Frieden - Antifaschismus - Solidarität

20 Jahre seit NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien – Teil 7 und 8

Der Angriffskrieg der NATO gegen Jugoslawien am 24. März 1999 markierte das Ende des Friedens in Europa, ein Frieden, der seit der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs gehalten hatte, zumindest in Europa. Mit Beiträgen in loser Folge wird RT-Deutsch in den nächsten Wochen die wichtigsten Stationen der NATO-Vorbereitungen auf diesen Krieg in Erinnerung rufen.

Wir veröffentlichen die Teile 7 und 8 hier zusammenhängend.

Übersicht

Bisher veröffentlicht:

Teil 1 – 16.02.2019: Ursachen, Hintergründe, Fake News und False Flag von Rainer Rupp

Teil 2 – 21.02.2019: Deutschlands Rückbesinnung auf unrühmliche Traditionen von Klaus Hartmann

Teil 3 – 25.02.2019: Luftangriffe in Bosnien-Herzegowina als Test für Kosovo von Rainer Rupp

Teil 4 – 01.03.2019:  Falsche-Flagge-Massaker als Vorwand für NATO-Aggression von Rainer Rupp

Teil 5 – 02.03.2019: Warum wurde Milošević zum Hassobjekt des Westens? von Klaus Hartmann

Teil 6 – 04.03.2019: Das „Račak-Massaker“ – Teil des NATO-Drehbuchs (I) von Doris Pumphrey

Neu auf dieser Seite:

Teil 7 – 06.03.2019: Das „Račak-Massaker“ – Teil des NATO-Drehbuchs (II) von Doris Pumphrey

Teil 8 – 08.03.2019: Teil des NATO-Drehbuchs – „Massaker von Srebrenica“ (I) von George Pumphrey


Teil 7 (Erstveröffentlichung auf RT Deutsch am 06.03.2019)

Das „Račak-Massaker“ – Teil des NATO-Drehbuchs (II)

von Doris Pumphrey

(Fortsetzung von Teil I)

Noch bevor eine Untersuchung durchgeführt werden konnte, hatte der Leiter der OSZE-Kosovo-Überwachungsmission, der US-Amerikaner William Graham Walker, die Serben als Täter designiert. Hatte es sich wirklich um ein Massaker an friedlichen albanischen Dorfbewohnern gehandelt?

Nachdem die serbische Polizei erneut Kontrolle über Račak erlangen konnte, brachte sie die Leichen der angeblich „hingerichteten Račak-Zivilisten“ nach Pristina, die Hauptstadt des Kosovo. Da die Obduktion der Leichen durch ein Team von serbischen und weißrussischen Gerichtsmedizinern bei den westlichen Regierungen und ihren Medien als nicht glaubwürdig genug angesehen wurde, wurde von der EU in Abstimmung mit der jugoslawischen Regierung ein unabhängiges finnisches Team hinzugezogen.

Das Gutachten des Expertenteams wurde Anfang März 1999 fertiggestellt. Es sollte aber noch mehr als zwei Wochen dauern, bevor Helena Ranta, die Leiterin des Teams vor die Presse trat.

Aus Berichten der Berliner Zeitung und der Welt im März 1999 ergibt sich dazu folgendes Bild:

Die EU hatte die Veröffentlichung des Berichts immer wieder hinausgeschoben. Nachdem zunächst der 5. März ins Auge gefasst worden war, nannte Ranta den 8. März als Termin für die Übergabe des Berichts an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft und teilte mit, „dass das deutsche Außenamt die Verantwortung dafür übernommen hatte, ob der Untersuchungsbericht veröffentlicht wird oder nicht“.

Zunächst wurde das Gutachten aus Rücksicht auf die Verhandlungen in Rambouillet zurückgehalten, wie es aus Kreisen der OSZE hieß. Erst nach weiteren Anfragen in Helsinki und Bonn sowie nach Drängen aus den Reihen der OSZE erklärte die deutsche EU-Präsidentschaft, dass am 17. März die Übergabe des Berichts stattfinden solle.

„Ob es ein Massaker war, will keiner mehr wissen“, schrieb die Welt am 8. März 1999 und zitierte einen OSZE-Diplomaten in Wien „Eine heiße Kartoffel ist dieser Bericht, keiner will ihn so richtig.“ Der Chef der OSZE-Mission William Walker, hatte noch im Februar wiederholt, „es wird herauskommen, dass es ein Massaker der Serben war.“

Und fünf Tage später titelte die Berliner Zeitung„OSZE-Vertreter widerlegen Walker“ und berichtete, die Zeitung habe von OSZE-Quellen erfahren, einige Vertreter aus mehreren europäischen Ländern, darunter auch aus Deutschland verlangten die Ablösung des Leiters der OSZE-Kosovo-Überwachungsmission (KVM) William Walker. Ihren Quellen zufolge, lägen der OSZE Erkenntnisse vor, wonach es sich in Račak nicht um ein serbisches Massaker an Zivilisten handelte, sondern um eine „Inszenierung durch die albanische Seite“. Zu diesen Erkenntnissen sei man unabhängig vom ausstehenden Gutachten gelangt, allein auf der Basis der Daten des Meldezentrums der Kosovo-Mission. Demnach seien „die meisten der Toten aus einem weiten Umkreis um Račak zusammengeholt und am späteren Fundort abgelegt“ worden.

„Diese Erkenntnisse entsprechen der serbischen Version des Geschehens von Račak. Danach wurden die gefundenen Albaner in Kämpfen zwischen der Kosovo-Befreiungsarmee UCK und serbischen Einheiten getötet, das Bild eines Massakers jedoch erst nachträglich von albanischer Seite arrangiert.“ Vielen von ihnen „sei nachträglich Zivilkleidung angezogen worden“, so ein Vertreter der OSZE.“

Demnach wusste die Bundesregierung sehr wohl, was in Račak vorgefallen war und was nicht, nur sollte offensichtlich der Öffentlichkeit die Wahrheit vorenthalten werden.

Die damalige deutsche EU-Ratspräsidentschaft hatte Helena Ranta seit ihrer Übernahme der Leitung des finnischen Expertenteamsunter Druck gesetzt. Auch auf der schließlich für den 17. März anberaumten Pressekonferenz in Pristina, musste sie bei der Beantwortung von Fragen seitens der Medien den Anweisungen des deutschen Botschafters folgen, wie die Berliner Zeitung berichtete.

Der Bericht des Expertenteams selbst wurde zurückgehalten. In seiner Presseerklärung veröffentlichte das Auswärtige Amt lediglich 5 Seiten Kommentare, die wie folgt eingeleitet wurden: „Die Kommentare geben die persönliche Meinung der Verfasserin Dr. Helena Ranta wieder und stellen keine autorisierte Mitteilung im Namen der Fachabteilung für forensische Medizin der Universität Helsinki oder des EU-Teams forensischer Experten dar.“

Diese Kommentare und die Antworten, die Helena Ranta während der Pressekonferenz in Pristina gab, waren an den entscheidenden Punkten so vage gehalten, dass keine eindeutigen Schlüsse gezogen werden konnten.

Der Pathologe Branimir Aleksandrić von der Universität in Belgrad betonte nach dieser Pressekonferenz, Helena Ranta habe nur in ihrem persönlichen Namen gesprochen und in keiner Weise die Meinung des finnischen Teams, das vom weltberühmten Pathologen Antti Penttilä geleitet wurde, wiedergegeben. Ihre Antworten hätte sie vom medizinischen Standpunkt her bewusst so vage gehalten, dass man meinen könnte, sie wollte William Walker und jenen, die hinter ihm standen, nicht widersprechen.

„Die Entscheidung eines Pazifisten zum Luftangriff“

Die anti-serbische Propaganda, die die Zerschlagung des souveränen Staates Jugoslawien rechtfertigen sollte, musste fortgesetzt werden, um den Regime-Change in Belgrad herbeizubombardieren.

Wusste der deutsche Außenminister der Grünen nicht, was seine Vertreter in der OSZE wussten? Oder hat er die Informationen seinem Staatsminister vorenthalten? Zumindest aber könnte man annehmen, dass die Presseabteilung im Auswärtigen Amt in ihrer täglichen Presseschau relevante Artikel von Springers DieWelt berücksichtigte.

Bereits im Januar hatte die Die Welt, nicht gerade bekannt für irgendwelche Sympathien mit Belgrad, von den Zweifeln der ausländischen Journalisten berichtet: „Waren die Toten von Račak im Kosovo Opfer eines Massakers der Serben – oder sind die Leichen Teil eines makabren Schaustücks der Untergrundarmee UCK geworden, um den Westen zum Eingreifen zu bewegen? In der britischen und französischen Presse machen derartige Spekulationen derzeit die Runde. Der Kosovo-Krieg wird immer mehr auch zur Propagandaschlacht.“

Wie kann es also sein, dass nach den Fragen, die selbst Die Welt stellte, dem Grünen und Staatsminister Ludger Volmer keinerlei Zweifel an der „Massaker“-Version kamen und er Ende März in der Berliner Zeitung unter dem Titel „Die Entscheidung eines Pazifisten zum Luftangriff“ verkündet:

„Das Hinschlachten von Zivilisten durch die Serben im Januar in Račak erforderte eine deutliche Reaktion des Westens. Alle Analysen deckten sich in dem Befund, dass ohne Reaktion die Serben glauben würden, sie hätten nun freie Bahn für ihre Vertreibungs- und Vernichtungspolitik.“ (…) Es waren der grüne Außenminister Joschka Fischer und die Beamten des Auswärtigen Amtes, die mit großem persönlichen Einsatz die anderen Außenminister dazu bewegten, statt einer schnellen Bombardierung den Verhandlungsprozess von Rambouillet zu organisieren. (…) Während des Verhandlungsprozesses wurde deutlich, dass die serbische Seite absolut kein Interesse an einer friedlichen Lösung hatte. Die grüne Vorstellung, mit Verhandlungen und auf friedlichem Wege auch die schwierigsten Konflikte lösen zu können, brach sich am Charakter Miloševićs.“

Die Verhandlungen von Rambouillet, die am 6. Februar1999 begannen, stellten an die serbische Seite Bedingungen, die keine verantwortliche Regierung annehmen konnte, u.a. die uneingeschränkte Beweglichkeit der NATO Streitkräfte in ganz Jugoslawien, inklusive des Luftraumes und der See und ihrer Nutzung für Manöver, Training und andere Operationen, absolute Immunität des NATO-Personals gegenüber jugoslawischen Behörden und die kostenlose Nutzung der gesamten Infrastruktur des Landes. Dass Präsident Milošević das Abkommen über die Aufgabe der Souveränität seines Landes nicht unterschrieb, war in den Augen des Grünen-Staatssekretärs ein schwerwiegender Charakterfehler, und somit war „für uns politische Pazifisten der Punkt erreicht, wo sich unsere Friedfertigkeit erschöpft hat.“

Für den bekannten US-Diplomaten Henry Kissinger, nicht gerade verdächtig des Pazifismus, war der Rambouillet-Text „eine Provokation, eine Entschuldigung dafür, mit den Bombardierungen beginnen zu können. Kein Serbe mit Verstand hätte Rambouillet akzeptieren können. Es war ein ungeheuerliches diplomatisches Dokument, das niemals in dieser Form hätte präsentiert werden dürfen.“

Zwei Tage nach Beginn der Verhandlungen in Rambouillet, erklärte der EU-Sonderbeauftragte Wolfgang Petritsch in einem Spiegel-Interview ganz offen, dass das Ergebnis der Verhandlungen „wohl ein Diktat“ sein wird und drohte bei Nichtannahme mit NATO-Bomben.

Auf die Frage des Spiegel-Redakteurs, ob die NATO befürchte, sich zu ihrem bevorstehenden 50. Jahrestag ihrer Gründung (am 4. April 1999) „lächerlich zu machen“, antwortete Petritsch: „Ich spüre die Entschlossenheit der Nato, sie kann sich kein Zögern mehr leisten. Die letzte Drohung an die Serben bewies, dass man sich nicht länger auf rhetorische Prügel beschränken kann. Der Schaden für die Zukunft des Bündnisses wäre sonst katastrophal.“

Die serbische Regierung hat sich dem Diktat verweigert. Wie der SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer betonte, war es „unrichtig von der Bundesregierung, zu glauben und dem Parlament und der Öffentlichkeit zu suggerieren, dieser Vertrag hätte von Belgrad jemals unterschrieben werden können.“

Die Verhandlungen von Rambouillet waren der von der NATO einkalkulierte letzte Schritt zum Luftangriff gegen Jugoslawien. Mit der fast drei Monate dauernden Bombardierung Jugoslawiens konnte die NATO ihren 50. Geburtstag angemessen begehen: Nach der Auflösung des Warschauer Vertrages 1991 und der damaligen Schwäche Russlands, hatte sich die NATO nun ungehindert als weltweit operierendes Aggressionsbündnis bewiesen. Die Bomben auf Belgrad waren auch der Türöffner für deutsche Kriegseinsätze.

Übrigens: Zwei Jahre nach dem angeblichen „Račak-Massaker“ und der Bombardierung Belgrads wurde berichtet, im Abschlussbericht der Gerichtsmediziner fänden sich keine Beweise für ein Massaker an friedlichen albanischen Zivilisten durch serbische Sicherheitskräfte, wie seinerzeit von William Graham Walker, dem Leiter der OSZE-Kosovo-Überwachungsmission und vielen westlichen Politikern und Medien behauptet.

Am 24. November 2008 wurde William Walker vom Präsidenten Bamir Topi zum Ehrenbürger der Republik Albanien ernannt. Und am 15. Januar 2009, zum 10. Jahrestag des angeblichen „Massakers von Račak“, wurde Walker vom Präsidenten und dem Premierminister der Republik Kosovo mit der Goldenen Medaille der Freiheit ausgezeichnet.

Doris Pumphrey ist Aktivistin in der Friedenskoordination (Friko), Berlin

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Teil 8 (Erstveröffentlichung auf RT-Deutsch am 08.03.2019)

Teil des NATO-Drehbuchs – „Massaker von Srebrenica“ (I)

von George Pumphrey

Srebrenica gilt als das „schlimmste Verbrechen in Europa seit dem Holocaust“. Die NATO nutzte es, um die UN zur Aufgabe ihrer Neutralität zu bewegen, die deutsche Regierung im Besonderen, um die Nazi-Verbrechen zu relativieren.

In Srebrenica sollen bis zu 8.000 muslimische Männer und Jungen – unbewaffnete Zivilisten – von serbischen Exekutionskommandos erschossen worden sein. Zahlreiche Fakten aber, die trotz aller Bemühungen nicht unterdrückt werden können, lassen Zweifel aufkommen, ob ein Massaker dieses Ausmaßes in Bosnien überhaupt stattgefunden hat.

Am 10. August 1995 trat der UNO-Sicherheitsrat in geschlossener Sitzung zusammen, um über die „Operation Sturm“ zu debattieren. Beginnend am 4. August hatte die kroatische Regierung innerhalb von vier Tagen in einer militärischen Blitzaktion 250.000 Serben aus der Krajina vertrieben. Unzählige Serben, die ihre Heimat nicht freiwillig verlassen wollten, wurden ermordet. Es war die größte ethnische Säuberung seit dem Zweiten Weltkrieg. Die US-Vertretung im Sicherheitsrat hatte jedes Interesse, die Debatte darüber zu verhindern, schließlich bestand die Gefahr, dass die aktive Rolle der USA in diesem Verbrechen zur Sprache kommen würde.

Die UNO-Botschafterin der USA, Madeleine Albright, ergriff das Wort und präsentierte militärische und nachrichtendienstliche Luftaufnahmen, die angeblich „massenhafte Gräueltaten an muslimischen Zivilisten“ durch bosnische Serben nach der Einnahme von Srebrenica am 11. Juli zeigten. Von den acht Fotos, die sie dem Sicherheitsrat vorgelegte, bekam die Öffentlichkeit nur drei zu sehen. Die anderen wurden als „geheim“ eingestuft. Damit war eine unabhängige Prüfung dieser „Beweise“ von vornherein ausgeschlossen, wohl wissend, dass die US-Regierung von keiner Macht der Welt gezwungen werden kann, der Freigabe der Originalfotos zuzustimmen. Damit hatte sie sich einen gesetzlosen Raum geschaffen, in dem sie Beweise fabrizieren, manipulieren, vorlegen oder vorenthalten kann.

Auf den Fotos zeigen nachträglich eingezeichnete Pfeile auf ein paar helle Stellen auf einem Feld, bezeichnet als „Fahrzeugtarnung“ und „kürzlich aufgewühlte Erde“ – „mögliche Massengräber“ also. Warum wurden dem Sicherheitsrat nicht die Originalfotos gezeigt? Aufklärungsfotos weisen normalerweise eingebaute zeitliche und geografische Erkennungsmerkmale auf. Woher soll man wissen, dass diese Fotos in der Nähe von Srebrenica aufgenommen wurden? Und zu welcher Zeit? Ohne diese Merkmale können Fotos beliebig interpretiert werden, und sie können schon gar nicht als Beweis dienen.

Schon während ihrer Präsentation wollte Albright wohl die Öffentlichkeit auf die Möglichkeit vorbereiten, dass es keine Beweise für ihre Behauptungen geben könnte, und natürlich die Serben daran schuld sein würden: „Wir werden aufpassen, ob die bosnischen Serben versuchen, Beweise, für das was sie angerichtet haben, zu beseitigen.“

Die New York Times (NYT) schrieb, „Frau Albrights Präsentation kam gerade, als tausende von Serben aus ihrer Heimat flüchteten, nachdem kroatische Truppen mit stillschweigender Zustimmung der USA das von rebellischen Serben besetzte Gebiet angegriffen und überrollt hatten.“

Albrights Peepshow hatte vollen Erfolg. Die kroatischen Verbrechen gegen die Serben schafften es kaum mehr in die Medien. Das „Massaker von Srebrenica“ wurde, wie Außenminister Joschka Fischer es nannte, zum „Symbol des serbischen Faschismus“.

Präsident Clintons Angebot

Die US-Regierung unter Präsident George Bush Sr. war gegen die Zerschlagung Jugoslawiens und gegen ein Eingreifen der USA – im Gegensatz zu Bill Clinton, der im Januar 1993 das Amt übernahm. Ebenso ab Januar 1993 bemühten sich Vertreter der UNO und der EG in Verhandlungen mit Serben, Kroaten und Muslimen um einen Friedensplan, dem alle drei Konfliktparteien zustimmen konnten. Die USA waren an diesen Verhandlungen nicht beteiligt. Die Pläne scheiterten jedes Mal an Alija Izetbegović, dem muslimischen Präsidenten von Bosnien-Herzegowina. Ihm hatte die Clinton-Regierung immer wieder eingeflüstert, dass die USA ihm in Verhandlungen bessere Bedingungen schaffen könnten. Schließlich übernahmen die USA die alleinige Führung der Verhandlungen, und es wurde ein Plan ausgehandelt, der einen Bevölkerungsaustausch bzw. eine Umsiedlung vorsah, „ohne Enklaven und Korridore“. Entgegen der weit verbreiteten Behauptung haben die Serben Srebrenica 1995 nicht „an sich gerissen“, sondern es wurde ihnen im Austausch zugeteilt.

Am 22. Juni 1998 erschien in der muslimischen Zeitung Dani ein Interview mit Hakija Meholjić, dem Polizeichef von Srebrenica. Als Vorsitzender der (muslimischen) Sozialdemokratischen Partei in Srebrenica hatte er im September 1993 mit einer Delegation an einem Parteitag in Sarajevo teilgenommen. Dort erzählte Alija Izetbegović ihm und seiner Delegation, US-Präsident Clinton habe im April 1993 eine militärische Intervention [der USA/NATO] angeboten, wenn „die Streitkräfte der Tschetniks [Schimpfwort für Serben] in Srebrenica einmarschieren und 5.000 Muslime umbringen.“

Die NATO brauchte also ein „serbisches Massaker an Muslimen“, um eine Militärintervention zu rechtfertigen.

Ein Journalist als „Augenzeuge“

Am 18. August 1995 veröffentlichte die US-Tageszeitung Christian Science Monitor einen exklusiven „Augenzeugen-Bericht“ ihres Korrespondenten David Rohde in Zagreb. Dieser behauptete, er sei „ohne Erlaubnis seitens der bosnischen Serben“ nach Srebrenica gefahren, „um die Vorwürfe der amerikanischen Behörden zu prüfen, Serben hätten hunderte, vielleicht sogar tausende Muslime ermordet.“ Die Zeitung erklärte, Rohde sei der erste westliche Journalist am Ort der angeblichen Gräueltaten gewesen.

Seinem „Augenzeugen-Bericht“ fehlte jedoch jeder Hinweis, dass er tatsächlich in Srebrenica gewesen ist. Seine Beschreibung sollte aber wohl den Eindruck erwecken, die Serben hätten wie die deutsche SS gewütet. Der Artikel war nur mit Archivfotos illustriert.

Im Oktober 1995, zwei Monate nach seinem ersten „Besuch“, begab sich Rohde tatsächlich nach Srebrenica. Dort agierte er offensichtlich so verdächtig, dass er von serbischen Militärangehörigen verhaftet wurde, die, laut Rohde, wohl annahmen, er arbeite für die CIA. Die bosnisch-serbischen Behörden wollten ihn so schnell wie möglich loswerden, aber die USA zögerten. Seine Verhaftung kam mitten in den Dayton-Verhandlungen, und solange er in den Händen der bosnisch-serbischen Behörden war, diente er als willkommenes Druckmittel gegen die serbische Seite.

Die „größte Enttäuschung“ während seiner Reise nach Srebrenica im Oktober sei seine Verhaftung gewesen, erzählte Rohde der Newsweek Monate später.

Ich war sehr frustriert, denn die Serben haben mir am Ende den Film abgenommen, auf dem ich diese Gräber abgelichtet hatte, diese ersten Vor-Ort-Fotos, Fotos der Knochen und der Stöcke, die alten Männern weggenommen worden waren.

Heißt das, bei seinem „ersten“ Besuch war der ambitionierte Journalist auf der Suche nach seinem großen Exklusivbericht den ganzen Weg von Zagreb durch ein Kriegsgebiet nach Srebrenica gefahren – ohne Fotoapparat? Beim zweiten wurde ihm „der Film abgenommen“. Ob und was er fotografiert hat, bleibt ungewiss.

Als Jahr für Jahr die fortlaufenden Exhumierungen keine Beweise erbrachten, die die ursprüngliche Behauptung einer Hinrichtung von 7.000 bis 8.000 Menschen nur annähernd bestätigen konnten, begann auch Rohde seine ursprünglichen Behauptungen zu relativieren. Er sprach nicht mehr von Massakern (das in der anti-serbischen Kriegspropaganda als standrechtliche Massenhinrichtung dargestellt wurde), sondern von „Massakern“ und „Hinterhalten“. Er machte natürlich keine Angaben zur Anzahl derer, die angeblich „hingerichtet“ wurden – also einem Verbrechen zum Opfer fielen und jenen, die seinen Aussagen zufolge „aus dem Hinterhalt“ getötet wurden. Töten durch Angriffe aus dem Hinterhalt ist ein „normaler“ Vorgang im Krieg und stellt kein Kriegsverbrechen dar.

Während David Rohde behauptete, Massengräber gesehen zu haben, kamen andere Journalisten, die sich auf ähnliche Expeditionen begaben, zu anderen Ergebnissen. Die Medien-Analytikerin Mira Beham schrieb in ihrem Buch „Kriegstrommeln“: „In den Monaten nach dem Fall von Srebrenica versuchten 24 internationale Journalisten, unter ihnen Mike Wallace vom CBS, ein BBC-Team und mehrere CNN-Journalisten, den Spuren nachzugehen, die von den US Satellitenfotos und von Vor-Ort-Informationen über die Massengräber stammten – ohne Erfolg.“ Das wurde allerdings nirgends berichtet.

Bemerkenswert ist übrigens auch, dass der Journalist Rohde keinen Artikel über die „Operation Sturm“, die ethnische Säuberung von 250.000 Krajina-Serben schrieb, obwohl er aus der kroatischen Hauptstadt Zagreb berichtete.

Jonglieren mit Zahlen

Anfang September 1995, zwei Monate nach der Übergabe Srebrenicas an die Serben, suchte das Internationale Rote Kreuz Auskunft über vermisste Personen. Der Direktor der operativen Abteilung Westeuropa, Angelo Gnaedinger, erbat von offiziellen bosnisch-serbischen Stellen Informationen über den Verbleib von 3.000 Personen aus Srebrenica, die von bosnisch-serbischen Sicherheitskräften festgenommen worden sein sollen. Von der Regierung in Bosnien-Herzegowina [bosnisch-muslimische Seite im Bürgerkrieg] wollte das IKRK Auskunft über 5.000 Personen, die vor der serbischen Übernahme Srebrenicas geflohen waren. Ein Teil von ihnen soll das muslimisch kontrollierte Zentralbosnien erreicht haben.

Die New York Times vom 15. September gab den von der IKRK genannten Zahlen eine andere Bedeutung. Sie nannte 8.000 vermisste Muslime, darunter 3.000 Personen, die von Serben festgenommen sein sollen. Nicht nur wurden die zwei Gruppen einfach zusammengezählt, die NYT erwähnte auch nicht, dass das IKRK die bosnisch-muslimische Regierung um Informationen über die Gruppe der 5.000 gebeten hatte, von denen ein Teil muslimisches Gebiet bereits erreicht hatte. Die von der New York Times unterschiedslos addierte Zahl machte von da an die Runde als „bis zu 8.000 Opfer des serbischen Massakers in Srebrenica“ – der Beweis für den „serbischen Völkermord an Muslimen“.

Die New York Times hatte offensichtlich auch vergessen, was sie im Juli zuvor berichtet hatte. „3.000 bis 4.000 bosnische Muslime, die nach dem Fall von Srebrenica von UNO-Beamten als vermisst betrachtet wurden,“ hätten „durch die feindlichen Linien hindurch das bosnisch muslimische Gebiet erreicht“.

Zur gleichen Zeit schrieb die Washington Post, „rund 4.000 bosnische Soldaten stapften fünf Tage lang durch serbisches Territorium, um aus Srebrenica zu fliehen und einen sicheren Hafen in Medjedja zu erreichen.“

Die London Times berichtete Ähnliches am 2. August 1995: „Tausende von vermisst geglaubte bosnisch-muslimische Soldaten von Srebrenica, die im Zentrum der Berichte über Massenhinrichtungen durch Serben standen, sollen sich wohlbehalten im Nordosten von Tuzla aufhalten.“ Das Rote Kreuz habe von Quellen in Bosnien erfahren, bis zu 2.000 bosnische Soldaten seien dort von Srebrenica „ohne Wissen ihrer Familien“ angekommen. Die Berichte könnten aber nicht überprüft werden, „da die bosnische [muslimische] Regierung dem Roten Kreuz den Zutritt zu diesem Gebiet verwehrt habe.“

Ende Teil I

George Pumphrey, Berlin

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