Frieden - Antifaschismus - Solidarität

Tag der Befreiung 2021

Vor 76 Jahren ging mit der deutschen Kapitulation der Zweite Weltkrieg zu Ende. Auch in diesem Jahr wurde am 8. und 9. Mai mit Kranzniederlegungen, Gedenkkundgebungen und Demonstrationen bundesweit der Befreier gedacht, insbesondere der Roten Armee der Sowjetunion, die die Hauptlast des Krieges getragen und 27 Millionen Opfer zu beklagen hatte.

In diesem Jahr begehen wir auch den 80. Jahrestag des faschistischen Überfalls auf die Sowjetunion. In Anbetracht zunehmender politischer Scharfmacherei gegen Russland war das Gedenken vielerorts auch mit Warnungen vor einem neuen Krieg gegen Russland verbunden.

Selbstverständlich waren auch viele Freidenker an den Veranstaltungen beteiligt.

Wir veröffentlichen hier 7 Fotostrecken verschiedener Veranstaltungen in Berlin, Klosterfelde, Dresden, Neuruppin, Frankfurt a.M. und auf den Seelower Höhen sowie die Reden von Klaus Hartmann, Vorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbandes und unserer Mitglieder Liane Kilinc und Männe Grüß.

Übersicht


Berlin-Tiergarten, 8. Mai 2021

Zum 8. Mai hatte die Berliner Friedenskoordination zu einer Kundgebung am Sowjetischen Ehrenmal im Berliner Tiergarten aufgerufen. Dieser Einladung folgten auch viele Freidenker.

Die Kundgebung stand unter dem Motto: „Dank den Soldaten der Roten Armee für die Befreiung vom Faschismus! Ja zu Frieden mit Russland, zu Entspannung und Abrüstung! Für ein gemeinsames europäisches Haus von Lissabon bis Wladiwostok!“

Fotos: Ingrid Koschmieder

Weitere Bilder dieser Veranstaltung findet ihr in dieser Fotogalerie der Friko Berlin: https://www.flickr.com/photos/frikoberlin/albums/72157719141852122

Es gibt auch ein Video in zwei Teilen: https://www.youtube.com/watch?v=KZ90-WKbCvU und https://www.youtube.com/watch?v=igQJ-_yVkUI

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Klosterfelde bei Berlin, 8. Mai 2021

Nicht nur in den großen Städten, auch in zahlreichen kleineren Orten fanden Gedenkkundgebungen statt, wie hier in Klosterfelde bei Berlin. Die Rede hielt Liane Kilinc, Vorsitzende des Friedensbrücke-Kriegsopferhilfe e.V. und Mitglied im Deutschen Freidenker-Verband.

Fotos: privat

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Wir müssen über diesen Frieden wachen

Rede von Liane Kilinc auf der Kundgebung in Klosterfelde am 8. Mai 2021

Wir treffen uns hier, heute, wie jedes Jahr, um den Soldaten der Roten Armee für unsere Befreiung vom Faschismus zu danken.

Wir wissen, dass die Sowjetunion der Motor dieser Befreiung war; dass ihre Truppen die Naziwehrmacht zerschlagen haben; dass ihre Städte, ihre Dörfer, ihre Menschen den Preis für den Frieden bezahlt haben, der durch die Niederlage des Hitlerfaschismus ermöglicht wurde.

Wir wissen das, auch wenn das offizielle Deutschland nach Wegen sucht, diese einfache Wahrheit zu leugnen.

Unser Dank kommt von Herzen, und ist uns eine Verpflichtung, über diesen Frieden zu wachen.

Aber dieses Jahr liegt unser Gedenken unter einem doppelten Schatten.

Der erste ist der Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion, der dieses Jahr achtzig Jahre zurückliegt.

Ein Überfall, an den man in Deutschland ungern erinnert.

So ungern, dass kürzlich erst Bundestagspräsident Schäuble eine Gedenkstunde im Parlament zu diesem Anlass abgelehnt hat. So ungern, dass der grausame Vernichtungskrieg, der an jenem Tag gegen die Völker der Sowjetunion begonnen wurde, im Unterricht an den Schulen keine Rolle spielt; man spricht nicht von der Belagerung Leningrads, man spricht nicht von der Schlacht von Stalingrad, man spricht nicht von den Kämpfen um Sewastopol … aber man spricht von der Landung in der Normandie.

Der 22.Juni 1941 und der heimtückische Angriff, der um viertel nach drei Uhr morgens begann, soll nicht Teil des historischen Gedenkens sein.

Der zweite Schatten ist unsere Gegenwart.

Nicht nur in Gestalt der beständigen, aggressiven Rhetorik von der ‚russischen Bedrohung‘, die als ‚russische Desinformation‘ oder als ‚russische Wahlmanipulation‘, als ‚russischer Cyberangriff‘ regelmäßig aus den Druckpressen oder Fernsehlautsprechern rinnt; ja, sogar Impfstoffe soll dieses imaginierte Russland nur als Waffen gebrauchen…

Nein, der Schatten hat konkretere und fassbarere Formen.

Er fährt auf Eisenbahngleisen in Panzergestalt gen Osten; er fährt in den Uniformen der NATO-Armeen vieltausendköpfig den Panzern hinterher; er dreht als Spionageflieger oder -drohne seine Kreise rund um die Krim oder entlang der Frontlinie des ukrainischen Bürgerkriegs, und er streckt sich in jedem der vielen Manöver, Defender 2021 oder eines der kleineren, immer und immer wieder hin zur russischen Grenze.

Der schwarze Schatten, der schon an der Wiege der NATO stand, die als Angriffspakt gegen die Sowjetunion gegründet wurde und nun meint, als Angriffspakt gegen Russland ihre Bestimmung erfüllen zu können.

Eine NATO, die genau jenen Deutschen an die Spitze ihrer militärischen Planungen setzte, der schon das ‚Unternehmen Barbarossa‘ geplant hatte, den Nazigeneral Adolf Heusinger.

Damals zeigte sich ein demokratischer Senator noch entsetzt über diese Ernennung. Er sagte: „Das State Department sollte wirklich verstehen, dass ich dieses Argument nicht kaufe, dass … es nötig ist, um die militärische Stärke Westdeutschlands aufzubauen, einen Nazigeneral in eine Stellung des höchsten Kommandos zu hieven … wo er Einfluss, Autorität und Macht hat, die gemeinsame Militärpolitik zu bestimmen, deren Teil die Vereinigten Staaten sind. Dieser Nazigeneral ist ohne jeden Zweifel mitverantwortlich für den Tod tausender amerikanischer Jungs … was ist mit unserem Gedächtnis passiert?

Ist es wirklich so kurz?

Ja diese NATO wurde nicht nur von Nazigenerälen mit aufgebaut; diese NATO verbündet sich auch mit jenen, die einst Verbündete der Nazis waren. Wie die Anhänger Banderas in der Ukraine.

Vor Beginn des deutschen Überfalls hatte der spätere Adenauer-Minister Theodor Oberländer monatelang jene ukrainischen Truppen gedrillt, die dann als ‚Bataillon Nachtigall‘ mit der Wehrmacht in die Ukraine eindrangen und von Lemberg bis Babij Jar sich vor allem mit Massakern an ihren jüdischen Nachbarn hervortaten.

Die heutige Ukraine, die so gerne in die NATO aufgenommen werden will, hat Bandera zum Nationalhelden erklärt und verherrlicht den Kriegsverbrecher Schuschkewitsch, der das Bataillon Nachtigall kommandierte.

Die NATO hält jedes Jahr gemeinsame Manöver mit dieser Ukraine ab, schickt Ausbilder in ihre Armee und beliefert sie mit den Daten jener eifrig kreisenden Fluggeräte.

Dieser schwarze Schatten hat die Gestalt der ukrainischen Truppen, die an die Front im Donbass gekarrt werden; hat die Gestalt der Haubitzen und Raketenwerfer, die die Dörfer im Donbass unter Feuer nehmen.

Dort, im Donbass, berühren sich der Krieg, den die Nazis begannen, und der, den die Freunde der NATO heute dort führen, wie zwei einander überlagernde Bilder. Es gibt dort einen Ort, Saur-Mogila, an dem schon im zweiten Weltkrieg eine Schlacht stattfand, für die ein großes Denkmal errichtet worden war. Dieses Denkmal wurde 2014 in Trümmer geschossen, und unter dem großen eisernen Stiefel, der von der Statue übriggeblieben ist, liegen die Gräber derer, die den Hügel in den neuen Gefechten verteidigt hatten.

Von diesem Krieg wird bei uns erzählt, als würde er von Moskau betrieben. Dabei war es die illegal an die Macht gekommene Regierung in der Ukraine, die begann, ihre eigenen Bürger zu beschießen.

Eben jene, deren große Vorbilder Bandera und Schuschkewitsch heißen.

Und die nur allzu gern bereit sind, den Anlass zu einem zweiten ‚Unternehmen Barbarossa‘ zu liefern.

Dieser schwarze Schatten spricht aus den Mündern der NATO-Kriegsminister.

Ich möchte noch ein kleines Zitat bringen:

„Heute stehen rund 160 russische Divisionen an unserer Grenze.

Seit Wochen finden dauernde Verletzungen dieser Grenze statt, nicht nur bei uns, sondern ebenso im hohen Norden, wie in Rumänien.

Russische Flieger machen es sich zum Vergnügen, unbekümmert diese Grenzen einfach zu übersehen, um uns wohl dadurch zu beweisen, dass sie sich bereits als die Herren dieser Gebiete fühlen.”

Klingt das vertraut? Russische Divisionen, die bedrohen, weil sie auf eigenem Gebiet stehen? Klagen über russische Flieger?

All das hören wir seit Jahren, mit stetig steigender Frequenz.

Das Zitat ist aber nicht von heute. Es stammt aus der Rede, mit der Hitler am 22.Juni 1941 den Beginn des deutschen Überfalls im Radio bekannt gab.

In dieser Rede finden sich viele Motive wieder, die uns aus den Medien bekannt sind. Nein, in Wirklichkeit ist es ja andersherum – die heutigen Medien verwenden Motive, die schon damals Bestandteil der Propaganda waren. Noch eine Kostprobe gefällig?

“Die jüdisch-bolschewistischen Machthaber in Moskau haben es unentwegt unternommen, unserem und den anderen europäischen Völkern ihre Herrschaft aufzuoktroyieren.”

Ja, die Formulierung ‚jüdisch-bolschewistisch‘ ist nicht mehr so aktuell.

Aber es ist schon interessant, dass der kleine Taschenspielertrick, das Wort ‚Regierung‘ durch ‚Machthaber‘ zu ersetzen, schon dem Herrn Hitler geläufig war. Hören wir den Satz noch einmal, ohne die störende Vokabel:

“Die Machthaber in Moskau haben es unentwegt unternommen, unserem und den anderen europäischen Völkern ihre Herrschaft aufzuoktroyieren.”

Das ist schon aktuelle NATO-Sprache. Noch näher kommen wir mit diesem Satz:

“Die Aufgabe dieser Front ist daher nicht mehr der Schutz einzelner Länder, sondern die Sicherung Europas und damit die Rettung aller.”

Wie bei den heutigen NATO-Manövern waren am Überfall auf die Sowjetunion Truppen aus vielen Ländern beteiligt. Rumänen, die die jüdischen Einwohner Odessas massakrierten;

Holländer, Franzosen, Italiener, Finnen….

Die meisten Menschen hier bei uns erkennen diesen schwarzen Schatten nicht.

Weil man über diesen Angriff nicht spricht.

Sie kennen auch diese Rede Hitlers nicht, sonst würde die Propaganda auf taube Ohren treffen. In Russland kennt man allerdings diese Sprache noch sehr gut, und man erkennt sie wieder, wenn man sie in den deutschen Sendern hört. In Russland hat man diesen schwarzen Schatten nie vergessen.

Dafür hat schon die ungeheure Zahl der Opfer gesorgt.

Das offizielle Deutschland, diese BRD mit besetztem Anhang, sieht sich, und darin ist es zumindest ehrlich, weit eher in der Nachfolge der Überfallenden als in der Nachfolge der Befreiten.

Es meint, der Roten Armee vorhalten zu können, die Naziarmee nicht durch Blumenwürfe niedergerungen zu haben, sondern mit Katjuschas und T34.

Es versucht, den Überfallenen die Schuld zuzuschieben, statt schon für die Tatsache zu danken, dass keine 70 000 deutschen Dörfer und über 1100 deutsche Städte dem Erdboden gleichgemacht wurden. Niemand hat in Deutschland die Bewohner eines Dorfes in eine Kirche getrieben und diese dann angezündet. Nein, der erste sowjetische Stadtkommandant von Berlin, Nikolai Bersarin, kümmerte sich nicht nur sofort um die Lebensmittel-versorgung der Bevölkerung, er öffnete auch Kinos und Theater, um den Menschen Lebensmut zu geben.

Nach der Annektion der DDR wurden übrigens alle sowjetischen Ehrenbürger Berlins von der Liste gestrichen, im Gegensatz zu den US-amerikanischen; Bersarin wurde erst 2003 als einziger wieder aufgenommen…

Das offizielle Deutschland wagt es, der Sowjetunion vorzuwerfen, dass sie Nazis in Lager gesperrt hat. Es macht sich dabei nie die Mühe, darauf hinzuweisen, dass die Hitlerarmee Anweisung hatte, jedes Mitglied der Kommunistischen Partei sofort zu ermorden.

Keinen Augenblick, nie, darf der Gedanke aufkommen, auf welchem Feld die Rote Armee ihren größten Sieg errang: bei der Bewahrung der Menschlichkeit im Angesicht der größten Barbarei.

Für diesen Sieg steht das große Denkmal in Treptow.

Das kleine Mädchen auf dem Arm des sowjetischen Soldaten soll nicht nur an eine Episode, eine einzelne Heldentat erinnern.

Es steht für den Triumph der Humanität über Vernichtung und Tod, und es steht für das neue Leben, das zumindest einem Teil unseres Landes danach für vier Jahrzehnte vergönnt war.

Wenn wir uns heute an diesen Sieg erinnern und unserem Dank dafür Ausdruck verleihen, dann dürfen wir es nicht halb tun; wir dürfen die Verpflichtung nicht vergessen, die damit einhergeht.

Wir müssen über diesen Frieden wachen.

Liane Kilinc ist Vorsitzende des Friedensbrücke-Kriegsopferhilfe e.V.
und Mitglied im Deutschen Freidenker-Verband

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Dresden, 8. Mai 2021

Mehr als 150 ehemalige Sowjetbürger und deutsche Antifaschisten gedachten am 8. Mai 2021 – am Denkmal für die Befreier Dresdens von Krieg und Faschismus – der Toten und mahnten, den von der NATO angedrohten Krieg gegen Russland und China nicht zuzulassen.

Die Gedenkworte sprachen Oberst a. D. der NVA Jörg-Uwe Laasch / Verband zur Pflege der Traditionen der NVA und GT der DDR und Dr. Wolfgang Schälike, Vorsitzender des Deutsch-Russischen Kulturinstitut Dresden e. V..

Fotos: Gerd Hommel

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Neuruppin, 8. Mai 2021

Viele, die keine Gelegenheit hatten, an einer Kundgebung teilzunehmen, ehrten die Befreier vom Faschismus auch ganz individuell, wie hier unser Mitglied Jens Oldenburg am Sowjetischen Ehrenmal in Neuruppin.

Fotos: privat

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Berlin-Treptow, 9. Mai 2021

Tausende Menschen kamen auch dieses Jahr wieder zur traditionellen Ehrung der Befreier zum sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Treptow.

Fotos: Ingrid Koschmieder

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Seelower Höhen, 9. Mai 2021

Über 200 Freundinnen und Freunde des russischen Volkes kamen am 9. Mai 2021, dem Tag des Sieges der Roten Armee über den deutschen Faschismus, in der Gedenkstätte Seelower Höhen zusammen zu einer Gedenkkundgebung. Aufgerufen hatte zu der Kundgebung ein breites Bündnis regionaler Gliederungen von ISOR, RotFuchs, der Partei DIE LINKE und DKP.

Zu den Rednerinnen und Rednern zählten u.a. Anja Mewes, Vorsitzende der Friedensglockengesellschaft Berlin e.V., Hans Bauer, Vorsitzender der GRH e.V., Niels-Olaf Lüders, Direktkandidat für DIE LINKE bei der Bundestagswahl im Wahlkreis Barnim II / MOL und Männe Grüß, Vorsitzender der DKP Landesorganisation Brandenburg und Mitglied des Brandenburgischen Freidenker-Verbandes.

Fotos: Männe Grüß (7), Screenshots aus dem Video von DKP Brandenburg (2)

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Video der Kundgebung auf den Seelower Höhen

Video: DKP Brandenburg

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Wir leben in einer Zeit der Kriegsmobilisierung

Rede von Männe Grüß auf der Kundgebung auf den Seelower Höhen am 9. Mai 2021

„[Um] Uns ein Leben aufzubauen haben wir die Herrn vertrieben
und auf unsre roten Fahnen Hammer und Sichel stolz geschrieben.
Hammer und Sichel sind unser Werkzeug
USSR was wir baun, das hält. (…)
[Aber] Hammer und Sichel sind nicht nur [ein] Werkzeug.
Wenn sie die Gewehre gegen Osten dreh’n,
wird der Hammer auf sie niedersausen, sie die Sichel niedermäh’n!“

Liebe Friedensfreunde, liebe Genossinnen und Genossen,

diese Zeilen schrieb Bertolt Brecht 1935 – also 6 Jahre vor dem Überfall des deutschen Faschismus auf die Sowjetunion, der sich dieses Jahr zum 80. Mal jährt.
Heute wissen wir: Brecht hatte Recht mit seiner Mahnung, was passieren würde, wenn die Gewehre gen Osten gedreht werden.

Wenn ich heute am Tag des Sieges vor Euch spreche, dann sind da verschiedene Gefühle in meinem Herzen.

Da ist meine Freude über einen Tag, der die Befreiung Deutschlands von der faschistischen Barbarei markiert durch den Sieg der Roten Armee – und damit die Grundlage für ein Deutschland, vor dem die Völker nicht mehr erbleichen mussten wie vor einer Räuberin.

Aber es gilt heute auch zu gedenken. Es gilt den über 27 Millionen sowjetischen Bürgern zu gedenken, die bei der Befreiung vom Faschismus ihr Leben ließen. Es gilt den Kämpfern in der Illegalität zu gedenken, in den Konzentrationslagern und in den Partisanenverbänden. Es gilt den deutschen Soldaten zu gedenken, die im Nationalkomitee Freies Deutschland ihren wertvollen Beitrag im antifaschistischen Kampf leisteten.

Ja, ich gedenke auch den deutschen Soldaten, die in einen Vernichtungskrieg für ein Regime zogen, das ihnen „Lebensraum im Osten“ versprach, die aber nur ein Raum im Osten erwartete: zwei Meter lang, sechzig Zentimeter breit und einen Meter tief.

Ihnen zu gedenken, heißt dann aber auch, eine historische Verantwortung zu übernehmen. Und diese Verantwortung lautet: Nie wieder. Nie wieder soll ein deutscher Soldat sein Gewehr gen Osten dreh’n.

Liebe Friedensfreunde, liebe Genossen,

in der Schule – Ende der 90er Jahre – habe ich im Geschichtsunterricht gelernt: Wir befänden uns in einer Nachkriegszeit.

  •  Nun erlebten wir diese Woche ein Treffen der EU-Verteidigungsminister, bei dem sie berieten, wie man zusammen mit den USA das europäische Verkehrsnetz „kriegstauglich“ macht – damit also Panzer und Soldaten schneller an die russische Grenze kommen.
  • Wir erleben mit Defender 2021 jetzt gerade das größte NATO-Kriegsmanöver gegen Russland seit der Zerschlagung des Sozialismus in Osteuropa – mit Deutschland als logistische Drehscheibe.
  • Und wir haben erst letzte Woche erleben müssen, wie ein Kommentator kaltschnäuzig schreibt: Man müsse sich von der Vorstellung lösen, (Zitat) „der Frieden mit Russland (…) sei wegen des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion 1941 eine moralische Pflicht.“ – ein Kommentar, der nicht aus einem Landserheft stammt, sondern aus der renommierten Wochenzeitung „DIE ZEIT“ – der größten Wochenzeitung in Deutschland.

Diese Beispiele zeigen: Mein Schulwissen stimmt nicht mehr. Wir befinden uns nicht mehr in einer Nachkriegszeit. Jede politische Analyse, die sich nicht vor der Geschichte blamieren will, jeder antifaschistischer Schwur, der auch nur einen Funken Wahrhaftigkeit in sich tragen soll, muss heute von folgendem ausgehen: Wir leben in einer VORkriegszeit – wir leben in einer Zeit der Kriegsmobilisierung.

Freunde, Genossen: Sich dieser NATO-Kriegsmobilisierung gegen Russland und China mit aller Kraft zu widersetzen – DAS muss die zentrale Konsequenz unseres Gedenkens heute sein – und das muss im Mittelpunkt unseres antifaschistischen Kampfes morgen und übermorgen stehen. Jeden zu stoppen, der unseren Söhnen, unseren Töchtern und Enkeln befiehlt, gen Osten zu marschieren – DAS ist unsere historische Verantwortung.

Druschba.

Männe Grüß ist Vorsitzender der DKP Landesorganisation Brandenburg
und Mitglied des Brandenburgischen Freidenker-Verbandes

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Frankfurt am Main, 9. Mai 2021

Die hessischen Freidenker nahmen traditionell an der Gedenkkundgebung am Denkmal für sowjetische Kriegsopfer auf dem Frankfurter Hauptfriedhof teil. Es sprachen der Generalkonsul der Russischen Föderation, Ivan Khotulev, sowie Klaus Hartmann, Vorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbandes.

Fotos: Monika Krotter-Hartmann

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Erinnerung an die Befreiung vom Faschismus heißt: Frieden mit Russland!

Rede von Klaus Hartmann am Denkmal für sowjetische Kriegsopfer auf dem Hauptfriedhof Frankfurt am Main am 9. Mai 2021

Geehrte Vertreter der Konsularischen Corps, liebe russischen Freundinnen und Freunde, deutsche Kriegsgegner und Antifaschisten!

Der 9. Mai als Tag des Sieges über den Faschismus ist nicht nur ein Tag des Triumpfes über die Barbarei. Es ist ebenso ein Tag der Trauer über die zahllosen Opfer, die dieser Krieg gekostet hat, und für den die Sowjetunion den höchsten Blutzoll entrichtete.

Aus der Sowjetunion kam auch die größte Zahl der Zwangsarbeiter, die nach Deutschland verschleppt wurden, und hier unter menschenunwürdigen Bedingungen vegetieren mussten: 2.775.000 Zivilisten und 1.950.000 Kriegsgefangene, zusammen 4.725.000 Menschen. Das betrifft auch unsere Region unmittelbar. Rund 190 von ihnen im hessischen Büdingen, 100 bei Gersfeld in der Rhön, 67 in Darmstadt, hier nach Frankfurt waren ab 1942 vor allem russische Kriegsgefangene verschleppt worden, etwa 2000 Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen mussten in Griesheim unter unmenschlichen Bedingungen hausen, später entstand das KZ Adlerwerke im Gallus.

Unsere Trauer gilt den ermordeten deutschen Antifaschisten, Juden, Sinti und Roma gleichermaßen wie den Opfern des deutschen Überfalls auf die europäischen Nachbarn, nicht zuletzt beim Überfall auf Jugoslawien und Griechenland unter dem zynischen Namen „Aktion Strafgericht“ am 6. April 1941, dem unmittelbaren Auftakt zur „Aktion Barbarossa“, dem Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941.

Wir trauern insbesondere um die Opfer der Völker der Sowjetunion, der barbarischen Hungerblockade Leningrads. Und zugleich blicken wir mit Stolz auf die Leistungen der Verteidiger. Die Helden der Schlachten um Rostov am Don, um Kursk, den Kaukasus, die Krim, und insbesondere der Schlacht um Stalingrad, die die kriegsentscheidende Wende einleitete. Sie erwiesen sich als die Retter der menschlichen Zivilisation, ihr Ruhm währt ewig und unsere Dankbarkeit ebenso.

Wenn wir hier am 9. Mai zusammenkommen, sind wir vereint in der Trauer und im Gedenken und im Stolz, vereint als Menschen, als Deutsche und als Russen, vereint mit allen, die gegen Faschismus und Krieg kämpften, und die an diesem Tag den Schwur erneuern: Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg!

Selbst an Jahrestagen wie diesen wollen einflussreiche Kräfte vergessen machen, dass die Sowjetunion das Hauptziel der Expansionsgelüste des deutschen Kapitals und der faschistischen Aggression war. Heute will eine geschichtsrevisionistische Propaganda die Ergebnisse des 8. und 9. Mai 1945 annullieren, den entscheidenden Anteil der Roten Armee an der Niederschlagung des Faschismus aus den Geschichtsbüchern streichen.

An die Spitze dieser Kampagne hat sich im September 2019 das sogenannte EU-Parlament mit dem Beschluss über „die Bedeutung der Erinnerung an die europäische Vergangenheit für die Zukunft Europas“ gestellt. Der Kommunismus, heißt es in der Resolution, war der ideologische Zwilling des Nationalsozialismus, und die UdSSR trägt dieselbe Schuld am Kriegsbeginn wie Deutschland. 31 Verweisen auf die Sowjetunion stehen nur 19 Verweise auf Nazi-Deutschland gegenüber, beide hätten gleichermaßen das Ziel der Welteroberung verfolgt. Mit dieser Gleichsetzung von Kommunismus und Faschismus begeben sich die EU-Autoren in Gegensatz und Widerspruch zu den Ergebnissen der Nürnberger Prozesse gegen die Hauptkriegsverbrecher.

Gestern erinnerte Bundeskanzlerin Merkel zum 76. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs: „Es bleibt unsere immerwährende Verantwortung, die Erinnerung an die Millionen von Menschen wachzuhalten, die in den Jahren nationalsozialistischer Gewaltherrschaft ihr Leben verloren“. – Das ist eine positive Aussage, aber ich frage mich: Wie kann man zu diesem Anlass sprechen, und in der Rede kommen die Worte Krieg oder Sowjetunion oder Russland gar nicht vor? Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion jährt dieses Jahr zum 80. Mal – wäre das zumindest nicht Anlass, das Verbrechen gegen den Frieden, die Sowjetunion und die Befreier beim Namen zu nennen?

Immer wieder wird beteuert, dass in Deutschland die Lehren aus der Herrschaft des Nazi-Faschismus gezogen wurden. Wie verträgt sich das mit den ständigen russophoben Angriffen von Politikern und Medien, die Russland wieder zum Feind erklären, und vermehrt auch China? Der G 7-Gipfel vergangene Woche warf Russland „bösartige Aktivitäten, unverantwortliches und destabilisierendes Verhalten“ vor.

Was hat Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer gelernt, wenn sie den Vorwurf erhebt, Russland bedrohe Europa „konkret und unmittelbar“? Ich frage mich: Was geht in so einem Kopf vor? Und ich neige dazu, den bekannten Satz zu wiederholen: „Bleiben Sie gesund!“

Aber es bleibt ja nicht bei Worten. Russland wird vorgeworfen, dass es seine Truppen an seinen Grenzen bewegt – aber es ist schließlich das Territorium der Russischen Föderation. Bis an diese Grenzen ist die NATO herangerückt, die USA nutzen im Rahmen des Kriegsmanövers „Defender Europe 2021“ Deutschland als Aufmarschgebiet in Europa gegen Russland. Die Merkel-Regierung missbraucht deutsche Soldaten, um für den NATO-Partner USA zehntausende Soldaten und tonnenweise Kriegsmaterial Richtung russische Grenzen zu transportieren.

Kramp-Karrenbauer sagt dazu: „Gerade für Deutschland in der Mitte Europas ist die schnelle und reibungslose Verlegung von Truppen, Material und Ausrüstung durch unseren Kontinent von herausgehobenem Interesse.“ Die NATO-Kriegstreiber reden von einer „Übung”. Sie üben für den Ernstfall. „Im Ernstfall will die Nato in kurzer Zeit 50.000 Soldaten nach Osten bewegen können“, schrieb die Welt am 06. Mai 2021.

Der Ernstfall heißt Krieg gegen Russland! Wir warnen vor dieser Kriegsgefahr! Am 9. Mai erheben wir die Forderung: Die Aufrüstung muss gestoppt, Truppen und Mordgerät zurückkommandiert werden. Die US- Atomwaffen im Fliegerhorst Büchel in der Eifel müssen verschwinden, und die Kriegs-Drehscheibe US-Air Base Ramstein bei Kaiserslautern muss geschlossen werden.

Die Scharfmacher sind nicht in den „Lockdown“ gegangen. Der Raureif des Kalten Krieges soll sich wieder über das Land legen. Inzwischen wird der Sport und sogar der Impfstoff gegen Corona politisiert. Bei der Bevölkerung in Deutschland verfängt dies jedoch nicht so wie gewünscht. Eine Mehrheit der Deutschen sieht nach jüngsten Umfragen Deutschland eher durch die USA als durch China und Russland bedroht. Nach wie vor sind stabile Mehrheiten für Frieden mit Russland. Darum muss aber weiter täglich gerungen werden.

In den Medien wird abfällig über „Russland-Versteher“ geredet. Wer so redet, hat nicht verstanden, dass Verstehen eine elementare Bedingung für jede ernstgemeinte Kommunikation ist. Ohne Verstehen kein Verständnis, und auch keine Verständigung. Völkerverständigung ist Ziel der UN-Charta, und nach dem deutschen Grundgesetz (Art.9) sind Vereinigungen, die sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, verboten. Das Gerede über „Russland-Versteher“ ist im Grunde verfassungswidrig.

Der 8. und 9. Mai bedeuten für uns auch: Macht uns Russland nicht zum Feind und Deutschland nicht zum Aufmarschgebiet gegen Russland. NIE WIEDER soll ein deutscher Soldat sein Gewehr gen Osten richten, NIE WIEDER soll von deutschem Boden Krieg ausgehen!

Erinnerung an die Befreiung vom Faschismus heißt: Frieden mit Russland! Hände weg von Russland und China! Frieden, Zusammenarbeit, Völkerfreundschaft!

Klaus Hartmann ist Bundesvorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbandes

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Beitragsbild oben: Jens Oldenburg