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Bank des Südens – Alternative zu Weltbank und IWF

Aus: Freidenker Nr. 4-07 Dezember 2007   66. Jahrgang – Thema, S. 29-30

Von André Scheer

 

Wem gehört die Welt? Sicherlich nicht internationalen Finanzinstitutionen wie Internationalem Währungsfonds und Weltbank. Aber diese gehören zu den wichtigsten und bekanntesten Machtinstrumenten des internationalen Finanzsystems – auch globalisierter Kapitalismus genannt – , deren offizielle Aufgabe es ist, für Wirtschaftsstabilität und Entwicklung zu sorgen, die aber gleichzeitig durch Auflagen und ihre Position als Gläubiger Druck ausüben können, damit vor allem die Entwicklungsländer nicht vom neoliberalen Weg abweichen.

Durch diese Funktion gerieten IWF und Weltbank bereits in früheren Jahrzehnten in die Kritik der fortschrittlichen Bewegung, lange bevor das Wort von der Globalisierung in Mode kam, das mehr verschleiert als erklärt. So war es kein Wunder, dass gerade große Teile der globalisierungskritischen Bewegung geradezu begeistert reagierten, als Venezuelas Präsident Hugo Chávez Anfang des Jahres ankündigte, dass sein Land aus dem IWF austreten werde. Auch wenn der Austritt Venezuelas aus dem IWF zunächst „suspendiert“ wurde, um vorher damit zusammenhängende Fragen klären zu können, machte schon die Ankündigung die Richtung deutlich, die Venezuelas sozialistische Regierung anstrebt.

Trotzdem reagierten viele mit Skepsis, als etwa zur gleichen Zeit Chávez und sein argentinischer Amtskollege Néstor Kirchner (der mittlerweile von seiner Frau, Cristina Fernández de Kirchner, abgelöst wurde) mit dem Vorschlag einer „Bank des Südens“ an die Öffentlichkeit traten. In vielen – auch fortschrittlichen – Medien wurden Zweifel laut, ob es gelingen könnte, die unterschiedlichen Interessen der Länder Südamerikas in der Frage des Finanzwesens unter einen Hut zu bringen. Mit der Bank des Südens reagierten die beiden Staatschefs auf die Erfahrungen, die gerade Argentinien, aber auch andere Länder Lateinamerikas mit IWF und Weltbank machen mussten. Kredite dieser internationalen Finanzinstitutionen waren praktisch immer an Bedingungen geknüpft, die eine immer weitere Zerstörung des in der Region ohnehin kaum vorhandenen Sozialstaates bedeutete. Besonders die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen führte in vielen Ländern zu einer immer dramatischeren Verelendung der Bevölkerung, Argentinien wurde durch die Auflagen von IWF und Weltbank sogar in einen regelrechten Bankrott getrieben.

Für Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul ist das jedoch kein Grund, diese beiden Institutionen in Frage zu stellen. Sie sieht durch Alternativen wie die Bank des Südens soziale und ökologische Standards gefährdet, die sie ausgerechnet durch IWF und Weltbank gewahrt sieht. Dem Berliner „Tagesspiegel“ sagte sie: „Meine Befürchtung ist, dass Standards und Safeguards insbesondere für große Infra-strukturinvestitionen im Umwelt- oder sozialen Bereich möglicherweise gelockert oder missachtet werden“. Als wenn IWF und Weltbank, deren Diktat für die Ministerin nur ein „behauptetes angebliches“ ist, Garanten für Umwelt und Soziales seien.

Zwar teilen nicht alle Länder Lateinamerikas die scharfe Kritik Venezuelas an IWF und Weltbank, aber von der Notwendigkeit einer Alternative zu diesen Institutionen sind trotzdem immer mehr Regierungen überzeugt. Gründungsmitglieder der Bank des Südens sind deshalb neben Venezuela und Argentinien auch Brasilien, Ecuador, Uruguay, Paraguay und Bolivien. Sogar der Hauptverbündete der USA in Südamerika, Kolumbien, hat sein Interesse an einem Beitritt zur neuen Finanzinstitution erklärt. Die Bank des Südens ist dabei kein isoliertes Projekt, sondern reiht sich ein in eine Vielzahl von Initiativen zur Integration und Zusammenarbeit Lateinamerikas, die meist von Venezuela ausgegangen sind. Zunehmend werden auch noch zögernde Regierungen von den sozialen Bewegungen ihrer Länder unter Druck gesetzt, sich diesen Initiativen anzuschließen.

So begrüßen die Kichwa-Indígenas aus Ecuador den gemeinsamen Bau einer Erdölraffinerie durch Venezuela und Ecuador in Manabí und werten ihn als „wichtigen Schritt zur Einheit der lateinamerikanischen Völker“. Durch die neue Raffinerie müsse Ecuador nicht mehr Rohöl exportieren und Erdölprodukte importieren. Die so gesparten Gelder könnten stattdessen in Gesundheit, Bildung und für die Kleinproduzenten investiert werden. „Die Energieeinheit ist ein weiterer Schritt auf dem Weg der regionalen Integration. Wir unterstützen und fordern den Einsatz aller Kräfte für die wirtschaftliche, politische und kulturelle Einheit der Völker durch die Bolivarische Alternative für Amerika (ALBA), die Bank des Südens, die Bank für Soziale und Wirtschaftliche Entwicklung (BANDES) und die Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR). Diese Projekte erlauben es, die Abhängigkeit von den traditionellen internationalen Organisationen hinter uns zu lassen, zu denen IWF und Weltbank gehören, die mit ihrer neoliberalen Politik vor allem in den vergangenen 30 Jahren soviel Armut und Elend geschaffen haben.“

Die große Unterstützung für die Bank des Südens könnte sich mittelfristig aber auch als Problem erweisen, denn noch ist nicht konkret definiert, wie die neue Institution agieren soll. Bislang definiert sich die Bank des Südens negativ in Abgrenzung zu den traditionellen Finanzinstitutionen. Ob und wie es gelingt, einen Konsens zwischen politisch so gegensätzlich ausgerichteten Regierungen wie der von Venezuela und der von Kolumbien zu erreichen, bleibt abzuwarten.

 André Scheer, freier Journalist,
ist aktiv in der Solidaritätsarbeit für Venezuela
und Mitglied des DFV Berlin.


Bild: Rafael Correa (Präsident von Ecuador), Evo Morales (Präsident von Bolivien), Néstor Kirchner (Präsident von Argentinien und Generalsekretär der UNASUR), Cristina Fernández de Kirchner (gewählte Präsidentin von Argentinien), Luiz Inácio Lula da Silva (Präsident von Brasilien), Nicanor Duarte Frutos (Präsident von Paraguay) und Hugo Chávez (Präsident von Venezuela) anlässlich der Unterzeichnung des Gründungsvertrages der Bank des Südens in Argentinien.
Quelle: Von Presidencia de la Nación Argentina, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3207703