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Die USA haben den US-amerikanischen Journalisten Gonzalo Lira in der Ukraine verrecken lassen

Gonzalo Lira ist in ukrainischer Haft gestorben, nachdem er monatelang nicht medizinisch behandelt wurde. Die US-Regierung hat keinen Finger für ihn gerührt und die westlichen Medien haben nicht über ihn berichtet, da seine politische Linie der US-Politik widersprach. Das ist ein weiteres Beispiel für die Doppelmoral des Westens

von Anti-Spiegel (d.i. Thomas Röper)

Erstveröffentlichung am 14.01.2024 auf anti-spiegel.ru

Der US-amerikanische Journalist Gonzalo Lira lebte in der Ukraine und hat mit Beginn der russischen Intervention im Februar 2022 sehr kritisch über die Zustände in dem Land berichtet. Dabei hat er das ukrainische Selensky-Regime heftig kritisiert, weil es die Visapflicht für ausländische Söldner abgeschafft, Gefangene freigelassen und Waffen an alle verteilt hat, die welche haben wollten. Lira sagte damals in einem Video:

„Ich glaube, das Selensky-Regime ist verrückt geworden. Ich bin jetzt auf dem Maidan und habe Angst, nicht von den Russen, sondern von den Verbrechern erschossen zu werden, die Selensky in Kiew bewaffnet hat. Ich bin sehr wütend, diese Idioten stiften Chaos“

Gonzalo Lira wurde immer wieder verhaftet

Im April 2022 wurde er vom ukrainischen Geheimdienst verhaftet, aber der hatte damals anscheinend noch Angst, die USA zu verärgern und hat Lira wenige Tage später wieder freigelassen. Er lebte danach in Charkow und durfte die Stadt nicht mehr verlassen.

Anfang Mai 2023 wurde Lira wieder vom ukrainischen Geheimdienst SBU verhaftet, dieses Mal wegen des Vorwurfs einer „Rechtfertigung der russischen Invasion“. Im Klartext wurde Lira in der Ukraine verhaftet, weil er die Regierung kritisiert und von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht hat.

Der ukrainische Geheimdienst hatte da offenbar signalisiert bekommen, dass die USA sich nicht für Lira einsetzen würden, denn die US-Regierung wurde nicht zu seinem Schutz aktiv und auch die westlichen Medien haben den Fall Lira nicht erwähnt. Im Archiv des Spiegel findet sich kein einziger Artikel über seine mehrmaligen Verhaftungen in der Ukraine. Spiegel-Leser sollen nicht wissen, was in der Ukraine wirklich vor sich geht.

Keine Reaktion der US-Regierung

Ein Journalist erinnerte den Sprecher des US-Außenministeriums dann daran, dass die Verhaftung von Lira bereits mehrere Wochen zurücklag, die US-Regierung jedoch immer noch nicht offiziell reagiert hatte. Als Antwort bekam er lediglich, dass der Fall Lira dem US-Außenministerium durchaus bekannt sei und dass die Redefreiheit überall auf der Welt unterstütze. Doch auch auf nochmalige Nachfrage wurde nicht mitgeteilt, ob und welche Bemühungen die US-Regierung im Fall Lira unternommen hätte, denn sie hatte schlicht nichts unternommen.

Ende Juli wurde Lira erneut aus der Haft entlassen und veröffentlichte eine Reihe von Beiträgen auf X (früher Twitter), in denen er über seine Folterungen im Gefängnis und die Versuche des SBU, ihn zu erpressen, berichtete. Er sagte in seiner letzten öffentlichen Videonachricht, er wolle nach Ungarn fliehen und Asyl beantragen und fügte hinzu:

„Entweder überquere ich die Grenze und bringe mich in Sicherheit, oder das Kiewer Regime wird mich eliminieren.“

Nun ist es genauso gekommen, denn er wurde an der Grenze verhaftet und das ukrainische Regime hat Gonzalo Lira mit Billigung der US-Regierung sterben lassen.

Gonzalo Lira hat seit Oktober über gesundheitliche Probleme geklagt, wurde im ukrainischen Gefängnis aber nicht behandelt. In einer handschriftlichen Notiz, die Liras Schwester am 4. Januar erhielt und die sein Vater The Grayzone zur Verfügung gestellt hat, hat Gonzalo Lira über schwere gesundheitliche Probleme aufgrund einer Lungenentzündung und eines Lungenkollapses berichtet. Die gesundheitlichen Probleme seien schon Mitte Oktober 2023 aufgetreten, die ukrainischen Gefängnisbehörden erkannten das Problem erst am 22. Dezember an und Lira sollte sich einer Operation unterziehen.

Über all das berichtete The Grayzone, das auch die Notiz veröffentlicht hat. Der Vater von Gonzalo Lira schrieb in einer von The Grayzone veröffentlichten Notiz:

„Ich kann nicht akzeptieren, wie mein Sohn gestorben ist. Er wurde 8 Monate und 11 Tage lang gefoltert, erpresst und in Isolationshaft gehalten, und die US-Botschaft hat nichts getan, um meinem Sohn zu helfen. Die Verantwortung für diese Tragödie trägt der Diktator Selensky mit dem Einverständnis eines senilen amerikanischen Präsidenten, Joe Biden.“

Die westliche Doppelmoral

Westliche Medien berichten gerne und oft emotional über Einzelschicksale von in „bösen“ Ländern verhafteten US-Bürgern. Wenn ein US-Bürger beispielsweise in Russland wegen Gesetzesbrüchen verhaftet wird, bezeichnen die westlichen Medien das als „Geiselnahme“, es werden großangelegte Medienkampagnen gefahren und die US-Regierung wird nicht müde, deren Freilassung zu fordern.

Dass es sich dabei um einseitige Propaganda handelt, zeigt das Beispiel Gonzalo Lira. Er wurde in der Ukraine mehrmals verhaftet, verschwand immer wieder spurlos in Foltergefängnissen des ukrainischen Geheimdienstes SBU, aber weder die US-Regierung, noch die westlichen Medien fühlten sich berufen, sich für ihn einzusetzen, denn sein Vergehen bestand darin, die Politik der Ukraine und des Westens zu kritisieren.

Solche Beispiele gibt es auch aus Deutschland, wenn wir uns beispielsweise an den Fall des deutschen Journalisten Billy Six erinnern, der in Syrien und in Venezuela verhaftet wurde, ohne dass das deutsche Medien oder die Bundesregierung interessiert hätte, weil er die Bundesregierung kritisiert. Beide Male war es ausgerechnet der russische Außenminister Lawrow, der für die Freilassung des deutschen Journalisten gesorgt hat.

Übrigens ist Billy Six keineswegs Russland-freundlich, eher im Gegenteil. Trotzdem hat Russland sich für ihn eingesetzt, während sich die Bundesregierung wahrscheinlich durchaus gefreut hätte, wenn auch Billy Six im Gefängnis gestorben wäre.

Am 12. Januar teilte das US-Außenministerium einem TASS-Korrespondenten auf Nachfrage mit:

„Wir können den Tod eines US-Bürgers in der Ukraine bestätigen. Wir sprechen der Familie unser aufrichtiges Beileid aus. Wir sind bereit, jede angemessene konsularische Unterstützung zu leisten. Aus Respekt vor der Familie in dieser schwierigen Zeit werden wir keinen weiteren Kommentar abgeben.“

Wäre ein US-Bürger unter solchen Umständen in russischer Gefangenschaft gestorben, hätte die Pressemeldung anders geklungen. Und die westlichen Medien hätten das Thema tagelang in den Schlagzeilen gehalten, wie die massiven Medienkampagnen über US-Bürger, die sich beispielsweise in russischer, chinesischer oder nordkoreanischer Haft befinden, immer wieder zeigen.

Kritiker des Westens haben durchaus Gründe, sich um ihre Sicherheit zu sorgen, wie das Beispiel Gonzalo Lira zeigt.

Thomas Röper, geboren 1971, lebt seit über 15 Jahren in Russland. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.


Bild oben: Gonzalo Lira 2022 in Kiew.
Foto: Gonzalo Lira – https://www.youtube.com/watch?v=WtN6C9xfzFo (Screenshot), CC BY-SA 4.0
Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=117030397