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Freidenker gegen US-dominierte Weltordnung

Bericht vom 50. Kongress der Weltunion der Freidenker


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↓ Rede von Klaus Hartmann: „Zeitenwende“ zwischen Krieg und Frieden

↓ Gedicht von Paul Celan: Espenbaum

Rede von Vladimir Kršljanin: Von der NATO-Aggression gegen Jugoslawien im Jahr 1999 zum Krieg gegen Russland

Rede von Sebastian Bahlo: Was sind die gegenwärtigen Aufgaben der Freidenkerbewegung?


Bericht

Am 18. Mai 2023 hatte die Weltunion der Freidenker zu ihrem 50. Kongress nach Frankfurt am Main eingeladen. Klaus Hartmann, Präsident der Weltunion, begrüßte über 80 Teilnehmer im Bürgerhaus Bornheim und wies darauf hin, dass die Freidenker heute in der Tradition der 1880 gegründeten Freidenker-Internationale stünden, aber die damals zentrale Auseinandersetzung mit Religion und Kirche sei vom Kampf gegen die Manipulation und Gleichschaltung durch die „westlichen“ Medien abgelöst worden. Manche früheren Weggefährten huldigten immer noch dem „Kirchenkampf“, andere wandelten sich zu „Humanisten“, um in der Gesellschaft wohlgelitten zu sein, manche streben als „Freie Träger“ im Sozialbereich nach der Finanzierung aus Steuergeldern, und schließlich gäbe es gar solche, die das Nachbeten von NATO-Propaganda als „zeitgemäßes Freidenkertum“ verstünden.

Zum Konferenzthema „Freies Denken und die neue multipolare Weltordnung“ sprachen Rednerinnen und Redner aus Deutschland, Österreich, Serbien, Luxemburg und der Schweiz, besondere Akzente setzten allerdings auch die kulturellen Beiträge: Als demonstratives Zeichen gegen die Verbannung russischer Kultur spielte die Pianistin Ekaterina Frank Klavierstücke von Sergej Rachmaninow und sang u.a. das Lied von den Kranichen. Der Sänger Ernesto Schwarz, bekannt für neue Texte zu bekannten Liedern, trug neben anderen „Die Russen sind an allem schuld“ vor, und der britische Sänger Guy Dawson begeisterte besonders mit seinem „Ami go home!“.

Klaus Hartmann ging in seiner Rede „‚Zeitenwende‘ zwischen Krieg und Frieden“ auf den 8. und 9. Mai ein: In diesem Jahr 2023 sind die Stimmen jener besonders vernehmbar geworden, die zwar nicht die Befreiung vom Faschismus als solche öffentlich bedauern, die aber insbesondere der Sowjetunion ihre Befreiungstat verübeln. In vielen Städten, allen voran in der deutschen Hauptstadt Berlin, waren antifaschistische Symbole wie das St. Georgsband verboten, sogar die sowjetische Fahne und die Fahne des Sieges, die Fahne der Russischen Föderation – aber selbstverständlich nicht die ukrainische Fahne. Fahnen des Kriegsverbündeten werden natürlich hochgehalten, Jugendliche mit russischen Fahnen am Sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Treptow wurden von Polizisten gejagt und zur Strecke gebracht.“

Dies nannte er eine „einer Diktatur würdigen Praxis“, die auch in der berüchtigten „Zeitenwende-Rede“ von Bundeskanzler Scholz wurzele, in der der Kriegsbeginn in der Ukraine von 2014 auf 2022 verlegt wurde, um Russland eines „Angriffskriegs“ beschuldigen zu können. „Die deutschen Faschisten stellten das Hören von Feindsendern unter Strafe, die EU verbietet russische Medien wegen ‚Desinformation‘. Der „Volksempfänger“ der Nazis war vergleichsweise primitiv gegenüber der transatlantischen Gleichschaltung im fadenscheinigen Gewand des Pluralismus. Das sächsische Elbe Tal um Dresden wurde früher spöttisch ‚Tal der Ahnungslosen‘ genannt, weil dort kein ‚Westfernsehen‘ zu empfangen war. Heute gibt es vom Bodensee bis Rügen nur noch ‚Westfernsehen‘ – damit haben wir den Titel ‚Land der Ahnungslosen‘ verdient.

Wenn Ursula von der Leyen verkündet, die Ukraine kämpfe für „unsere Werte“, stehen in der EU möglicherweise auch das Verbot aller oppositioneller Parteien und Medien wie in der Ukraine bevor, die Erklärung von Nazis zu Nationalhelden und der Abriss von Denkmälern für die Befreier vom Faschismus. Während Kriegsgegner als „rechts“ oder „Nazis“ beschimpft werden, wird im EU-Parlament wie von Kanzler Scholz der Faschisten-Gruß „Slawa Ukraini“ ausgebracht. Diese Linie der Geschichtsverfälschung wurde in der Resolution des EU-Parlaments sichtbar, als der Sowjetunion mindestens die gleiche Schuld wie Hitlerdeutschland am 2. Weltkrieg zugewiesen wurde, und als der Deutsche Bundestag die Hungersnot in der Sowjetunion zum „Völkermord an der Ukraine“ umgefälschte. Die Autorin Marie Rotkopf hat in ihrem Essay „Die deutsche Mentalität und der Krieg“ diesen Geschichtsrevisionismus auf den Punkt gebracht: „Bald wird es nicht mehr die Rote Armee sein, die Auschwitz befreit hat, sondern das Asow-Bataillon“.

Klaus Hartmann: „Unterstützen wir den Kampf gegen den Neofaschismus, und erteilen wir den Pseudoantifaschisten von der Transatlantifa eine klare Absage. Ringen wir um den Zusammenschluss mit den Bewegungen für Demokratie und für Meinungsfreiheit. Stärken wir die Friedenskräfte, die Internationale Solidarität, die Zusammenarbeit zwischen den Völkern für die multipolare Weltordnung auf Grundlage der Gleichheit und Souveränität. Verteidigen wir die Solidarität und Freundschaft mit der Russischen Föderation und der Volksrepublik China!“

Vladimir Kršljanin aus Belgrad spannte den Bogen „Von der NATO-Aggression 1999 gegen Jugoslawien zum Krieg gegen Russland“. Angesichts zweier europäischer Kriege fragte er, was das so Besondere an den Russen und Serben und neuerdings auch an den Chinesen sei, dass sie zur Hauptzielscheibe der Anti-Zivilisation werden. Dabei verwies er auf die gemeinsame Erfahrung im antifaschistischen Kampf und beim Aufbau des Sozialismus, aber auch auf die spirituellen Quellen des orthodoxen Christentums und des Konfuzianismus sowie auf die Geschichte des byzantinischen Reiches, das der Westen zu zerstören trachtete.

Nach Kršljanin heißt es „für die westlichen Megakriminellen: entweder wir regieren die Welt – oder gar nichts! Erinnern Sie sich nur an die vielen Millionen Menschen, die in den Kreuzzügen, Kolonialkriegen, Weltkriegen, US/NATO-Aggressionen im Nahen Osten bis hin zu den jüngsten europäischen Kriegen gegen die Serben und Russen getötet wurden. Mit der Führung der USA in der westlichen Welt hat sich der Westen vom wichtigsten zerstörerischen und aggressiven Faktor zu einer bösartigen Macht entwickelt.“ Mit Blick auf Serbien hob er hervor, „wir blieben unbesiegt, da wir von Slobodan Milošević geführt wurden – einem Mann, der ein Symbol des Antiglobalismus war, wie er von Alexander Sinowjew charakterisiert wurde. Die Politik Serbiens unter Milošević entsprach in jeder Hinsicht der Politik, die Russland und China heute betreiben – der Politik der Neuen Welt.“

Der Stellvertreterkrieg in der ehemaligen Ukraine sei der letzte und verzweifelte Versuch der Megakriminellen, mit den gleichen Methoden, aber ohne Aussicht auf Erfolg, die Geschichte umzudrehen. Es gäbe nur zwei mögliche Ergebnisse: der Sieg Russlands (und der Neuen Welt) oder die Vernichtung des Lebens auf der Erde. Doch Russland, China und die Mehrheit der Menschheit werden die westliche aggressive Hegemonie beseitigen und ihre Verbrechen bestrafen.

Vladimir Kršljanin: „Der gegenwärtige Krieg zeigt deutlich, dass der Geschichtsrevisionismus ein Werkzeug der Faschisten, ihrer Komplizen und Förderer ist, für das es keine Rechtfertigung geben kann. Deshalb müssen wir uns organisieren, kämpfen und die neue Welt begrüßen – eine gerechte, multipolare und multilaterale Welt, die auf dem Völkerrecht, Gleichheit, Zusammenarbeit, sozialer Gerechtigkeit und wahrer Demokratie beruht. Und das ist die Schicksalsgemeinschaft der Menschheit. Wir laden die westlichen Völker, die immer mehr zu Opfern ihrer Oligarchie werden, in die Neue Welt ein und wünschen ihnen eine baldige Befreiung! Stehen wir also zusammen für den schnellen, totalen und endgültigen Sieg der Neuen Welt über Faschismus und Antihumanismus!“

Der Generalsekretär der Weltunion, Jean-Marie Jacoby aus Luxemburg, führte in seinem Vortrag „Der Welten Lage ändert sich“ aus: „Die Weltherrschaft der USA geht zu Ende. Der Hegemon fällt und ein Riese der fällt, kann Schaden anrichten beim Aufprall. Fix aber ist, daß nur mehr 35 Länder dem Hegemon gehorchen – das ist die Zahl der Länder, die bereit waren, sich selbst wirtschaftlich zu schädigen mit antirussischen Sanktionen. Wirtschaftlich wie politisch aber ist das Trio USA – NATO – EU längst überholt worden von BRICS, die sich nicht in die Innenpolitik der jeweiligen Länder einmischt, was inzwischen zu 19 Beitrittskandidaten geführt hat.“ Den USA werde jetzt der Finanzierungsstecker gezogen, indem der Dollar nicht mehr die Welthandelswährung ist. Im Jahr 2000 wurde noch 66% des Welthandels in US-Dollar abgewickelt, 2022 waren es nur noch 47%, im ersten Trimester 2023 sank das weiter ab auf 40%, gleichzeitig seien die Devisenreserven in Dollar in 20 Jahren von 71% auf 60% zurückgegangen.

Jacoby verwies auf die immense US-Staatsschuld von 31,4 Billionen Dollar, die 120% des künstlich (durch die Finanzindustrie) aufgeblasenen BIP ausmache, gleichzeitig sei das Kriegsbudget 1.000 Mrd. Dollar schwer, wobei der Großteil auf Logistik und Unterhalt der 800 Militärstützpunkte weltweit draufgehe. Der militärisch-industrielle Komplex der USA bestehe aus Privatfirmen, deren erstes Ziel Profit ist, nicht optimale Waffensysteme, in China wie Russland erziele man mit Staatsfirmen mit viel weniger Geld erheblich bessere Ergebnisse – aktuell ganz besonders beim Hyperschall. So habe die die russische Armee kein Nachschubproblem bei Munition, währende ein US-Viersterne-General warnte, man hätte bei einem Krieg mit China nur Munition für 7 Tage Munition, und deutsche Generäle warnten, es reiche nur noch für 2 Tage Krieg.

In der Konsequenz bleibe den USA nicht die die Möglichkeit eines konventionellen Weltkriegs, nur noch des kollektiven Selbstmords, von dem aber auch das internationale Finanzkapital, das mittlerweile sowohl die US- wie die EU-Administration an der kurzen Leine führt, nichts habe. Die EU-Mitgliedsländer fahren mit antirussischen Sanktionen die Wirtschaft an die Mauer, nachdem sie sich auf Befehl der USA von günstigen russischen Energieträgern und Rohstoffen abgeschnitten haben, drohen Verlust der Wettbewerbsfähigkeit und Deindustrialisierung. „Das lässt sich nur ändern mit ‚Ami go home and take your NATO with you‘ als Basis für Frieden und Völkerfreundschaft mit allen Völkern Eurasiens, auch mit Russen und Chinesen“, schloss Jacoby.

Dr. Corinna Oesch aus Wien erinnerte an die historische Situation, in der es zu den demokratischen Revolutionen in Europa und der Revolution 1848/49 in Deutschland gekommen ist. Ausgehend von der Französischen Revolution und einer Abfolge von Reaktion und neuerlichem Aufbegehren kulminierte die Demokratiebewegung letztlich in der Deutschen Nationalversammlung, die am 18. Mai 1848, also genau vor 175 Jahren, in der Frankfurter Paulskirche eröffnet wurde. Statt eines „ehrfürchtigen, sterilen“ Gedenkens an den Jahrestag komme es darauf an, sich zu vergegenwärtigen, für welche Rechte Frauen und Männer in der Revolution von 1848 gekämpft haben, welche Rechte sie kurze Zeit innehatten, bevor die Reaktion die Errungenschaften der Revolution wieder zerschlug.

Unterbelichtet bis heute bleibt die Rolle der Frau in der Revolution. Alle Abgeordneten in der Paulskirche waren Männer, für die interessierten Frauen musste die „Damengalerie“ erweitert werden. Auf den Straßen engagierten sich allerdings Frauen in großer Zahl kämpferisch für die Demokratie. Die allgemein als „erste demokratische Verfassung“ gefeierte Paulskirchenverfassung änderte allerdings nichts daran, dass Fürsten, Herzöge und Könige in den Einzelstaaten weiteramtierten. Als Staatsform sollte eine „konstitutionelle Monarchie“ sein, mit einem Kaiser als deutsches Staatsoberhaupt, der diesen Titel vererben konnte. Kennzeichnend für das heutige Gedenken: es stehe außer Zweifel, dass unser heutiges „das beste Deutschland (oder Österreich) aller Zeiten“ sei. Man komme aber nicht umhin, das heutige politische System mit seinen globalen Verstrickungen kritisch zu betrachten.

Es gehe darum, so Corinna Oesch, das heuchlerische Gedenken an 1848 von offizieller Seite mit einer ehrlichen Auseinandersetzung zu konfrontieren. Dies bedeutet insbesondere, Bezüge zwischen dem Kampf um Freiheitsrechte von 1848 und der heutigen Demokratiebewegung (Aufklärungs- und Verfassungsbewegung) herzustellen. Das dürfe die Frage nicht aussparen, welche Grundrechte „während der Pandemie“ außer Kraft gesetzt wurden bzw. heute weiterhin ausgehöhlt sind. Ebenso bedarf es eines wachen Blickes auf Bedrohungen in der Zukunft, die sich z.B. unter dem Stichwort „WHO-Komplex“ anbahnen.

Peter Berger aus der Schweiz wies zu „Neutralität und multipolare Weltordnung“ auf die notwendige Unterscheidung zwischen Neutralität und Neutralitätspolitik hin. Neutralität heiße nur, dass keine fremden Truppen im eigenen Land stehen und man sich an keinen Kriegen beteiligt, bei der Neutralitätspolitik um die eine mehr aktive oder passive Rolle – die Debatte darüber habe sich seit der Ukraine-Krise verschärft.  Der österreichische Bundeskanzler Nehammer (ÖVP) deutete, die österreichische Neutralität sei „unter einem Druckszenario zustandegekommen“ – den Abzug der sowjetischen Truppen und den Staatsvertrag 1955 hätte es nur unter der Neutralitäts-Bedingung gegeben.

„In der Schweiz ist ein durchgeknallter Außenminister am Werk, ein 150%-Atlantiker“, so Berger, der unter anderem damit aufgefallen ist, dass er die Zahlungen an das palästinensische Hilfswerk der Uno, UNRWA, eingestellt hat. Seinen Traum von einer Vermittler-Rolle der Schweiz im Ukraine-Konflikt musste er nach einer kalten Dusche aus Moskau begraben, da das Land die Sanktionspakete gegen Russland übernommen hatte. Dies hat der Glaubwürdigkeit der schweizerischen Neutralitätspolitik einen unermesslichen Schaden zugefügt. Als der sozialdemokratische Regierungschef Berset bei einer Verschrottungsaktion von Waffen (statt sie an die Ukraine zu liefern) auf die Neutralitätsverpflichtung hinwies, und „in gewissen Kreisen“ einen „Kriegsrausch»“ feststellte, kanzelte ihn der eigene Parteivorsitzender ab, man stehe in diesem Krieg „in einem Konflikt zwischen der freien Welt und einem autoritären Regime“, und: „Wir haben mit Russland eine imperialistische, ich würde sogar meinen, protofaschistische Macht“.

Nun will die national-konservative Schweizerische Volkspartei mit einer Volksinitiative die Neutralität sowie das Verbot „nichtmilitärischer Zwangsmassnahmen gegen kriegführende Staaten“ in der Bundesverfassung verankern lassen, derzeit läuft die Unterschriftensammlung. Die „NATO-Linke“ wird ablehnen, die übrigen stehen vor einer neuen Gewissensfrage einer Unterstützung, obwohl die Initiative von der „rechten SVP“ kommt. Der in der italienischsprachigen Schweiz verankerte Partito comunista sowie die Partei der Arbeit Basel beteiligen sich unterdessen an der Unterschriftensammlung.

Abschließend stellte Peter Berger fest, dass viele einem „Neutralitäts-Mythos“ anhingen, obwohl dieser Status der Schweiz auf dem Wiener Kongress 1815 von den Großmächten verordnet wurde. Heute könne man über Neutralität nicht ohne Bezug zur Souveränität des Staates sprechen. „Solange die Schweiz wie auch Österreich kapitalistische Staaten sind, wird der Staat als Überbau ihrer Volkswirtschaften seine Politik, auch die Neutralitätspolitik in den Dienst des Kapitals stellen. Aber vielleicht eröffnet die neue multipolare Weltordnung auch hier neue Perspektiven für eine Veränderung.“

„Die gegenwärtigen Aufgaben der Freidenkerbewegung“ stellte zum Abschluss der Konferenz der Vorsitzende des Deutschen Freidenker-Verbandes, Sebastian Bahlo, zur Diskussion. Es bleibe beim historischen Ziel der Überwindung einer durch die Klassengesellschaft bedingten Selbstentfremdung des Menschen, dem untergeordnet seien Teilziele wie die Propagierung der Aufklärung, Religionskritik und Kampf gegen die gesellschaftliche Macht der Kirchen, ebenso der Kampf gegen ökonomische Ausbeutung und für politische Freiheit.

Im Gegensatz zu bürgerlichen Atheisten und Religionskritikern sehen Freidenker, dass Religion eine fortschrittliche oder reaktionäre Rolle spielen, je nachdem, ob sie als wesentlich kollektivistische Ideologie nur zur Bemäntelung des degenerativen Individualismus dient, oder ob sie eine echte Quelle des Kollektivismus darstellt. „Bei der Zusammenarbeit mit religiösen Kräften für fortschrittliche Zwecke sollten wir uns keinerlei Beschränkungen auferlegen“, so Bahlo.

Heute finde der Klassenkampf zwischen den Monopolkapitalisten der imperialistischen Nationen und den werktätigen Massen der antiimperialistischen Nationen statt. „Und deshalb ist es auch ganz richtig, in der gegenwärtigen Herausbildung der multipolaren Weltordnung einen revolutionären Prozess zu sehen. An dieser Stelle ist es geboten, Wladimir Putin zu zitieren: ‚Der Westen ist nicht in der Lage, die Menschheit im Alleingang zu führen, versucht es aber verzweifelt, und die meisten Völker der Welt wollen sich das nicht länger gefallen lassen. Das ist der Hauptwiderspruch der neuen Epoche. Um es mit den Worten eines Klassikers zu sagen, die Situation ist gewissermaßen revolutionär: die oben können nicht mehr, und die unten wollen nicht mehr‘“.

Dieser unfreiwillige Abgang des Imperialismus von der Weltbühne gestaltet sich sehr unangenehm: immer weitere Eskalation in der Ukraine, beispielloser Wirtschaftskrieg, Dauerpropaganda, Gleichschaltung von Staat und Medien, Kriminalisierung von Protest. Man müsse den Skandal anprangern, „dass eine Meinungsäußerung über einen Krieg zwischen zwei fremden Ländern strafbar sein soll, das ist eine eklatante Verletzung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung, das wir verteidigen müssen.“ Als Freidenker müssen wir „unser Selbstverständnis als antifaschistische Organisation erneuern und den antifaschistischen Kampf auf die zeitgemäßen Erscheinungsformen des Faschismus und seiner Vorstufen fokussieren. Wir lassen es uns auch nicht nehmen, die grüne Partei als Speerspitze der Kriegspolitik und Faschisierung herauszustellen und zu bekämpfen, und wir wirken mit bei der Propagierung der Losung ‚Wer Grün wählt, wählt den Krieg‘. Seien wir lieber jetzt mutig, solange uns nur Geld- oder Gefängnisstrafen drohen, bevor Widerstand wieder lebensgefährlich ist.“

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„Zeitenwende“ zwischen Krieg und Frieden

Rede von Klaus Hartmann

Gehalten auf dem 50. Kongress der Weltunion der Freidenker am 18.05.2023 in Frankfurt am Main

Ununterbrochen leben wir in Wendezeiten, wenn wir den Politansagern Glauben schenken, sozusagen von Wende zu Wende. Als es mit der DDR 1989 zu Ende ging und mit ihr der erste deutsche Friedensstaat, wurde das als „Wende“ schöngeredet. Der spätere Bundeskanzler Helmut Kohl versprach im Bundestagswahlkampf 1980 eine „geistig-moralische Wende“, [1] und die kam mit dem Abbau sozialer Leistungen, das sollte die „Eigenverantwortung“ stärken, jeder sollte „seines Glückes Schmied“ sein, Schüler und Studenten nicht mehr politisieren, sondern ihre Karriere vorbereiten, und zu allem wurde das Hohelied vom Individualismus gesungen.

Das Ende des 2. Weltkriegs wird oft als „Wendepunkt für die ganze Welt“ deklariert, wobei es den einen als Befreiung, den anderen als Niederlage galt. In diesem Jahr 2023 sind die Stimmen jener besonders vernehmbar geworden, die zwar nicht die Befreiung vom Faschismus als solche öffentlich bedauern, die aber insbesondere der Sowjetunion ihre Befreiungstat verübeln. In vielen Städten, allen voran in der deutschen Hauptstadt Berlin, waren antifaschistische Symbole wie das St. Georgsband verboten, sogar die sowjetische Fahne und die Fahne des Sieges, die Fahne der Russischen Föderation – aber selbstverständlich nicht die ukrainische Fahne. Fahnen des Kriegsverbündeten werden natürlich hochgehalten, Jugendliche mit russischen Fahnen am Sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Treptow wurden von Polizisten gejagt und zur Strecke gebracht.[2] [3] [4]

Diese einer Diktatur würdigen Praxis hat ihre Ursache in einer anderen Wende, die der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Regierungserklärung am 27. Februar 2022 ausgerufen hat: „Der 24. Februar 2022 markiert eine Zeitenwende in der Geschichte unseres Kontinents. Mit dem Überfall auf die Ukraine hat der russische Präsident Putin kaltblütig einen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen …“[5]

Dass der Krieg bereits seit 2014 andauert, das wird systematisch verschwiegen, weil es nicht zur Erzählung vom russischen Angriffskrieg passen würde. Der Krieg begann im April 2014, als die Kiewer Putschisten unter „Übergangspräsident“ Oleksandr Turtschynow Truppen und Nazi-Bataillone zu einer sogenannten „Antiterroristischen Aktion“ gegen die aufständischen Bewohner im Donbass in Marsch setzten.[6]

Dass dies keine „russische Propaganda“ ist, wie darauf oft entgegengehalten wird, dafür gibt es zwei prominente Zeugen: der NATO-Generalsekretär Stoltenberg erklärte am 13.02.2023 vor dem NATO-Ministerrat in Brüssel „Der Krieg hat nicht im Februar letzten Jahres begonnen. Er begann im Jahr 2014.“[7]

Und Walerij Saluschnyj, ukrainischer Oberbefehlshaber, erklärte am 15.05.2023 gegenüber t-online: „Für die ukrainische Armee hat dieser Krieg schon im Sommer 2014 begonnen“.[8]

Scholzens Zeitenwende markiert den Übergang der jahrzehntelangen Politik der Einkreisung und Umzingelung Russlands durch die NATO zum direkten Krieg. An ihm soll Russland auch noch schuld sein. In seinem aktuellen Flugblatt schreibt der Deutsche Freidenker-Verband: Wenn die NATO selbst weit entfernte Länder völkerrechtswidrig überfällt, bevorzugt sie für ihre Aggressionskriege die Bezeichnung „Intervention“, besser noch „humanitäre Intervention“. Wenn hingegen die Russische Föderation in einen seit acht Jahren dauernden Krieg an ihrer Grenze interveniert, soll es ein „Angriffskrieg“ sein.[9]

Alle, die nicht der NATO-Linie folgen, werden diffamiert, ausgegrenzt und niedergemacht, mit Vernichtung ihrer sozialen Existenz bedroht. Inzwischen wird das Strafgesetzbuch wegen „Billigung einer Straftat“ oder „Volksverhetzung“ gegen Friedensdemonstranten geschwungen. Die Anti-Russenhetze bleibt erlaubt, aber Widerspruch dagegen kann bestraft werden.

Wer nicht der Kriegspropaganda der Regierung huldigt, soll „rechts“ oder gar „Nazi“ sein – diese verkehrte Welt, diese Umwertung der Werte ist spätestens seit 1999 in Mode, als Deutschland zum dritten Mal im selben Jahrhundert Jugoslawien überfiel, unter einer SPD/ Grünen-Regierung, deren Außenminister Joseph Fischer verkündete, dort müsse „ein neues Auschwitz verhindert werden“.[10]

Die deutschen Faschisten stellten das Hören von Feindsendern unter Strafe, die EU verbietet russische Medien wegen „Desinformation“. Der „Volksempfänger“ war vergleichsweise primitiv gegenüber der transatlantischen Gleichschaltung im fadenscheinigen Gewand des Pluralismus. Das sächsische Elbe Tal um Dresden wurde früher spöttisch „Tal der Ahnungslosen“ genannt, weil dort kein „Westfernsehen“ zu empfangen war. Heute gibt es vom Bodensee bis Rügen nur noch „Westfernsehen“ – damit haben wir den Titel „Land der Ahnungslosen“ verdient. Früher gab es einen Sender, der „Stimme Amerikas“ hieß, heute sind alle Sender einstimmig angelsächsisch.

Zumindest bei Linken stand früher „die Freiheit der Andersdenkenden“ hoch im Kurs und wurde mit Zitaten von Rosa Luxemburg bis Voltaire hochgehalten. Noch bis vor zehn Jahren gab es in Deutschland einen jährlichen „Querdenker-Award“ für „besonders kreative Vordenker“[11], inzwischen gilt das Gegenteil, nämlich der Konformismus als Tugend und Querdenker als Schimpfwort. Schon wer an der offiziellen Klimaerzählung zweifelte, war schnell als „Klimaleugner“ entlarvt, es folgten die „Corona-Leugner“. Wer irre Ministeraussagen oder idiotische Maßnahmen kritisierte, wurde als „Covidiot“ geächtet.[12] In dem Titel des Leugners wird das Religiöse der jeweiligen Lehre deutlich, was wir Freidenker als notorische „Gottesleugner“ seit langem kennen.

Ursula von der Leyen verkündete, die Ukraine kämpft für „unsere Werte“,[13] sie gibt eine bedrohliche Vorahnung davon, was uns noch bevorsteht: Alle Oppositionsparteien sind in der Ukraine verboten, die Arbeiterrechte abgeschafft, Medien in Opposition zum Regierungskurs sind auch verboten. Nazis werden zu Nationalhelden erklärt, und Denkmäler für die Befreier vom Faschismus abgerissen. 7.600 mit der Sowjetunion und Russland verbundene Ortsnamen sind getilgt, 28 Denkmäler für Alexander Puschkin, neun für Maxim Gorki demontiert, 20 Millionen russischsprachige Bücher aus den Bibliotheken entfernt.[14]

Einstweilen verbieten sie hier nur russische und sowjetische Fahnen, aber in vielen Städten sind an öffentlichen Gebäuden bereits die blau-gelben ukrainischen Flaggen aufgezogen. Das werden manche für falsch oder widerlich, aber auch irgendwie für harmlos halten – das ist es aber nicht. Der bulgarische Autor, unser Freund Germinal Civikov – er beobachtete in Den Haag den NATO-Femeprozess gegen den jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević – schrieb jüngst einen Artikel über das „Land der Werte“. Darin geht es um eine Begegnung zwischen dem Lektor des Frankfurter Suhrkamp Verlags, Klaus Reichert, im September 1965 mit dem Dichter Paul Celan (Reichert gab 2020 das Buch „Paul Celan. Erinnerungen und Briefe“ heraus). Darin enthalten ist die Episode über einen feucht-fröhlichen Abend in Frankfurt am Main: „Und plötzlich – es sind bald Bundestagswahlen – stehen sie vor einer riesigen blaugelben Plakatwand der FDP. Reichert: ‚Celan zuckt zusammen, erstarrt, zu Tode erschrocken, und ruft entsetzt: Um Gottes Willen, das sind die Farben der ukrainischen Faschisten.‘ Der Dichter sah nicht die Parteifahne der deutschen FDP, sondern die des ukrainischen Faschistenführers Stepan Bandera.“ Civikov schreibt: „Man möge Nachsicht haben mit den Ängsten eines deutschsprachigen Juden aus Czernowitz vor einer Flagge, die 1941 in seiner Bukowiner Heimat geflattert hat und heute mehrere stattliche Gebäude in den EU-Metropolen schmückt.“[15]

Während Kriegsgegner als „rechts“ oder „Nazis“ gelten sollen, finden die Qualitätsmedien nichts dabei, wenn der „blutige Clown“ Selenskij (wie ihn kürzlich ein Ostermarsch-Redner aus der Ukraine nannte)[16] zum Besuch in Italien einen Pullover mit Nazi-Symbol trägt, dem Abzeichen der „Organisation ukrainischer Nationalisten“ (OUN). Sie finden auch nichts dabei, wenn im EU-Parlament der Ruf „Slawa Ukraini“ (deutsch: Ruhm der Ukraine) erschallt, und international plappern es Politiker nach. Auch der Zeitenwende-Scholz beendete seine Laudatio zur Verleihung des Karlspreises an den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij am 14.05.2023 in Aachen mit dem Schlachtruf „Slawa Ukraini“. Zwölfmal fällt bei der Veranstaltung das Wort „Zeitenwende“, aber alle Reden wurden mit dem Faschisten-Gruß beendet.[17]

Dieser Gruß, vergleichbar mit „Heil Hitler“, stammt von der „Organisation ukrainischer Nationalisten“ (OUN), die während der Besatzung der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik durch die deutsche Wehrmacht an zahlreichen schweren Kriegsverbrechen beteiligt war. Ihr militärischer Arm UPA besetzte Teile der polnischen Gebiete Polesien und Wolhynien und verübte dort Massaker an der polnischen Zivilbevölkerung. Die OUN stellte SS-Freiwilligenbataillone und kooperierte mit den deutschen Faschisten bei der Verfolgung und Ermordung von Juden, Polen, Roma und Sinti, Russen und insbesondere Angehörigen der Roten Armee.[18] Die Losung „Slawa Ukraini“ wurde als ihre offizielle Grußformel im Jahr 1939 festgelegt, später kam die Geste in Form einer ausgestreckten rechten Hand und die Antwort „Gerojam slawa“ hinzu. Genauso haben Banderas Kollaborateure die Verbände der Wehrmacht begrüßt.

Am 9. Mai 2023 sagte ich auf dem Frankfurter Hauptfriedhof an den Gräbern der sowjetischen Kriegsopfer: Diese Linie der Geschichtsverfälschung wurde in der Resolution des EU-Parlaments sichtbar, als der Sowjetunion mindestens die gleiche Schuld wie Hitlerdeutschland am 2. Weltkrieg zugewiesen wurde. Sie wurde wieder sichtbar im Deutschen Bundestag, als die Hungersnot in der Sowjetunion zum „Völkermord an der Ukraine“ umgefälscht wurde.[19] Und sie wird aktuell sichtbar, wenn anlässlich der Feiern zum 8. und 9. Mai das Zeigen von Flaggen und antifaschistischen Symbolen verboten wird.

Die Autorin Marie Rotkopf hat gerade das 1915 erschienene Buch des französischen Soziologen Émile Durkheim mit dem Titel „Deutschland über alles“ neu herausgegeben, und dazu einen Essay „Die deutsche Mentalität und der Krieg“ geschrieben. Darin bringt sie die Umdeutung der Geschichte mit dem Satz auf den Punkt: „Bald wird es nicht mehr die Rote Armee sein, die Auschwitz befreit hat, sondern das Asow-Bataillon“.[20]

Die fortschreitende Renazifizierung muss gestoppt werden, sie erfordert eine Entnazifizierung. Die Freidenkerbewegung, selbst von den Faschisten bekämpft und verfolgt, einige namhaft im Widerstand aktiv, sollte sich dieser Aufgabe annehmen und alle Aktivitäten in dieser Richtung unterstützen.

Dr. Wolfgang Schacht kommentierte: Wir befinden uns in der Phase des allgemein geistigen, politischen und wirtschaftlichen Niedergangs. Auf der Grundlage einer seit Jahren anhaltenden DDR-Phobie und Russophobie haben uns die herrschenden Kräfte des Establishments mit Hilfe ihrer Medien das alte und neue nazistische Gedankengut von einer Überlegenheit ihrer Ideologie, Politik, Wirtschaft und Kultur in Verbindung mit einer Flut von absurden Lügen und obskuren Erfindungen im wahrsten Sinne des Wortes tagtäglich ins Gehirn gebrannt. Die Aussage des Außenministers und Chefideologen der EU am 13. Oktober 2022 „Europa ist ein Garten und der Rest der Welt ist ein Dschungel“, ist nur die Spitze des rassistischen Eisberges in der nazistischen Welt.[21]

Als philosophische Materialisten wissen Freidenker: Rassistische und faschistische Ideologien wurzeln nicht in der geistigen Sphäre, sondern in der materiellen Basis, und der Niedergang hat in erster Linie ökonomische Ursachen. Die Weltfinanzkrise ab 2007 hat einer größeren Öffentlichkeit die krisenhafte Wirtschaftsentwicklung ins Bewusstsein gerufen, leider ohne spürbare Konsequenzen. Den zyklischen Überproduktionskrisen im Kapitalismus folgen Überakkumulationskrisen, Überkapazitäten und Preissteigerungen werden mit höheren Zinsen bekämpft, die Folge sind stark fallende Kurse von Wertpapieren, damit werden die Sicherheiten für Kredite notleidend, die Einlagesicherungen der Banken schmelzen dahin, die nächste „Bankenkrise“ ist fällig.

Die zur Rettung gedachte Niedrigzinspolitik und Flutung mit frischem Geld hat nur kurzfristig den erwünschten Effekt, man kauft Zeit, setzt das Karussell aber erneut in Bewegung. Das nicht mehr durch die Notenpresse, sondern per Mouseklick geschaffene „Geld“ ist durch keinen wirtschaftlichen Gegenwert gedeckt und wandert mangels profitabler Anlagemöglichkeit im Produktionssektor überwiegend ins Casino. Solange das fiktive Geld in den Spekulationsblasen bleibt, richtet es keinen größeren Schaden an, wenn aber Corona-Ausgleichzahlungen und der Wirtschaftskrieg gegen Russland die Inflation antreiben, müssen die Zinsen wieder anziehen, damit die Bevölkerungsmehrheit für die Schulden bezahlt. Nachdem zwölf Jahre lang ein Zinssatz von 0,00 Prozent galt, hat die Fed der USA den Leitzins zwischen März und Dezember 2022 von 0,25 auf 4,5 Prozent angehoben — so hoch war er zuletzt vor der Weltwirtschaftskrise 2007/08, mittlerweile liegt er bei 5,25%. – Ergebnis: ein rapider Wertverlust der US-Staatsanleihen, ein Run auf die Banken.[22] Die ersten Opfer heißen Silicon Valley Bank, Crédit Suisse und First Republic Bank in den USA.[23] Schon sehen wir die Immobilienfinanzierer in Schieflage, denen sich die Baubranche anschließt: Die Zahl der Baugenehmigungen sank im April so stark wie seit 16 Jahren nicht mehr.[24]

Die USA sind gemessen am Bruttoinlandsprodukt zwar vor der VR China weiterhin die größte Volkswirtschaft der Welt, aber nur, weil darin Industrieproduktion, Landwirtschaft und Dienstleistungen einfließen.[25] Es ist nur dieser Dienstleistungssektor, und hier besonders die Finanzindustrie, die den USA den ersten Platz sichert, bei der Industrieproduktion hat China die USA schon vor über zehn Jahren überholt. Es gibt aber noch einen größeren Pferdefuß bei der Statistik: Das BIP wird in absoluten Zahlen angegeben und die Berechnungsgrundlage ist die Kaufkraft des US-Dollars – in den USA. Zahlen, die in anderen Ländern nicht von Bedeutung sind, wenn sie nicht in den USA einkaufen. Deshalb gibt es eine aussagekräftigere Statistik, nämlich des BIP nach Kaufkraftparität. Und hier steht die VR China deutlich vor den USA, und nach Indien und Japan folgen Deutschland und Russland auf den Plätzen 5 und 6.[26]

Alle „Rettungsmaßnahmen“ nach dem Jahr 2008 hatten die Dominanz des US-Dollars zur Voraussetzung. Aufgrund der Politisierung der Währung durch die US-Regierung und den inzwischen mehr als 10.000 völkerrechtswidrigen westlichen Sanktionen gegen Russland suchen die Länder des globalen Südens verstärkt nach einer Alternative zur Abhängigkeit von der US-Währung. Die Entdollarisierierung des Welthandels, also die Ablösung des US-Dollars als Reservewährung schreitet immer schneller voran, was den politischen Einfluss der USA mindert.[27] Nach Russland und China trennen sich jetzt Japan und andere Länder im großen Stil von US-Schuldverschreibungen, und immer mehr wickeln ihren Handel in ihren jeweiligen Währungen, mit Gold- oder Rohstoffdeckung oder in chinesischen Yuan ab.[28] Laut Financial Times hat der US-Dollar im Jahr 2022 zehnmal schneller Marktanteile verloren als in den Jahren zuvor. Auch sein Anteil an den weltweiten Devisenreserven ist in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gesunken – von 72 Prozent im Jahr 1999 auf derzeit rund 50 Prozent.[29]

Die krisenhafte wirtschaftliche Entwicklung der westlichen Länder des Staatsmonopolistischen Kapitalismus schafft den Sumpf, aus dem die giftigen faschistischen Blasen aufsteigen. Erkennbar ist der heutige Westen nicht mehr Anführer der menschlichen Zivilisation. Seine gesteigerte und unverhohlene Aggressivität entspringt dem Bemühen, seinen Untergang aufzuhalten, Russland soll besiegt werden, um sich anschließend auf China zu stürzen.

Am 30.03.2023 warf die Präsidentin der EU-Kommission von der Leyen am Mercator-Institut für Chinastudien in einer Grundsatzrede China vor, „seine eigene neue Weltordnung fördern zu wollen, die mit dem derzeitigen globalen System konkurrieren würde“, dass „Pekings Imperativ von mehr Kontrolle und Sicherheit die Logik der freien Märkte und des offenen Handels zerbrechen wird“, schließlich kritisierte sie „das chinesische System des Staatskapitalismus“. Das stärkste Ärgernis sowohl für Brüssel als auch für Washington ist aber der Kurs der uneingeschränkten Partnerschaft zwischen China und Russland, den Besuch des Chinesischen Staatschefs in Russland bezeichnete sie in diesem Zusammenhang verächtlich als „Freundschaftsshow in Moskau“.[30]

An Stelle der internationalen Rechtsordnung, die nach dem Sieg über den Faschismus 1945 vereinbart wurde, propagiert der „Wertewesten“ seine sogenannte „regelbasierte Weltordnung“, deren Regeln er natürlich selbst bestimmt, und die eine klare neokolonialistische Ausrichtung hat. Aber das postkoloniale Modell der überlegenen Entwicklung des Westens funktioniert nicht mehr, sein „Außergewöhnlichkeitssyndrom“ beeindruckt immer weniger.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte am 29.04.2023, die Entwicklung hin zu einer globalen Multipolarität sei inzwischen eine Tatsache und eine geopolitische Realität, „folgerichtig erleben die Anstrengungen Washingtons und seiner Satelliten, den Gang der Geschichte rückwärts zu drehen und die internationale Gemeinschaft zu zwingen, nach einer frei erfundenen ‚regelbasierten‘ Ordnung zu leben, ein volles Fiasko.“[31]

In dieser Situation haben die Freidenker eine vordringliche Aufgabe: Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung. Gehen wir auf die Menschen zu, die schon in Bewegung gekommen sind, die an den offiziellen Erzählungen von Politikern und Mainstream-Medien zweifeln.

Unterstützen wir den Kampf gegen den Neofaschismus, und erteilen wir den Pseudoantifaschisten von der Transatlantifa eine klare Absage. Ringen wir um den Zusammenschluss mit den Bewegungen für Demokratie und für Meinungsfreiheit.

Stärken wir die Friedenskräfte, die Internationale Solidarität, die Zusammenarbeit zwischen den Völkern für die multipolare Weltordnung auf Grundlage der Gleichheit und Souveränität. Verteidigen wir die Solidarität und Freundschaft mit der Russischen Föderation und der Volksrepublik China.

Klaus Hartmann ist Präsident der Weltunion der Freidenker

Quellen

[1] https://www.spiegel.de/spiegel/helmut-kohl-ein-grosser-kanzler-war-er-nicht-ein-widerspruch-a-1153425.html

[2] https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2023/05/ovg-verbot-russische-fahnen-gedenktage-berlin.html

[3] https://www.morgenpost.de/berlin/article238355825/weltkriegsgedenken-auseinandersetzungen-treptower-park-polizei-nachtwoelfe.html

[4]°https://www.berliner-zeitung.de/en-US/mensch-metropole/symbolverbot-zum-8-9-mai-unwuerdig-demuetigend-uebertrieben-undemokratisch-li.347099

[5] https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/regierungserklaerung-von-bundeskanzler-olaf-scholz-am-27-februar-2022-2008356

[6] https://ulrich-heyden.de/article/rechte-freiwilligenbataillone-westliche-sicherheitsfirmen-und-geheimdienste-der-ukraine

[7] https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/es-begann-2014-wie-die-nato-den-krieg-russlands-in-der-ukraine-sieht-li.317773

[8] https://www.t-online.de/nachrichten/ukraine/id_100176184/ukraine-krieg-ukrainischer-armeechef-will-alles-zurueck-auch-die-krim-.html

[9] https://www.freidenker.org/?p=15703

[10] https://de.wikipedia.org/wiki/Rede_Joschka_Fischers_zum_NATO-Einsatz_im_Kosovo

[11] https://encyclopaedia.fandom.com/de/wiki/Querdenker-Award

[12] https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/parteien/id_88504532/spd-saskia-esken-verfahren-wegen-covidioten-aeusserung-eingestellt.html

[13] https://germany.representation.ec.europa.eu/news/eu-kommissionsprasidentin-von-der-leyen-ukraine-verteidigt-beeindruckend-unsere-werte-2022-05-20_de

[14] Freidenker 1-2023, Editorial https://www.freidenker.org/?p=15624

[15] https://keinzustand.at/germinal-civikov/land-der-werte/

[16] https://www.freidenker.org/?p=15752#simonow

[17] https://www.zeit.de/kultur/2023-05/karlspreis-verleihung-wolodymyr-selenskyj-ukraine/komplettansicht

[18] https://zeitungderarbeit.at/international/slawa-ukrajini-der-faschistische-gruss-erobert-die-welt/

[19] https://www.freidenker.org/?p=16017

[20] https://keinzustand.at/peter-nowak/nationale-revision/

[21] https://www.freidenker.org/?p=15989

[22] https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fed-erhoeht-leitzins-so-stuetzt-die-bankenkrise-die-geldpolitik-18866188.html

[23] https://perspektive-online.net/2023/05/weltwirtschaft-kommt-jetzt-der-crash/

[24] Ntv-Nachrichten, 17.05.2023

[25] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/157841/umfrage/ranking-der-20-laender-mit-dem-groessten-bruttoinlandsprodukt/

[26] https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Länder_nach_Bruttoinlandsprodukt

[27] https://www.goldreporter.de/warum-kaufen-zahlreiche-zentralbanken-so-viel-gold/gastartikel/112623/

[28] https://www.freidenker.org/?p=16073

[29] https://www.pressenza.com/de/2023/05/yuan-als-dollar-alternative-erfolge-und-hindernisse-auf-dem-weg-zur-neuen-weltwaehrung/

[30] https://www.anti-spiegel.ru/2023/die-kriegserklaerung-der-eu-an-china/

[31] https://test.rtde.tech/international/168848-aussenminister-lawrow-westliche-politik-zu/

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Paul Celan:

Espenbaum

Espenbaum, dein Laub blickt weiß ins Dunkel.
Meiner Mutter Haar ward nimmer weiß.
Löwenzahn, so grün ist die Ukraine.
Meine blonde Mutter kam nicht heim.
Regenwolke, säumst du an den Brunnen?
Meine leise Mutter weint für alle.
Runder Stern, du schlingst die goldne Schleife.
Meiner Mutter Herz ward wund von Blei.
Eichne Tür, wer hob dich aus den Angeln?
Meine sanfte Mutter kann nicht kommen.

Aus: Mohn und Gedächtnis, Stuttgart 1952

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Von der NATO-Aggression gegen Jugoslawien im Jahr 1999 zum Krieg gegen Russland

Rede von Vladimir Kršljanin

Gehalten in englischer Sprache per Video auf dem 50. Kongress der Weltunion der Freidenker am 18.05.2023 in Frankfurt am Main

Watch the speech as a video: https://cloud.mail.ru/stock/jvQVUSLRCjghGgNKuWRDP9y1

Verehrte Genossen und Freunde,

Heute sind wir alle, ob freiwillig oder unfreiwillig, Teil der entscheidenden Schlacht der Weltgeschichte – der Schlacht um die Neue Welt.

Die Frage ist, ob die menschliche Zivilisation überleben (und gewinnen) kann oder ob die Menschheit unter der Last einer kriminellen oligarchischen Diktatur untergehen wird. Für uns alle ist nur die erste Antwort möglich.

Die neue Welt wird von Russland und China angeführt. Und es ist natürlich eine sozialistische Welt. Russland und China haben den Westen in allen Belangen überrannt, ohne Kolonisierung oder Krieg, in nur wenigen Jahrzehnten. Sie haben die besten Errungenschaften der menschlichen Zivilisation gelernt, entwickelt und angewandt. Sie wurden zu einer Emanation der menschlichen Kreativität, die ein kollektiver Akt ist und in harmonischer Zusammenarbeit sicherlich effektiver ist als in Konkurrenz und Sklavenarbeit. Ihr Hauptvorteil sind spirituelle und moralische Werte im Gegensatz zum kriminellen System, das die menschlichen Schwächen missbraucht und die Konflikte überall ausbreitet. Ihr Sieg ist also total und ewig. Der jahrhundertealte Glaube der Menschen, dass die sozialistische Gesellschaft in allem überlegen sein wird, wird vor unseren Augen verwirklicht.

Die einzige verzweifelte Antwort der westlichen Oligarchie ist Krieg! So sind wir bereits mit zwei europäischen Kriegen konfrontiert – gegen die Serben in den 1990er Jahren und gegen die Russen jetzt.

Die allgemeinen Bedingungen dieser europäischen Kriege stehen im Zusammenhang mit dem jahrhundertelangen Versuch des Westens, das Böse zu legitimieren und ein künstliches Gleichgewicht zwischen Gut und Böse zu schaffen. Die konkreten Bedingungen der letzten Jahrzehnte stehen im Zusammenhang mit den am weitesten entwickelten und angewandten Technologien zur Manipulation des menschlichen Bewusstseins.

Was ist so besonders an den Russen und Serben (und neuerdings auch an den Chinesen), dass sie zur Hauptzielscheibe der Anti-Zivilisation werden? Liebe, Solidarität, Kollektivgeist und Gemeinwohl sind die wichtigsten Prinzipien des ursprünglichen Christentums und auch des Konfuzianismus. Außerdem gibt es eine gemeinsame Erfahrung im antifaschistischen Kampf und beim Aufbau des Sozialismus. Das orthodoxe Christentum kommt dem Urchristentum am nächsten. Und es beinhaltet auch Erfahrungen mit Kultur, Nation und Staatsaufbau. Das orthodoxe Konzept der Nation ist viel älter und spiritueller als das westliche. Serben und Russen sind die Nationen des Testaments. Mit dem Erscheinen ihrer autokephalen Kirchen im 13. bis 15. Jahrhundert definieren sich Serben und Russen viel mehr in geistigen (und moralischen) Begriffen als in rechtlichen, genetischen, materiellen oder territorialen. Außerdem waren ihre Staaten Nachfolger des byzantinischen Reiches, das der Westen zu zerstören versuchte. Das serbische Reich auf dem Balkan im 14. Jahrhundert erwies sich als eine vorübergehende historische Episode, aber das Russische Reich/UdSSR/Russische Föderation blieb bis heute das größte Land der Weltgeschichte. Serben und Russen haben in allen dramatischen Momenten der europäischen Geschichte miteinander zu tun gehabt.

Kurz gesagt, über viele Jahrhunderte hinweg wurde die Welt der effektiven menschlichen Werte und in erster Linie die orthodoxe christliche Welt zur größten, existenziellen Herausforderung für die westliche oligarchische Diktatur oder Anti-Zivilisation. Allein die Existenz Russlands (und Serbiens und Chinas) macht die westliche Vorherrschaft unmöglich. Für die westlichen Megakriminellen heißt es: entweder wir regieren die Welt – oder gar nichts! Und sie haben Recht. Ihre Mega-Verbrechen sind so groß, dass sie in keinem echten Rechtssystem überleben können. Erinnern Sie sich nur an die vielen Millionen Menschen, die in den Kreuzzügen, Kolonialkriegen, Weltkriegen, US/NATO-Aggressionen im Nahen Osten bis hin zu den jüngsten europäischen Kriegen gegen die Serben und Russen getötet wurden. Mit der Führung der USA in der westlichen Welt hat sich der Westen vom wichtigsten zerstörerischen und aggressiven Faktor zu einer bösartigen Macht entwickelt.

Der Einsatz von Faschismus, Terrorismus, Subversion und Medienkrieg, kombiniert mit Geschichtsrevisionismus und dem Missbrauch internationaler Organisationen und der internationalen Justiz, waren die Methoden, die der Westen bei der Auflösung Jugoslawiens und der NATO-Aggression in den 1990er Jahren gegen die Serben einsetzte. Außerdem trainierten sie Europa bereits darin, gegen sich selbst vorzugehen (man denke nur an die Unterbrechung des Donauverkehrs durch die Zerstörung mehrerer Brücken). Trotzdem blieben wir unbesiegt, da wir von Slobodan Milošević geführt wurden – einem Mann, der ein Symbol des Antiglobalismus war, wie er von Alexander Sinowjew beschrieben wurde. Die Politik Serbiens unter Milosevic entsprach in jeder Hinsicht der Politik, die Russland und China heute betreiben – der Politik der Neuen Welt. Deshalb sollten wir uns immer an das serbische Heldentum und die Errungenschaften von damals erinnern und sie weiter erforschen und fördern, und mehr noch, wir sollten die ganze Welt, einschließlich der Serben selbst, ständig an die Bedeutung ihres Widerstands erinnern, der bereits als „Zweite Kosovo-Schlacht“ bezeichnet wurde. Zu diesem Zweck sollten wir die Aktivitäten des Internationalen Milosevic-Komitees stärker unterstützen.

Der Stellvertreterkrieg in der ehemaligen Ukraine ist also der letzte und verzweifelte Versuch der Megakriminellen, die Geschichte zurückzudrehen, und zwar mit den gleichen Methoden, aber ohne Aussicht auf Erfolg. Und wie im Zweiten Weltkrieg haben sie uns, die Europäer, ihren menschenfeindlichen Gelüsten geopfert. Es gibt nur zwei mögliche Ergebnisse: 1) der Sieg Russlands (und der Neuen Welt) oder 2) die Vernichtung des Lebens auf der Erde. Und es scheint, dass es an allen anständigen Menschen und auch an uns, den Europäern, liegt, das erste Ergebnis zu unterstützen und die Menschheit zu retten, und das zweite Ergebnis unmöglich zu machen.

Der größte und vielleicht einzige globale Konsens in der Geschichte der Menschheit wurde bei der Verurteilung des Faschismus erreicht. Der Sieg über den Faschismus prägte das allgemein gültige System des Völkerrechts und der internationalen Beziehungen.

Heute haben wir, wie in den 90er Jahren, eine politische Konfrontation zwischen zwei ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates – Russland und China, die das auf dem Sieg über den Faschismus basierende System bewahren wollen, und den übrigen drei – den USA, Großbritannien und Frankreich, in denen ein Teil der herrschenden Oligarchie den Sieg über den Faschismus abwertet, mit den Faschisten zusammenarbeitet und versucht, den faschistischen Krieg gegen Serbien und Russland fortzusetzen. Zwischen dem Krieg in den 90er Jahren und dem heutigen gibt es jedoch einen wichtigen Unterschied. Im ersten europäischen Krieg, im ehemaligen Jugoslawien, gelang es den Serben, von der unvergleichlich militärisch stärkeren NATO unbesiegt zu bleiben, und das zur Zeit des Unipolarismus. Im zweiten europäischen Krieg, in der ehemaligen Ukraine, wird Russland jedoch die NATO besiegen, und zwar in der Zeit des Multipolarismus. Russland, China und die Mehrheit der Menschheit werden die westliche aggressive Hegemonie beseitigen und ihre Verbrechen bestrafen.

Wir müssen auch gegen den Geschichtsrevisionismus kämpfen. Der gegenwärtige Krieg zeigt deutlich, dass der Geschichtsrevisionismus ein Werkzeug der Faschisten, ihrer Komplizen und Förderer ist, für das es keine Rechtfertigung geben kann.

Deshalb müssen wir uns organisieren, kämpfen und die neue Welt begrüßen – eine gerechte, multipolare und multilaterale Welt, die auf dem Völkerrecht, Gleichheit, Zusammenarbeit, sozialer Gerechtigkeit und wahrer Demokratie beruht. Und das ist die Schicksalsgemeinschaft der Menschheit.

In der neuen Welt gedeiht die Mehrheit der Menschheit und knüpft Verbindungen, während die westliche Oligarchie, die sich ihr widersetzt, sich selbst und ihre Völker ruiniert. Die neue, freie Welt akkumuliert die positive Erfahrung der gesamten Menschheit. Und sie hat einen Platz für alle! Wir laden die westlichen Völker, die immer mehr zu Opfern ihrer Oligarchie werden, in die Neue Welt ein und wünschen ihnen eine baldige Befreiung!

Die neue Welt ist eine starke und organisierte Herrschaft des Guten über das Böse!

Stehen wir also zusammen für den schnellen, totalen und endgültigen Sieg der Neuen Welt über Faschismus und Antihumanismus!

Bis zum Triumph!

Übersetzung: www.libres-penseurs.net

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Was sind die gegenwärtigen Aufgaben der Freidenkerbewegung?

Rede von Sebastian Bahlo

Gehalten auf dem 50. Kongress der Weltunion der Freidenker am 18.05.2023 in Frankfurt am Main

Die Frage impliziert, daß sich die Aufgaben der Freidenkerbewegung mit der Zeit geändert haben. Nicht geändert haben sich die allgemeinen Ziele der Freidenker – und ich verstehe das Wort immer synonym mit sozialistischen Freidenkern, denn mit den bürgerlichen Atheisten und Religionskritikern kann es über punktuelle Zusammenarbeit hinaus keine dauerhafte gemeinsame theoretische und strategische Grundlage geben – das oberste Ziel war und ist die Überwindung der durch die Klassengesellschaft bedingten Selbstentfremdung des Menschen, darunter ordnen sich die Teilziele Propagierung der Aufklärung, Religionskritik, Kampf gegen die gesellschaftliche Macht der Kirchen, Kampf gegen ökonomische Ausbeutung, für politische Freiheit, Kultivierung eines Vereinslebens, das die Mitglieder geistig und kulturell erfüllt und ihnen Freundschaft und Geselligkeit bietet. Diese Ziele bleiben, aber auf welchem Weg wir den größten Beitrag zur Erreichung dieser Ziele leisten können, variiert in Abhängigkeit von äußeren Umständen. Es ändert sich mit dem gesellschaftlichen Bewußtsein, und dieses hängt von der allgemeinen Entwicklung der Menschheit ab. Es könnte scheinen, daß einige Ziele der Freidenkerbewegung hier in Westeuropa zu einem solch hohen Grad verwirklicht sind, daß wir geradezu überflüssig geworden sind: Die Rolle der Religion wird zusehends schwächer, und über naturwissenschaftliche Thesen wird selbst der Bildungsfernste schon vom Frühstücksfernsehen informiert. Aber dieser Schein trügt ganz gewaltig.

Ich will die Frage in einen historischen Zusammenhang stellen, der gerade das Thema dieser Konferenz betrifft. Mit der Entwicklung des Kapitalismus zum Imperialismus trat in den entwickelten kapitalistischen Ländern allmählich eine Degeneration der Arbeiterklasse ein, die Friedrich Engels in bezug auf England mit den Worten erklärte: „die Arbeiter zehren flott mit von dem Weltmarkts- und Kolonialmonopol Englands“. Der Klassenkampf begann sich in diesen Ländern tendenziell immer weniger darum zu drehen, den Kapitalisten einen Teil des selbst geschaffenen Produkts abzutrotzen, und immer mehr darum, mit ihnen um die Dividende der imperialistischen Ausbeutung zu feilschen. Nach dem Zweiten Weltkrieg verstärkte sich diese Tendenz noch weiter, da die innerimperialistischen Gegensätze langfristig eingefroren wurden, (wenn auch natürlich nicht absolut), und ein recht einheitlicher imperialistischer Block unter Führung der USA die Welt dominierte. Eine auf den ersten Blick ähnliche Tendenz läßt sich aber auch in vielen ausgebeuteten Ländern erkennen: Um unter den Bedingungen des Imperialismus überhaupt als Nationalstaaten existieren zu können, oder gar aktiv ihre Souveränität zu verteidigen, benötigen sie ein klassenübergreifendes nationales Bündnis. Auch hier liegt häufig eine Abschwächung des nationalen Klassenkampfes vor. Diese letztere Abschwächung ist aber ganz anderer Natur als die Abschwächung des Klassenkampfes in den imperialistischen Ländern. Während in den imperialistischen Ländern die Abschwächung ökonomisch bedingt ist und eine Degeneration des politischen Bewußtseins hin zum Individualismus mit sich bringt, ist sie in den ausgebeuteten Ländern politisch bedingt und wird von einer Hebung des Massenbewußtseins im Sinne einer nationalen und kollektivistischen Ideologie getragen. Dies ist sozusagen eine Gesetzmäßigkeit des Imperialismus, die natürlich nie in Reinform in Erscheinung tritt. Insbesondere die Existenz sozialistischer Länder ist hier der Einfachheit halber nicht berücksichtigt, macht das Gesagte aber nicht ungültig. Zum Begriff „Abschwächung“: Dieser Begriff ist nicht ganz glücklich und sollte wenn möglich durch einen besseren ersetzt werden. Gemeint ist, daß der Klassenkampf auf das ökonomische Feld beschränkt bleibt und nicht zu politischer Unruhe führt. Ein einfaches Beispiel bietet China: In China ist der Kapitalismus unstreitig die dominierende Wirtschaftsform. Es gibt daher in China auch Klassenkampf, der auch offen ausgetragen wird, einschließlich Streiks. Aber allen Beteiligten ist klar, daß die politische Stabilität des chinesischen Staates den unverrückbaren Rahmen für diesen rein ökonomischen Klassenkampf bilden muß. Kommt nun jemand und sagt: China ist kapitalistisch, ergo benötigt China eine neue sozialistische Revolution zur politischen Machtergreifung der Arbeiterklasse – solche Idioten machen sich objektiv zu sich superlinks fühlenden Lakaien des Imperialismus.

Offenbar berührt die Frage die Imperialismustheorie und die Frage, wie ein imperialistisches Land zu definieren ist. Es gibt Leute, die setzen stillschweigend die Definition voraus, daß ein großes kapitalistisches Land automatisch als imperialistisch anzusprechen ist und glauben sich dabei auf Lenin berufen zu können – allein, bei Lenin steht nichts dergleichen, es gibt eher Formulierungen, die darauf hindeuten, daß er eine solche Definition abgelehnt haben würde. Zu Lenins Zeit war es allerdings keine Streitfrage, welche Länder imperialistisch waren und die Notwendigkeit einer Definition wurde nicht gefühlt. Das ist heute anders. Für die Frage, ob ein bestimmtes Land als imperialistisch anzusehen ist, schlage ich wenigstens als ein Kriterium vor, ob in seine Politik vom nationalen Interesse oder von den Interessen des Finanzkapitals dominiert wird.

Es ist noch eine Erläuterung angebracht: Auch in den imperialistischen Ländern kann eine bewußte Wahrnehmung nationaler Interessen durchaus fortschrittlich sein. So sind alle Bestrebungen für einen deutschen NATO-Austritt und für die Verteidigung nationaler Souveränität gegen die EU fortschrittlich. Ja selbst in der imperialistischen Führungsmacht, den USA, sehe ich die Losung „America First“ als überwiegend fortschrittlich an, weil sie sich im Kern gegen die Aufgabe nationaler Interessen zugunsten des imperialistischen Bündnisgeflechts richtet. Würde ein solcher nationaler Standpunkt aber im Land bestimmend werden, würde er bald die eigentlichen Profiteure des Imperialismus bloßstellen und paradoxerweise die falsche, nur scheinbare nationale Einheit zerreißen.

Das Herausstellen des Gegensatzes zwischen einer degenerativen nationalen Einigung und einer fortschrittlichen nationalen Einigung erleichtert die Entscheidung, ob eine gesellschaftliche Erscheinung überwiegend fortschrittlich oder überwiegend reaktionär ist. Und ein für uns Freidenker naheliegender Anwendungsfall ist natürlich die Religion. Die Religion – und übrigens sogar ein-und-dieselbe Religion –  kann eine fortschrittliche oder reaktionäre Rolle spielen, je nachdem ob sie als wesentlich kollektivistische Ideologie nur zur Bemäntelung des degenerativen Individualismus dient, oder ob sie eine echte Quelle des Kollektivismus darstellt. Ja, selbst die religiöse Überzeugung eines einzigen Individuums kann beide Tendenzen aufweisen. Der Papst kann vormittags etwas fortschrittliches und nachmittags etwas reaktionäres tun. Wir sollten uns deutlich von der Auffassung abgrenzen, daß die Freidenker sich entscheidend durch ihre Gegnerschaft zur Religion definieren. Unsere Weltanschauung hat einen positiven Gehalt, sie bedarf nicht eines Gegenstücks, dessen Nichtsein sie wäre. Unsere kritische Erkenntnis der Religion als eines historisch bedingten, beschränkten und vergänglichen Phänomens darf uns nicht hindern, sie als langlebiges reales Phänomen zu respektieren und insbesondere ihre fortschrittlichen Äußerungsformen zu erkennen. Bei der Zusammenarbeit mit religiösen Kräften für fortschrittliche Zwecke sollten wir uns keinerlei Beschränkungen auferlegen. Wir sollten uns auch noch mehr für religiöse Mitglieder öffnen. Innere religiöse Überzeugung ist mit einer materialistischen Weltanschauung nicht grundsätzlich unvereinbar.

Der Übergang zur multipolaren Weltordnung, über den wir heute ausführlich gesprochen haben, wirkt sich auch auf das Betätigungsfeld der Freidenker aus.

Ich habe vorhin gesagt, daß es eine Gesetzmäßigkeit des Imperialismus ist, daß der nationale Klassenkampf sowohl in den imperialistischen als auch in den ausgebeuteten Ländern abgeschwächt wird, wobei es sich um zwei ganz verschiedene Arten von Abschwächung handelt. In der Tat ist es nun so, daß der Gegensatz zwischen imperialistischen und sich gegen den Imperialismus behauptenden Nationen nur die Transformation des Klassenkampfes auf einer größeren Bühne ist, die Hauptantagonisten sind die Monopolkapitalisten der imperialistischen Nationen und die werktätigen Massen der antiimperialistischen Nationen. Und deshalb ist es auch ganz richtig, in der gegenwärtigen Herausbildung der multipolaren Weltordnung einen revolutionären Prozeß zu sehen. An dieser Stelle ist es geboten, Wladimir Putin zu zitieren: „Der Westen ist nicht in der Lage, die Menschheit im Alleingang zu führen, versucht es aber verzweifelt, und die meisten Völker der Welt wollen sich das nicht länger gefallen lassen. Das ist der Hauptwiderspruch der neuen Epoche. Um es mit den Worten eines Klassikers zu sagen, die Situation ist gewissermaßen revolutionär: die oben können nicht mehr, und die unten wollen nicht mehr.“

Die oben können nicht mehr, sie wollen aber ja noch. Und dieser unfreiwillige Abgang des Imperialismus von der Weltbühne gestaltet sich sehr unangenehm.

Immer weitere Eskalation in der Ukraine, beispielloser Wirtschaftskrieg, Dauerpropaganda, Gleichschaltung von Staat und Medien, Kriminalisierung von Protest. Wobei alle diese Dinge in irgendeiner Form schon vor Jahren begonnen wurden, aber seit letztem Jahr treten ihre faschistischen Tendenzen klar zutage. Und das erfordert, unser Selbstverständnis als antifaschistische Organisation zu erneuern und den antifaschistischen Kampf auf die zeitgemäßen Erscheinungsformen des Faschismus und seiner Vorstufen zu fokussieren. Dies schließt auch den Kampf gegen den Pseudoantifaschismus ein, der eine Herrschaftsideologie ist.

Es ist klar, daß ein Freidenkerverband sich selbst bis zur völligen Handlungsunfähigkeit lähmen würde, der in seiner Mitgliedschaft einen Ausgleich zwischen diametral gegensätzlichen Ansichten zum Krieg im Donbass herstellen wollte. In dieser Frage müssen wir unverrückbar unsere Position vertreten, auf die Gefahr hin, daß Einzelne uns verlassen – was nach unserer Erfahrung im Deutschen Freidenker-Verband keine bedeutende Rolle spielt und durch die Menschen, die gerade wegen unserer klaren Positionierung neu zu uns kommen, mehr als aufgewogen wird.

Wir lassen es uns auch nicht nehmen, die grüne Partei als Speerspitze der Kriegspolitik und Faschisierung herauszustellen und zu bekämpfen, und wir wirken mit bei der Propagierung der Losung „Wer Grün wählt, wählt den Krieg“.

Der Kampf für Meinungsfreiheit ist gerade akut notwendig, wo Politik und Staatsanwaltschaften versuchen, kritische Meinungsäußerungen zum Krieg zwischen Rußland und der Ukraine als „Billigung von Straftaten“ zu verfolgen. In einigen Fällen hielt dieser Vorwurf vor Gericht nicht stand, es soll wohl hauptsächlich Angst gemacht werden. Ich sagte neulich beim Unsterblichen Regiment: „Seien wir lieber jetzt mutig, solange uns nur Geld- oder Gefängnisstrafen drohen, bevor Widerstand wieder lebensgefährlich ist“. Es ist aber überhaupt der Skandal anzuprangern, daß eine Meinungsäußerung über einen Krieg zwischen zwei fremden Ländern strafbar sein soll, das ist eine eklatante Verletzung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung, das wir verteidigen müssen.

Es wäre also eine Illusion zu glauben, daß man die Freidenkerbewegung zusammenhalten könnte, indem man um die heiklen, historisch entscheidenden Fragen einen Bogen macht – nein, damit führt man die Bewegung nur der Bedeutungslosigkeit entgegen. Es gibt aber durchaus Fragen, zu denen man sich indifferent verhalten kann und über die man den internen Streit aushalten muß. Das sind oft gerade die Fragen mit dem größten Spaltungspotenzial. So kann in unserem Verband offen darüber diskutiert werden, wie gefährlich ein bestimmtes Virus ist und welche politischen Maßnahmen dagegen ergriffen werden sollten oder nicht ergriffen werden dürfen. Auch über die wissenschaftliche Hypothese der menschengemachten Erderwärmung haben wir entgegengesetzte Positionen. Nicht daß ich der Meinung wäre, es gäbe keine oder mehrere Wahrheiten – aber es herrscht nun einmal Streit darüber, was die Wahrheit ist, und hier handelt es sich um Fragen, in denen die Toleranz gegenüber gegensätzlichen Positionen den Verband zusammenhält und stärkt. Ich unterstreiche, was Guy Dawson vorhin (in bezug auf die Coronapolitik) gesagt hat: Das schlimmste war die Spaltung! Ja, auch ich habe meine Meinung darüber, ob das Virus oder die Maßnahmen mehr Opfer gefordert haben, aber was unseren Verband auszeichnet, ist, daß man bei uns miteinander reden kann, auch wenn man hierzu gegensätzliche Positionen hat, während anderswo Familien darüber zerrissen sind. Jeder zog sich in seine jeweilige Blase zurück, niemand wollte sich die Denkweise der jeweils anderen auch nur anhören. Daß wir es geschafft haben, uns dieser Spaltung zu widersetzen, war eine Leistung, die sich gelohnt hat.

Ich weise vorsichtshalber darauf hin, daß ich hier keinen Anspruch auf vollständige Aufzählung aller Aufgaben der Freidenkerbewegung erhebe, und ich die Aufgaben, die ich nicht genannt habe, nicht etwa für gegenstandslos halte. Selbstverständlich bleiben Aufgaben wie Interessenvertretung nichtreligiöser und  – wie es in Deutschland heißt – Konfessionsfreier, Forderung der Trennung von Staat und Kirche, Weiterentwicklung weltlicher Fest- und Trauerkultur und manches andere bestehen. Nur sollte es nie isoliert betrieben werden, man muß von der Welt, in der es geschieht, ein deutliches Bild haben.

Ich bin überzeugt, daß die Freidenkerbewegung, wenn sie den genannten Aufgaben gerecht wird und sich ein zeitgemäßes Selbstverständnis aneignet, in der gegenwärtigen Umbruchphase eine wichtige Rolle spielt und erheblich an Bedeutung und Größe gewinnen wird.

Sebastian Bahlo ist Vorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbandes

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Bild oben: Klaus Hartmann, Präsident der Weltunion der Freidenker während seiner Rede auf dem Kongress der Weltunion der Freidenker