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Zum Tod von Bruno Mahlow

Unser am 22.02.2023 in Berlin verstorbener Freund Bruno Mahlow war häufig Referent und Diskussionpartner bei Veranstaltungen und Konferenzen des Deutschen Freidenkerverbandes. Wir veröffentlichen hier einen Nachruf von Arnold Schölzel sowie Bruno Mahlows Gegenrede gegen seine Vorladung wegen „Belohnung und Billigung von Straftaten“

Webredaktion


Ein Weiser

Am 22. Februar ist Bruno Mahlow in Berlin gestorben

von Arnold Schölzel

Erstveröffentlichung am 03.03.2023 in der UZ

Bruno Mahlow kam 1937 als Kind kommunistischer Emigranten in Moskau zur Welt. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion wurde seine Familie nach Taschkent evakuiert – sein Vater war schwerbehindert –, dort begannen sein Schulbesuch und das bewusste Erleben des Vielvölkerstaates UdSSR. 1947 kehrten die Mahlows nach Berlin zurück. Bruno studierte in Moskau und arbeitete danach im diplomatischen Dienst der DDR, seit 1967 in der Abteilung Internationale Beziehungen des Zentralkomitees der SED.

Er war zutiefst mit der Sowjetunion und Russland verbunden. Im UZ-Gespräch zum 100. Gründungstag der UdSSR sagte er: „Der Sieg der Sowjet­union über den Faschismus darf nie vergessen werden. Und sofort muss die Frage beantwortet werden: Wie war dieser Sieg möglich?“ Seine Antwort darauf zeigt viel vom Menschen Bruno Mahlow, von seiner Fähigkeit zur nüchternen historischen und politischen Analyse und von der Meisterschaft, mit der er historischen und dialektischen Materialismus als Erkenntnisinstrument handhabte.

Neben der Revolution und ihrer Verteidigung durch die rasch aufgestellte Rote Armee nach dem vom deutschen Imperialismus diktierten Frieden von Brest-Litowsk 1918 nannte er zwei Leistungen, die zum Sieg von 1945 beitrugen: Die Industrialisierung des weitgehend zerstörten europäischen Landesteils. Sowie: Die rasche Entwicklung durch die Neue Ökonomische Politik (NÖP), die 1921 von Lenin konzipiert wurde: „Strategisch ein Rückzug vom Kriegskommunismus hin zur Wiederzulassung kapitalistischer Elemente – Lenin setzte die NÖP gegen große Widerstände in der Partei durch. Das Problem, das die NÖP aufwirft, beschäftigt uns bis heute – siehe China, Vietnam oder Kuba. Es hatte etwas mit Genialität zu tun, 1921 diesen Weg einzuschlagen: Es ging darum, nicht zu schwafeln oder zu meinen, Revolutionen werden am grünen Tisch entschieden, sondern energisch zuzupacken – mithilfe kapitalistischer Elemente.“ Etwas Unerhörtes in der Geschichte und in der Theorie des Sozialismus.

Die Bearbeitung dieses Problems, die spezifische Entwicklung einer sozialistischen Gesellschaft, wurde nach Brunos Auffassung spätestens seit dem XX. Parteitag der KPdSU vernachlässigt. Für ihn führte das entscheidend mit zum Ende der europäischen sozialistischen Staaten. Das auf Verrat zurückzuführen, schien ihm zu flach, er sprach von Schwindel und Konzeptlosigkeit und konnte das beurteilen, erlebte er doch den Niedergang aus nächster Nähe. Seit den 1970er Jahren war er Dolmetscher Erich Honeckers bei Gesprächen mit der KPdSU-Führung. In einem „junge Welt“-Interview schilderte er 2015 einen Wendepunkt, den er selbst erst spät als solchen begriff: „1981 kam der Sekretär des Zentralkomitees der KPdSU, Konstantin Russakow, im Auftrag von Leonid Breschnew, dem damaligen Generalsekretär der KPdSU, zu einem Gespräch mit Erich Honecker nach Berlin. Es ging um die Reduzierung der sowjetischen Erdöllieferungen an die DDR um zwei Millionen Tonnen im Jahr. Russakow sagte zu Honecker, es sei dem Genossen Breschnew sehr schwergefallen, mit einer solchen Bitte an ihn heranzutreten. Er hoffe auf Verständnis. Honecker erläuterte die Probleme, die das für die DDR aufwarf, es ging hin und her, bis Russakow erklärte: ‚Ein großes Unglück ist geschehen‘, und die Situation mit der zur Zeit des Friedens von Brest-Litowsk 1918verglich, also mit einer Situation, in der es um die Existenz der Sowjetmacht ging.” Was gemeint war, habe er, Bruno, erst viel später begriffen: Die KPdSU-Führung hatte beraten und sah die Existenz der Sowjetunion in Gefahr. Das ahnte niemand in der DDR-Führung.

Bruno war nach der Konterrevolution im Ältestenrat der PDS und später der Partei „Die Linke“ aktiv, bis das Gremium vor einem Jahr von der Parteiführung als „dysfunktional“ aufgelöst wurde. Im Herbst 2022 trat Bruno in die DKP ein. Zu seinem Vermächtnis gehören Sätze wie diese von 2015: „Für Russland war Deutschland außenpolitisch stets die erste Wahl, für Deutschland war Russland stets nur die zweite. Und: Deutschland hat sich seit dem Ersten Weltkrieg an keinen Vertrag gehalten. Es gibt in dieser Hinsicht nichts Neues.“

Bruno war ein Weiser im Sinne von Brechts Gedicht über das Buch „Taoteking“. Einiges hat er aufgeschrieben, längst nicht alles, was er weitergeben wollte. Sein Tod am 22. Februar kam zu früh.

Dr. Arnold Schölzel ist Mitglied des Beirats des Deutschen Freidenker-Verbandes

Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung seines Beitrages


Aktiv gegen Geschichtsfälschung

Zum Tod von Bruno Mahlow

Erstveröffentlichung am 23.02.2023 im Blog der UZ

Unser Freund und Genosse Bruno Mahlow ist tot. Wir sind sehr traurig. Unsere Gedanken sind bei Brunos Familie.

Bruno war langjähriger DDR-Diplomat und Mitglied des Ältestenrates der Partei „Die Linke“, bis die den Ältestenrat aus politischen Gründen neu besetzte. Im November letzten Jahres ist Bruno Mitglied der DKP geworden.

Im Januar flatterte Bruno eine Vorladung wegen „Belohnung und Billigung von Straftaten“ (Paragraf 140 StGB) wegen eines UZ-Kommentars ins Haus. UZ schrieb dazu am 17. Februar: „Bruno Mahlow wird ein Kommentar in dieser Zeitung mit der Überschrift „Bis zur letzten Konsequenz“ zur Last gelegt. Darin warnte er eindringlich vor der Gefahr eines dritten Weltkrieges. Mahlow war Mitglied des Ältestenrates der Partei „Die Linke“ und ist heute in der DKP. Er hat den faschistischen Überfall auf die UdSSR als Kind deutscher Emigranten er- und überlebt. Das Wort ‚Skandal‘ soll man nicht inflationär benutzen, aber für den Tatvorwurf gegen diesen Antifaschisten und Friedenskämpfer der ersten Stunde gibt es kein anderes.“ Wir veröffentlichen im Folgenden Brunos „Gegenrede“, die er seinem Anwalt zur Verfügung gestellt hatte. 

Bruno Mahlow am 10. Februar zu seiner Vorladung wegen „Belohnung und Billigung von Straftaten“:

„Auch ich bin gegen einen Angriffskrieg. Zeit meines Lebens habe ich für den Frieden gewirkt, trug politische Verantwortung in der DDR für die Sicherung des Friedens und für die friedliche Lösung von Konflikten. Außenpolitik, internationale Beziehungen, die globalen Probleme im Weltgeschehen gehörten zu meinem Arbeitsgebiet.

Geboren in der Sowjetunion als Kind deutscher politischer Emigranten, wuchs ich als „Kind des Großen Vaterländischen Krieges“ auf. Seit meiner Kindheit weiß ich nur zu gut, wie ein Vernichtungskrieg und seine Folgen aussehen und wie wichtig es ist, den Anfängen entgegenzutreten.

Meiner Überzeugung nach führt Russland keinen Angriffskrieg. In der Ukraine aber wird aus meiner Sicht seit dem von außen unterstützten verfassungswidrigen Putsch seit 2014 Krieg geführt. Und zwar gegen die eigenen Bürger und nach den durchgeführten Referenden gegen die gegründeten Republiken Donezk und Lugansk.

Als der von langer Hand vorbereitete unmittelbare Angriff durch die Ukraine bevorstand, wurde Russland gezwungen, einen speziellen militärischen Eingriff zur Sicherung seiner nationalen Sicherheit und zur Verteidigung der Bevölkerung des Donbass durchzuführen.

Meine Meinung ist objektiv belegbar. Nicht jeder muss sie teilen. Ich bin aber nicht bereit, mein Leben, meinen Einsatz für den Frieden, meine Erfahrungen und Erkenntnisse über die Geschichte der internationalen Beziehungen über das Weltgeschehen aufzugeben. Deshalb wende ich mich aktiv gegen die verbreitete Geschichtsfälschung.

Ich will auch nicht verhehlen, dass namhafte Journalisten, Historiker, Militärexperten und Wissenschaftler im In- und Ausland, trotz verschiedener anderer Auffassungen, meine Meinung teilen. Das heißt, meine Ansichten sind durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Zur Meinungsfreiheit gehört bekanntlich auch die Informationsfreiheit. Das, was die deutschen Medien dazu liefern, ist – zurückhaltend gesagt – mehr als einseitig und schafft ein bedenkliches psychisches Klima für den Schutz des öffentlichen Friedens in Deutschland. Es stimmt mehr als bedenklich, dass die zugelassene Hetze gegen Russland auch direkt zur Förderung einer Hetze Deutsche gegen Deutsche führt.

Das erklärt auch, warum ich in meiner Veröffentlichung vor der Gefahr eines Dritten Weltkrieges warne, der ein Atomkrieg sein würde, und mit dem Ruf an das Gewissen auf die Verantwortung jedes Einzelnen aufmerksam mache. Genau das ist der Grund, warum ich und meine Freunde damit an die Öffentlichkeit treten.“


Auf unserer Webseite hatten wir erst vor kurzem ein ausführliches Interview von Arnold Schölzel mit Bruno Mahlow veröffentlicht: Aufbruch in gesellschaftliches Neuland.


Bild oben: Bruno Mahlow.
Foto: Frank Schumann, übernommen von UZ