Arbeit & Soziales

Russland hat Deutschland als fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt abgelöst

Daten der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds zeigen, dass Russland Deutschland im Jahr 2022 wirtschaftlich überholt hat und nun die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt ist.

Ein Kommentar von Thomas Röper.

Erstveröffentlichung am 07.08.2023 auf anti-spiegel.ru

Auch veröffentlicht als Tagesdosis vom 08.08.2023 auf apolut.net

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Für die Behauptung der westlichen Medien, Russland wäre ein wirtschaftlicher Zwerg, gilt die alte Weisheit, dass eine Lüge nicht dadurch wahrer wird, dass man sie ständig wiederholt. Ich habe schon 2019 in einem Artikel die Frage gestellt, ob Russland Deutschland demnächst als fünftgrößte Volkswirtschaft überholt. Dank der vollkommen unsinnigen und sogar selbstmörderischen Wirtschaftspolitik der EU und der Bundesregierung, ist das nun geschehen, man könnte aus russischer Sicht ironisch sagen: „Danke Robert Habeck, danke Uschi von der Leyen!“

Bevor ich zu den neuesten Zahlen komme, muss ich zum Verständnis noch einmal erklären, wie man die Wirtschaftskraft von Ländern, also das BIP, misst.

Wie das BIP gemessen wird

Die Schwierigkeit bei der Berechnung des Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist, dass man es nach sehr unterschiedlichen Methoden messen kann, ironisch gesagt, nach dem Motto „Glaube nur der Statistik, die du selber gefälscht hast“. Die Frage ist immer, was man eigentlich messen oder überprüfen will. Daher müssen wir uns ein wenig trockene Theorie ansehen.

Es gibt zunächst das nominale und das reale BIP. Beim nominalen BIP geht es um den Wert aller Waren und Dienstleistungen in Marktpreisen. Das bedeutet, dass steigende (Markt-)Preise, also Inflation, das BIP erhöhen. So kann selbst bei sinkender Produktion das nominale BIP steigen, wenn nur die Inflation hoch genug ist.

Um diesen Effekt auszuschließen, gibt es das reale BIP. Dabei wird durch die Festsetzung von Basispreisen die Inflation herausgerechnet, man bekommt also einen klaren Einblick in die Entwicklung der Produktion und Dienstleistungen.

Nun ist aber auch hier die Schwierigkeit offensichtlich, wenn man verschiedene Länder mit verschiedenen Währungen vergleichen will. Schließlich legen die Länder unterschiedliche Basispreise fest und das auch noch in unterschiedlichen Währungen, deren Wechselkurse sich im Laufe des Berechnungszeitraums verändern.

Um diesen Effekt auszugleichen, gibt es die Messung des BIP nach Kaufkraftparität (KKP oder englisch PPP). Der Punkt ist nämlich, dass ein und dasselbe Produkt in verschiedenen Ländern teurer oder billiger sein kann und dass das gleiche auch für die Löhne gilt. In der Schweiz sind die Löhne höher als in Deutschland, aber wer mal da war, der sieht, dass dort dafür auch alles viel teurer ist. Von ihren höheren Löhnen haben die Schweizer nur dann einen Vorteil, wenn sie zum Einkaufen oder in den Urlaub ins Ausland fahren, im Alltag zu Hause heben die höheren Preise die höheren Löhne weitgehend auf.

Das BIP kann also auf sehr unterschiedliche Weise gemessen werden und dabei können auch sehr unterschiedliche Ergebnisse rauskommen. Richtig oder falsch ist keine Methode. Wer zum Beispiel die Entwicklung in einem Land über die Jahre messen will, der ist mit dem realen BIP gut bedient.

Wenn man aber verschiedene Länder vergleichen will, ist das BIP nach PPP die Methode der Wahl. Denn bloß weil eine Tasse Kaffee in der Schweiz das Doppelte kostet, wie in Deutschland, ist es trotzdem immer noch die gleiche Tasse Kaffee. Wer also das BIP, sprich die Summe der produzierten Güter und Dienstleistungen (vereinfacht gesagt, die Anzahl an verkauften Tassen Kaffee), in verschiedenen Ländern vergleichen will, und nicht die Preisunterschiede, der muss das BIP in PPP zur Hand nehmen.

Die aktuellen Zahlen

Das britische Wirtschaftsportal World Economics hat auf der Basis der Daten des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank Prognosen für das BIP nach PPP der Staaten für 2022 und auch eine Schätzung bis 2030 veröffentlicht. Da es bis 2030 noch ein weiter Weg ist, wollen wir diese Schätzung vernachlässigen.

Für 2022 hat World Economics errechnet, dass das deutsche BIP 5.011 Milliarden Dollar betragen hat, während Russland mit einem BIP von 5.510 Milliarden Dollar an Deutschland vorbeigezogen ist und nun den fünften Platz der weltweiten Volkswirtschaften belegt. Übrigens liegt Japan auf Platz vier mit 5.675 Milliarden Dollar nur sehr knapp vor Russland und die Wachstumsprognosen für Japan sind schlechter als die Wachstumsprognosen für Russland. Daher könnte Russland in 2023 auch an Japan vorbeiziehen und zur viertgrößten Volkswirtschaft der Welt werden.

Ganze Arbeit von Uschi und Robbie

Robert Habeck, der Kinderbuchautor, der in Deutschland während der wohl größten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit den Wirtschaftsminister spielen darf, hat ganze Arbeit geleistet. Seine Wirtschaftspolitik der explodierenden Energiepreise durch Energiewende-Fantasien und durch die von pathologischem Russenhass gelenkten Abkehr vom billigen Gas und Öl, der galoppierenden Inflation und der irrwitzigen Heizungsgesetze, die jedes Vertrauen der Verbraucher in die wirtschaftliche Zukunft zerstören, hat ganze Arbeit geleistet.

Aber Robbie muss die Lorbeeren mit Uschi von der Leyen teilen, die ebenfalls von pathologischem Russenhass in Verbindung mit absoluter USA-Hörigkeit getrieben wird und mit den Sanktionen ihren wichtigen Teil zu Habecks Erfolg beigetragen hat. In Russland ist eine Rede, die Uschi im Frühjahr 2022 gehalten hat, allgemein bekannt. Damals sagte sie, die Sanktionen hätten Russlands Wirtschaft in Stücke geschlagen und die russische Rüstungsindustrie müsse Geschirrspüler und Waschmaschinen auseinandernehmen, um an Chips für die Waffenproduktion zu kommen.

Bekanntlich war das kompletter Blödsinn und entweder hat sie dreist gelogen oder das war ein Zeichen von kompletter Unkenntnis. Russland hat in aller Eile eine eigene Halbleiterindustrie aufgebaut, während die EU davon nur träumen kann, denn dort findet derzeit eine schnell voranschreitende Deindustrialisierung statt, deren Ergebnisse wir unter anderem daran sehen, dass Russlands Wirtschaft nun größer ist als die deutsche.

Freude in Russland

Die Daten wurden von der russischen Nachrichtenagentur RIA in einem Artikel mit der Überschrift „„Vollkommener Blödsinn“: Die westlichen Sanktionen haben Russland geholfen, Deutschland zu überholen“ vorgestellt, den RT-DE unter der Überschrift „Danke, Robert! Westliche Sanktionen halfen Russland, Deutschland zu überholen“ auf Deutsch veröffentlicht hat. Ich werde hier einige Passagen daraus zitieren, die zeigen, wie viel Spaß die Autorin offensichtlich beim Schreiben des Artikels hatte.

„Ja, das Russland, das amerikanische Präsidenten gerne als „Zapfsäule mit Atomwaffen bezeichnen“, und dessen Ökonomie sie in ihren Reden bereits „in Stücke gerissen“ haben, wurde zum Spitzenreiter und überholte Frankreich, Spanien und Italien, ganz zu schweigen von all den Maltas und Griechenlands.
Es stellte sich heraus, dass die Sanktionen (sektorale, punktuelle, allgemeine, paketweise, inzwischen 12.000 an der Zahl), die der russische Präsident vor einigen Jahren als „völligen Blödsinn“ bezeichnet hatte, nicht nur zum Wirtschaftswachstum Russlands (das nach den bescheidensten und noch vorläufigen Schätzungen mindestens zwei Prozent betragen wird), sondern auch zu einer Steigerung des Wohlbefindens seiner Bürger beigetragen haben.
(…) Das Aufstellen von Schlingen und Fallen mag unterhaltsam sein, aber man muss aufpassen, dass man sich dabei nicht selbst in lebenswichtige Organe kneift. Moskau hat die westlichen Entscheidungsträger regelmäßig davor gewarnt, dass die Angelegenheit für sie alle in Schmerz und Leid enden könnte. Aber nein, sie haben nicht zugehört, sie hören es jetzt nicht und sie werden es auch weiterhin nicht hören.
(…)
Praktisch alle makroökonomischen Messgeräte der GZW stehen auf Rot. Die rasant steigende Inflation, die die Zentralbanken, beziehungsweise Zentralbanksysteme, durch Anhebung der Diskontsätze und der Renditen für Staatsanleihen einzudämmen versuchen, der starke Anstieg der Rohstoffpreise, vor allem aber die Explosion der Energiepreise, die Streichung zahlreicher Posten in den Haushaltsentwürfen der einstmals luxuriösen Länder – das Bild ist breit gefächert, aber es gibt auch Nuancen.
In Deutschland zum Beispiel ist kein Geld mehr da, um die Digitalisierung und die damit verbundenen Dienstleistungen auszubauen. In Frankreich gibt es kein Geld mehr, um den Anstieg der Strompreise aufzuhalten. Mit anderen Worten, den Deutschen wird anstelle eines schnell und gut funktionierenden öffentlichen Dienstes in Aussicht gestellt, weiterhin „wie zu Großmutters Zeiten“ zu leben, und den Franzosen, den Gürtel noch ein paar Löcher enger zu schnallen, um für Wärme und Licht zu bezahlen. Wir sind höfliche Menschen und sollten nicht mit dem Finger auf diejenigen zeigen, die der Lokomotive vorauseilten und riefen, dass sie Russland einen „totalen Wirtschaftskrieg“ erklärt hätten. Jetzt, wo die Lokomotive sie überrollt.“

Thomas Röper, geboren 1971, lebt seit über 15 Jahren in Russland. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.


Bild oben: Russische Banknoten und Münzen
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