Demokratie – Medien – Aufklärung

Die seltsame Welt des Robert Habeck: Ich, Robert, Kaiser und Gott

Habeck bei Maischberger, das ist eigentlich ein Heimspiel. Und sie lässt ihn auch nach Herzenslust schwafeln. Was einigermaßen funktioniert, wenn man ihn nur sieht. Wenn man liest, was er gesagt hat, wirkt das allerdings völlig anders – entlarvend.

Von Dagmar Henn

Erstveröffentlichung am 14.10.2023 auf RT DE

Es gibt einen weiteren Blickwinkel, unter dem es sich lohnt, das Gespräch von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bei Maischberger zu betrachten. Er verrät nämlich seine Sicht auf die Politik, und dabei spielt Demokratie keine oder bestenfalls eine untergeordnete Rolle.

Das erste Anzeichen findet sich ziemlich zu Beginn, in seiner Ausflucht zum schlechten Wahlergebnis. Er sagt, die Ampel sei „eine Regierung, die verschiedene Milieus zusammenspannen kann“. „Milieu“ ist ein Begriff aus der Sozialforschung; die Soziologie war immer ein Zwitter aus Forschung über gesellschaftliche Verhältnisse und Marketingforschung, und das Wort „Milieu“, so wie Habeck es hier gebraucht, gehört in die Abteilung Marktforschung. Die malt hübsche, sich teils überschneidende Blasen verschiedener „Milieus“, die sich vor allem durch die Selbstsicht definieren, um damit Vorlagen für erfolgreiche Werbekampagnen zu liefern. Solche Studien werden längst auch von politischen Parteien genutzt, und eine Formulierung wie „die für verschiedene Milieus stehen“ wäre auch kein Problem, aber Habeck sagt „zusammenspannen“. Da findet sich nichts, da wird „zusammengespannt“; sprich, es gibt jemanden darüber, der die Richtung vorgibt.

Später, in seiner Suada, warum das Heizgesetz und er persönlich am Aufstieg der AfD unschuldig sind, erfindet er ein neues Wort: „demokratietragende Parteien“.

„Es gibt, wenn ich das sagen darf, meiner Ansicht nach eine Logik, die man dahinter erkennen muss: Der rechte Populismus arbeitet so, dass er zentrale gesellschaftliche Debatten, und das war das Heizungsgesetz, das ist heute die Migrationsfrage, das kann morgen die soziale Gerechtigkeit sein, wie stehst du zur Ukraine oder zu Israel, zentrale gesellschaftliche Debatten so zuspitzen will, dass sie gesellschaftlich unlösbar sind, dass sich die Parteien darüber nicht mehr verständigen können, und zwar die demokratietragenden Parteien, um was zu beweisen, die Demokratie ist nicht in der Lage, Probleme zu lösen.“

Abgesehen davon, dass die Aussage, die Demokratie könne keine Probleme lösen, aktuell genau von einer Person in der Politik ins Spiel gebracht wird, und die heißt Robert Habeck – warum führt eine Zuspitzung einer Debatte zwangsläufig zu deren Unlösbarkeit? Und wie soll eine zugespitzte Debatte, die laut Habeck das Werk böser Rechtspopulisten ist, bewirken können, dass die „demokratietragenden Parteien“ sich nicht mehr verständigen können? Doch nur, weil ihre Wähler bestimmte Dinge verlangen und sie sich dann an diesem Wählerwillen anpassen. Aber ist das nicht der Auftrag der Parteien, den Wählerwillen umzusetzen? Zumindest theoretisch?

Das Auffällige an dieser Aussage ist, dass die Debatten nach Habeck nicht eine Eigenschaft der Gesellschaft sind, sondern er sie behandelt, als würden sie grundsätzlich von außen hineingetragen oder inszeniert. Die Gesellschaft reagiert nicht auf ein reales Problem, das etwa durch die Migration entsteht, sondern der „rechte Populismus“ spitzt Debatten zu, die sich nicht aus einer objektiven, materiellen Entwicklung ergeben, sondern losgelöst davon irgendwie durchs Wahlvolk schweben.

Tatsächlich ist bei allen von ihm benannten Fragen der Punkt nicht, dass die Probleme nicht gelöst werden könnten, sondern vielmehr, dass die deutschen Regierungen sie nicht lösen wollen (von der EU ganz zu schweigen).

Die Konsequenz, die sich logisch aus der von Habeck vorgetragenen Sicht ergibt, ist ein Verbot von Debatten; in den letzten Jahren konnte man die praktische Umsetzung immer wieder erleben. Aber kehrt diese Sicht nicht die Richtung um, in der Demokratie funktioniert?

Es gibt eine weitere Stelle, die deshalb interessant ist, weil Habeck selbst den Bundestag darin zur Show erklärt. Es wird ein Video eingespielt, auf dem Friedrich Merz erwähnt, dass man von Deutschland inzwischen als dem „kranken Mann Europas“ rede. Nachdem Habeck zugestehen musste, dass die wirtschaftlichen Prognosen für Deutschland schlecht sind, sagt er:

„Aber er hat natürlich nicht recht, Merz ist ja, das wissen Sie ja, dass Politiker interessengeleitet reden, also wenn der sich hinstellt und sagt, Herr Habeck, alles richtig gemacht, hätte ich niemals hingekriegt, und viel besser als Herr Altmeier, fresse ich einen Besen, das steht sozusagen in der Berufsbeschreibung, „das darfst du niemals sagen“.“

Es ist Habeck selbst, der die Aussagen seiner Kollegen grundsätzlich zu Lügen erklärt (sich selbst nimmt er natürlich aus). Und das sogar zu einem Zeitpunkt, an dem er unmittelbar davor eingestehen musste, dass die Aussichten tatsächlich schlecht sind. Eine Sicht, die er übrigens vor nicht allzu langer Zeit noch zu „russischer Propaganda“ erklärte.

Also Politik ist eine Show, die die Aufgabe hat, die Menschen irgendwie „zusammenzuspannen“, damit sie beherrschbar bleiben? Das kann doch nicht die Überzeugung von Habeck sein, möchte man einwenden. Aber es gibt noch eine weitere Passage in diesem Gespräch, die genau das bestätigt.

„Wir brauchen eine konservative Partei in Deutschland, die die Mitte organisiert. Sie hat eine Aufgabe, so wie die Sozialdemokraten, die Liberalen und die Grünen eine Aufgabe haben. Die alle müssen Milieus binden, die jeweils andere Parteien schwer oder gar nicht erreichen.“

Die Aufgabe der Parteien besteht also nicht darin, wie das Grundgesetz es formuliert, zur politischen Willensbildung beizutragen, sondern „Milieus zu binden.“ Dieser eine Satz zu Beginn mit dem „zusammenspannen“ war kein Ausrutscher. Aber Habeck geht noch weiter und beschreibt, wie die seiner Meinung nach nötige konservative Partei zu sein hat:

„Dafür ist aber die Bedingung, dass diese konservative Partei weiß, wer sie ist. Sie weiß, dass sie staatstragend sein muss, dass sie ihr Land nicht spalten soll, dass sie integrieren muss, dass sie sich nicht in dümmliche Reden ergeht, wer dazugehören darf und wer nicht dazugehören darf, wer das wahre Deutschland ist und so weiter.“

Es ist wieder die gleiche Sicht von oben nach unten. Die Vorstellung, dass „da unten“ der Souverän ist, dass die Politik nicht irgendwelche Vorstellungen irgendeiner Herrn Habeck anscheinend unterstellten anonymen Macht, sondern genau die Vorstellungen von denen „da unten“ umsetzen sollte (zugegeben, praktisch ist das selten der Fall, aber genau so ist die Sicht der Verfassung, und genau darum geht es in der Demokratie), scheint ihm völlig fremd.

„Ich erwarte von der Union nicht, dass sie die avanciertesten Projekte nach vorne bringt, wie wir das Klima schützen können, oder die beste technische Innovation oder noch nicht einmal die beste außenpolitische Idee. Sie ist eine integrative Kraft in Deutschland, dafür wird sie gebraucht, und diese Zitate und der Wahlkampf von Markus Söder lassen mich daran zweifeln, dass das denen komplett klar ist, was ihre historische Rolle ist.“

Vielleicht muss man das für Habeck simpel formulieren. Dass er sich darüber auslässt, was er von der CDU/CSU erwartet, ist ein bisschen so, wie dem eigenen Nachbarn das Mittagessen vorschreiben zu wollen. Das ist nicht seine Partei. Und erst recht nicht sind das seine Wähler. Aber so ist seine Sicht auf Politik: Er, Robert Habeck, diktiert der politischen Konkurrenz eine „historische Rolle“, und selbstverständlich impliziert auch das wieder, dass die Parteien nur Kanäle sind, durch die das Volk von den Dingen überzeugt werden soll, die es aus Sicht der Regierung, insbesondere Herrn Habecks, glauben sollte.

Denn auch die Formulierung, die CDU sei eine „integrative Kraft“, stammt aus dem Blick von oben nach unten. Schließlich formuliert er ihre Zweckbestimmung klar als eine Art Tross, der die Nachzügler einfangen soll, während selbstverständlich die Partei, deren Vorsitzender er einmal war, die Richtung weist.

Wer sich dann nicht mehr von der CDU einfangen lässt, darf im Grunde nicht mehr Teil der gesellschaftlichen Debatte sein, denn die darf nur von den „demokratietragenden Parteien“ geführt werden.

Dabei hat das Volk selbst bei zentralen Fragen nichts mitzuschwätzen. Denn bei den „dümmlichen Reden, wer dazugehören darf und wer nicht dazugehören darf“, geht es immerhin um das Subjekt der Verfassung, die Gesamtheit der Staatsbürger, also den Souverän, in dessen Diensten Habeck eigentlich steht. Man kann einzelne Sichtweisen in dieser Frage gerne dümmlich finden, aber Habeck sagt mitnichten, die Sicht der Konservativen sei ungerecht oder undemokratisch; nein, er untersagt die Debatte selbst. Nachdem schon die „nötige“ konservative Partei, die den unwilligen Tross sammelt, nicht einmal mehr die Frage aufwerfen darf, wer ist es denn dann, der über diese Frage letztlich entscheidet? Kann, darf in einer Demokratie überhaupt jemand anderer als der Souverän (auch wenn in Deutschland nur vermittelt durch Vertreter) legitim darüber entscheiden, wer der Souverän ist?

Das ist noch einmal etwas völlig anderes als selbst die irrwitzigste „Grenzen auf“-Sicht auf Migration. Denn das Volk zum Souverän zu machen, die Geburt des Citoyen, war der entscheidende Schritt der bürgerlichen Revolutionen, was die Definition von Staatsbürgerschaft notwendigerweise mit sich brachte. Die französische war dabei weitaus offener als die US-amerikanische; während Letztere infolge der Sklaverei größere Teile der Bevölkerung völlig von politischen Rechten ausschloss, war in Frankreich schlicht jeder Bürger, der im Land lebte.

Das ist eine legitime politische Entscheidung, so wie andere Varianten auch, so, wie der Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Abstammung (ius sanguinis) oder durch den Geburtsort (ius soli) beide gleichermaßen legitim sind. Aber eine politische Entscheidung zu diesem Thema schlichtweg zu untersagen, wie das durch Habecks Bemerkung, „dümmliche Reden“ zu „unterlassen“, ausgedrückt wird, hat einen ganz anderen Effekt. Ein Souverän, der nicht einmal das Recht besitzt, sich selbst zu definieren, ist kein Souverän. Letztlich ist das die Rückkehr zu einem feudalen Zustand, wie einst in Hessen, als der Fürst einfach 30.000 seiner Untertanen an die Briten verkaufte.

Der Begriff „demokratietragend“ erweist sich in der Zusammenschau der Habeck´schen Gedanken zur Politik letztlich als eigenartiger Scherz. Denn Robert Habeck mag vieles sein, Rosstäuscher, Gebrauchtwagenhändler, Intellektuellensimulation, Fotomodell, eines ist er mit Sicherheit nicht: Demokrat.

Dagmar Henn ist Mitglied des Deutschen Freidenker-Verbandes


Bild oben: Robert Habeck bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Konferenz re:publica im Juni 2023
Foto: Steffen Prößdorf, CC BY-SA 4.0
Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=133026882