum Ostermarsch in Fulda am 08.04.2023. Link: https://www.youtube.com/watch?v=g8TnkgO1soE
Freidenker Philipp Hoffmann beim Ostermarsch in Fulda
Abschlusskundgebung des Ostermarschs am Karlsruher Schloss, 09.04.2023: Dr. Mona Aranea vom Friedensbündnis NRW und Pressesprecherin des Bündnisses „Macht Frieden!“ kündigt Dr. Diether Dehm an, Link: https://www.youtube.com/watch?v=s-czvZKO0kc
Auftaktkundgebung am Ostermontag in Offenbach am Main mit 100 Teilnehmern, im Hintergrund am Transparent Willi Schulze-Barantin, Landesvorsitzender der hessischen Freidenker; Kulturbeitrag von Erich Schaffner und Georg Klemp. Foto: Manfred Rößmann
10.04.2023: 4.000 am Frankfurter Römerberg, am Mikrofon Horst Schmitthenner (IG Metall)
Freidenkerin Sonja Gottlieb singt am 09.04.2023 beim Ostermarsch in Mainz
Schon einige Jahre alt und noch immer aktuell: Freidenker-Transparent in Bruchköbel. Foto: Erich Ehmes
Kundgebung zum Auftakt des Ostermarsches am 1. April 2023 in Potsdam. Foto: Ralf Lux
Kundgebung zum Auftakt des Ostermarsches am 1. April 2023 in Potsdam. Das Transparent wird von zwei Freidenkern getragen. Foto: Privat
Ostermarsch in Haldensleben. Foto: Thomas Loch

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Bild oben: Ostermarsch am 10.04.2023 in Frankfurt am Main: 4.000 am Römerberg, am Mikrofon Horst Schmitthenner (IG Metall)