Zusammenfassung und Hintergründe zur Situation in der Ukraine
von Artur Leier
Westliche Medien und Politiker erzählen uns gerade, dass der russische Präsident, nach acht Jahren Ukrainekonflikt, plötzlich auf die Idee gekommen ist, die Volksrepubliken im Donbass anzuerkennen und kurz darauf sogar eine Militäroperation zu starten. Dabei hätten der Westen und die Ukraine alles für den Frieden getan.
PUTIN UNTERZEICHNETE ANTRAG DER KPRF
Und da fängt die Manipulation bereits an. Nicht Putin war der Autor der Anerkennung, sondern die Duma – das russische Parlament. Und auch da war es kein Antrag der „Putin-Partei“ (wie der Westen sie nennt), sondern der sozialistischen Opposition. Die parlamentarische Initiative für die schnellstmögliche Anerkennung der Volksrepubliken durch den Präsidenten kam von der „Kommunistischen Partei der Russischen Föderation“ (KPRF).
Dies stand gegen einen Antrag der größten Partei „Geeintes Russland“ (GR), welche diese Frage zuerst zur Beratung an das Außenministerium überweisen wollte. Der Antrag der KPRF wurde mit 351 gegenüber 310 Stimmen angenommen. Es war also diese gelebte Demokratie, von der immer gesprochen wird, und ein Oppositionsantrag mit den besseren Argumenten konnte sich durchsetzen.
Teil dieses Antrages war humanitärer und militärischer Beistand mit den Volksrepubliken. Es ging darum Menschenleben zu retten und Kiew von einer weiteren Eskalation abzuhalten.
DREI EBENEN
Welche Ursachen hat das Handeln des russischen Parlaments und Präsidenten? Es gibt dafür drei Gründe die zusammenhängen:
1) Konkrete Gefahr einer ukrainischen Invasion im Donbass:
In den letzten Wochen versuchte die ukrainische Regierung zunehmend militärische Fakten zu schaffen und bereitete eine Invasion im Donbass vor. Alle Anzeichen dafür waren vorhanden: große Truppenkonzentrationen entlang der Grenze, zunehmender Artillerie-Beschuss, vorbereitende Operationen durch Spezialeinheiten, Intensivierung der Sabotageakte in Donezk und anderen Städten. Durch westliche Aufrüstung (sowie Training) und amerikanische Ermunterung, war Kiew sicher, dass die Niederlage von 2014 sich nicht wiederholt und ein Krieg diesmal zum Sieg führen wird. Einige Einheiten gingen in den letzten Tagen sogar so weit, russisches Territorium zu beschießen.
Nach der Anerkennung der Volksrepubliken durch Russland schloss sich das Zeitfenster für Kiew und die militärischen Aktionen gegen den Donbass wurden intensiviert. Darauf folgte ein Hilfeersuchen der Volksrepubliken an Moskau und seit letzter Nacht sprechen die Waffen. Warum Kiew die deutlichen Warnungen ignorierte und weiter auf Eskalation setzte, kann aktuell nicht endgültig geklärt werden. Spätestens nach der deutlichen Rede von Putin hätte klar sein müssen wohin das führt.
Es gibt die Vermutung, dass Kiew sicher war, den Konflikt auf das Territorium der Volksrepubliken begrenzen zu können. Vielleicht kam diese Information von den westlichen „Partnern“ der ukrainischen Regierung. Eine starke Vermutung ist, dass allen voran die USA alles dafür taten, um Russland zu einer größeren Militäraktion zu provozieren und Kiew entsprechend in Sicherheit wogen und anstifteten. Cui bono? Fakt ist, die USA sind der größte Profiteur dieser Eskalation und von Krieg in Europa.
2) Ständige Verletzungen des Minsker Abkommens durch Kiew:
Seit Jahren versucht Russland den Konflikt auf diplomatischem Wege zu lösen und fordert immer wieder die Einhaltung des Minsker Abkommens (Minsk-2). Dieses Abkommen ist keine Empfehlung, sondern ein völkerrechtlich verbindliches Dokument auf Ebene der UN. Die Ukraine hat aber im Laufe der Jahre sogar Gesetze beschlossen, die mit Minsk-2 unvereinbar sind.
In der Praxis hat Kiew das Minsker Abkommen in weiten Teilen ignoriert und immer wieder starben Zivilisten im Donbass durch ukrainische Waffen, obwohl es offiziell keinen Krieg gab. Moskau hat jahrelang Gespräche mit den Garantiemächten Deutschland und Frankreich geführt, damit diese Kiew zur Einhaltung von Mink-2 bewegen aber daran gab es kein Interesse. Dabei wäre es für Deutschland und Frankreich ein leichtes, die ukrainische Regierung zu überzeugen. Z.B. in dem man die Finanzierung dieses Regimes und seiner bewaffneten Einheiten daran bindet.
Dadurch entsteht der Eindruck, dass die Ukraine, geduldet oder unterstützt vom Westen, das Minsker Abkommen missbrauchte, um Zeit für die Aufrüstung der Armee zu gewinnen und kein Interesse an einer friedlichen Konfliktlösung hatte.
3) NATO-Osterweiterung und militärische Bedrohung Russlands:
Der Kern des Problems ist die NATO-Osterweiterung, welche die Sicherheitsinteressen Russlands ignoriert und das Land zunehmend umkreist. Dies war die entscheidende Aussage in der Rede des russischen Präsidenten. Er hat in aller Deutlichkeit klargemacht, dass die rote Linie überschritten ist und Russland mit dem Rücken zur Wand steht. Dafür nannte er auch anschauliche Beispiele: Er sprach von NATO-Raketen, die schon jetzt in unter 30 Minuten in Moskau sein können. Dies würde sich mit Hyperschallraketen und dem NATO-Beitritt der Ukraine auf 5 Minuten verringern.
Manche tun dies als irrelevanten Punkt ab, da die NATO ja nie auf die Idee kommen würde. Falsch.
Gerade die Amerikaner haben gezeigt, dass sie bereit sind, selbst zum Zwecke der Machtdemonstration, ohne militärischen Nutzen, Atombomben auf ihren Gegner abzuwerfen. Und jeder kann sich vorstellen, wie die USA reagieren würden, wenn russische Einheiten, Trägerraketen oder Raketenabwehrschirme in der Nähe ihres Territoriums stationiert werden würden – z.B. auf Kuba oder in Venezuela. Viel Vorstellungskraft braucht man dafür nicht, weil genau das 1962 in der Kubakrise geschah und die USA sofort mit einem Atomkrieg drohten.
Weshalb wird dieser Sicherheitsabstand Russland nicht zugestanden? Wieso wurden alle Versprechen gegenüber Russland gebrochen und die NATO immer weiter nach Osten ausgedehnt? Warum musste man das mit dem NATO-Beitrittskandidaten Ukraine noch weiter eskalieren? In den letzten Wochen gab es immer wieder Vorschläge Russlands, vertraglich zu garantieren, dass es keinen NATO-Beitritt der Ukraine geben wird. Die Reaktion des Westens war: Das geht euch nichts an. Jedes Land entscheidet selbst.
Selbst wer sich nicht mit Sicherheitspolitik auskennt, kann nachschauen wie viele russische Militärbasen und Soldaten es um Amerika (nämlich keine) und die EU gibt und wie viele US- und NATO-Basen Russland umkreisen. Offensichtlich wird Russland als Feind betrachtet und man will damit das strategische Gleichgewicht verschieben. Diese aggressive Politik des Westens, allen voran der USA, hat aber das Potenzial zum Weltkrieg. Wir brauchen deshalb kurzfristig eine Deeskalation, indem der Westen die legitimen Sicherheitsinteressen Russlands akzeptiert.
Mittelfristig muss das Ziel lauten:
Deutschland: Raus aus der NATO! NATO: Raus aus Deutschland!
Artur Leier ist Vorstandsmitglied im Freidenker-Landesverband Nord
Bild oben: Quelle: statista.com / Lizenz: CC BY-ND 4.0 (Auszug)
Anmerkung der Webredaktion: Das Bild ist hinsichtlich der Historie der NATO-Erweiterung nicht völlig korrekt: Zwar trat Westdeutschland („die alte BRD“) der NATO am 08.05.11955 bei, aber der deutsche Friedensstaat DDR wurde erst nach seiner Liquidierung und Einverleibung in die „neue BRD“ ab 03.10.1990 zum NATO-Bestandteil.
Daneben enthält die Darstellung weitere Ungenauigkeiten, die möglicherweise dem Maßstab geschuldet sind: die Republiken Abchasien, Donezk, Lugansk und Südossetien müssten bei korrekter Darstellung hellgrau statt gelb erscheinen. Nicht mehr aktuell ist jedoch die Einfärbung der Republik Krim und der Stadt Sewastopol, die seit März 2014 Teil der Russländischen Föderation sind.