Die Waffen nieder! – Friedensfähig statt kriegstüchtig!
Rede auf einer Friedenskundgebung in Schwäbisch Hall am 31. August 2024
von Jürgen Rose
Sehr geehrte Versammelte, liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde!
In Zeiten wie den gegenwärtigen, in denen selbst der Papst im Vatikan gemeinsam mit ehemaligen Bundeswehrgenerälen ins Fadenkreuz immer enthemmter eifernder und geifernder Kriegshetzer geraten, ist es umso wichtiger, dass Menschen wie Sie aufstehen, um lautstark gegen maßlosen Aufrüstungswahnsinn und hysterische Kriegstreiberei zu protestieren. Hierzu gehören durchaus Haltung und Mut angesichts des Umstandes, dass Menschen, die nach Frieden und Abrüstung rufen statt nach immer mehr Waffen und immer mehr Krieg, vielfach unverblümt als „Lumpenpazifisten“ diffamiert werden seitens zahlreicher politischer und journalistischer Claqueure des Krieges, die umgekehrt wohl am treffendsten als „Schurkenbellizisten“ zu titulieren wären.
Das sicherlich prominenteste Opfer jener Kriegstreiberkanaille in letzter Zeit war Papst Franziskus, hatte er sich doch im März dieses Jahres erdreistet, die Ukraine zu Friedensverhandlungen aufzurufen. Prompt war die Bande der NATO-Maniacs außer sich vor Wut gegen den 87-jährigen Pontifex geraten. Was Franziskus freilich geäußert hatte, klang im Grunde äußerst vernünftig: Dass er nämlich „glaube, dass derjenige … stärker [ist], der die Lage erkennt, der ans Volk denkt und den Mut zur weißen Flagge hat, zum Verhandeln.“ Dabei stellte er klar, dass in seinen Augen ein derartiges vernünftiges politisches Handeln das genaue Gegenteil einer feigen Kapitulation darstellt, denn: „Verhandeln ist niemals ein Sich-Ergeben. Es ist der Mut, das Land nicht in den Selbstmord zu führen. … Verhandeln ist ein mutiges Wort. Wenn du deine Niederlage siehst, wenn du siehst, dass es nicht weitergeht, muss man den Mut haben, zu verhandeln. Schämst du dich deswegen? Aber wie viele Tote muss es am Ende geben? Man muss beizeiten verhandeln und einen Vermittler suchen“, so der Papst. Und weiter: „Heute sind Verhandlungen mit der Hilfe internationaler Mächte möglich.“ Die Türkei und andere hätten sich als Vermittler angeboten. Zugleich brachte das katholische Kirchenoberhaupt erneut seine feste Überzeugung zum Ausdruck, dass die einzigen Gewinner eines Krieges die Waffenlieferanten seien.
Mittlerweile scheint sogar der oberste Kriegsherr der Ukraine, Präsident Wolodymyr Selenskyj vorsichtige Bemühungen um ein Ende des Krieges in der Ukraine und um eine mögliche Friedenslösung zu zeigen, als er nämlich in einem Interview der französischen Abendzeitung »Le Monde« erklärte, er schließe Gespräche mit Russlands Präsident Wladimir Putin nicht mehr aus und er bestehe nicht mehr darauf, die territoriale Integrität der Ukraine unbedingt „mit Waffen“ zu erkämpfen; denkbar seien stattdessen auch diplomatische Schritte. Selenskyj wünscht zudem die Teilnahme russischer Delegierter an einem nächsten Friedensgipfel; auch eine Vermittlung durch China schließt er nicht aus. Zugleich lud Kiew nach mehrtägigen, als produktiv bezeichneten Gesprächen von Außenminister Dmytro Kuleba in der Volksrepublik nun Chinas Außenminister Wang Yi zu einer Fortsetzung der Verhandlungen in die ukrainische Hauptstadt ein. Damit nähert sich Selenskyj der bereits im vergangenen Jahr diskutierten Option an, die Frontlinie einzufrieren und zu einem praktischen Nebeneinander mit Russland zu finden, ohne die Annexion ukrainischer Territorien formal anzuerkennen. Als erster Hardliner aus dem Westen hat mittlerweile auch Finnlands Präsident Alexander Stubb konstatiert, dass man „an einem Punkt angekommen [sei], an dem Verhandlungen beginnen müssen.“ Den Hintergrund für den sich andeutenden Sinneswandel bilden nicht allein die miserablen Kriegsperspektiven für die Ukraine, sondern möglicherweise auch die bemerkenswerte außenpolitische Solo-Initiative des ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán, der unmittelbar nach turnusgemäßer Übernahme des EU-Ratsvorsitzes – nota bene ohne zuvor die nicht benötigte Erlaubnis der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eingeholt zu haben – mit Wladimir Putin in Moskau, Wolodymyr Selenskyj in Kiew, Recep Tayyip Erdoğan in Istanbul, Xi Jinping in Peking und Donald Trump in den USA zusammengetroffen war, um Wege zu einer diplomatischen Lösung für den mörderischen Krieg im Osten Europas zu sondieren – eine Friedensmission im wahrsten Sinne des Wortes. Doch prompt wurde Orban für seine Häresie im „Heiligen Krieg“ gegen die Russländische Föderation von den kriegsverrückten „Schwertgläubigen“ in den Kreisen der NATO und der Europäischen Union auf’s übelste diffamiert. Denn nach wie vor gibt exakt diese Spezies, pars pro toto repräsentiert von militärpolitischen GeisterfahrerInnen wie Agnes Strack-Zimmermann, ihres Zeichens Chef-Lobbyistin der deutschen Rüstungsindustrie, Anton Hofreiter, zum „Panzer-Toni“ in NATO-oliv mutiert, Anna-Lena Baerbock, der Außenministerdarstellerin, die „Russland ruinieren“ möchte oder Roderich Kiesewetter, dem kriegsgeilen Westentaschen-Clausewitz der Republik, der „den Krieg nach Russland tragen“ will, den bellizistischen Ton an in den vermeintlichen „Qualitätserzeugnissen“ einer Presse- und Talkshow- Meute, die sich USA- und NATO-hörig in vorauseilendem Gehorsam des eigenen Verstandes entledigt und freiwillig gleichgeschaltet hat.
Man muss nun Viktor Orbán und seine in Teilen durchaus kritikwürdige Politik, die er zuhause in Ungarn betreibt, keinesfalls mögen. Das Ergebnis seiner höchst anerkennenswerten Friedensinitiative, welches er in einem Schreiben an den Präsidenten des Europäischen Rates protokollierte, verdient allerdings uneingeschränkte Aufmerksamkeit. Genau aus diesem Grunde wohl wird dessen Inhalt von den NATO-Mainstream-Propagandamedien totgeschwiegen. Und genau aus diesem Grund halte ich es für wichtig, Ihnen, die Sie sich hier und heute versammelt haben, den Wortlaut von Viktor Orbáns Bewertung seiner Gespräche, die er im Verlaufe seiner Reise geführt hat, zur Kenntnis zu bringen. In seinem Schreiben legt er zunächst in acht Punkten seine Erkenntnisse, die er hinsichtlich der Konfliktlage gewonnen hat, dar und schlägt im Anschluss daran drei Optionen im Hinblick auf eine zukünftige Friedenslösung vor. Zunächst seine Diagnose:
- Es lässt sich feststellen, dass die Intensität des militärischen Konflikts in naher Zukunft radikal eskalieren wird.
- Ich habe persönlich erlebt, dass die Kriegsparteien entschlossen sind, sich immer tiefer in den Konflikt zu verstricken, und keine der beiden Parteien möchte die Initiative für einen Waffenstillstand oder Friedensverhandlungen ergreifen. Daher können wir davon ausgehen, dass die Spannungen nicht abnehmen werden und die Parteien nicht nach einem Ausweg aus dem Konflikt suchen werden, ohne dass es zu einer nennenswerten Beteiligung von außen kommt.
- Es gibt drei globale Akteure, die in der Lage sind, die Entwicklungen zu beeinflussen: die Europäische Union, die Vereinigten Staaten und China. Wir müssen auch die Türkei einbeziehen – als wichtige regionale Macht und als einzige erfolgreiche Vermittlerin zwischen der Ukraine und Russland seit dem Ausbruch der Feindseligkeiten 2022.
- China wird seine auch in internationalen Dokumenten formulierte Politik für einen Waffenstillstand und Friedensgespräche fortsetzen. Allerdings wird China nur dann eine aktivere Rolle spielen, wenn die Erfolgsaussichten eines Engagements nahezu sicher sind. Nach seiner Einschätzung ist dies gegenwärtig nicht der Fall.
- Was die Vereinigten Staaten betrifft, so habe ich auf dem Nato-Gipfel und bei meinen Gesprächen mit Präsident Trump erfahren, dass die USA im Moment sehr mit dem Präsidentschaftswahlkampf beschäftigt sind. Der amtierende Präsident unternimmt immense Anstrengungen, um im Rennen zu bleiben. Es ist offensichtlich, dass er nicht in der Lage ist, die derzeitige Pro-Kriegs- Politik der USA zu ändern, daher ist eine neue Politik nicht zu erwarten. Wie wir in den letzten Jahren immer wieder gesehen haben, wird in solchen Situationen die Bürokratie ohne politische Führung weiter den bisherigen Weg fortsetzen.
- In meinen Gesprächen mit Präsident Trump bin ich zu dem Schluss gekommen, dass die Außenpolitik nur eine kleine Rolle in seinem Wahlkampf spielen wird, der von innenpolitischen Fragen dominiert wird. Daher können wir bis zu den Wahlen keine Friedensinitiative von ihm erwarten. Ich kann jedoch mit Sicherheit sagen, dass er nach dem Wahlsieg nicht bis zu seinem Amtsantritt warten wird, sondern bereit sein wird, sofort als Friedensvermittler zu fungieren. Dafür hat er detaillierte und fundierte Pläne.
- Ich bin mehr als überzeugt, dass im wahrscheinlichen Fall eines Sieges von Präsident Trump das Verhältnis der finanziellen Belastung zwischen den USA und der EU zuungunsten der EU verändern wird, wenn es um die finanzielle Unterstützung der Ukraine geht.
- Unsere europäische Strategie im Namen der transatlantischen Einheit hat die Pro- Kriegspolitik der USA kopiert. Wir hatten bisher keine souveräne und unabhängige europäische Strategie oder einen politischen Aktionsplan. Ich schlage vor, darüber zu diskutieren, ob die Fortsetzung dieser Politik in Zukunft sinnvoll ist. In der gegenwärtigen Situation können wir eine Möglichkeit finden, mit einer starken moralischen und rationalen Basis ein neues Kapitel in unserer Politik aufzuschlagen. In diesem neuen Kapitel könnten wir Anstrengungen unternehmen, um die Spannungen abzubauen und/oder die Voraussetzungen für einen vorübergehenden Waffenstillstand zu schaffen und/oder Friedensverhandlungen zu beginnen.
Soweit die Schlussfolgerungen des ungarischen Regierungschefs. Seine drei Vorschläge, die er an Europäischen Rat richtet, lauten wie folgt:
- … Start einer Initiative für politische Gespräche auf hoher Ebene mit China über die Modalitäten der nächsten Friedenskonferenz;
- unter Beibehaltung der derzeitigen hochrangigen politischen Kontakte mit der Ukraine die gleichzeitige Wiedereröffnung direkter diplomatischer Kommunikationswege mit Russland, und die Wiederbelebung solcher direkten Kontakte in unserer politischen Kommunikation;
- die Einleitung einer koordinierten politischen Offensive gegenüber dem globalen Süden, dessen Wertschätzung wir wegen unserer Position zum Krieg in der Ukraine verloren haben, was zu einer globalen Isolierung der transatlantischen Gemeinschaft führt.
Statt Anerkennung und Lob für seine Initiative inklusive der äußerst konstruktiven Vorschläge für eine Konfliktlösung auf diplomatischem Wege erntete der Ungar, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, lediglich Diffamierung und Häme im Kreise der Brüsseler Endsiegfanatiker. Indes muss der Furor jener gehirngewaschenen Vasallen der USA, den um den Frieden besorgte Akteure wie Viktor Orbán oder der eingangs zitierte Papst sich zugezogen haben, umso mehr irritieren, da bereits vor einem Jahr in der US-amerikanischen Zeitschrift „Foreign Affairs“, die als offiziöses Organ des U.S. State Department’s gilt, Vorschläge für einen Waffenstillstand unterbreitet worden waren. Dort nämlich hatten im April 2023 Richard N. Haass, ehemaliger Präsident des einflussreichen Thinktanks „Council on Foreign Relations“ und Berater des US-Außenministers Colin Powell, zusammen mit dem Politikwissenschaftler Charles Kupchan, vormals Europa-Chefberater von US-Präsident Barack Obama, einen äußerst realistischen Vorschlag für eine zumindest vorläufige Konfliktregelung formuliert. Den Ausgangspunkt ihres Vorschlages bildete die Prognose, dass das wahrscheinlichste Ergebnis des Krieges kein vollständiger Sieg der Ukraine, sondern ein blutiges Patt sein wird. Daher schlugen Sie einen sogenannten „Plan B“ vor. Dessen zentrales Element besteht in einem auf diplomatischem Wege ausgehandelten Waffenstillstand, der „faktisch einen neuen eingefrorenen Konflikt erzeugen würde“. Dadurch käme es gemäß ihrer Einschätzung zu einem „Status quo wie jenem auf der koreanischen Halbinsel, der seit 70 Jahren ohne einen formalen Friedensvertrag weitgehend stabil geblieben ist. Auch Zypern ist seit Jahrzehnten geteilt, aber stabil. Das wäre kein ideales Ergebnis, aber besser als ein jahrelanger Krieg von hoher Intensität“. Eine endgültige Friedensregelung wäre zunächst vertagt und bliebe diplomatischen Bemühungen vorbehalten. Diese Formel verbände „strategischen Pragmatismus mit politischen Prinzipien“ und böte anders als die Alternativen „den Vorzug, das Wünschenswerte mit dem Machbaren zu verbinden“. Angesichts dieses seit über einem Jahr vorliegenden Waffenstillstandsvorschlages aus der Führungsmacht USA drängt sich die Frage auf, aus welchen Gründen wohl kriegsbesoffene Transatlantiker über jedweden Verhandlungsansatz derart schäumen, während sie zugleich den in der NATO betriebenen Aufrüstungswahnsinn besinnungslos unterstützen.
Exemplarisch hierfür steht der im Verlauf des Gipfeltreffens der Atlantischen Allianz anlässlich des 75jährigen Bestehens des Militärpaktes am 10. Juli 2024 in Washington von den USA aufmerksamkeitswirksam bekanntgegebene Beschluss, im Einvernehmen mit der Bundesrepublik Deutschland ab 2026 US-amerikanische Mittelstreckenwaffensysteme auf deutschem Territorium zu stationieren – erstmals wieder, seit 1991 auf Grundlage des sogenannten INF-Vertrages diese Flugkörperkategorie im Einvernehmen mit der damals noch existierenden Sowjetunion abgerüstet worden war, sollen wieder US-Waffensysteme, die Ziele weit in der Tiefe Russlands erreichen können, auf deutschem Boden disloziert werden. Dabei birgt die Stationierung der neuartigen Waffensysteme, darunter die hyperschallschnelle »Dark Eagle« enorme, völlig unkalkulierbare Risiken. Deren Flugzeit in die russische Hauptstadt beträgt circa 10 Minuten; von der Nord-Ukraine sogar nur 5 Minuten. Bei der »Dark Eagle« handelt es sich um eine für Überraschungsangriffe prädestinierte, typische Erstschlagwaffe, die sich hervorragend zur Durchführung sogenannter Enthauptungsschläge eignet, und das umso mehr, da es eben keine Nuklearwaffe ist. Der SPD-Fraktionsführer im Deutschen Bundestag, Rolf Mützenich, kritisierte die Stationierungsentscheidung daher mit deutlichen Worten, als er dazu anmerkte: „… wir dürfen die Risiken dieser Stationierung nicht ausblenden … Die Raketen haben eine sehr kurze Vorwarnzeit und eröffnen neue technologische Fähigkeiten. Die Gefahr einer unbeabsichtigten militärischen Eskalation ist beträchtlich.“ Die Nato verfüge auch ohne die neuen Systeme über „eine umfassende, abgestufte Abschreckungsfähigkeit“ und: „Mir erschließt sich auch nicht, warum allein Deutschland derartige Systeme stationieren soll. Unter Lastenteilung habe ich bisher etwas anderes verstanden.“ Er würde sich wünschen, „dass die Bundesregierung ihre Entscheidung einbettet in Angebote zur Rüstungskontrolle.“ Davon kann allerdings keine Rede sein – ganz im Gegenteil: der Aufrüstungswahnsinn nimmt immer groteskere Dimensionen an und das, obwohl die NATO der unverhohlen zum Feind erklärten Russischen Föderation heute schon um ein Mehrfaches, nämlich drei- bis sechsfach, überlegen ist, wie ein Blick auf das militärische Kräfteverhältnis beweist. So stehen 1,1 Millionen Soldaten Russlands 3,2 Millionen Soldaten der NATO-Staaten gegenüber, also fast dreimal so viele. Russland verfügt über knapp 1.400 Kampfflugzeuge, die NATO hat über 6.000. Die NATO besitzt fast 9.000 Kampfpanzer, Russland 2.000. Bei der Artillerie ist das Verhältnis circa 22.000 zu etwa 5.500 zugunsten der NATO, bei U-Booten 143 zu 50 und bei großen Kriegsschiffen 274 zu 33. Diese Zahlen demonstrieren komplett das Gegenteil dessen, was uns tagtäglich suggeriert wird. In Wirklichkeit muss sich Russland von der NATO bedroht fühlen. Und das nicht erst seit Beginn des Ukraine- Krieges, sondern schon seit Jahrzehnten. Das bedeutet: Die Notwendigkeit deutscher Aufrüstung und die der NATO-Staaten ist überflüssig und von daher rausgeschmissenes Steuergeld. Ja, es gibt sogar Potential für einseitige westliche Abrüstung.
Dessen ungeachtet steigt der Rüstungsaushalt der Bundesrepublik Deutschland im kommenden Jahr gemäß aktueller Planung auf mindestens 53,5 Mrd. Euro; sollte sich der Kriegsertüchtigungsminister Boris Pistorius doch noch mit seinen Forderungen durchsetzen, kämen noch einmal fast 6,5 Mrd. obendrauf und die Gesamtsumme läge dann bei nahezu 60 Mrd. Euro. Damit aber nicht genug: laut Finanzplan der Bundesregierung sollen die Rüstungsausgaben im Jahr 2028 weiter auf irrwitzige 80 Mrd. Euro anwachsen.
Ganz offensichtlich hat die herrschende politische Klasse dieses Landes keinerlei Skrupel, heute und in Zukunft Hunderte von Milliarden Euro für eine ebenso maßlose wie hirnrissige militärische Aufrüstung zu vergeuden, während sich der Finanzminister im selben Atemzug weigert, die dringend benötigten Gelder für eine auskömmliche Kindergrundsicherung herauszurücken. Und zugleich werden sowohl das Bildungs- als auch das Gesundheits- und Rentensystem weiterhin unverdrossen kaputtgespart. Es stellt daher einen völlig inakzeptablen Skandal dar, dass die Bürger und Bürgerinnen dieser Republik diesen extrem destabilisierenden Aufrüstungsexzess nicht nur ohnmächtig hinnehmen, sondern mit ihren Steuergeldern auch noch widerstandslos finanzieren müssen! Dies beweist einmal mehr, dass es sich bei Rüstung und Krieg, wie der General Major des United States Marine Corps‘ Smedley Darlington Butler einst anmerkte, um ein „schmutziges Geschäft“ handelt – nichts weiter als eine Geldwäscheoperation, die dazu dient, die von den Bürgern eingetriebenen Steuern an den militärisch-industriellen Komplex zu verschieben, auf dass die Reichen und Superreichen noch reicher werden.
Umso essentieller ist es daher, dass alle, die den Frieden wollen, lautstark ihre Stimme erheben, um die Bundesregierung zur Vernunft zu rufen. Angesichts der fatalen Lage steht eine breite zivilgesellschaftliche Friedensbewegung in der Pflicht, ihren Protest gegen die fortschreitende bellizistische Enthemmung zu artikulieren. Denn wie der US-amerikanische Journalist Patrick Lawrence, langjähriger Auslandskorrespondent, vor allem für die «International Herald Tribune», konstatierte, hat „die Nato … die westlichen Post-Demokratien soeben auf eine Ära des institutionalisierten Krieges, der globalen Gewalt und der Unordnung eingeschworen – und zwar ohne einen Plan, wie diese Ära beendet werden soll. Die gleiche Vernichtungsdrohung, die denjenigen vertraut ist, die sich an den Kalten Krieg erinnern, wird erneut die Oberhand gewinnen. Rüstungsausgaben werden automatisch Vorrang vor dem Wohlergehen der Gesellschaften haben, die für diese Verschwendung bezahlen. Russland und China werden als ständige Feinde normalisiert werden. Die Entfremdung des Westens vom Nicht-Westen wird zum festen Bestandteil des Lebens.“ Solange dies der Fall ist und weder die deutsche Bundesregierung noch die anderen 31 im NATO-Hauptquartier in Brüssel versammelten, alles andere denn „lupenreinen“ Demokratien, daran arbeiten, den Frieden auf der Welt zu fördern und die im ersten Kalten Krieg längst erfolgreich erprobten Wege dahin zu beschreiten, wie vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen, Rüstungskontrolle und Abrüstung sowie Entspannung und friedliche Koexistenz, bleibt die „NATO … mit ihren weit mehr als 50 Prozent der Weltrüstungsausgaben ein Bündnis der Zerstörung des Rechts, der Natur, der Wahrheit, der Zivilisation und in letzter Konsequenz der Menschheit“ (Bernhard Trautvetter). Und deshalb muss dieses mächtigste und gewalttätigste Militärbündnis der Geschichte, welches nach wie vor die größte Gefahr für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit bildet, endlich dort entsorgt werden, wo es längst schon hingehört: auf den Schutthaufen der Geschichte.
Oberstleutnant a.D. Jürgen Rose ist Vorsitzender des Arbeitskreises „Darmstädter Signal“ und Mitglied des Beirats des Deutschen Freidenker-Verbandes
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