Russland und China – die wichtigsten Stabilisatoren auf der internationalen Bühne
Die Geschwindigkeit, mit der die Multipolarität Gestalt annimmt, wurde mit Präsident Wladimir Putins Besuch in Peking in einen höheren Gang geschaltet. Nachfolgend eine Zusammenfassung der politischen und wirtschaftlichen Höhepunkte des Besuchs.
Von Rainer Rupp
Erstveröffentlichung am 17.05.2024 auf RT DE
Nur zehn Tage nach Beginn seiner dritten Amtsperiode hatte Xi Jinping Moskau besucht, und nur wenige Tage nach seiner Wiederwahl führte Wladimir Putins erster Auslandsbesuch ihn nach Peking. Schon die Synchronisierung des jeweiligen ersten Auslandsbesuchs setzt ein deutliches Signal.
In Peking war Putin mit ganz großem Bahnhof empfangen worden, womit die Bedeutung, die China der Zusammenarbeit mit dem angeblich so isolierten Russland beimisst, symbolisch unterstrichen worden war. Diese Besuche belegen den vorrangigen und gleichberechtigten Charakter der Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Es gibt hier keine Dominanz oder Koch-und-Kellner-Beziehung, wie das von den westlichen „Qualitätsmedien“ gerne karikiert wird.
Wenn man da an den Besuch des deutschen Bundeskanzlers in Peking vor wenigen Wochen zurückdenkt, dann kann sich Olaf Scholz in einem Mauseloch verkriechen, denn auch sein Empfang reflektierte den Status, den Deutschland genießt, bzw. welche Meinung die Führung in Peking von einer US-Marionette hat, die für US-Interessen das eigene Land abwirtschaftet.
In einem weiteren Kontrast zum kollektiven Westen, der zunehmend versucht, die Geschichte und den Ausgang des Zweiten Weltkriegs auszulöschen und neu zu schreiben, sind China und Russland entschlossen, dies nicht zuzulassen. In der nordostchinesischen Stadt Harbin hat Präsident Putin Blumen am Denkmal für sowjetische Soldaten niedergelegt, die in der Schlacht zur Befreiung Nordostchinas gefallen waren. Etwa 12.000 Soldaten der Roten Armee hatten dort zwischen August und September 1945 im Kampf gegen die japanischen Invasoren ihr Leben verloren.
Bei ihren gemeinsamen Auftritten bemühten sich Xi und Putin, die immer enger werdenden Beziehungen zwischen ihren beiden Ländern zu unterstreichen, aber zugleich legten sie großen Wert darauf, nicht den Eindruck zu hinterlassen, dass sie eine Allianz gegen andere Länder planen. Die Beziehungen zwischen Russland und China seien „opportunistisch“ (also von Gelegenheiten und Chancen geprägt) und richteten sich gegen niemanden, sagte Putin bei einem öffentlichen Gespräch mit Xi. Zugleich unterstrich der russische Staatschef:
„Unsere Zusammenarbeit im Weltgeschehen ist heute einer der wichtigsten stabilisierenden Faktoren auf der internationalen Bühne … Die Politik Russlands und Chinas überschneidet sich. Wir arbeiten auf eine demokratischere und multipolare Weltordnung hin, die auf den einfachen Regeln der Vereinten Nationen und ihrer Organisationen beruht.“
„Russland und China treten gemeinsam für die Grundsätze der Gerechtigkeit und einer demokratischen Weltordnung ein, die die multipolaren Realitäten und eine auf dem Völkerrecht basierende Weltordnung widerspiegelt. Russland und China arbeiten erfolgreich in der UNO, den BRICS, der SCO und der G20 zusammen. Wir sind entschlossen, die Integrationsprozesse im eurasischen Raum weiter zu harmonisieren, um das Potenzial der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft (EAEU) und der chinesischen BRI-Initiative (Neue Seidenstraße) zu kombinieren, mit dem Ziel einer Groß-Eurasischen Partnerschaft.“
Hiernach sind die wichtigsten Punkte aus den Erklärungen des chinesischen Präsidenten und seines russischen Amtskollegen auf einer gemeinsamen Pressekonferenz vom 16. Mai in Peking zusammengefasst:
Xi:
- China und Russland halten die Weltordnung auf der Grundlage des Völkerrechts aufrecht.
- Peking und Moskau beabsichtigen, das gegenseitige politische Vertrauen zu vertiefen und sich an das Prinzip der Blockfreiheit zu halten (also keine Allianzen zu bilden).
- In den letzten 75 Jahren haben Russland und China viele Schwierigkeiten überwunden und sind noch stärker geworden.
- China und Russland sind der Meinung, dass eine politische Lösung der richtige Weg zur Beilegung der Krise in der Ukraine ist.
- Hegemonie, Machtpolitik und Blockkonfrontation bedrohen unmittelbar die Sicherheit aller Länder. Hier wird deutlich die USA angesprochen und die NATO-Allianz.
Putin:
- Putin hat es als symbolisch bezeichnet, dass sein erster Auslandsbesuch nach seiner Wiederwahl für eine neue Amtszeit in China stattfand.
- Die Beziehungen zwischen Moskau und Peking sind ein Musterbeispiel für den Aufbau von Beziehungen zwischen benachbarten Staaten.
- Moskau ist Peking dankbar für Vorschläge zur Beilegung der Situation in der Ukraine.
- Moskau und Peking planen eine Vertiefung der Zusammenarbeit im Energiebereich, sowohl bei Kohlenwasserstoffen als auch bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie.
- Die Schaffung geschlossener militärisch-politischer Allianzen in der asiatisch-pazifischen Region sind schädlich und kontraproduktiv. (Hiermit sind gemeint: erstens die US-Bemühungen um das trilaterale Militärbündnis AUKUS, ein Akronym aus den englischen Abkürzungen der drei beteiligten Staaten Australien, Großbritannien und USA, und zweitens die Bemühungen Washingtons, aus Südkorea, Japan und den USA eine Art „Mini-NATO“ gegen China zu schmieden.)
Vor diesem politischen Hintergrund werden die USA und ihre Vasallen vergeblich nach einem Keil suchen, den sie zwischen die beiden Länder treiben könnten. Und wenn wir uns jetzt den beiderseitigen Wirtschaftsbeziehungen zuwenden, dann gibt es auch dort viel Sonne, denn der Handel und die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Russland und China haben in atemberaubender Kürze schwindelerregende Höhen erreicht. Und das, obwohl – oder gerade weil – Peking und Moskaus sich gegen breitgefächerte Sanktionen des US-geführten kollektiven Westens wehren müssen, die Russland ruinieren und in China technischen Fortschritt und Wirtschaftswachstum bremsen sollen.
Dafür hat der Handel zwischen Russland und China alle Erwartungen übertroffen und im Vorfeld des Besuchs von Präsident Putin in Peking ein noch nie dagewesenes Rekordniveau erreicht. Chinesische Zolldaten zeigen, dass der Handel zwischen China und Russland im Jahr 2023 auf ein Rekordvolumen von 240 Milliarden Dollar gestiegen ist.
- Der Handelsumsatz im ersten Quartal 2024 stieg im Vergleich zum Vorjahr um 5,2 Prozent auf 56,68 Milliarden US-Dollar, wie die Allgemeine Zollverwaltung Chinas mitteilte.
- Im Jahr 2023 wurde Russland zum größten Öllieferanten Chinas und exportierte 107 Millionen Tonnen, ein Anstieg um 24 Prozent.
- Die russischen Kohleexporte nach China stiegen 2023 um fast das 1,5-Fache und überstiegen 100 Millionen Tonnen.
- Die russischen Flüssiggas (LNG)-Exporte nach China stiegen 2023 um 23 Prozent auf acht Millionen Tonnen.
- Die Gaslieferungen über die Power-of-Siberia-Pipeline stiegen 2023 um 47 Prozent auf insgesamt 22,7 Milliarden Kubikmeter.
- Zu den wichtigsten russischen Ausfuhren nach China gehören auch Mineralien, Holz, Zellstoff, Papier, Metalle und Lebensmittel.
- Zu den wichtigsten Einfuhren aus China gehören Fahrzeuge, Maschinen, Chemikalien, Textilien, Schuhe und Metalle.
- Die russischen Agrarexporte nach China stiegen um 53 Prozent auf einen Rekordwert von 7,6 Milliarden Dollar im Jahr 2023.
- China war im Jahr 2023 der größte ausländische Investor in Russlands Fernem Osten.
- Die Zusammenarbeit erstreckt sich auch auf die Kernenergie: Bis 2030 ist geplant, in China schnelle Neutronenreaktoren auf der Grundlage russischer Technologie zu bauen.
- Das Kernkraftwerk Xudapu, eine russisch-chinesische Zusammenarbeit, soll zwischen 2027 und 2028 in Betrieb genommen werden.
- Die Zusammenarbeit zwischen Roskosmos und der Nationalen Raumfahrtbehörde Chinas zielt darauf ab, bis 2035 ein Kernkraftwerk auf dem Mond zu errichten, um die geplante Internationale Mondforschungsstation zu unterstützen.
- 92 Prozent der Handelsgeschäfte zwischen Russland und China werden in den nationalen Währungen abgewickelt, was die Bemühungen um eine Entdollarisierung unterstützt.
Aber auch auf der Ebene von Wissenschaft und Forschung wollen beide Länder noch stärker zusammenarbeiten. Anlässlich seines Abstechers von Peking nach Harbin traf Putin auch mit Studenten und Lehrkräften des Harbin Institute of Technology zusammen. Dort kündigte er an, dass die Staatliche Universität Sankt Petersburg gemeinsam mit dem Technischen Institut Harbin ein Bildungs- und Forschungszentrum in Harbin eröffnen wird, das zu einem der Flaggschiffe der chinesisch-russischen Zusammenarbeit im Nordosten Chinas werden soll.
Der akademische Austausch zwischen Russland und China ermögliche es, die besten Traditionen und Erfahrungen russischer und chinesischer Ingenieurschulen zu kombinieren. Derzeit erhalten 50.000 chinesische Bürger eine Hochschulausbildung in Russland, und etwa 16.000 Russen studieren in China.
Rainer Rupp ist Mitglied des Beirats des Deutschen Freidenker-Verbandes
Bild oben: Der russische Präsident Wladimir Putin und der chinesische Präsident Xi Jinping während Putins Staatsbesuch in China am 16.05.2024
Foto: Kremlin.ru, CC BY 4.0
Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=148401683