PositionenReligions- & Kirchenkritik, Säkulare Szene

Überlegungen zur Mitgliedschaft des DFV im KORSO

von Ralf Lux

(Dieser Artikel erschien stark gekürzt im Verbandsorgan FREIDENKER 4-2010, S. 40-41)

 

In der „Berliner Erklärung“ des Deutschen-Freidenker-Verbandes von 1994, die als programmatisches Grundsatzdokument noch immer gültig ist, heißt es:

Bei der Verwirklichung unserer Vorstellungen wollen wir mit allen zusammenwirken, die – auch teilweise – gleiche oder ähnliche Ziele anstreben wie der DFV. Dabei wahren wir unsere Selbständigkeit und parteipolitische Unabhängigkeit.

Zur Durchsetzung der strikten Trennung von Staat und Kirche suchen wir die enge Zusammenarbeit mit allen freigeistig-humanistisch eingestellten Menschen und Organisationen.

In der Annahme, in Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen zu handeln, hatte der Vorstand des Deutschen Freidenker-Verbandes im Oktober 2008 beschlossen, an der Gründungskonferenz des „Koordinierungsrates säkularer Organisationen“ (KORSO) teilzunehmen und diesem – sofern er gegründet wird – beizutreten, so wie es dann auch geschah.

Nachdem jahrelang Diskussionen über ein gemeinsames Gremium säkularer Verbände zu keinem Erfolg führten, ging der eigentliche Gründungsprozess des KORSO im Jahre 2008 dann recht schnell vonstatten, so schnell, dass in unserem Verband keine Zeit mehr verblieb, das Für und Wider einer Mitgliedschaft ausgiebig zu diskutieren.

Die nicht ausreichende Kommunikation im Vorfeld führte dazu, dass bereits kurz nach der Gründung des KORSO in unserem Verband Stimmen laut wurden, die Kritik an dieser Mitgliedschaft übten und sogar forderten, umgehend wieder auszutreten.

Auf dem Verbandstag des DFV im Mai 2009 in Berlin wurden zwei Anträge gestellt, die den sofortigen Austritt aus dem KORSO forderten. Ebenso gab es zwei Anträge, die für den Verbleib votierten.

Der Verbandstag beschloss, die Diskussionen zum Korso auf allen Verbandebenen weiterzuführen. Der Verbandsvorstand solle dann zu einem späteren Zeitpunkt über die weitere Mitgliedschaft entscheiden.

Nachfolgend einige Betrachtungen über die Vorgeschichte und die heutige Verfasstheit des KORSO, gefolgt von Überlegungen, die wir in der weiteren Diskussion berücksichtigen sollten.

Vorgeschichte des KORSO

Die freigeistigen, freidenkerischen und humanistischen Verbände hatten seit Mitte der neunziger Jahre relativ wenig Kontakte, jeder Verband konzentrierte sich vorrangig auf seine eigenen Zielsetzungen und seine eigene Profilierung.

Dies änderte sich erst im Jahre 2000, als sich auf Initiative der Humanistischen Akademie eine „Sichtungskommission“ bildete, die fortan zwei- bis dreimal im Jahr tagte und an deren Sitzungen Vertreter verschiedener Verbände (vor allem HVD, IBKA, DFW, JWD und DFV) teilnahmen. Der Name sollte verdeutlichen, dass hier lediglich „gesichtet“ werden konnte, welche Schwerpunkte die einzelnen Verbände in ihrer Arbeit setzen, welche Aktionen sie planen und ob sich Ansatzpunkte für gemeinsame Vorhaben finden lassen. Das Gremium hatte von Anfang an keinen Anspruch darauf, gemeinsame Beschlüsse zu fassen und die einzelnen Vertreter waren auch gar nicht dazu legitimiert. Es konnte also nur Empfehlungen geben, eine davon war z.B. im Jahr 2004 der Aufruf an alle Verbände, die Herausgabe einer Ludwig-Feuerbach-Briefmarke anlässlich seines 200. Geburtstages zu unterstützen, welche dann auch tatsächlich erschienen ist.

Es fanden in dieser Zeit durchaus auch andere – wichtigere – Aktionen statt, die von mehreren Verbänden gemeinsam getragen wurden, so zum Beispiel eine Kampagne gegen das Konkordat der des Heiligen Stuhls mit dem Land Brandenburg im Jahre 2003, die auch vom DFV unterstützt wurde. Verhindert konnte das Konkordat aber nicht werden, genauso wenig wie der Staatskirchenvertrag von Hamburg zwei Jahre später. Die Stimme der „dritten Konfession“, der Konfessionsfreien und Atheisten hatte und hat bis heute keine breite gemeinsame Basis, die in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.

Von verschiedenen Seiten wurde daher immer wieder der Wunsch geäußert, die Kräfte stärker und wirksamer zu bündeln und ein Gremium zu schaffen, welches die Zusammenarbeit koordiniert.  Im Jahre 2005 wurde dann von der Giordano-Bruno-Stiftung (namentlich von Michael Schmidt-Salomon) in begrifflicher Anlehnung an den „Zentralrat der Juden“ die Bildung eines „Zentralrates der Konfessionsfreien“ vorgeschlagen, andere befürworteten ein „Zentralsekretariat“.

In der Diskussion darüber wurde deutlich, dass doch sehr unterschiedliche Auffassungen darüber bestehen, welche politische Ausrichtung und welche Struktur der Zentralrat haben soll und wie er sich finanziert. Hauptsächlich ging es um die Frage, ob dieser Zentralrat die staatskirchenrechtlichen Privilegien auch für die Konfessionsfreien einfordern wird (wie es der HVD tut) oder konsequent für die Trennung von Kirche und Staat eintreten wird (was z.B. das Hauptziel des IBKA ist). Die Unterschiede waren also schnell ausgemacht, aber vertreten nicht auch alle Verbände gemeinsame Ziele, die über die Tatsache, dass ihre Mitglieder keine Kirchenkonfession haben, hinausgehen?

Auf Wunsch der Sichtungskommission wurde dann im Jahre 2007 von Dr. Helmut Kramer (DFW) eine Synopse erstellt, die anhand der jeweiligen Grundsatzdokumente die Gemeinsamkeiten der Verbände herausarbeitete, im Frühjahr 2008 fand eine Tagung in Kassel statt, die die Ergebnisse zusammenfasste. Damit war der Weg frei für ernsthafte Vorbereitungen zur Gründung des KORSO. Daran war von Seiten des DFV Ralf Lux beteiligt.

Gründung KORSO

Der „Koordinierungsrat säkularer Organisationen“ (KORSO) wurde am 16. November 2008 in Berlin gegründet.

Der DFV war mit seinem Vorsitzenden Klaus Hartmann sowie mit Wolfgang Fleischer und Ralf Lux auf dieser Gründungskonferenz vertreten und trat dem neu gegründeten Verband bei.

In einer dort beschlossenen Grundsatzerklärung definierte sich der KORSO als „Interessenvertretung konfessionsfreier Menschen und ein Forum des Austauschs und der Information“ und erklärte u.a.:

Mehr als ein Drittel der deutschen Bevölkerung ist derzeit konfessionsfrei. Mehr als drei Viertel der Konfessionsfreien orientieren sich an humanistischen Lebensvorstellungen. Diese Menschen haben in Deutschland keine angemessene Interessenvertretung. Der Koordinierungsrat säkularer Organisationen (KORSO) will hier eine Wende herbeiführen.

Die Mitglieder unserer säkularen Organisationen treten für Toleranz und Gewaltverzicht zwischen den Kulturen und den Religionen ein. Sie streben nach individueller Selbstbestimmung in sozialer Verantwortung. Wir haben durchaus unterschiedliche kulturelle und politische Vorstellungen davon, wie das eigene Leben, die Gesellschaft und der Staat gestaltet werden sollten. Wir sind stolz auf unsere Pluralität. Aber wir sind es leid, wegen unserer Weltanschauung diskriminiert zu werden.

Die Grundsatzerklärung erhielt auch die Anregung, noch 2009 eine „Konfessionsfreien-Konferenz“ von der Bundesregierung einzufordern, mit dem Ziel, eine Gleichbehandlung der Konfessionsfreien und ihrer Gemeinschaften mit den Religionsgesellschaften zu erreichen und gesetzliche Regelungen dazu auf den Weg zu bringen. Dazu wurde auch einen umfangreicher Forderungskatalog erstellt, der zugleich die Ziele des neuen Verbandes definierte. Gefordert wurde u.a.:

  • die konsequente religiöse bzw. weltanschauliche Neutralität des Staates und die Trennung von Staat und Kirche zu vollenden
  • die Verwirklichung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für alle Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften
  • ein bundesweites integratives Pflichtfach zur Wertevermittlung (wie in Berlin „Ethik“ und in Brandenburg „LER“)
  • die Förderung religiös bzw. weltanschaulich neutraler Sozial-, Kultur- und Bildungseinrichtungen
  • konsequentes Vorgehen gegen jede Art von Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit und Fundamentalismus
  • Gewährleistung der Autonomie am Lebensende und die volle rechtliche Gültigkeit von Patientenverfügungen
  • eigene und angemessene Vertretungen in Ethikräten, Rundfunkräten, Bundesprüfstellen u.a.m.

Anhand dieser Forderungen wurde schon deutlich, dass es gelungen war, eine ganze Reihe von Schnittmengen herauszuarbeiten, die von allen beteiligten Verbänden mitgetragen werden konnten. Jedoch, dies muss klar herausgestellt werden, sagt das noch nichts  darüber aus, welche Prämissen die einzelnen Verbände dabei setzen. Natürlich verfolgen alle beteiligten Verbände und Organisationen nach wie vor eigene Interessen, die sie auch als Mitglieder des KORSO  weiterhin verfolgen werden.

Folgende Organisationen sind bei der Gründungskonferenz dem KORSO beigetreten und bis heute Mitglied:

Bundesweite Organisationen: Deutscher Freidenker-Verband (DFV), Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften (DFW), Humanistischer Verband Deutsch­lands (HVD), Internationaler Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA), Jugendweihe Deutschland (JwD).

Bundesweite Akademien und Stiftungen: Giordano Bruno Stiftung zur Förderung des evolutionären Humanismus (gbs), Humanistische Akademie Deutschland (HAD), Stiftung Geistesfreiheit Hamburg, Stiftung UNITATES

Regionale Organisationen und Stiftungen: Humanismus Stiftung Berlin, Roter Baum e.V. Dresden

Die Differenzierung in diese drei Gruppen ist insofern von Bedeutung, da sich danach die maximal mögliche Stimmenzahl (3, 2 oder eine) bestimmt, die der jeweilige Verband auf der Ratsversammlung (dem höchsten Organ des KORSO) haben kann. Der Gedanke dahinter war, dass bundesweite Mitgliedsverbände mit eigenen demokratischen Strukturen natürlich mehr Stimmen haben sollen, als Stiftungen und Akademien und auch mehr als lediglich regional tätige Organisationen. Die Stimmenzahl, die ein Verband tatsächlich hat, hängt aber von den Beiträgen ab, die er bereit oder in der Lage ist zu zahlen. Jede Stimme kostet pro Jahr 500 €. Mit dieser Lösung sollte einerseits gesichert werden, dass keine Verbände die Politik des KORSO beeinflussen können, ohne sich an dessen Finanzierung zu beteiligen, andererseits sollte aber auch verhindert werden, dass beliebig viele Stimmen erworben werden, so dass die finanzstärkeren Verbände letztendlich den KORSO dominieren würden.

All dies macht deutlich, dass es nicht so einfach war, Kompromisse zu finden, die geeignet sind, sowohl demokratische Grundsätze zu wahren als auch die Arbeitsfähigkeit des KORSO zu garantieren.

Es wurde ein siebenköpfiger Vorstand gewählt, dem Frieder Otto Wolf (HVD, Vorsitzender), Carten Frerk (gbs, stellv. Vorsitzender), Manfred Isemeyer (Humanismus Stiftung Berlin, Schatzmeister) sowie die Beisitzer Rudolf Ladwig (IBKA), Ralf Lux (DFV), Volker Mueller (DFW) und Konny G. Neumann (JwD) angehören.

Entwicklung des KORSO seit der Gründung

Es muss festgestellt werden, dass der KORSO in den zwei Jahren seines Bestehens bisher kaum wirksam geworden ist. Dies ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass er bisher über keinerlei finanzielle Mittel verfügt und somit nicht handlungsfähig ist.

Die Eintragung in das Vereinsregister hatte sich aus verschiedenen Gründen unerwartet verzögert, damit auch seine Anerkennung als gemeinnütziger Verein. Die Mitgliedsverbände sind aber natürlich nur dann bereit, ihre Beiträge zu zahlen, wenn der Gemeinnützigkeitsbescheid vorliegt. Andererseits kann der KORSO als „Verband von Verbänden“ nur dann gemeinnützig sein, wenn alle seine Mitglieder als gemeinnützig anerkannt sind. Ein ziemlich kompliziertes Konstrukt also.

Es ist nun aber abzusehen, dass die organisatorischen Schwierigkeiten überwunden werden. Kürzlich erfolgte endlich die Eintragung ins Vereinsregister, am 14.11.2010 wird die nächste Ratsversammlung des KORSO stattfinden, auf der auch ein neuer Vorstand gewählt werden wird.

Es ist davon auszugehen, dass in nächster Zeit Fortschritte erzielt werden, die den KORSO endlich arbeitsfähig machen. Um so notwendiger ist es, dass sich der DFV zum Verbleib oder Austritt aus dem Koordinierungsrat endgültig positioniert.

Aktuelle Schwerpunkte des KORSO

Das auf der Gründungsversammlung formulierte Ziel, von der Bundesregierung die Einberufung einer „Konfessionsfreien-Konferenz“ einzufordern, ist aufgrund der genannten Schwierigkeiten seitdem nicht weiter verfolgt worden. Der KORSO muss sich erst einmal etablieren, ehe man solche größeren Aktionen ernsthaft angehen kann. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass der Vorschlag wieder aufgegriffen wird.

Ein Thema das im KORSO-Vorstand diskutiert wurde, ist die Forderung nach einer Enquete-Kommission zur Ablösung der finanziellen Staatsleistungen an die Kirchen. Diese Leistungen die ursprünglich als Entschädigungen für säkularisierten Kirchenbesitz mit dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 gedacht waren, werden noch bis heute gezahlt, obwohl die Weimarer Reichsverfassung in Artikel 138 Abs. 1 den Auftrag gegeben hatte, Grundsätze aufzustellen, die diese Staatsleistungen ablösen sollten. Dieser Artikel wurde über Artikel 140 GG in das Grundgesetz übernommen, doch geändert hat sich bis heute nichts.
Gegenwärtig gibt auch von anderer Seite Aktivitäten zur Ablösung der Staatsleistungen (z.B. von der Humanistischen Union), der KORSO könnte in der weiteren Debatte eine wichtige Rolle spielen.

In der Diskussion befindet sich eine weitere Kampagne um das „Selbstbestimmungsrecht der Kirchen“, welches diese aus Artikel 143 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung ableiten, der über Artikel 140 GG ebenfalls bis heute gültig ist: Darin heißt es:

Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.

Daraus hat sich die Sprachformel vom „Selbstbestimmungsrecht der Kirchen“ entwickelt, die von den Kirchen so ausgelegt wird, dass sie selbst bestimmen, was ihre Angelegenheiten sind und diesen Anspruch auf alle ihre Einrichtungen ausdehnen, zum Beispiel auch auf das Diakonische Werk oder den Caritasverband.
Obwohl der zitierte Artikel der WRV auf die „Schranken innerhalb des für alle geltenden Gesetzes“ verweist, reklamieren die Kirchen aus ihrem „Selbstbestimmungsrecht“ die Nichtgültigkeit von z.B. Betriebsverfassungsgesetz und Tarifautonomie in ihren Einrichtungen, was bislang in der Rechtssprechung auch weitestgehend anerkannt wird.
Derzeit wird überlegt, ob und in welcher Weise sich der KORSO für die Beseitigung dieses Missstandes einsetzen sollte.

Am 19.09.2010 wird in Köln ein sogenannter Korso-Ratschlag (eine Veranstaltung ohne Beschlusscharakter) stattfinden. Dort wird darüber beraten werden, welche Problembereiche der KORSO künftig stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken könnte, wie etwa:

  • Kirchliche Privilegien (Kirchenstatus, Kirchenfinanzierung, Kirchensteuer, theologische Fakultäten, Religionsunterricht, Militärseelsorge)
  • Weltanschauliche Ausrichtung der Medien (Sendezeiten, Rundfunkräte)
  • Sonderstatus der kirchlichen sozialen Einrichtungen (Arbeits- und Dienstrecht)
  • Islam in Deutschland und Europa
  • Sekten
  • Europäisches Recht der Weltanschauungen

Alle Mitgliedsverbände sind dazu aufgerufen, eigene Vorstellungen und Vorschläge zu machen. Beschlüsse können erst am 14.11. zur Ratsversammlung in Berlin gefasst werden.

Bedenken im DFV zur Mitgliedschaft im KORSO

Wie eingangs erwähnt, gibt es unter Teilen der Mitgliedschaft unseres Verbandes große Vorbehalte und Bedenken zur Mitgliedschaft des DFV im KORSO.

Auf dem Verbandstag des DFV im Mai 2009 in Berlin wurden zwei Anträge (von den Landesverbänden NRW und Nord) eingebracht, die den Austritt aus dem Korso forderten. Die entsprechenden Begründungen enthielten im wesentlichen drei Kernaussagen:

  1. wird jegliche Zusammenarbeit mit Organisationen wie der Giordano-Bruno-Stiftung oder der Deutschen Unitarier Religionsgemeinschaft (deren Dachverband DFW Mitglied des KORSO ist), die nicht die gleichen ideologischen Positionen vertreten wie der DFV, strikt abgelehnt,
  2. vertrage sich die Grundsatzerklärung des KORSO nicht mit unserer eigenen Programmatik, sie bleibe deutlich dahinter zurück. Z.B. würde nicht eindeutig die Forderung nach Trennung von Kirche und Staat deutlich, man könne die Erklärung auch als Streben nach Gleichbehandlung im Privileg interpretieren.
  3. sei der KORSO ein Teil der Expansionsstrategie des Humanistischen Verbandes, der den KORSO personell und inhaltlich völlig dominieren würde.

Es gab allerdings auch zwei Anträge (der Landesverbände Berlin und Thüringen), die den Verbleib des DFV im KORSO befürworteten. Dazu wurde u.a. argumentiert:

  1. wird in der Gründung des KORSO eine sinnvolle Bündelung der Kräfte gesehen, die sich für die Trennung von Staat und Kirche und für die Interessen der Konfessionslosen einsetzen ,
  2. gehöre es zu den Grundsätzen freien Denkens, eine streitbare Zusammenarbeit zu fördern und auf alle freigeistigen Verbände und Vereine zuzugehen, mit denen es Gemeinsamkeiten in humanistischen Grundfragen gibt,
  3. wird die Mitarbeit im KORSO als Möglichkeit gesehen, reaktionären, klerikalen und fundamentalistischen Angriffen auf demokratische Grundrechte zu begegnen.

Die Begründungen könnten unterschiedlicher nicht sein und zeigen, dass es ganz verschiedene Sichtweisen auf die Problematik gibt.

Im Kern ist es die Frage: Was ist uns wichtiger, Kooperation oder Abgrenzung?

Stellen wir das Trennende oder das Gemeinsame in den Vordergrund? Im Antrag der Thüringer Freunde wird befürchtet, dass wir uns zunehmend in die Isolation und damit in die Bedeutungslosigkeit begeben. Im Antrag des Landesverbandes Nord hingegen heißt es, dass die in der Bündnispolitik notwendigen Kompromisse nicht soweit gehen dürfen, dass für die eigene Identität notwendige Positionen völlig verwässert werden.

Einige Argumente für den Verbleib des DFV im KORSO

In vielen Diskussionen auf den verschiedensten Ebenen unseres Verbandes hört man immer wieder, dass die Kräfte nicht reichen, diese oder jene Aufgabe zu bewältigen. Man brauche Bündnispartner um mehr erreichen zu können. In der Praxis wird auch viel mit anderen Verbänden und Vereinen sowie mit den Gewerkschaften kooperiert.

Nun ist das Spektrum der Aufgaben, die sich der DFV gestellt hat, äußerst vielfältig, so dass  für verschiedene Aktionen (Ostermärsche, Protestkundgebungen, thematische Konferenzen, Kulturveranstaltungen) auch immer wieder andere Bündnispartner in Frage kommen.

Die Besonderheit, die der Deutsche Freidenker-Verband in der linken Szene einnimmt, ist jedoch, dass er eine Weltanschauungsgemeinschaft ist, die für eine nichtreligiöse Weltsicht eintritt und Menschen vereint, die konfessionell nicht gebunden sind. Dies hat keine andere Organisation in diesem Umfeld auf ihre Fahnen geschrieben. Würden wir diese Besonderheit verneinen, müssten wir uns mit der Frage beschäftigen, ob der DFV innerhalb des linken Spektrums noch eine Berechtigung hat; ob wir unsere Ziele nicht besser in anderen Organisationen und Verbänden verwirklichen könnten.

Mit wem aber soll der Deutsche Freidenker-Verband zusammengehen, wenn es um Fragen wie die Trennung von Staat und Kirche oder die Verwirklichung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für alle Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften geht, die ja nach wie vor Bestandteil unseres eigenen Selbstverständnisses sind?

Wie eingangs schon zitiert, steht in der Berliner Erklärung, dass wir mit allen zusammenwirken wollen, die – auch teilweise – gleiche oder ähnliche Ziele anstreben wie der DFV.

Ein Problem dabei ist, dass die Meinungen darüber, welcher andere Verband denn nun „gleiche oder ähnliche“ Ziele wie der DFV vertritt, durchaus geteilt sind. Insbesondere der Humanistische Verband Deutschlands (HVD), der sich seit Mitte der neunziger Jahre verstärkt mit Dienstleistungsangeboten für konfessionsfreie Menschen profiliert und seine Arbeit zum großen Teil mit öffentlich-rechtlichen Mitteln finanziert oder der DFW, der sich als „Interessenverband selbstständiger Verbände“ (die sich selbst wiederum  teilweise sogar als religiös verstehen) vor allem für die Durchsetzung der Glaubens- und Gewissensfreiheit einsetzt, setzen natürlich andere Schwerpunkte, als der DFV, der die Aufklärung als Hauptaufgabe seiner weltanschaulichen Tätigkeit betrachtet und sein Augenmerk dabei nicht nur auf die kritische Beleuchtung des Verhältnisses von Staat und Kirche richtet, sondern in seine Betrachtung alle gesellschaftlichen Prozesse einbezieht.

Hier sei angemerkt, dass die Frage der Unterschiedlichkeit der KORSO-Mitglieder nicht nur den DFV berührt. Gravierend sind zum Beispiel auch die Unterschiede zwischen IBKA und HVD. Während der IBKA konsequent für die Trennung von Staat und Kirche eintritt und damit verbunden z.B. auch für die Abschaffung des Religionsunterrichtes an den Schulen und die Militärseelsorge (die den Kirchen die staatlich organisierte und finanzierte Missionierung in den Kasernen ermöglicht), verfolgt der HVD die Strategie, alle Privilegien der Kirchen auch für sich zu reklamieren. So ist z.B. der humanistische Lebenskunde-Unterricht, den der HVD seit Jahren als Alternative zum Religionsunterricht in Berlin (finanziert durch den dortigen Senat) anbietet, durch Artikel 7,3 GG (Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach) legitimiert. Bei aller berechtigter Kritik (insbesondere an der geplanten „humanistischen Militärseelsorge“) darf jedoch nicht übersehen werden, dass die Angebote des HVD viele konfessionsfreie Menschen ansprechen (z.B. auf dem Gebiet der Sterbebegleitung) und dass hier auf vorhandene Bedürfnisse eingegangen wird, deren Befriedigung man ansonsten den Kirchen überlassen würde. Insofern tut der HVD natürlich sehr viel für die Interessenvertretung konfessionsfreier Menschen, der auch wir als DFV uns verpflichtet fühlen.

Jeder Mitgliedsverband im KORSO hat seine eigene Ausrichtung, setzt seine eigenen Schwerpunkte, die sich teilweise auch diametral widersprechen. Dies war ja gerade der Grund, weshalb jahrelang kein solches Gremium wie der KORSO existierte.

Trotz aller Unterschiede, die z.B. zwischen HVD und IBKA bis zum heutigen Tage bestehen, hat sich in den letzten Jahren in den anderen Verbänden die Erkenntnis durchgesetzt, dass eine stärkere Wahrnehmung der Konfessionslosen in der Öffentlichkeit nur zu erreichen ist, wenn man – wo immer es möglich ist – gemeinsam auftritt.  Auch der Vorstand des Deutschen Freidenker-Verbandes hat sich dieser Auffassung angeschlossen und hat deshalb – gemeinsam mit den anderen Verbänden – den KORSO gegründet.

Die Mitgliedschaft im KORSO bedeutet nicht die Aufgabe der eigenen Positionen, denn sonst würden sich in der Tat die einzelnen Organisationen überflüssig machen. Folglich kann nur auf der Basis eines gemeinsamen Konsens gehandelt werden, der in der Grundsatzerklärung des KORSO manifestiert ist.

Natürlich bedingt jede Bündnisarbeit auch Kompromisse. Wir können nicht erwarten, dass unsere Bündnispartner ihre programmatischen Grundlagen unseren Vorstellungen anpassen, genauso, wie wir uns als DFV auch nicht von anderen in die eigenen Angelegenheiten reinreden lassen.

Der KORSO ist so verfasst, dass er die Politik seiner Mitgliedsverbände nicht beeinflussen kann. Es geht nur andersherum: Der KORSO kann nur das tun, was von seinen Mitgliedsverbänden auch mitgetragen wird. Da diese – wie dargestellt – teilweise sehr unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen, können sich die Aktivitäten des KORSO nur im Bereich der Schnittmenge abspielen, die den Interessen aller beteiligten Verbände entspricht.

Welche Aktivitäten das sind, bestimmen die Mitgliedsverbände des KORSO selbst, der Deutsche Freidenker-Verband ist da eingeschlossen. Mit anderen Worten: Auch wir als DFV können die Ausrichtung des KORSO mitbestimmen und somit der befürchten Dominanz anderer Verbände entgegenwirken. Schließen wir uns da selbst aus, sorgen wir erst recht dafür, dass – sollte sich der KORSO erfolgreich etablieren – das Bild der Öffentlichkeit über die säkularen Verbände künftig ausschließlich von anderen dominiert wird.

Ralf Lux ist Mitglied des geschäftsführenden Verbandsvorstandes
mit dem Aufgabengebiet Interessenvertretung konfessionsfreier Menschen

Dieser Artikel erschien stark gekürzt im Verbandsorgan FREIDENKER 4-2010, S. 40-41


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