Frieden - Antifaschismus - Solidarität

Desaströse Niederlage im Globalisierungskrieg am Hindukusch

Angesichts der aktuellen Niederlage des Imperiums der Barbarei nebst dessen in Treue fest ergebenen NATO-Vasallen dokumentieren wir die Rede, die Jürgen Rose am 13. Oktober 2001 vor vielen Tausend Friedensdemonstranten in Stuttgart gehalten hat. Darin hatte er erklärt: „Dies ist nicht mein Krieg, Herr Schröder!“.

Heute erinnert er daran, dass es die rot-grüne Bellizisten-Mischpoke war, allen voran Gerhard Schröder, Joschka Fischer und Peter Struck, welche der „einzigen Weltmacht“ Deutschlands „uneingeschränkte Solidarität“ für die unter dem Rubrum „Global War on Terror“ anstehenden Angriffskriege versichert hatte. Die Opfer dieser bellizistischen Wahnvorstellung gehen in die Hunderttausende. Wie sagte dereinst ein Taliban-Kommandeur? „Ihr im Westen habt die Uhren, wir aber haben die Zeit.“ Quod erat demonstrandum!

Webredaktion


Kreuzzug gegen den Terrorismus?

Rede auf der Friedensdemonstration in Stuttgart am 13. Oktober 2001

von Jürgen Rose, Oberstleutnant a.D.*

Sehr geehrte Versammelte, liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde!

Sicherlich wird manch einer unter Ihnen sich fragen, was ein Soldat auf dem Podium einer Friedensdemonstration zu suchen hat, handelt es sich nach gängiger Vorstellung doch bei Soldaten um bloße Handwerker des Krieges. Und weiter: Darf denn einer, der üblicherweise als Staatsbürger in Uniform herumläuft, überhaupt so einfach in der Öffentlichkeit reden? Ja, das darf er, wenn er es als Staatsbürger ohne Uniform tut und deutlich macht, dass er nichts weiter als seine eigene, ganz private Auffassung vertritt – was ich hiermit tue. Und außerdem: Wenn die Bundeswehr beansprucht, ein Spiegelbild der Gesellschaft zu sein, dann ist es doch ganz selbstverständlich, dass auch Bundeswehrsoldaten als Teil dieser Gesellschaft sich angesichts der barbarischen Terroranschläge in den USA und des gnadenlosen Bombenkriegs gegen Afghanistan Sorgen um den Frieden machen.

Doch zurück zur eingangs gestellten Frage nach der Rolle des Militärs. Bereits im Jahre 1951 sagte einer der Gründungsväter der Bundeswehr, der spätere Generalleutnant und Professor des Hamburger Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, Wolf Graf von Baudissin: „Welches sind nun die Aufgaben der Streitkräfte? Wir haben ernsthaft und redlich umzudenken und uns bewusst zu machen, dass der Soldat in allererster Linie für die Erhaltung des Friedens eintreten soll; denn im Zeitalter des absoluten Krieges mit seinen eigengesetzlichen, alles vernichtenden Kräften gibt es kein politisches Ziel, welches mit kriegerischen Mitteln angestrebt werden darf und kann – außer der Verteidigung gegen einen das Leben und die Freiheit zerstörenden Angriff.“ Ich teile diese Ansicht uneingeschränkt. Aber um nicht missverstanden zu werden: Selbstverständlich muss der mörderische Terrorismus eingedämmt und beseitigt werden; auch bin ich kein Anhänger fundamentalpazifistischer Auffassungen. Dennoch habe ich ganz gravierende Zweifel an der Sinnhaftigkeit von Terrorismusbekämpfung mittels militärischer Gewaltanwendung in der Form, wie wir sie derzeit erleben müssen.

Denn das Töten von Terroristen, Fundamentalisten, Islamisten oder sonstigen Feinden der zivilisierten Völker und die Vernichtung ihrer eher armseligen, jedenfalls schnell zu ersetzenden Infrastruktur stellt doch nur ein Kurieren von Symptomen dar. Es ändert nicht das Geringste an den Ursachen für das Entstehen von Denkschablonen und Handlungsmustern, mit denen fundamentalistische Märtyrer in ihren Heiligen Krieg gegen eine als gottlos und zutiefst ungerecht empfundene Welt ziehen.

Doch anstatt nun innezuhalten, die Folgen bisheriger Weltpolitik der USA zu überdenken und diese gegebenenfalls grundlegend zu ändern, verkündet der amerikanische Präsident einen „Kreuzzug gegen den Terrorismus“, spricht von „jagen“ und „ausräuchern“, schwört Rache und Vergeltung, fordert in Wildwest-Manier die Auslieferung des Hauptverdächtigen Osama bin Ladens „dead or alive“. Der amerikanische Kongress erteilt ihm einen Freibrief zum Krieg, nur eine einzige Abgeordnete bringt den Mut auf, dagegen zu stimmen. Und weltweit stimmen die Regierungen in die Kriegsrhetorik ein, unter dem anfänglichen Beifall fast der gesamten Medienlandschaft.

Dabei starben an jedem Tag, an dem die silbernen Türme des World Trade Center‘ s im Licht der aufgehenden Sonne erstrahlten, in der Dritten Welt vierzigtausend Kinder an den Folgen von Elend, Hunger, Krankheit und Krieg. Vierzigtausend – das sind fast zehnmal so viel Opfer, wie nach dem Attentat von New York zu beklagen sind. Aber hat man jemals davon gehört, dass die Börse an der Wall Street ihren Handel mit einer Gedenkminute für diese still und leise vor sich hinsterbenden Kinder in der Dritten Welt eröffnet hätte? Natürlich sind Entsetzen, Wut und Trauer über die eigenen Toten stets am größten, aber darf man deshalb den Tod der anderen schlichtweg ignorieren?

Die Rüstungsausgaben der USA erreichen in diesem Jahr die astronomische Summe von etwa 700 Milliarden DM – das entspricht mehr als dem Fünfzehnfachen des deutschen Verteidigungsetats. Diese ungeheuerliche Verschwendung von Ressourcen ist schlechterdings obszön. Nicht allein deswegen, weil die gewaltigste Militärmaschinerie der Weltgeschichte angesichts der eiskalten Rationalität, der kaum überbietbaren kriminellen Energie, der barbarischen Entschlossenheit und der selbstmörderischen Furchtlosigkeit der Täter grandios versagt hat, ja versagen musste. Sondern vor allem deswegen, weil bereits mit einem Bruchteil der für militärische Zwecke aufgewendeten Mittel die Ursachen und nicht nur die Symptome terroristischer Gewalt bekämpft werden könnten. Stattdessen stellt der amerikanische Kongress umstandslos, quasi aus der Portokasse, über 80 Milliarden DM für eine unsinnige Terroristenhatz mit militärischen Mitteln zur Verfügung. Man stelle sich die Entrüstung derselben Abgeordneten vor, hätte man von ihnen verlangt, die gleiche Summe für Entwicklungshilfe bereitzustellen. Dabei ist offensichtlich, dass in einem Land wie Afghanistan, in dem seit Jahrzehnten der Bürgerkrieg tobt, Bomben und Raketen das letzte sind, was zur Friedensstiftung beitragen kann. Robert Bowman, der als Kampfpilot der amerikanischen Streitkräfte während des Vietnamkriegs selbst Tod und Vernichtung vom Himmel schickte und heute als Bischof der Vereinigten Katholischen Kirche in Melbourne Beach, Florida wirkt, geißelt die Kriegspolitik seiner Regierung mit folgenden Worten: „Anstatt unsere Söhne um die Welt zu schicken, um Araber zu töten, damit wir das Öl, das unter deren Sand liegt, haben können, sollten wir sie senden, um deren Infrastruktur wieder in Stand zu setzen, reines Wasser zu liefern und hungernde Kinder füttern.“ Und er fährt fort mit den Worten: „Kurzum, wir sollten Gutes tun anstelle von Bösem. Wer würde versuchen, uns aufzuhalten? Wer würde uns hassen? Wer würde uns bombardieren wollen? Das ist die Wahrheit, die die amerikanischen Bürger und die Welt hören müssen.“

Nicht Krieg also kann den Frieden bringen, sondern allein Gerechtigkeit. In Abwandlung des altbekannten römischen Wahlspruchs muss die Devise demnach lauten:

Wenn du den Frieden willst, so diene dem Frieden! Dieser Kampf für den Frieden muss um die Seelen und Herzen der Menschen in den islamischen Ländern geführt werden – doch ist unvorstellbar, dass hierbei Bomben und Raketen zum Erfolg führen könnten. Jede Bombe auf Afghanistan steigert den Hass und die Ressentiments gegen die USA in der muslimischen Welt ins Unermessliche. Jeder Raketeneinschlag dient der Stabilisierung von Regierungen im Nahen und Mittleren Osten, die durch und durch korrupt, menschenverachtend und alles andere als demokratisch sind. Doch all dies zählt offenbar nichts, wenn frühere Schurken heute als Alliierte benötigt werden. Die sich zivilisiert nennenden Nationen dieser Welt sollten nicht dem Jargon von Terror und Gegenterror verfallen. Angesichts der entsetzlichen Katastrophe von New York und Washington und der sich nun abzeichnenden, mindestens so grauenvollen Hunger- und Flüchtlingskatastrophe in Afghanistan sollten sie sich statt dessen mit aller Kraft der Verbesserung der unerträglichen politischen, ökonomischen und sozialen Verhältnisse in jener Region der Welt zu widmen.

Ich habe selbst afghanische Flüchtlingslager im Iran und Pakistan mit eigenen Augen gesehen, das Elend in den Palästinenserlagern des Südlibanon und die unbeschreibliche Armut der Menschen im Sudan. Zumindest ein Gedanke resultiert aus jenen Bildern, nämlich dass dies die Höllen sind, in denen jene zornigen jungen Männer geboren werden, die nur ein Wunsch beseelt: Ihre Hölle in unsere Hölle zu verwandeln.

Zugleich bin ich im Verlaufe vieler Reisen durch den Nahen und Mittleren Osten ungezählten Menschen – Männern und Frauen, Kindern und Alten – begegnet, die mir als „reichem Aleman“ trotz eigener Armut dutzendfach großartige Herzlichkeit und überwältigende Gastfreundschaft entgegenbrachten. Es ist an der Zeit, etwas von diesen Erfahrungen zurückzugeben und wenn es nur ein wenig Solidarität und die Gewissheit ist, dass dieser Krieg nicht mein Krieg ist!

Oberstleutnant a.D.* Jürgen Rose ist Vorstandsmitglied im Arbeitskreis Darmstädter Signal und Mitglied des Freidenkerverbandes
* Zum Zeitpunkt der Rede 2001 befand sich Jürgen Rose noch im aktiven Dienst


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Bild: Bundeswehrfahrzeug für den ISAF-Einsatz. Mercedes G-Modell. Auf der Flagge steht „Deutschland“ auf Darī. (2006)
Foto: GeorgHH, Gemeinfrei,
Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1167427