„Rechtsstaat“ – Eine Bilanz nach 20 Jahren
Aus: „Freidenker“ Nr. 2-10 Juli 2010, S. 22-27, 69. Jahrgang
Von Erich Buchholz
Die Freidenker und ihre verschiedenen Vorläufer, so die Aufklärer, gehörten stets zu den aufgeschlossenen progressiven Kräften der Gesellschaft. Das war in der DDR nicht anders, unabhängig von einer Einbindung in politische Parteien oder Organisationen.
Viele von ihnen erkannten – oder erahnten – im Laufe des Jahres 1990 immer deutlicher, was mit der von Bonn angezielten Annexion der DDR auf die DDR-Bürger zukommen würde.
Zwei Jahrzehnte nach dem maßgeblichen Datum des „Beitritts“ der DDR „zum Geltungsbereich des Grundgesetzes für die Bundsrepublik Deutschland“, dem 3. Oktober 1990, darf Bilanz gezogen, was dieser Anschluss an die BRD, für die Bürger der DDR, auch die dortigen Freidenker, brachte.
Soweit in diesem Jahre dazu von maßgeblichen Kräften der BRD, auch Medien, Meinungsumfragen oder soziologische Teiluntersuchungen vorgelegt werden, um den Beitritt zu feiern, ist über die politische Absicht hinaus der sie beherrschende Subjektivismus der Befragten und der Interviewer nicht zu übersehen. Auch soweit es sich nicht bloß um primitive Hetze gegen die DDR handelt, tun Freidenker gut daran, solchem Material mit gebührendem Vorbehalt und mit Skepsis zu begegnen.
Demgegenüber vermag der Jurist eine objektive, über jeden Zweifel erhabene und jederzeit nachweisbare Bilanz vorzulegen, da er die geschriebenen, für jedermann nachlesbaren Gesetze, vor allem den Wortlaut des Grundgesetzes (GG) und der Verfassung der DDR zum Ausgangspunkt seiner Untersuchung machen kann. Hier geht es darum, welche Rechte, vornehmlich welche Grundrechte die DDR-Bürger bis zum 3.10.1990 hatten und auch nach diesem Tage noch behielten, welche sie nicht mehr haben, und welche sie mit diesem Tage erlangten.
All dies wurde im Einzelnen in meinem in diesem Jahre im Wiljo Heinen-Verlag erscheinenden Büchlein untersucht; es ist dort nachlesbar. Hier kann nur ein knappes Resumée wiedergegeben werden. Danach ist Folgendes als sicher festzustellen:
Grundrechte
Politische und Bürgerrechte haben die DDR-Bürger durch den Beitritt nicht gewonnen, die diese Grundrechte betreffenden Bestimmungen in den Artikeln 2 – 17 GG und in der DDR-Verfassung von 1968 stimmen substantiell überein.1 Daher ist auch kein Verlust bei den Grundrechten eingetreten.
Dabei muss ich aber betonen, dass das umfassende Freiheitsrecht des Art. 2 GG und das Recht der freien Berufswahl nach Art. 12 GG mangels hinreichender finanzieller Voraussetzungen für die „Neu-Bürger“ keine praktische Bedeutung erlangen konnten (wie das die meisten „Alt-Bürger“ schon länger kennen).
Demgegenüber sind massenhafte Rechtsverluste festzustellen: Als erstes nenne ich den Verlust des umfassenden Grundrechts der politischen Mitwirkung in Staat und Gesellschaft gemäß Art. 21 und die weitreichenden Rechte der Gewerkschaften in den Art. 44/45 der DDR-Verfassung.
Demgegenüber reduziert sich die viel gepriesene Demokratie der BRD erklärtermaßen auf eine „repräsentative Demokratie“, unter prinzipieller Ablehnung einer unmittelbaren Demokratie, demgemäß auch von Volksentscheiden auf Bundesebene.2
Diese Demokratie beschränkt sich – im Gegensatz zu der in der DDR allüberall erlebbar gewesenen Demokratie (ob am Arbeitsplatz, in den Wohngebieten, bei der Vorbereitung von Beschlüssen der Volksvertretungen, insbesondere von für den Alltag der Bürger wichtigen Gesetzen) nach dem GG darauf, dass die Bürger alle vier Jahre die ihnen von den politischen Parteien präsentierten Kandidaten wählen dürfen.3
Mit der Stimmenabgabe erschöpfen die Bundesbürger ihr Wahlrecht – bis zur nächsten Wahl zum Bundestag!4
In der BRD besteht somit bestenfalls eine „Parteiendemokratie“. Demgegenüber waren in der DDR nicht nur Vertreter politischer Parteien, sondern auch solche zahlreicher demokratischer Organisationen (vom FDGB bis zum Kulturbund) wählbar; die Kandidaten wurden in Volksversammlungen auf „Herz und Nieren“ geprüft; ihnen konnten Wähleraufträge erteilt werden, über deren Erfüllung sie Rechenschaft abzulegen hatten.
Soziale Menschenrechte
Schwerwiegend sind vor allem die Verluste sämtlicher sozialer, ökonomischer und kultureller Menschenrechte, die als Grundrechte von der DDR Verfassung garantiert waren: sie fallen letztlich auch materiell – finanziell enorm ins Gewicht.
Zu diesen Grundrechten gehörten
als erstes das Recht auf Arbeit (einschließlich gesicherten Arbeitsplatzes und Lohnes), das die DDR-Bürger vor massenhafter und permanenter Dauerarbeitslosigkeit bewahrte;
zweitens das Recht auf (praktisch kostenlose) Bildung, und zwar allgemeiner wie auch beruflicher Ausbildung,
das Recht auf unentgeltliche Versorgung bei Krankheit, Unfall, Invalidität und im Alter,
das Recht auf (sicheren, bezahlbaren) Wohnraum
und andere mehr.
Angedeutet sei hier nur, dass der dauerhafte Verlust dieser Grundrechte in alle überschaubare Zukunft – inzwischen über 20 Jahre – sich für jeden einzelnen DDR-Bürger in einer erheblichen Größenordnung auswirkt (mehrere 1000 Euro€ im Durchschnitt wären nicht zu hoch gegriffen); für die DDR-Bürger insgesamt dürfte von finanziellen Einbußen in Milliardenhöhe zu sprechen sein. So sieht die Wirklichkeit der seinerzeit von Kohl versprochenen „blühenden Landschaften“ aus!
Darüber hinaus verloren die Bürger ihre bürgernah und bürgerfreundlich, verständlich und nachvollziehbar gestalteten Gesetze. An deren Stelle traten ganz überwiegend Gesetze und Gesetzbücher aus der Kaiserzeit – teilweise etwas modernisiert.
Besonders deutlich ist der Verlust der DDR-Gesetze auf den Gebieten des Arbeits-, des Wohnungsmiet- und des Familienrechts.
Bereits am 1. Mai 1950 (wenige Monate nach der Gründung der DDR) war ein maßgeblich von den Gewerkschaften vorbereitetes Arbeitsgesetzbuch erlassen worden; später folgten aktualisierte Gesetzbücher; alle waren beispiellos arbeitnehmerfreundlich.
Die BRD hat bis heute kein Arbeitsgesetzbuch. Zwangsläufig dominieren deshalb im bundesdeutschen Arbeitsrecht Unübersichtlichkeit, Zersplitterung und Richterrecht; letztlich Zufall und Ungewissheit im Prozess.
Die von diesem Mangel Betroffenen sind die (ökonomisch schwächeren) „Arbeitnehmer“, davon profitieren die (ökonomisch stärkeren) „Arbeitgeber“. Die DDR-Bürger als Arbeitnehmer fielen aus einem für sie beispiellos guten Recht in große Rechtlosigkeit.
Auch das Zivilgesetzbuch (ZGB) mit einem besonders ausgewiesenen Wohnungsmietrecht, war als Ganzes außerordentlich bürgerfreundlich, das Wohnungsmietrecht ohne Beispiel mieterfreundlich.
Gemäß der bereits durch die Verfassung von 1949 gewährleisteten Gleichberechtigung der Frau und der Gleichstellung von ehelichen und unehelichen Kindern wurde – gemeinsam mit den Bürgern – schrittweise ein sehr fortschrittliches Familienrecht gestaltet.
Justizsystem
Dem entsprach ein bürgerfreundliches Justizsystem5. Die (staatlichen) Gerichte in der DDR waren Gerichte des Volkes (die Richter wurden gewählt); die Urteile wurden tatsächlich „Im Namen des Volkes“ gesprochen. Darüber hinaus sprachen Gesellschaftliche Gerichte Recht; die Bürger waren in vielen Formen am Wirken der Justiz beteiligt, um Rechtsstreitigkeiten und Rechtsverletzungen samt den sie bedingenden sozialen Ursachen dauerhaft zu lösen.
Das Justiz- und Rechtswesen in der DDR war auch deshalb so bürgerfreundlich, weil die anfallenden Kosten außerordentlich gering waren. Nun fielen die DDR-Bürger unter ein bürgerfeindliches, undurchsichtiges, kompliziertes und unverständliches Rechts- und Justizsystem, das in seinen Grundzügen aus der Kaiserzeit stammt.
Infolge der großen Unübersichtlichkeit und Unverständlichkeit dieses Rechts muss-ten und müssen sich die DDR-Bürger, um nicht völlig rechtlos zu bleiben, die Unterstützung eines Rechtsanwalts erkaufen. Sie werden nun von einer Kostenlawine in Gestalt der Gerichtskosten und der Anwaltsgebühren überrollt.
So haben sie für den Beitritt „Sonderopfer“ zu erbringen. Der Rückfall in eine weit zurückliegende Vergangenheit im Gefolge des Anschlusses an die BRD ist für die DDR-Bürger besonders krass. Es handelt sich um einen in der Rechtsgeschichte einmaligen Rückfall.
Staat und Kirche
In einem Beitrag für eine Zeitschrift der Freidenker ist die augenfällige Tatsache hervorzuheben, dass die in Jahrhunderten erkämpfte Trennung von Staat und Kirche durch die Wiedereinführung der unheiligen Allianz von „Thron und Altar“6 rückgängig gemacht wurde.
In der DDR hatten sich die beiden christlichen Großkirchen gemäß alten Forderungen der Arbeiterbewegung7 auf den ihnen als Glaubensgemeinschaft zukommenden normalen Platz in der Gesellschaft zurückgezogen.
Gem. Art. 49 der DDR-Verfassung hatte jeder Bürger das Recht, sich zu einem religiösen Glauben – und zwar nicht nur zu einem christlichen! – zu bekennen und sich in Religionsgemeinschaften zusammenzuschließen. Diese durften ihre Angelegenheiten in Übereinstimmung mit der Verfassung und den gesetzlichen Bestimmungen der DDR selbst ordnen – und zwar auch, wie ihre Mitglieder Beiträge für ihre Religionsgemeinschaft entrichten.8
Für uns Freidenker und andere Bürger, die sich nicht zum christlichen Glauben bekennen, ist der Vorgang des Herbstes 1990 besonders bösartig. In dem riesigen, mehr als 1000 Seiten umfassenden Paket des Ei-nigungsvertrages (EV) verpackt, wurde auch ein Kirchensteuergesetz der DDR untergeschoben, so dass mit der Beschlussfassung über den EV auch dieses Gesetz – ohne den normalen parlamentarischen Gesetzgebungsweg durchlaufen zu haben, in Kraft trat.9
Erinnern wir uns: Als am 20. September 1990 – keine zwei Wochen vor dem Vollzug des Beitritts! – das Gesetz zum EV in der Volkskammer zur Abstimmung stand, hatten deren Abgeordnete nach dem von Bonn diktierten Procedere nur die Möglichkeit, dem EV en bloc zuzustimmen oder dagegen oder sich der Stimme zu enthalten. Eine Erörterung des Kirchensteuergesetzes – wie auch anderer im Paket des EV eingepackter Gesetze – war absolut unmöglich.
Die Problematik und die Gemeinheit dieses Kirchensteuergesetzes der DDR, das sich nur auf solche „Religionsgesellschaften“ bezieht, die – nach bundesdeutschem Recht (!)10 – „Körperschaften des öffentlichen Rechts“ sind,11 gegenüber den DDR-Bürgern bestanden nicht nur in dieser extrem undemokratischen Art der Gesetzgebung, sondern auch darin, dass DDR-Bürger, die keiner der beiden christlichen Großkirchen angehörten, nach den Vorschriften dieses Kirchensteuergesetzes12 grundlos finanziell belastet wurden.
Wie in der BRD usus übernahm der Staat – in Gestalt seiner Finanzämter – für Fremde, für die Kirchen, kostenlos eine behördliche Dienstleistung mit allen steuerrechtlichen Konsequenzen13 zu Lasten der Bürger.
Hinzu kam, dass bezüglich der Kirchensteuerzahlungspflicht eine Umkehr der Beweislast eingeführt wurde.
Normalerweise haben Vereinigungen die Nachweispflicht dafür, dass jene, von denen man Geld haben möchte, diesem Verein rechtskräftig beigetreten und nicht rechtskräftig ausgetreten sind.
Nach dem Kirchensteuergesetz ist es faktisch umgekehrt: Der Bürger muss nachweisen, dass er in einem traditionell christlichen Land14 keiner der beiden (christlichen) Großkirchen angehört.
Da viele DDR-Bürger (und erst recht ihre Kinder) niemals einer dieser beiden Großkirchen angehört hatten, besaßen sie selbstverständlich keine Urkunde, keinen Beleg über einen Austritt aus der Kirche. Kraft des EV gerieten aber alle DDR-Bürger unter die Vermutung (Generalverdacht?), „der Kirche“ anzugehören oder – irgendwann einmal – angehört zu haben.
Tatsache ist, dass viele DDR-Bürger durch dieses Kirchensteuergesetz eine Menge von Problemen und Kosten hatten, um gegen die Unterstellung Kirchenmitgliedschaft angehen zu können. Ja, sogar arbeitslos Gewordenen wurde und wird automatisch Kirchensteuer abgezogen, ein Versuch, sich dagegen gerichtlich zur Wehr zu setzen, schlug fehl.
Diese völlig undemokratische und abartige Gesetzgebung ist ein besonders eklatantes Beispiel für die wiedererstandene unheilige Allianz von Altar und Thron, der die DDR-Bürger ungefragt diktatorisch unterworfen wurden. Wir haben es – muss man aussprechen – gegenüber den DDR-Bürgern mit einer spezifischen „Bestrafung“ derjenigen zu tun, die es gewagt hatten, nicht einer der beiden christlichen Großkirchen anzugehören oder angehört zu haben.
Demgegenüber erleben wir seit 1990, ebenfalls auch zulasten der DDR-Bürger, eine beispiellose Privilegierung dieser beiden christlichen Großkirchen durch den Staat. Dass die Medien über die Kirchen in einem völlig unverhältnismäßigen Umfang berichten, als wären fast alle Bürger dieser Republik gläubige Christen, rundet das Bild ab. Wir DDR-Bürger sind im Gefolge der Annexion unseres Staates genötigt, in einem de facto christlichen Religionsstaat zu leben!
Schule und Kirche
Ein weiteres Beispiel für den ganz massiven historischen Rückfall in die Kaiserzeit ist im Bereich des Schulwesens festzustellen. Das GG und die Bundesrepublik haben beim Schulwesen nicht an die Errungenschaften der Weimarer Republik und ihrer Verfassung angeknüpft.
Zwar werden im Grundgesetz bezüglich der Religionsgemeinschaften durch Art. 140 die einschlägigen Bestimmungen der Weimarer Verfassung (Art. 136 – 139 sowie 141)15 wiederholt und deren Geltung unter dem Grundgesetz bekräftigt. Mehr aber auch nicht!
In der DDR war gemäß dem Prinzip der Trennung von Staat und Kirche und der Gewährleistung der Glaubensfreiheit im Art. 39 unsrer Verfassung selbstverständlich, dass Religionsunterrichts nach Belieben von den kirchlichen Gemeinschaften außerhalb der Schule in den Räumen der Kirche durchgeführt werden konnte und wurde. Diese den Ideen der Aufklärung gemäße Selbstverständlichkeit war in der DDR Realität.
Nun wurde wieder ein System eingeführt, das aus der Kaiserzeit stammt; denn die Weimarer Republik hatte ausdrücklich weltanschauliche Schulen zugelassen und arbeiten lassen, bis die Nazis sie 1933 verboten.
Der praktizierte (christliche) Religionsunterricht wird ja nicht als Lehre über Religionen, ihre Entstehung und die Religionsgeschichte durchgeführt, sondern als „Christenlehre“, als Glaubenslehre, als Verbreitung eines Glaubens. Dergleichen „Lehre“ kann niemals Gegenstand eines wissenschaftlich begründeten Unterrichts sein und hat daher an staatlichen Schulen nichts zu suchen.
Wird er dort zugelassen, ist dies der Beweis, dass dieser Staat ein (christlicher) Religionsstaat ist!
Das GG selbst erklärt sich dazu nicht! Verschämt übernimmt es aus der Weimarer Reichsverfassung (per Art. 140 GG) den Art. 137 Abs. 1 mit der klaren Aussage: „Es besteht keine Staatskirche.“
In namhaften Kommentaren ist zu lesen: „Das Verhältnis von Staat und Kirche steht in einer spezifisch deutschen16 geschichtlichen Kontinuität. Es ist nicht durch strikte Trennung und Indifferenz (Laizismus), sondern durch eine ‚balancierte Trennung‘ gekennzeichnet.“ Das lasse Raum für „wechselseitige Zugewandtheit“ und Kooperation!
Wie auch bei anderen bundesdeutschen juristischen Aussagen in Gesetzen und Richtersprüchen werden klare Worte vermieden. Man scheut sich, im 21. Jahrhundert zuzugeben, welchen ganz offiziellen Einfluss „die Kirche“, d. h. die beiden christlichen Großkirchen, im Staat und auf ihn hat!
Im Schulwesen gilt in den Ländern Bremen und Berlin, die damals am 1.1.1949 eine andere Regelung hatten, die Ausnahmeregelung des Art. 141, die sog. Bremer Klausel; nur in diesen – aus der Reihe tanzenden – beiden Ländern ist Religionsunterrichts kein ordentliches Lehrfach.
Im Übrigen ist in der BRD nach Art. 7 Abs. 3 GG Religionsunterricht in öffentlichen Schulen (mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen) ordentliches Lehrfach! Das muss man sich im einundzwanzigsten Jahrhundert vor Augen führen! Der Rückfall in die Vergangenheit, die Kaiserzeit ist unübersehbar.
Der Rückfall kommt auch darin zum Ausdruck, dass Art. 7 Abs. 4 GG das Recht zur Errichtung von privaten Schulen ausdrücklich gewährleistet.
Auch ohne besondere soziologische Analyse liegt auf der Hand, dass Schüler privater Schulen solche sind, deren Eltern diesen besonderen, kostspieligeren Schulbesuch zu bezahlen vermögen; die private Schule dient als solche der Aufrechterhaltung der sozialen Unterschiede und Gegensätze.
Lediglich die Vorschulen der Kaiserzeit, d. h. jener Schulen, die privilegierte Kinder an Stelle der Volksschulen unmittelbar zum Gymnasium oder gleichgestellten höheren Lehranstalten führen, bleiben, wie bereits durch die Weimarer Verfassung abgeschafft.
Es ist daher festzustellen:
Über den enormen Rechtsverlust für alle DDR-Bürger hinaus, der einen gravierenden Rückfall in die Kaiserzeit markiert, haben die Freidenker der DDR und alle nicht an die Religionen der beiden christlichen Großkirchen gebundenen Bürger des Beitrittsgebietes zusätzliche gravierende Nachteile und Verluste im Gefolge der Annexion der DDR durch die BRD erlitten.
Müssen wir Freidenker nun an unsere Bestrebungen und Kämpfe der Kaiserzeit anknüpfen, um wenigstens das zu erreichen, was uns schon Weimar bot?
Prof. Dr. Erich Buchholz war erster Berliner Landesvorsitzender des Verbandes der Freidenker der DDR und ist Mitglied des DFV Berlin
Anmerkungen
1 Natürlich ist die Zuordnung und Einbindung der betreffenden Grundrechte unterschiedlich wie auch die Terminologie.
2 Nach Art. 29 GG sind auf Bundesebene Volksentscheide nur in Fällen der Neugliederung des Bundesgebietes, wenn es um Länder geht, vorgesehen.
3 Die dann gewählten Abgeordneten sind nach Art. 38 GG nicht an Aufträge gebunden, auch nicht an solche ihrer Wähler, und nur ihrem Gewissen(!!?) unterworfen.
4 Sie geben ihre Stimme im Wahllokal wie einen Mantel an der Garderobe ab. (Tucholski).
5 Näheres dazu siehe in „Justizsystem“, ebenfalls im Wiljo Heinen-Verlag 2010.
6 Die Stelle des „Thrones“ von Kaisern und Königen haben vornehmlich CDU-Kanzler, jüngst eine Pfarrerstochter als Kanzlerin, eingenommen.
7 Ich nenne hier nur das Erfurter Programm der SPD von 1891.
8 Dabei darf nicht vergessen werden, in welchem erheblichen Umfang der Staat DDR finanzielle Aufwendungen für die Kirchen erbrachte, für den Wiederaufbau ihrer durch den Krieg zerstörten Kirchen, für die Ausbildung von Theologen usw.
9 Dieses Gesetz ist wie auch einige andere Gesetze – nicht in einem ordnungsgemäßen gesetzgeberischen parlamentarischen Verfahren vorbereitet worden, sondern den Abgeordneten der letzten Volkskammer buchstäblich untergeschoben worden. Dieses Gesetz war also überhaupt kein Gegenstand parlamentarischer Aufführung, wurde aber in Kraft gesetzt.
10 Auch in dieser Vermischung der Rechtsordnungen der DDR und der BRD kommt die Ungeheuerlichkeit dieses Gesetzes zum Ausdruck: In einem Gesetz der Noch-DDR werden elementare Begriffe des bundesdeutschen Rechts zur Grundlage der weiteren Regelungen genommen!
11 Außer den beiden christlichen Großkirchen werden auch die „jüdischen Kultusgemeinden“ dazu gerechnet.
12 Dazu gehört z. B. auch die gesetzliche Verpflichtung des „Arbeitgebers“ zur Einbehaltung und Abführung der Kirchensteuer ihrer „Arbeitnehmer“ an die Finanzämter. Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten wurde durch § 14 zugelassen. Nach § 20 war dieses Noch-DDR-Gesetz ab 1.1.1991 zu vollziehen!
13 Bei einer „Steuer“ – die nicht nur ein nach dem Privatrecht BGB) zu entrichtender Mitgliedsbeitrag ist – unterfällt der Bürger allen Konsequenzen einer Verletzung des Steuerrechts, etwa im Fall des Verschweigens steuerlich erheblicher Angaben, ggfs. einer steuerrechtlichen Strafbarkeit.
14 Wovon die Präambel des GG mit dem christlich motivierten Einleitungssatz „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott“ ( Allah und andere Götter anderer Religionen sind ja offensichtlich nicht gemeint!) ausgeht.
15 Der ausgelassene Art. 140 der Weimarer Reichsverfassung lautet: „Den Angehörigen der Wehrmacht ist die nötige freie Zeit zur Erfüllung ihrer religiösen Pflichten zu gewähren.“
16 Die DDR, die insoweit nur die Forderungen der deutschen Arbeiterbewegung verwirklichte, ist also nicht deutsch; sie wurde ja stets als etwas Fremdes am deutschen Volkskörper desavouiert!
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