Demokratie – Medien – Aufklärung

Deutschland stimmt in der UNO gegen die Verurteilung des Nationalsozialismus

Wie jedes Jahr hat der Westen in der UNO auch dieses Jahr nicht für die Verurteilung von Nationalsozialismus und Rassismus gestimmt. Deutschland hat sogar – nicht zum ersten Mal – explizit dagegen gestimmt, den Nationalsozialismus zu verurteilen.

von Anti-Spiegel (d.i. Thomas Röper)

Erstveröffentlichung am 03.11.2023 auf anti-spiegel.ru

Der Westen bestätigt einmal mehr, dass Russland recht hat, wenn es davon spricht, in der Ukraine gegen die Wiederauferstehung des Nazismus zu kämpfen. Nun hat der Westen die russischen Vorwürfe, auch im Westen selbst erlebe der Nazismus eine Wiederauferstehung, eindrucksvoll bestätigt: In der UNO hat der kollektive Westen wieder einmal gegen eine Resolution gestimmt, die Nationalsozialismus, Neonazismus und Rassismus verurteilt.

Die Resolution

Russland bringt jedes Jahr eine Resolution in die UN-Vollversammlung ein, die sich gegen die Verherrlichung des Nationalsozialismus wendet. Der Titel der Resolution lautet immer „Bekämpfung der Verherrlichung des Nationalsozialismus, des Neonazismus und anderer Praktiken, die zur Eskalation gegenwärtiger Formen des Rassismus, der Rassendiskriminierung, der Fremdenfeindlichkeit und der damit verbundenen Intoleranz beitragen.“

Man müsste meinen, dass Deutschland, wenn die Berliner Politiker ihre Worthülsen ernst nehmen, diese Resolution mit beiden Händen unterstützen müssten. Immerhin empfiehlt die UN-Resolution allen Mitgliedsstaaten, im Einklang mit ihren internationalen Verpflichtungen im Bereich der Menschenrechte notwendige Maßnahmen zu ergreifen – darunter auch auf der legislativen Ebene sowie im Bildungsbereich –, um eine Revision der Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges und die Leugnung der Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie der Kriegsverbrechen, die im Laufe des Zweiten Weltkrieges begangen wurden, zu verhindern und alle Formen der Rassendiskriminierung auszumerzen. Was kann Deutschland dagegen haben?

Deutschland enthielt sich früher der Stimme

Aber Deutschland hat etwas dagegen, denn seit Russland diese Resolution einmal jährlich in die UN-Vollversammlung einbringt, hat Deutschland nie dafür gestimmt, sondern sich (bisher) immer enthalten. Ich habe über diese Abstimmung schon 2020 und 2021 berichtet. Weil die deutschen „Qualitätsmedien“ ihren Lesern verschweigen, dass die Bundesregierung sich in der UNO der Verurteilung von Nazismus, Neonazismus und Rassismus verweigert, hat RT-DE die Sprecher der Bundesregierung 2020 auf der Bundespressekonferenz danach gefragt, warum Deutschland nicht für diese Resolution gestimmt hat. Die Antwort der Sprecherin des deutschen Außenministeriums lautete:

„Darauf müsste ich Ihnen die Antwort nachreichen, Herr Reitschuster, äh Entschuldigung, Herr Warweg.“

Die Antwort wurde nie nachgereicht. Als sich diese Abstimmung in der UNO 2021 wiederholte, hat RT-DE die Frage erneut gestellt. Dieses Mal lautete die Antwort:

„Unser Stimmverhalten in den Vereinten Nationen kommentieren wir wie immer an dieser Stelle nicht.“

Die deutsche Bundesregierung muss sich allerdings keine Sorgen machen, dass es allzu viele Nachfragen von entrüsteten Bürgern gibt, denn die „Qualitätsmedien“ verschweigen den Skandal, dass ausgerechnet Deutschland in der UNO die Verurteilung von Nationalsozialismus, Neonazismus und Rassismus ablehnt.

Deutschland stimmt seit 2022 gegen die Resolution

2022 ist das Undenkbare eingetreten: Die Bundesregierung hat bei der UNO-Vollversammlung gegen die Resolution gestimmt, die Nationalsozialismus, Neonazismus und Rassismus verurteilt. Mit anderen Worten: Die Bundesregierung stellt sich in der UNO offen gegen eine Verurteilung der Ideologie des Nationalsozialismus und sogar dagegen gestellt, Rassismus zu verurteilen.

Das hat sich 2023 wiederholt. Während ich dies schreibe, liegt auf der Seite der UNO noch keine Information über das genaue Abstimmungsergebnis vor und auch in den internationalen Nachrichtenagenturen herrscht dazu noch Schweigen. Lediglich die russische Nachrichtenagentur TASS hat sofort berichtet, weshalb ich hier die TASS-Meldung über die Abstimmung in der UN-Vollversammlung übersetze.

Beginn der Übersetzung:

Der Ausschuss der UN-Generalversammlung hat die russische Resolution zur Bekämpfung des Neonazismus angenommen

112 Länder stimmten für das Dokument, 50 stimmten dagegen, 14 enthielten sich.

Der Dritte Ausschuss der UN-Generalversammlung hat die von Russland eingebrachte Resolution zur Bekämpfung des Neonazismus angenommen.

112 Länder stimmten für das Dokument mit dem Titel „Bekämpfung der Verherrlichung des Nazismus, des Neonazismus und anderer Praktiken, die zur Eskalation zeitgenössischer Formen von Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängender Intoleranz beitragen“, 50 stimmten dagegen und 14 enthielten sich der Stimme. Unter den Ländern die dagegen stimmten, waren Österreich, Großbritannien, Deutschland, Italien, die Niederlande und die USA. Für die Resolution stimmten unter anderem Brasilien, China, Israel, die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten.

Die Resolution wurde von Russland in Zusammenarbeit mit mehreren Ländern ausgearbeitet, darunter Ägypten, China, Äquatorialguinea, Kasachstan, Kuba, Mali, Nicaragua, Pakistan, Südafrika, Sudan, Tadschikistan und Turkmenistan. Das Dokument besteht aus 74 Punkten. Es enthält unter anderem Bestimmungen, die Vorfälle im Zusammenhang mit der Verherrlichung und Propagierung des Nationalsozialismus auf das Schärfste verurteilen, die Bemühungen um die Wahrung der historischen Wahrheit begrüßen und Maßnahmen empfehlen, um die Leugnung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die Revision der Geschichte und des Ausgangs des Zweiten Weltkriegs zu verhindern.

Darüber hinaus verurteilt das Dokument „unmissverständlich“ jede Leugnung oder versuchte Leugnung des Holocaust sowie alle Manifestationen religiöser Intoleranz, Aufwiegelung, Verfolgung oder Gewalt gegen Einzelpersonen oder Gemeinschaften aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder religiösen Überzeugungen.

Vor der Abstimmung über die Resolution wurde ein Änderungsantrag von mehreren Staaten, darunter Australien, Albanien und Japan, angenommen. Der Änderungsantrag fügt einen Absatz hinzu, in dem „mit Besorgnis“ zur Kenntnis genommen wird, dass der Kampf gegen den Neonazismus als einer der Gründe für die Militäroperation in der Ukraine angegeben wurde. Die Ukraine gehörte zu den Mitunterzeichnern des Änderungsantrags.

Der Standpunkt Russlands

Wie Grigorij Lukjanzew, Leiter der Abteilung für multilaterale Zusammenarbeit im Bereich der Menschenrechte im russischen Außenministerium, in seiner Rede feststellte, handelte es sich bei diesem Änderungsantrag lediglich um einen „verfahrenstechnischen Trick“, um die Abstimmung über das Dokument zu stören. Die Verfasser des Änderungsantrags stimmten trotz seiner Annahme gegen die Resolution.

„Die Generalversammlung hat diese Resolution seit 2005 verabschiedet, aber die darin beschriebenen Probleme sind nicht nur nicht gelöst worden, sondern haben sich in fast 20 Jahren in vielerlei Hinsicht verschlimmert. Die Versuche, unsere gemeinsame Geschichte zu leugnen und zu verfälschen, nehmen zu, die Verdienste derer, die für eine Welt auf der Grundlage von Gerechtigkeit, Humanismus und Achtung der Menschenwürde gekämpft haben, werden pervertiert. Heute häufen sich rassistische und fremdenfeindliche Rhetorik und Aufrufe, Migranten, Flüchtlinge und fremde Elemente loszuwerden. In vielen Staaten sind Erscheinungsformen von Islamophobie, Christenfeindlichkeit, Afrophobie und Antisemitismus alltäglich geworden“, ist Lukjanzew überzeugt.

„Es gibt Neonazi-Aufmärsche und Fackelzüge durch die Straßen von Städten im Herzen Europas zu Ehren derer, die aktiv mit den Nazis kollaboriert und sich an ihren Verbrechen beteiligt haben. Darüber hinaus werden solche Personen zunehmend als Nationalhelden und Helden der nationalen Befreiungsbewegungen geehrt und als Vorbilder für jüngere Generationen angeführt. Erinnern wir uns an die jüngste Ehrung von Nazis durch Parlamentsmitglieder, Staatsoberhäupter und Leiter diplomatischer Vertretungen einer Reihe von Ländern“, fuhr er fort.

„Die Mitunterzeichner [der Resolution] widersprechen kategorisch dem Versuch unserer Gegner, diese Aktionen als Verwirklichung der Rechte auf friedliche Versammlung und freie Meinungsäußerung zu bezeichnen. Es gibt eklatante Versuche, die Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs zu verfälschen, es gibt Zynismus und Hohn gegenüber denen, die die Welt von den Schrecken des Nationalsozialismus befreit haben. Die Verabschiedung dieses Dokuments ist nicht nur unsere Pflicht gegenüber denen, die die UNO geschaffen haben, sondern auch gegenüber künftigen Generationen“, so Lukjanzew abschließend.

Ende der Übersetzung

Der Rassismus gegen alles Russische

Die Geschichte wiederholt sich, wenn Aufrufe zur Gewalt gegen Russen nun erlaubt werden, wenn vor dem Reichstag ungestraft offen zum Völkermord an Russen aufgerufen werden darf und so weiter. Der neue Rassenhass gilt „lediglich“ einer anderen Ethnie als bei den Nazis, aber es ist das gleiche Prinzip. Wobei: Dass Russen „Untermenschen“ sind, war ja auch Teil der Nazi-Ideologie, so viel hat sich also gar nicht geändert, zumal Russen in der Ukraine ganz offiziell als „Untermenschen“ bezeichnet werden. Und Kritiker dieser Politik werden im Westen mundtot gemacht, indem man sie als „russische Propagandisten“, „Verschwörungsideologen“ oder gar (in diesem Zusammenhang besonders zynisch) als „Rechtsextreme“ oder gar „Nazis“ verunglimpft.

Die im Westen unterstützte und um sich greifende Cancel Culture ist ja nichts anderes als die neue Form des Faschismus, weil alle abweichenden Meinungen der herrschenden Ideologie weichen müssen, indem sie „gecancelt“ (also abgeschafft) werden. Das offizielle Russland sagt das ganz offen.

Russische Sportler werden zu Wettkämpfen nicht zugelassen, weil sie Russen sind. Aufführungen von klassischer russischer Musik, Ausstellungen von russischer Kunst und auch russische Literatur werden verboten. All diese Maßnahmen zeigen, dass es nicht um die Politik von Präsident Putin, sondern um die Diskriminierung von allem Russischen geht. Oder warum werden Bücher russischer Klassiker aus den Programmen westlicher Universitäten gestrichen? Was haben russische Literaten, die vor 100 oder 200 Jahren Bücher geschrieben haben, mit der Politik der heutigen russischen Regierung zu tun?

Auch Menschen, die schon vor Jahren oder Jahrzehnten aus Russland in die EU ausgewandert sind, werden diskriminiert. Ich erinnere daran, dass es Restaurants in Deutschland gab, die Russen nicht mehr bedienen wollten.

Ich ziehe hier wieder die Parallele zur deutschen Geschichte, oder erinnert nur mich das an die Maßnahmen des Jahres 1933, als die Parole lautete „Kauft nicht beim Juden!“? Heute hört man in Deutschland Parolen, russische Geschäfte und Produkte zu meiden. Produkte werden sogar umbenannt, wenn etwas Russisches in ihrem Namen enthalten ist. Ich weise zur Sicherheit darauf hin, dass ich ausdrücklich von den Anfängen der Nazi-Zeit, dem Jahr 1933, rede. Daher entstand ja die Parole der Nazi-Gegner „Wehret des Anfängen!“ – wo so etwas hinführen kann, wusste 1933 niemand, es wurde aber nur wenige Jahre später klar.

Wehret den Anfängen!

Ich fordere jeden Leser, der das genauso sieht, wie ich, dazu auf, Mails oder Briefe an Regierungsmitglieder oder Bundestagsabgeordnete zu schreiben und sie zu fragen, warum die Bundesregierung in der UNO gegen die Verurteilung von Nationalsozialismus, Neonazismus und Rassismus gestimmt hat. Es ist Zeit, diese Leute an die wichtigste Lehre der deutschen Geschichte zu erinnern:

Wehret den Anfängen!

Thomas Röper, geboren 1971, lebt seit über 15 Jahren in Russland. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.


Bild oben: Stacheldrahtzaun in Auschwitz-Birkenau
Foto: Christian Michelides, CC BY-SA 4.0
Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=99941371