Frieden - Antifaschismus - Solidarität

Das „Massaker von Račak“ folgt dem Muster des „Überfalls auf den Sender Gleiwitz“

von Klaus Hartmann

Um einen Krieg vom Zaun zu brechen, braucht man Vorwände, sonst steht man öffentlich von vornherein als Aggressor da. Das wusste nicht erst Adolf Hitler, der „zurückschießen“ ließ, und bis heute setzen die Kriegsherren (und -damen) ihren Ehrgeiz daran, Legenden zu erfinden. Die jüngste niederträchtige Erfindung ist das „Massaker von Račak“, das in besonders interessierten Kreisen schon vor seiner „Entdeckung“ bekannt war. Wir danken der New York Times für ihren Bericht am 19.01.1999, wonach die US-Außenministerin Madeleine Albright am Freitag, dem 15.01.1999 einen Kreis von engsten Vertrauten und Beratern aus dem Außenministerium um sich sammelte. Dort gab sie bekannt, dass das Abkommen vom 13.10.1998 über die Beruhigung der Lage in Kosmet „jeden Moment“ gebrochen werden könne.

Die New York Times beruft sich auf einen anonymen Repräsentanten der Regierung, dem zufolge Albright Informationen über die Ereignisse in Račak hatte und sie bereits „virtuell“ anklagte – einen Tag, bevor das „Massaker in Račak“ „entdeckt“ wurde. Die Zeitung weist darauf hin, dass bereits in der Vorwoche höchste Regierungsstellen verlautbart hatten, die Administration erwarte einen „entscheidenden Moment“, ein „Schlüsselereignis“, um über weitere Schritte in Kosmet zu entscheiden.

In den deutschen Medien gehört es, von ganz rechts bis fast ganz links, zum guten Ton, statt kritische Fragen zu stellen mit den Wölfen zu heulen, und wenn es gegen die Serben geht, stehen ohnehin die höchsten Werte deutscher Staatsraison auf dem Prüfstand. In demokratischeren Ländern ist das etwas anders, und so kamen die Leserinnen und Leser in Frankreich zu einem unvergleichlich höheren Informationsstand.

Es darf dort sogar noch gefragt werden, was wahr ist. Renaud Girard schrieb in einem Leitartikel der französischen Tageszeitung Le Figaro am 20.01.1999: Die Filmaufnahmen, die während des Polizeiangriffs auf Račak gemacht wurden, widersprechen der Version der Albaner und der OSZE. Girard fragt süffisant nach einer „unangebrachten Hast“ des Missionschefs Walker bei dessen Beschuldigung, die Serben seien für die Ermordung der über 40 Menschen verantwortlich. Dann gibt er eine chronologische Darstellung der Ereignisse vom Freitag, dem 15.01.1999:

„In der Dämmerung haben serbische Polizeikräfte das Dorf Račak, bekannt als Hochburg der separatistischen UCK-Guerillas, umstellt und dann angegriffen. Die Polizei schien nichts zu verbergen zu haben, ab 8.30 Uhr lud sie ein Fernsehteam (zwei Journalisten von AP TV) ein, um die Polizeiaktion zu filmen. Die OSZE wurde ebenfalls vorgewarnt, die daraufhin zwei Wagen mit amerikanischer Diplomatenlizenz zum Schauplatz schickte. Die Beobachter postierten sich den ganzen Tag auf einem Hügel, von dem sie das Dorf beobachten konnten. Um 15 Uhr erreichte ein Polizei- Kommunique das Internationale Pressezentrum in Pristina, wonach 15 UCK-‚Terroristen‘ bei Kämpfen in Račak getötet und große Mengen von Waffen sichergestellt wurden. Um 15.30 Uhr verließen die Polizeikräfte, gefolgt vom AP TV-Team, den Ort und transportierten 12 schwere 7mm-Maschinengewehre, zwei automatische Gewehre, zwei Gewehre mit Nachtsichtgeräten und rund dreißig Kalaschnikows aus chinesischer Produktion ab. Um 16.40 Uhr fuhr ein französischer Journalist durch das Dorf und traf auf drei orangefarbene OSZE-Fahrzeuge. Die internationalen Beobachter sprachen ruhig mit drei Albanern mittleren Alters in Zivilkleidung. Sie suchten nach möglichen zivilen Opfern. Als der Journalist um 18 Uhr in das Dorf zurückkehrte, sah er, wie die Beobachter zwei sehr leicht verletzte alte Männer und zwei Frauen wegbrachten. Die Beobachter, die nicht sonderlich beunruhigt schienen, erwähnten gegenüber dem Journalisten keine besonderen Vorkommnisse. Sie sagten nur, sie seien ‚nicht in der Lage, die Zahl der Opfer zu nennen‘.

Die Szenerie mit in einem Graben aufgereihten albanischen Leichen in Zivilkleidung, die die ganze Welt schockieren würde, wurde nicht vor dem nächsten Morgen, gegen 9 Uhr entdeckt, von Journalisten, denen bald OSZE-Beobachter folgten. Zu dieser Zeit war das Dorf erneut in der Hand der UCK-Soldaten, die die ausländischen Besucher, sowie sie angekommen waren, zu dem vermeintlichen Schauplatz des Massakers führten. Gegen Mittag erschien William Walker persönlich und drückte seine Empörung aus. Alle albanischen Zeugen gaben dieselbe Darstellung: am Mittag drangen die Polizisten in Häuser ein, trennten Frauen von Männern, die sie ohne große Umstände auf die Hügel zur Exekution führten.

Die störendste Tatsache dabei sind die Bilder, die die Journalisten von AP TV aufgenommen haben, und die Le Figaro gestern zeigte – sie widersprechen dieser Darstellung radikal. Es war in der Tat ein leeres Dorf, das die Polizisten am Morgen, eng an die Mauern gedrängt, betraten. Der Schusswechsel war stark, als sie von den UCK-Schützengräben in den Hügeln unter Feuer genommen wurden. Die Kämpfe nahmen auf den Hügeln oberhalb des Dorfes noch an Intensität zu. Die AP-Journalisten, die das Geschehen von unten, nahe der Moschee beobachteten, registrierten verzweifelte Ausbruchsversuche der eingekesselten UCK- Guerillas. Vielen von ihnen gelang dies, wie die Polizei selbst zugestand. Was geschah tatsächlich? Konnte die UCK während der Nacht die Körper jener, die tatsächlich durch serbische Kugeln starben, einsammeln, um die Szenerie eines kaltblütigen Massakers aufzubauen? Ein störender Fakt: Am Samstagmorgen fanden die Journalisten nur sehr wenige Patronen in der Umgebung des Grabens, wo das Massaker stattgefunden haben soll. Versuchte die UCK, eine militärische Niederlage in einen politischen Sieg zu verwandeln? Nur eine glaubwürdige internationale Untersuchung könnte die Zweifel ausräumen.“

Auch Le Monde, die vor Jahren in Frankreich den antiserbischen Kreuzzug anführte, äußert Zweifel an dem „kalten Massaker“, und ihr Korrespondent Christophe Chatelot berichtet in der Ausgabe vom 21.01. 1999 aus Pristina. Die verbreitete Tatsachendarstellung lasse einige Fragen unbeantwortet. „Ist das Račak- Massaker nicht zu perfekt? Neue Augenzeugen, die Le Monde am Montag, dem 18. Januar sammelte, säen Zweifel bezüglich der Realität eines fürchterlichen Spektakels mit Dutzenden hinabgestürzter Körper von Albanern, die von den serbischen Sicherheitskräften am letzten Freitag gemeinsam exekutiert worden sein sollen.“

Es folgt die ausführliche Chronik nach den Angaben der TV-Reporter von AP, um dann die Fragen zu formulieren: „Wie hätte die serbische Polizei die Gruppe von Männern sammeln und ruhig zum Exekutionsplatz führen können, während sie ununterbrochen unter dem Feuer der UCK-Kämpfer lagen? Wieso konnte der Graben, am Rande von Račak gelegen, der Aufmerksamkeit der örtlichen mit der Umgebung vertrauten Einwohner entgehen, die vor Anbruch der Nacht anwesend waren? Oder den Beobachtern, die sich länger als zwei Stunden in dem kleinen Ort aufhielten? Warum so wenig Patronen rund um die Leichen, so wenig Blut in jener Senke, wo angeblich 23 Personen aus nächster Nähe mit einigen Kopfschüssen getötet worden sein sollen? Waren nicht eher die Körper der in Kämpfen mit der serbischen Polizei getöteten Albaner in dem Graben gesammelt worden, um ein Horror-Szenario zu schaffen, das mit Sicherheit einen entsetzlichen Effekt auf die öffentliche Meinung haben würde?“ 

Der ehrenwerte William Walker

„Das Schrecklichste, was er in seinem Leben gesehen habe“, so ein fassungsloser William Walker gegenüber Fernseh-Kameras in Račak. Der Mann muss Schrecklicheres gesehen haben, denn er ist auf dem Gebiet von Massakern kein Neuling.

In dem in den USA erscheinenden Workers‘ World Newspaper vom 28.01.1999, vom Workers World Service vorab im Internet veröffentlicht, macht uns Gary Wilson verdienstvollerweise mit den Verdiensten des Chefs der OSZE-“Verifizierungs“-Mission bekannt. „Kriegsbeil hinter der US-Kosovo-Politik“ ist der Artikel betitelt. Der als „Karriere-Diplomat“ bezeichnete William Walker kann tatsächlich auf eine sagenhafte Karriere zurückblicken: „Es ist wichtig, dass die Welt weiß, wer Walker ist: ein Militär-Veteran des US-State Departement, der den schmutzigen Krieg gegen Nicaragua und El Salvador in den 80er Jahren leitete und der über jeden Aspekt dieses Krieges log. 1985 wurde er zum stellvertretenden Staatssekretär für Zentralamerika. Er war der Verantwortliche im Weißen Haus unter Reagan für die Operation zum Sturz der Regierung Nicaraguas. Geleitet wurde die Operation von den gerichtsnotorischen Oliver North und Eliot Abrams. Walker war beispielsweise verantwortlich für die Waffenlieferungen, die, als humanitäre Aktion getarnt, über den Flughafen Ilopango in El Salvador abgewickelt wurden, um die Contra-Banden gegen Nicaragua zu unterstützen. Später war Walker von 1988 bis 1992 US- Botschafter in El Salvador, dort herrschten zu jener Zeit die Todesschwadronen, von denen viele auf US- Militärschulen trainiert wurden.“

1998 haben Antikriegs-Aktivisten in den USA ein Dokument mit Details über eines der Massaker in El Salvador veröffentlicht: „Am 16. November 1989 überfiel eine Gruppe bewaffneter Männer des von den USA ausgebildeten El Salvadorianischen Alcatel-Militärbataillons, die meisten Absolventen der School of America, den Schlafsaal der Jose Simeon Canas-Universität von Zentralamerika zwischen 2.30 und 3 Uhr früh. Sie rissen sechs Priester aus ihren Betten und schossen ihnen in den Kopf. Dann ermordeten sie den Koch der Priester und seine 15jährige Tochter. Die Priester wurden der Sympathie für die Befreiungsfront verdächtigt, die gegen das von den USA gestützte Regime kämpfte. Die Jesuiten beschuldigten Walker, als ‚stiller Teilnehmer‘ bei dem Massaker zugegen gewesen zu sein.

Jahre später, am 6. Mai 1996, berichtete die Washington Post, dass Walker in Washington eine Zeremonie zu Ehren von 5000 US-Soldaten leitete, die geheim in El Salvador gekämpft hatten. In der Botschafterzeit Walkers hingegen lautete die offizielle Darstellung, dass lediglich 50 Militär-‚Berater‘ in El Salvador tätig seien. Walker ist also niemand, der gewohnt wäre, die Wahrheit zu sagen. Er kann beim besten Willen nicht als unabhängiger Beobachter oder gar Anwalt der Menschenrechte bezeichnet werden. Im Kosovo ist er zu seinen alten Tricks zurückgekehrt. Diesmal geben seine Aktionen einer anderen Contra-Armee Rückendeckung, den Contras der UCK. Einige europäische Zeitungen haben begonnen, die NATO als die Luftwaffe der UCK zu bezeichnen. Walkers Aktionen dienen dem Ziel, die jugoslawische Regierung zu destabilisieren. Seine Stellungnahmen können zur Rechtfertigung eines NATO-Militärschlags dienen, wenn sich die US-Regierung dazu entschließt.

Über den CIA werden 35 Millionen Dollar zur ‚Unterstützung oppositioneller Gruppen‘ nach Jugoslawien geschleust, der US-Senat hat ein Gesetz gebilligt, das zum Sturz von Milosevic aufruft. Gegen die jugoslawische Regierung wird Krieg geführt, auch mit Hilfe der sogenannten ‚Kosovo-Befreiungsarmee‘, die die Uniformen der faschistischen Besatzer der Region im 2. Weltkrieg übernommen hat.“

Soweit der Bericht über William Walker, aber wie steht es um den Rest seiner Beobachter-Truppe? Sofern es sich um US-Vertreter handelt, erklärt uns Walker selbst, was wir von seinem Team im Kosovo halten dürfen: „Eine große Zahl hat einen militärischen Hintergrund, eine kleinere, aber auch beträchtliche Zahl hat einen polizeilichen Hintergrund“, so Walker bei einer State Department News Conference am 8. Januar 1999 laut U.S. Information Service.

Walker ist genau der glaubwürdige Zeuge und Massaker-Experte, den man sich nur wünschen kann. Ohne jede Untersuchung und Beweiserhebung wusste dieser Experte deshalb vom ersten Augenblick an, dass selbstverständlich die Serben für das Massaker verantwortlich seien. Dazu passt, dass Walker die zuständigen serbischen Behörden daran hinderte, die Ermittlungen aufzunehmen, um sich ein Interpretationsmonopol zu verschaffen. Und die jugoslawische Regierung erfrechte sich auch noch, gegen eine besonders pikante Äußerung des Unparteiischen zu protestieren: „Die Welt würde eher ihm als den Argumenten und Beweisen der jugoslawischen Stellen Glauben schenken“, meinte der gute Mann, der damit doch nichts als die reine Wahrheit sagte (junge Welt, 20.01.1999).

Damit ist das Szenario für neue NATO-Drohungen bereitet, die sich natürlich nur gegen „Belgrad“ richten, denn es ist das erklärte Anliegen der Terroristen, einen NATO-Angriff zu provozieren, um die jugoslawische Souveränität über einen Teil des eigenen Landes definitiv zu beenden. Wenn also Clinton und Blair, Cook und Cohen, Solana, Schröder oder Fischer mit einem „Eingreifen“ drohen, dann ist dies immer ein Eingreifen zugunsten und an der Seite von Terroristen. Verschwiegen wird, dass die UCK das legendäre Abkommen vom Oktober 1998 gar nicht unterschrieben hat, und damit nur die jugoslawische Seite an den Waffenstillstand gebunden sein soll.

Was aber die ach so freien Medien noch verschweigen, und unsere ehrenhaften Wächter über die Menschenrechte nicht interessiert, sind die Opfer des albanischen Bandenterrors. Allein seit dem 13. Oktober, dem Abschluss der Vereinbarung zwischen Holbrooke und Milosevic, fanden 599 Terroranschläge der separatistischen Banden statt: 186 gegen Bürger und 413 gegen Angehörige der Polizei. Die Zahl der von den Terroristen ermordeten Albaner übersteigt dabei die Zahl der serbischen Opfer.

Solche Fakten öffentlich zur Kenntnis bringen, wäre riskant. Sie würden all jene, von Clinton bis Solana, die nicht müde werden, Milošević zum „Einlenken“ zwingen zu wollen und ununterbrochen mit Luftschlägen gegen Serbien drohen, eindeutig identifizieren – als notorische Lügner, als Verrückte oder Verbrecher.

Ein notwendiger Nachtrag

Der vorstehende Beitrag wurde in der letzten Januarwoche 1999 geschrieben. Seither haben sich die Ereignisse zugespitzt bis zur NATO-Aggression gegen Jugoslawien, die am 24. März 1999 begann. Das Aufklärungsinteresse des „Westens“ bezüglich der Ereignisse in Račak wurde erkennbar den Interessen der Kriegsvorbereitung untergeordnet.

Zunächst wurden die Leichen von Račak geborgen und in das Gerichtsmedizinische Institut nach Belgrad gebracht. Dort wurden sie von jugoslawischen und belorussischen Experten untersucht mit dem Ergebnis, dass die zum Tode führenden Schussverletzungen im Verlauf von Kämpfen erfolgt sind und dass es keine Erschießungen aus der Nähe gab, also keine Anhaltspunkte für ein „Massaker“ vorliegen. Diese Ergebnisse wurden im „Westen“ freilich gar nicht erst zur Kenntnis genommen, zumal die Nationalität der Gerichtsmediziner ihre berufliche Qualifikation in den Augen der interessierten Kreise von vornherein fragwürdig erscheinen lassen musste.

Zu den beiden genannten Untersuchungsteams gesellte sich alsbald noch ein finnisches unter Leitung von Helen Ranta; ihm allein billigte die EU Kompetenz und Autorität zu, zu einem objektiven und gültigen Ergebnis zu kommen. Dass die finnischen Experten die gute Zusammenarbeit und die fachliche Qualifikation ihrer Kolleginnen und Kollegen aus Jugoslawien und Belorussland lobten, fand ebenfalls nicht den Weg in die „freien Medien“.

Nachdem das finnische Team seine Untersuchung beendet hatte, wurde verlautbart, dass die Ergebnisse nicht vor Beginn der Rambouillet-Konferenz veröffentlicht werden sollten, um nicht einer Seite den Vorwand für die Nichtteilnahme zu liefern. Die Konferenz ging zu Ende, und der Obduktionsbericht blieb unter Verschluss. Er sollte Anfang März vorgelegt werden, da hieß es, die Arbeit sei „inhaltlich beendet“, es fehlten nur noch „technische Details“, die aber „nicht mehr als drei Tage“ beanspruchen würden (konkret 4/99, S. 16). Der neue Termin 5. März wurde auf den 8. März vertagt, am 8. März erklärte ein Sprecher von Joseph Fischers Ministerium (wegen der EU-Ratspräsidentschaft für die Vorlage zuständig) gegenüber der Berliner Zeitung, es werde „weiter darüber nachgedacht, wie man verfährt, wie und wann man veröffentlicht“. Gleichen Tags wird die finnische Außenministerin Tanja Harionen mit den Worten zitiert, wegen immer noch ungeklärter „technischer Details“ müsse das Gutachten mindestens eine weitere Woche bei den Gerichtsmedizinern bleiben.

Dass es sich nicht um fachliche Details handeln konnte, machte Helen Ranta damit deutlich, dass sie auf die „Entscheidungsträger“ in Bonn verwies. Die waren gerade mit der Fortsetzung von „Rambouillet“ in Paris befasst, wo Jugoslawien nochmals vor die erpresserische Wahl zwischen Pest und Cholera gestellt wurde: NATO-Besatzungstruppen oder NATO-Bomben. Also verlautbarte Joseph Fischers Ministerium am 9. März 1999, dass der Bericht erst nach der Konferenz von Paris, nämlich am 17. März 1999 vorgelegt werden soll. Die Berliner Zeitung orakelte: „Nach dem politischen Hin und Her der letzten Tage ist wahrscheinlich, dass die Expertise, deren Kern Joschka Fischer, dem Ratspräsidenten der EU, bereits bekannt sein wird, zu einem klaren Ergebnis geführt hat.“ Hingegen zitiert die Welt unter der Überschrift „Massaker oder schauriges Propagandastück“ einen OSZE-Diplomaten aus Wien: „Eine heiße Kartoffel ist dieser Bericht, keiner will ihn so richtig.“

Nachdem Jugoslawien erwartungsgemäß auch in Paris die NATO-Erpressung als unannehmbar zurückgewiesen hatte, liefen bei der NATO die Vorbereitungen für einen heißen Krieg auf Hochtouren. Damit war auch endlich die Stunde für den Bericht der finnischen Gerichtsmediziner gekommen, besser gesagt, was man für ihn ausgab. Der fast hundert Seiten umfassende Bericht blieb nämlich weiter unter Verschluss, veröffentlicht wurde lediglich eine „Zusammenfassung“ von drei Seiten, verzapft von Fischers Schreiberlingen, deren pathologische Fähigkeiten wohl weniger auf dem Gebiet der Gerichtsmedizin als dem der antiserbischen Hetze liegen. So wurden die Ereignisse in Račak als „Kriegsverbrechen“ charakterisiert, aber nicht gesagt, von welcher Seite es begangen wurde. Das meinte Joseph Fischers Ministerium sich sparen zu können, war doch die Öffentlichkeit nach der langjährigen Medienkampagne hinreichend antiserbisch konditioniert.

So hat das „Massaker“, angezettelt von Madeleine Albrights Experten, in Szene gesetzt von ihren nützlichen UCK-Idioten, entdeckt von ihrem Special Agent William Walker, und letztlich „just in time“ zu Kriegsbeginn präsentiert von ihrem Höfling Joseph Fischer, seine Schuldigkeit getan – die ihm von Anfang an zugedacht war.

Klaus Hartmann ist Vorsitzender des Deutscher Freidenker-Verbands.
Der Beitrag wurde am 28.01.1999 geschrieben und zuerst in der UZ (Unsere Zeit) vom 05.02.99 veröffentlicht.
Der Nachtrag wurde Ende März verfasst und diese ergänzte Fassung erschien in den Marxistischen Blättern „Spezial“ (NATO-Krieg und Kosovo-Konflikt) Ende April 1999


Bild: In Albanien stationierte US-amerikanische Kampfhubschrauber vom Typ AH-64 Apache und Transporthubschrauber vom Typ UH-60 Black Hawk im April 1999
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