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„360-Gradwende“: Je mehr Grad, desto besser!

Best of Baerbock

von Anti-Spiegel (d.i. Thomas Röper)

Erstveröffentlichung am 19.02.2023 auf anti-spiegel.ru

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hat mal wieder den Stand ihrer Bildung präsentiert. Dass die Zuschauer bei der Podiumsdiskussion auf der Münchner Sicherheitskonferenz nicht vor Lachen vom Stuhl gefallen sind, lässt sich wohl nur dadurch erklären, dass sie nicht glauben konnten, was sie hörten.

Auf die Frage der Moderatorin, ob die Ukraine jemals sicher sein könne, solange Putin in Russland regiert, antwortete die selbsternannte Völkerrechtsexpertin Baerbock – die von Geometrie offenbar genauso viel versteht, wie vom Völkerrecht – in ihrem gewöhnungsbedürftigen Englisch kurz und bündig:

„Wenn er sich nicht um 360 Grad ändert, nein.“

Diese Aussage machte nicht nur in deutschen sozialen Netzwerken die Runde, auch in Russland ist Baerbock bereits für ihre Bildung bekannt und sie hat damit wieder für viele Lacher in Russland gesorgt.

Ich nehme es vorweg: Dieser kurze Ausschnitt der Podiumsdiskussion, der in sozialen Netzwerken die Runde macht, ist echt. Und noch wichtiger: Sie hat wirklich nicht verstanden, was sie gesagt hat. Sie weiß offenbar, dass eine 180-Gradwende irgendwie ein Kurswechsel ist, also – so Baerbocks Logik – muss eine 360-Gradwende noch ein viel entscheidenderer Kurswechsel sein. Dazu kommen wir gleich.

Ich wollte mich davon überzeugen, ob Baerbock sich nur vertan hatte und habe daher die Aufzeichnung der Podiumsdiskussion gesucht. Als ich mir die angehört habe, saß meine russische Freundin im Raum, die sich – wie sehr viele Russen – nicht vorstellen können, dass die Politiker im Westen wirklich derartig dumm und ungebildet sind wie Baerbock.

Nach Baerbocks oben zitierter, kurzer Antwort, sagte meine Freundin noch: „Die hat sich nur versprochen, der Hype ist aufgeblasen.“

Aber falsch geraten, wie Baerbocks längere Antwort auf den darauf folgenden Einwand der Moderatorin, dass Putin die „Botschaft“ noch nicht verstanden habe, zeigte. Baerbock antwortete in ihrem schlechten Englisch (im am Ende des Artikel verlinkten Video ab Minute 17.00):

„Ich habe nicht Nein gesagt ohne den Halbsatz davor. Denn ich glaube an Menschen. Und wir haben uns um 180 Grad gewendet. Denn wir entschieden am 27. Februar […], dass wir unsere Politik beim Thema Waffenexporte vollständig ändern. Vorher habe auch ich gesagt, nein, wir liefern nicht in Konfliktgebiete. Aber das ist das Gute an Menschen. Wenn man noch ein Mensch ist, wenn man noch das Leiden sieht, dass man entweder sagen kann: ‚Ich habe einen Fehler gemacht‘, ich meine, wenn man nie aus Fehlern lernt, wird man nie aufhören, ein Baby zu sein.
Aber auch, wenn man erkennt, das war vielleicht in der Vergangenheit richtig, aber nun hat sich die Welt verändert. Und am 24. Februar hat sich meine und unsere Welt vollkommen verändert. Und dann dachten wir nach und sagten, wenn sich unsere Welt geändert hat, und unsere europäische Friedensordnung angegriffen wird, was ich in meinem ganzen Leben in Westdeutschland, wo ich auch geboren wurde, niemals bemerken musste.
Als wir bemerkten, dass wir in einer anderen Welt aufgewacht waren, sagten wir: Offensichtlich funktioniert die bisherige Politik der Waffenlieferungen nicht mehr. Deshalb haben wir uns um 180 Grad gewendet. Und wenn Präsident Putin, und deshalb sagte ich das am Anfang, es liegt in seiner Hand. Er kann seine eigene Entscheidung treffen. Er kann entscheiden, seinen Kurs um 360 Grad zu ändern. Die ganze Welt wäre morgen wieder glücklich. Hört mit dem Bomben auf! Es liegt in seiner Hand.“

Die Logik laut Baerbock: Um je mehr Grad man sich wendet, desto stärker ist der Kurswechsel. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass sie demnächst von China, Russland, dem Iran oder wem auch immer eine 720-Gradwende fordert. Oder eine Wende um 100.000 Grad, wer weiß?

Immerhin hat Baerbock, übrigens ebenfalls sehr zur Freude des russischen Internets, erst vor kurzem auf der Klimakonferenz gesagt, man müsse sich fragen, was die „Folgen für mein Nachbarland oder ein Land, das Hunderttausende von Kilometern entfernt liegt“ sind? Von Geografie hat Baerbock offensichtlich genausoviel Ahnung, wie von Geometrie und Völkerrecht.

Der ehemalige russische Präsident Medwedew reagierte auf Baerbocks Äußerung so:

„Es ist doch komisch, dass Europa von solch unwissenden Menschen regiert wird.“

Und er versicherte, dass Russland Baerbocks Empfehlung, seine Politik um 360 Grad zu ändern, folgen werde:

„Es besteht kein Zweifel, Frau Geometrieexpertin, dass es so sein wird.“

Meine Freundin sagte, nachdem wir das Video der Podiumsdiskussion zu Ende gehört haben, nur noch: „Ich weiß noch, wie ich mich als Jugendliche in der Jelzin-Ära für meine Regierung geschämt habe. Heute ist es umgekehrt. Die Menschen im Westen tun mir leid…“

Gut, dass sie nur wenig Deutsch versteht, sodass sie all die schönen Aussagen von Baerbock nicht versteht: „Fressefreiheit“, „lasst uns dieses Europa gemeinsam verenden“, „wenn man 75 Prozent, oder sogar eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag hat“, „Steuerinnenzahler“, „Kobold“ und Energie speichernde Netze, um nur an die berühmtesten Beispiele zu erinnern. Die Russen kommen bei Baerbock schon bei dem, was sie auf Englisch von sich gibt, aus dem Fremdschämen nicht heraus. Was Baerbock zusätzlich noch auf Deutsch raushaut, müssen wir den Russen nicht auch noch erzählen, das würde das Deutschlandbild der Russen (die der Meinung sind, die Deutschen lieben Ordnung, sind fleißig, pünktlich und gebildet) endgültig zum Einsturz bringen.

Hier noch das Video der Podiumskonferenz, ab Minute 17.00 beginnt die zitierte Szene.

Direktlink zum Video von BR24 auf YouTube, Einstieg bei 17:00 min: https://www.youtube.com/watch?v=cEePsf7UmE8&t=1020s

Thomas Röper, geboren 1971, lebt seit über 15 Jahren in Russland. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.


Bild oben: Annalena Baerbock bei einer Wahlkampfveranstaltung in Kiel am 26. August 2021
Foto: Michael Brandtner, CC BY 4.0
Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=109424346