Frieden - Antifaschismus - Solidarität

Raus aus der Nato statt Krieg gegen Russland – Friedensaktions-Konferenz

Bericht von Tilo Gräser von Sputniknews Deutschland von der Friedensaktionskonferenz am 07.07.2018 in Potsdam

„Frieden mit Russland!“ hat eine Friedensaktionskonferenz am Samstag in Potsdam gefordert. Für Klaus Hartmann vom Freidenker-Verband geht das nur ohne Nato. Historiker Anton Latzo sieht Moskaus Außenpolitik am Frieden orientiert. Für Karin Leukefeld bestätigt sich das derzeit in Syrien. „Nein zu Atomwaffen“ hat ebenfalls zu den Forderungen gehört.

Russland betreibt eine systematische und konstruktive Außenpolitik, die an Sicherheit und Stabilität ausgerichtet ist. Das sagte der Historiker Anton Latzo am Samstag in Potsdam. Die russische Politik strebt nach seinen Worten eine internationale Sicherheitsarchitektur mit internationalen und regionalen Komponenten an. Latzo erinnerte dabei an den Vorschlag des damaligen russischen Präsidenten Dmitri Medwedew vom Juni 2008, die Pariser Charta zu einem neuen euro-atlantischen Sicherheitsvertrag weiterzuentwickeln. Dieser Vorschlag sei jedoch vom Westen ignoriert worden.

Der Historiker sprach am Samstag auf der Friedensaktionskonferenz „Frieden mit Russland!“ in der Hauptstadt Brandenburgs. Die Konferenz hatte die Potsdamer Gruppe der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) gemeinsam mit anderen Gruppen im „Bürgerhaus am Schlaaz“ organisiert. Mehr als 100 Menschen kamen, um sich verschiedene Vorträge anzuhören und miteinander zu diskutieren, was vor Ort für den Frieden und gegen die Kriegstreiber getan werden könne.

Russlands Interesse

„Russland bedroht kein Land in Europa und weltweit“, hatte zuvor Klaus Hartmann, Vorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbandes, auf der Konferenz festgestellt. Das Land setze sich dagegen für kollektive Sicherheit ein. Es gehe nicht um Werte und Moral, sondern um Interessen. „Und die nationalen Interessen Russlands sind Sicherheit, Wohlstand und die Milliarden für ein neues Wettrüsten zu sparen.“

Laut Hartmann warnte die Zeitschrift des Freidenker-Verbandes bereits 2007, dass Russland als „alter neuer Feind“ aufgebaut und eingekreist wird. Der Verbandsvorsitzende schrieb damals selbst zum „Russlandbild der Medien“: „Angesichts des medialen Trommelfeuers gegen Russland ist es Aufgabe der Aufklärung, die durchsichtigen Methoden ebenso bloßzulegen wie die wirtschaftlichen und militärischen Interessen der Auftraggeber, und insbesondere Wachsamkeit und Widerstand gegen rassistische Volksverhetzung zu mobilisieren.“

Einkreisung und Abschreckung

In Potsdam warnte Hartmann elf Jahre später wiederum vor der zunehmenden Konfrontation gegen Russland. Heute werde weiter medial „aus allen Rohren“ auf das alte Feindbild geschossen. „Die Rede von der wachsenden Kriegsgefahr ist keine Floskel“, hob er hervor. „Die USA und die Nato-Mächte führen einen Regime-Change-Krieg nach dem anderen.“ Seit 1991 habe die westliche Politik gegenüber Russland das Ziel, dieses einzukreisen und zu destabilisieren. Mit dem Putsch in der Ukraine 2014 und den Nato-Aktivitäten an der russischen Westgrenze werde die Konfrontation zugespitzt.

Der Freidenker-Vorsitzende verwies auf Fakten, wie sich die Nato in den letzten Jahrzehnten entwickelt habe – von einem Bündnis aus 16 Mitgliedern 1990 zu einem mit 29 Mitgliedsstaaten heute. Die Bundesrepublik sei am 9. Mai 1955 der Nato beigetreten, erinnerte Hartmann, „zehn Jahre nach dem Tag des Sieges“. Heute gehöre die „Abschreckung“ Russlands wieder zum offiziellen Nato-Jargon. Ebenso werde wieder von der „Ostfront“ gesprochen, für die der Bundeswehr Winterkleidung fehle.

Deutsche Beteiligung

Die Konfrontation gegenüber Russland werde gleichfalls von der Europäischen Union (EU) mitgetragen. Diese begründe ihre Militarisierungsprogramme wie Pesco und neue atomwaffentragende Kampfflugzeuge auch mit der angeblichen russischen Gefahr seit 2014. Hartmann betonte:

„Deutschland ist keinesfalls nur das Opfer oder der Erfüllungsgehilfe der USA wider Willen. Sondern der deutsche Imperialismus bringt auch genügend eigene kriminelle Energie auf. Das hat er in der Vergangenheit unter Beweis gestellt, und das tut er bis heute.“

Die Nato bedrohe mit Aufrüstung und Truppenaufmärschen die Souveränität und staatliche Existenz Russlands, so Hartmann. Er gestand dem westlichen Militärbündnis zu, ihm sei „nicht an einer direkten militärischen Auseinandersetzung, nicht an einem großen Krieg mit Russland gelegen“. Der Nato sei klar, dass Russland in einem solchen Fall auf den Einsatz seiner Atomwaffen nicht verzichten werde. Die Nato strebe jedoch an, den euro-asiatischen Raum militärisch zu beherrschen. Dazu werde versucht, die politische Unterordnung Russlands zu erzwingen, und der „Endkampf gegen China“ vorbereitet.

Desorientierte Friedensbewegung

Hartmann meinte, es gebe heute Defizite in der Aufklärungsarbeit über die Kriegsgefahr. Die bundesdeutsche Friedensbewegung und die Partei Die Linke wirken für ihn desorientiert. Dazu trage bei, dass inzwischen selbst innerhalb der Friedensbewegung als verdächtig gelte, wer „Frieden mit Russland“ fordere.

Der Freidenker-Vorsitzende kritisierte Forderungen nach „Äquidistanz“ zu Russland, nach „gleichem Abstand zu den Angreifern wie den Angegriffenen“, wie es sie auch in der Linkspartei gebe. Klar sei: „Die Friedensbewegung ist autonom und kein Anhängsel von Staaten oder Staatengruppen. Aber andererseits Verständigung und Frieden mit Russland zu fordern ist keine Auftragsarbeit Russlands, sondern das ist das existenzielle Überlebensinteresse der deutschen Bevölkerung.“ „Raus aus der Nato“ – das ist für Hartmann die einzige Alternative.

Völkerrechtliche Grundlagen

Die Nahost-Korrespondentin Karin Leukefeld zeigte am Beispiel Syrien, was russische Außenpolitik konkret bedeutet. Nicht erst mit dem militärischen Eingreifen ab September 2015 habe Russland versucht, den bewaffneten Konflikt zu beenden. Inzwischen gelte es wieder als Ordnungsmacht in der Region, die auch für seine Sicherheit wichtig sei. Von Beginn an habe Moskau Damaskus auf Basis des Völkerrechts unterstützt.

Aus dem Konferenzpublikum kam der Hinweis, dass Russland erst nach vier Jahren Krieg in Syrien begann, seine völkerrechtlichen Unterstützungszusagen gemäß dem am 8. Oktober 1980 unterzeichneten „Vertrag über Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen der UdSSR und der Syrischen Arabischen Republik“ zu erfüllen. Es habe 2012 als Rechtsnachfolger der UdSSR bestätigt, dass der Vertrag weiter gültig ist. Die Zeitschrift „WeltTrends“ hatte das Dokument in ihrer Ausgabe 86 (2012) im Wortlaut veröffentlicht. Danach enthält der Vertrag einen Artikel (10) zur militärischen Zusammenarbeit mit dem Ziel der Verteidigung. Dazu gehört die Klausel in Artikel 11, dass keine der beiden Seiten sich an Bündnissen, Staatengruppierungen und Handlungen beteiligen wird, die gegen die andere Seite gerichtet sind.

Politische Ziele

Leukefeld erinnerte daran, dass Moskau 2013 den Beitritt Syriens zur Chemiewaffen-Konvention und die Vernichtung der entsprechenden Waffenbestände mit befördert habe. Ebenso machte sie deutlich, dass die US-Truppen der internationalen Koalition gegen den „Islamischen Staat“ (IS)* anders als die russischen Truppen völkerrechtswidrig in Syrien agieren. „Syrien soll aufgeteilt werden“, beschrieb die Korrespondentin das Ziel der Politik der USA und ihrer Verbündeten. Das zeige unter anderem ein „Friedensplan“ des US-Thinktanks Rand Corporation aus dem Jahr 2017.

Doch Russland setze dieser „Kontinuität westlicher Interessen“ etwas entgegen. In Syrien bemühe es sich neben dem militärischen Einsatz auch mit diplomatischen Aktivitäten, den Konflikt zu beenden. Dazu gehörten Gespräche mit allen beteiligten Gruppen. „Die Russen haben mit ihrem militärischen Eingreifen den Friedensprozess erst ermöglicht“, hatte selbst der ehemalige Bundeswehr-Generalinspekteur Harald Kujat 2016 betont. Dem stimmte Leukefeld zu.Aus Sicht der Korrespondentin steht die westliche Konfrontationspolitik gegenüber Moskau in Zusammenhang mit dessen Erfolg in Syrien. „Es geht um die Eindämmung Russlands in der Region“ – mit allen politischen und medialen Mitteln. Leukefeld verwies dabei auf ein Dokument der von den USA geführten „Kleinen Syrien-Gruppe“ vom Januar 2018. Sie befürchtet weitere Kriege, bevor die von Russland und anderen Staaten wie China angestrebte multipolare Weltordnung akzeptiert wird.

Nukleare Bedrohung

Das Verbot der Atomwaffen war ein weiteres Thema der kleinen Potsdamer Friedenskonferenz. Die ehemalige DDR-Diplomatin Helga Hörz schilderte dabei den Kampf der Weltfriedensbewegung gegen die Atombombe seit deren Abwurf auf Hiroshima und Nagasaki im August 1945. Der Arzt Hans Peter Jung von den „Internationalen Ärzten für die Verhütung des Atomkrieges / Ärzte in sozialer Verantwortung“ (IPPNW) beschrieb die Auswirkungen der eingesetzten Atombomben ebenso wie die Folgen von sogenannter abgereicherter Uran-Munition, wie sie die Nato unter anderem in Jugoslawien und im Irak einsetzte.

Uwe Fröhlich von der regionalen Gruppe der „Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen“ (ICAN) erinnerte daran, dass der Befehl zum Atombombenabwurf auf Hiroshima von Potsdam aus erfolgte. Er beschrieb das Engagement der mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Kampagne gegen Atomwaffen. Diese müssten grundsätzlich abgeschafft werden, erklärte er auf einen Hinweis aus dem Publikum, dass Russland sie als Schutz gegen einen möglichen Angriff mit konventionellen Waffen weiter als notwendig sehe. Für Fröhlich sind die humanitären Auswirkungen dieser Waffen entscheidend. Zum Abschluss der Konferenz beschäftigte sich eine Diskussionsrunde mit Ideen zum Thema „Was tun in Brandenburg für den Frieden?“

* „Islamischer Staat“, auch „Daesh“, eine in Russland verbotene Terrorvereinigung

Link zum Original-Artikel: https://de.sputniknews.com/politik/20180709321482375-friedensaktionskonferenz-nato-aus/


Bild: Nahostkorrespondentin Karin Leukefeld während ihrer Rede auf der Friedensaktionskonferenz am 07.07.2018 in Potsdam
© Sputnik / Tilo Gräser