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Wie der Spiegel über Lawrows Rede im UN-Sicherheitsrat berichtet

Der russische Außenminister Lawrow hat im UN-Sicherheitsrat eine ausführliche Rede gehalten. Hier zeige ich, was Spiegel-Leser darüber erfahren haben.

von Anti-Spiegel (d.i. Thomas Röper)

Erstveröffentlichung am 22.09.2023 auf anti-spiegel.ru

Ich habe die Rede, die der russische Außenminister Lawrow im UN-Sicherheitsrat gehalten hat, komplett übersetzt und dazu geschrieben, dass deutsche Medien über den Inhalt der Rede nicht berichten werden. Die Rede von Lawrow war ausführlich und lang und Lawrow hat darin den russischen Standpunkt und die Vorgeschichte des Ukraine-Konfliktes genau erklärt. Dazu hat er auch ausführlich aus dem Völkerrecht und internationalen Abkommen zitiert.

Der Spiegel hat einen Tag später unter der Überschrift „Brandrede im Sicherheitsrat – Selenskyj liest der Uno die Leviten“ über die entsprechende Sitzung des UN-Sicherheitsrates berichtet. Der lange Spiegel-Artikel umfasst 15 Absätze, von denen nur einer sich mit Lawrows Rede beschäftigt.

Der Spiegel-Artikel beginnt damit, dass die Staaten durchgesetzt haben, dass Selensky als erster reden darf. Dass das gegen das Reglement des UN-Sicherheitsrates verstößt und dass der Westen damit ein weiteres Mal zeigt, dass ihm internationale Regeln und sogar das Völkerrechts und die Regeln der UNO egal sind, das verschweigt der Spiegel seinen Lesern natürlich. Dass die russische Delegation diesen offenen und eklatanten Bruch der UN-Regeln bemängelt, macht der Spiegel stattdessen lächerlich, was in dem Artikel so klingt:

„Der Mann, um den es geht, sitzt Nebensja reglos gegenüber, nur Meter entfernt, am anderen Ende des C-förmigen Tischs, der fast den ganzen Tagungssaal einnimmt: Wolodymyr Selenskyj, wie gewohnt in feldgrüner Uniform, hinter ihm sein ebenfalls uniformierter Stabschef Andrij Jermak. Geduldig wartet Selenskyj, bis die albernen Einwände des Russen abgehandelt sind. »Dürfen wir mit Ihrer Erlaubnis weitermachen?«, sagt Rama spitz in Richtung Nebensja. Der willigt grunzend ein.“

Die Formulierungen zeigen deutlich, dass es dem Spiegel nicht um Berichterstattung, sondern um Propaganda der untersten Schublade geht. Selensky „wartet geduldig“, weil der Russe „alberne Einwände“ hat. Und am Ende „grunzt“ der Russe, anstatt zu sprechen. In diesem Stil ist der ganze Spiegel-Artikel gehalten, der natürlich ein Lobgesang auf Selenskys übliche Flegeleien ist, die er auch im UN-Sicherheitsrat von sich gegeben hat.

Der Spiegel zitiert die Ausfälle von Selensky ausführlich, wenn Selensky theatralisch von „Schmerz, Verlust und Kampf“ erzählt, Russland als „Terroristenstaat“ bezeichnet, der „alle Grundlage internationaler Normen“ unterminiere, weshalb die UNO „an einem toten Punkt“ angekommen sei. Und so weiter und so fort, Selensky und andere westliche Politiker sind groß darin, emotionale Schimpftiraden abzulassen, die mediale Aufmerksamkeit erregen.

Was weder Selensky noch andere westliche Politiker getan haben, ist über das Völkerrecht zu sprechen, denn dann wäre schnell klar geworden, wer es bricht. Außer Beschimpfungen und Beleidigungen kommt von den westlichen Politikern – und erst recht von Selensky – nichts.

Ganz anders war es bei Lawrows Rede, der seinen Standpunkt stets mit Verweisen auf Bestimmungen der UN-Charta und andere völkerrechtliche Verträge untermauert hat. Davon jedoch erfährt der Spiegel-Leser nichts, denn über Lawrows Rede schreibt der Spiegel nur folgenden Absatz:

„Lawrow, der gleich danach das Wort ergreift, antwortet mit der üblichen Kaskade aus Lügen, Halbwahrheiten, Geschichtsfälschungen und Verschwörungstheorien. Im Stakkato-Ton wiederholt er Putins historische »Rechtfertigung« für die Invasion, rollt noch mal alle gefühlten Demütigungen Russlands seit dem Ende der Sowjetunion auf, stellt Moskau als Opfer dar, nicht Täter, nennt die ukrainische Regierung »kriminell« und »Nazis«, schimpft auf die USA, die Nato, Europa, Deutschland.“

Jeder kann die Rede von Lawrow nachlesen, genau deshalb habe ich sie ins Deutsche übersetzt, wovon allerdings Spiegel-Leser nichts wissen. Sollten Sie die Rede von Lawrow noch nicht gelesen haben, dann machen Sie sich den Spaß und tun Sie es. Danach lesen Sie noch einmal, was der Spiegel darüber geschrieben hat.

Weitere Kommentare sind überflüssig, allerdings muss man eines noch einmal wiederholen: Die deutschen Medien halten ihre Leser bewusst dumm, denn wenn sie ihre Leser vollständig informieren würden, würde die primitive Propaganda des Spiegel und des Westens insgesamt in sich zusammenbrechen. Da die Menschen im Westen aber so vieles nicht wissen, funktioniert diese primitive Propaganda leider.

Thomas Röper, geboren 1971, lebt seit über 15 Jahren in Russland. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.


Bild oben: Collage von Ralf Lux aus Faksimiles der SPIEGEL-Berichterstattung