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Nomen est omen

von Stefan Siegert

Nomen est omen, sagt das lateinische Sprichwort: der Name verrät das Schicksal (des Namensträgers). Im Glücksfall erodiert der Speer, das Symbol des Angriffs, im eigenen Holz – Shakespeare. Die Dialektik im widerspruchsprallen Werk dieses berühmtesten Trägers eines sprechenden Namens wird ahnbar. Ein anderer Glücksfall: Nomen est omen wird zu Nomen ut sit litterae – ein Name kann zu Literatur werden. Ein schwer überbietbares Doppelbeispiel hierfür hat der Großmeister bedeutungsklingender Namen, Thomas Mann ersonnen: im letzten seiner großen Romane, dem „Doktor Faustus“, entstammt der kunstkühne, sein Leben für die Kunst opfernde Adrian Leverkühn, ein deutscher Musiker im frühesten Aufbruch in die Moderne, einem rückwärtsgewandten Zweierlei von Stadt: einem im Mittelalter gründenden, in mittelalterlicher Erde noch im 19. Jahrhundert begrabenen Inbegriff der deutschen Kleinstaaterei. Eine Stadt zugleich im trüben Dunst des zweiten Reichs der Deutschen, Wilhelm eins und zwo an der Spitze – Kaisersaschern.

Lange her? Der diesen Text ursprünglich inspirierende Name hat sich politisch erst relativ kürzlich bemerkbar gemacht, ein Johann Wadephul aus Schleswig-Holstein, das geht ja manchmal echt schnell – von null auf Außenminister. Speziell dieses Amt verlangt dem Bundesbürger seit einigen Jahren wahrhaftig einiges ab. Man hatte sich das Fremdschämen gerade abgewöhnt und betrauerte lediglich das künftige Ausbleiben des nächsten, eines Heinrich Lübke würdigen Frühstückspecks der Hoffnung – da kommt aus dem Nichts dieser Wadephul mit seinen – damit wären wir wieder bei Thomas Mann – geradezu kaisersaschernen Vorstellungen von Politik. Er ist kaum im Amt, da will er die Russen vor einen „internationalen“ Strafgerichtshof zerren. Russland sei, so der für die Außenpolitik des Landes Verantwortliche, für lange Zeit unser Feind. Was für ein Entree! Ein Kanonenbootpolitiker im dritten Jahrtausend. Einer freilich, der nicht wahrhaben will, dass nicht mehr Willem zwo über ihm schwebt – ein postmoderner Untertan der forschen Worte und Sorte.

Man hat den Eindruck, er wolle nicht kapieren, da gibt es heute eine Weltmehrheit, die eben noch zu schmunzeln und zu witzeln hatte. Und die sich miteins von Bogota bis Beijing nur noch wundert über so viel außenministerielle Ignoranz einer europäischen Staatsführung, deren Eliten immer noch zu glauben scheinen, es käme, dieses gernegroße Deutschland, wie auch immer am Ende doch noch irgendwie einmal der Weltspitze nahe. Anders als zu Willems Zeiten verfügt die Weltmehrheit heute allerdings nicht nur über ein multilateral gewachsenes Selbstbewusstsein. Sie verfügt über superiore Waffen gegen im Geiste kaisersascherne Kanonenboote von Rheinmetall.

Am Kap Hirn ist er nicht geboren, der Johann Wadephul. Wie mag es aussehen in den Zerebralien eines solchen Menschen, der sich offenbar nicht in der Lage sieht, eine Weltlage zu peilen, die im Spätfrühling 2025 an Deutlichkeit doch nun eigentlich kaum zu überbieten ist? Bleibt auf die Frage, welches Omen hinter dem Namen Wadephul entstehen mag, eine vergleichsweise schwache Pointe. Denn allenfalls der erste Wortteil ergibt für die assoziativ schweifende Semantik Brauchbares. Der zweite will in seiner allenfalls phonetischen Erkennung als „Pfuhl“ nicht so recht zur Wade aufschließen, „Wadepfui“ träfe es vielleicht eher. Zur definitiven Beschreibung von Erscheinung und Wirklichkeit des aktuellen Außenministers der Bundesrepublik Deutschland taugt zum Omen peinlicherweise und platterdings, halten zu Gnaden, eigentlich nur der Wadenbeißer.

Stefan Siegert ist Autor mit Schwerpunkt Musik, er schreibt aber auch politische Feuilletons, verfasst Künstler-Features für den Rundfunk und zeichnet Buch-Illustrationen sowie Comics.

Webseite des Autors: www.stefan-siegert.de


Bild oben: Stomoxys calcitrans (deutsch: Wadenstecher oder Wadenbeißer)
Foto: Pavel Krok / Fir0002, CC BY-SA 3.0
Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2899680