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Trumps Wirtschaftspolitik: Verschärfte Fortsetzung von Obama

von Dr. Werner Rügemer

„America First“: Trumps Parole klang für viele politische Schlafmützen neu und aggressiv. Aber sie war nur der rhetorisch deutlichere Anspruch der „einzigen“ und „außergewöhnlichen Nation“ auf Weltherrschaft. Das hatte auch etwa der US-Präsident der Demokraten-Partei, Barack Obama schon beschworen, ebenfalls wie bei Trump göttlich überhöht mit „God’s own Country“. Und die USA haben als einziger Staat kein Außenministerium, sondern ein State Department, ein Staatsministerium: Die USA beanspruchen seit Gründung bis heute das selbstverständliche Recht, im national interest auf jeden anderen Punkt der Erde zuzugreifen, notfalls mit Gewalt. Republikaner sprechen das meist direkter aus, die mehr akademischen Demokraten meist irgendwie netter.

Um „Amerika wieder groß zu machen“, will die Trump-Regierung den Hauptfeind China bekämpfen. Auch das ist nicht neu. Diese geopolitische Linie hatte schon Obama zur Doktrin gemacht: Pivot to Asia! Unsere alten Freunde Australien, Japan, Südkorea noch enger zusammenschließen, neue aus Europa dazuholen: Gegen China! Und das war verbunden mit der Anweisung an die europäischen NATO-Mitglieder: Aufrüsten auf 2 Prozent Militärbudget! Biden erhöhte auf 3 Prozent. Trump will in dieser Logik noch etwas mehr.

Dabei inszeniert jede US-Regierung, ob von Republikanern oder Demokraten geführt, heuchlerische Doppelspiele. Beispiel: Auch Trump will Apple, Microsoft, Nvidia und hunderten US-Großkonzernen nicht verbieten, ihre Zulieferer mit Millionen Beschäftigten in China aufzugeben. Aber weil in China seit 15 Jahren die Löhne nachhaltig erhöht und die Arbeitsverhältnisse verbessert werden, ziehen Apple & Co. aus China ab, so schnell es geht. Die neuesten iPhones von Apple, jetzt das iPhone 15, werden in möglichst großer Zahl seit einigen Jahren vermehrt in Indien und anderen verarmten Staaten Asiens montiert. Das organisiert der weltweit führende Spezialist für kasernierte Niedrigstlöhnerei, Foxconn aus Taiwan: In der Sonderwirtschaftszone Chennai in Südindien montieren junge Frauen die iPhones, für 80 Cent pro Stunde, wovon ihnen die Hälfte für die überwachte Massenunterkunft, das schlechte Essen und den täglichen Transport von der Unterkunft zur Fabrik und zurück abgezogen wird. Nach einigen Jahren sind sie durch den 6-Tage-Dreischichtenbetrieb erschöpft, krank, werden durch neues Frauen“material“ ausgetauscht. Dagegen protestieren weder die Gender-Freundin Kamala Harris von den Demokraten noch der Gender-Hasser Donald Trump von den Republikanern.

„Fabrik Asien“: Millionen modernisierte Sklavenarbeiter, vor allem Frauen, werden unsichtbar gemacht. So arbeiten ähnlich wie in Chennai Millionen Frauen für die US-Digitalkonzerne auch in Thailand, Myanmar, Indonesien, Vietnam, Bangladesch usw. auch für Nike, Gap, Levy Strauss, Coca Cola, Pepsi Cola, Nestle, Mendelez. Die  Niedriglohnbesatzungen der drei größten Kreuzfahrtkonzerne Carnival, Royal Caribbean, Norwegian Line – alle mit Standort in Miami und den Großaktionären BlackRock, Vanguard & Co. – kommen von den Philippinen. Diese Art Globalisierung wurde wesentlich seit den 1990er Jahren von den Demokraten-Regierungen von Clinton und Obama vorangetrieben, begonnen mit Nixon/Kissinger. Das wird weder in den Wahlkämpfen noch zwischendurch thematisiert, auch nicht von den Leitmedien wie New York Times, die BlackRock & Co. gehören. Das gehört zu „America First“, unabhängig von der jeweils regierenden Partei.

Auch für die e-Mobilität wurden und werden neue globale Lieferketten aufgebaut. Als wegen des Beschusses durch die Huthis aus dem Jemen die Fahrt durch den Suezkanal blockiert war, mußte die Tesla-Fabrik in Grünheide/Brandenburg ihre Produktion stoppen – die Zulieferteile aus Asien kamen nicht durch. Und weder Musks Tesla Gigafactory im chinesischen Shanghai noch andere US-Unternehmen ziehen sich aus China zurück, auch nicht unter dem China-Gegner Trump und seinem Chefberater Elon Musk.

Genauso heuchlerisch ist der Umgang mit den Migranten. Millionen Migranten  bilden immer mehr eine wesentliche Stütze der US-Wirtschaft. Dazu gehören traditionell auch Millionen Illegale. Die US-Bevölkerung altert, es werden weniger Kinder geboren, die Kindersterblichkeit ist hoch, und gerade in der working class sind viele krank und können nicht arbeiten  – deshalb sind Migranten in den USA für die US-Wirtschaft wichtiger denn je. Und je mehr reingelassen werden, unter Gefahren, und je mehr wieder abgeschoben werden – desto williger und billiger arbeiten die, die bleiben dürfen. Die Illegalen, die auch gar nicht wählen dürfen, sind am leichtesten erpressbar.

Das haben mir übrigens schon 1984 in Silicon Valley Gewerkschafter der United Electrical Workers erklärt: In den sweatshops montierten illegale Flüchtlinge aus Mexiko und den Philippinen die Chips für Intel, unter gesundheitlichen Schäden: Wenn sie anfingen Forderungen zu stellen, drohte der Subunternehmer: Ich melde dich bei der Ausländerbehörde! Dieses Doppelspiel spielte auch Obama: Er ließ den Hochsicherheitszaun zu Mexiko weiterbauen, ließ hunderttausende Migranten herein, aber ließ jedes Jahr hunderttausende zwangsweise wieder rausschaffen, allein im Jahr 2013 waren es 438.421 Deportierte.

„Drill Baby Drill“- das wiederholte Trump ständig im Wahlkampf. US-Konzerne sollen noch mehr Gas und Öl fördern, in den USA, mithilfe der Frackingmethode. Die ist nicht nur extrem umweltschädlich, sondern die Anwohner sterben früher. Aber schon Obama machte Frackinggas zur geopolitischen Waffe, als Alternative vor allem zum russischen Gas: Dafür lockerte die Obama-Regierung die bisher geltenden Gesetze für die Reinhaltung von Luft und Wasser. Obama ließ auch das als umweltschädlich verrufene Frackinggas umweltfreundlich umbenennen: Liquefied Natural Gas, also „natürliches“ Gas! Umweltfreundlich-tödliche Geopolitik! Die USA sollten die führende Exportnation werden, und sie wurden es, schon vor Trump.

Make America Great Again: Trump in seiner ersten Amtszeit fing mit erhöhten staatlichen Subventionen an, für industrielle Neugründungen, sei es für US-amerikanische wie ausländische Unternehmen. Aber die Nachfolgeregierung der Demokraten mit Joe Biden und Kamala Harris überschlug sich mit noch höheren Subventions-Programmen für die Neugründung von Chip- und anderen Fabriken, etwa mit dem CHIPS and Science Act, dem Inflation Reduction Act – und übrigens auch mit dem Lend Lease Act for Ukraine: Damit wird die Entwicklung neuer  Waffentechnologien finanziert, mit Bezug auf die Ukraine, obwohl diese vielleicht in Zukunft mal hergestellten neuen Waffen natürlich für den jetzigen Krieg gar nicht fertig werden können.

Biden/Harris hatten mit Zöllen auf e-Autos, Stahl und Aluminium aus China angefangen, wollten das auch auf Importe aus Europa erweitern – Trump will das nur noch steigern. Dabei wird Trump weniger von seiner Persönlichkeit getrieben, sondern einerseits von den Multimilliardären in seiner Regierung und von den Silicon Valley-Digitalkonzernen, die in den letzten Jahren zu ihm übergelaufen sind. Aufschlussreich ist auch der größte Kapitalorganisator und Aktionär der USA, BlackRock: sein Chef Lawrence Fink, der als Finanzminister von Hillary Clinton vorgesehen war, hatte schon nach dem ersten Wahlsieg Trumps erklärt: Trump ist gut für Amerika! Und jetzt schon vor dem Wahltermin 2024 erklärte Fink: Für uns ist es gleich, wer die Wahl gewinnt, wir sind mit beiden Kandidaten im Gespräch!

Denn die führenden US-Kapitalisten, allen voran die Digitalkonzerne Tesla, Amazon, Apple, Microsoft, Google, Nvidia, Uber, aber auch die anderen Konzerne sind härter denn je mit der nachhaltigen, wachsenden Selbstorganisation des ungleich größeren „Restes“ der Welt konfrontiert. Die Volksrepublik China stieg in historisch kürzester Zeit zur größten Industrie- und Handelsnation auf und bewies: Wir importieren US-Praktiken, aber wir transformieren sie zu unserem Vorteil! Und China bildet eine wesentliche Stütze für diese alternative Globalisierung: Sie ist, wie die wachsenden Allianzen à la BRICS, CELAC, EEV usw. zeigen, der übergroßen Mehrheit der Staaten viel näher ist als die Armuts- und Kriegs-Globalisierung nach US-Muster.

Auch für die EU und gerade für Deutschland ist es überlebensnotwendig, sich nicht nur von der militärischen, sondern auch der wirtschaftlichen US-Logik abzukoppeln, egal wer im Weißen Haus sich auf Gott beruft.

Dr. Werner Rügemer, Köln, ist Philosoph und Publizist. Er ist Sprecher des Beirats des Deutschen Freidenker-Verbandes und Mitglied des Verbandsvorstandes

Quellen:

  • Migranten legal wie illegal als wesentliche Stütze der US-Wirtschaft:
    Immigrant workers help grow the U.S. Economy, Economic Policy Institute, 3.10.2024, und: New Data Analysis: Immigrants driving opportunity, Prosperity in the U.S., American Immigration Council 5.6.2024
  • Obama deportiert Immigranten:
    U.S. deportations of immigrants reach record high in 2013, Pew Research Center 2.10.2014
  • Frackinggas: Alternative zu russischem Gas…, Rügemer in Freitag 25.4.2022, und Lancet-Studie…, Rügemer in Freitag 23.3.2023
  • Apple: Zwangsarbeit mit Foxconn in Indien: zweimal Rügemer in Freitag, NDS, InternationalMagz, free21
  • Biden Zölle gegen China: Biden läutet nächste Phase des Handelskrieges ein, FAZ 12.5.2024; Biden Calls for Raised Tariffs on Chinese Steel, Aluminium Imports, WSJ 17.4.2024
  • Biden „Make America Great Again“, Re-Industrialisierung: CHIPS and Science Act, Inflation Reduction Act, Lend Lease Act for Ukraine

Eine leicht gekürzte Version dieses Beitrages erschien am 21.01.2025 auf derFreitag

Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrages.


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