Religions- & Kirchenkritik, Säkulare Szene

Endlich – Staatskirche in Schweden abgeschafft!

von Reinhard John

Von der Presse fast unbeachtet, ging in Schweden ein dunkles Kapitel zuende: Die seit 473 Jahren bestehende Einheit von Staat und Kirche. Ein weiteres europäisches Land hat endlich diese mittelalterliche Machtstellung einer Kirche beendet. König Gustav Wasa schloss diese „Zwangsehe von Thron und Altar“ im Jahre 1527. Und beide Seiten profitierten von dieser Allianz: Der schwedische Staat „benutzte die Kirche als effektives Machtinstrument und bestrafte die Abtrünnigen“, wie selbst die konservative Zeitung Göteborgs-Posten heute feststellt. (Der König zweigte dabei einen Teil des erheblichen Kirchenvermögens für sein Reich ab.) Als Gegenleistung durfte die schwedische Staatskirche (Svenska kyrkan) viele Jahrhunderte lang ihren Konkurrenten vor allem Katholiken und Freikirchlern, sowie allen Freidenkern das Leben schwer machen.

Bereits im Jahre 1958 beschäftigte sich eine parlamentarische Kommission mit der Abschaffung der Staatskirche, aber im extrem harmoniesüchtigen Schweden blieb diese Initiative aufgrund des Widerstand, von Kirchenkreisen erst einmal ohne Konsequenzen. Es dauerte schließlich bis 1991 als der schwedische Reichstag mit den Stimmen aller Parteien die Trennung einleitete. Im gleichen Jahr willigte auch die Synode der Staatskirche mit 251 zu 28 Stimmen in eine Scheidung ein. Erst danach folgte im März 1998 der endgültige Beschluss des Reichstags mit Rechtswirkung zum Beginn des Jahres 2000.

Dieser schleichende Niedergang der „Schwedischen Kirche“, wie sich die evangelisch-lutherische Religionsgemeinschaft auch künftig selbstbewusst nennt, ist nicht die Folge einer politischen Protestbewegung, sondern schlicht Ergebnis einer zunehmenden Säkularisierung Schwedens. Staatskirche hin oder her, Religion spielt eine immer geringer werdende Rolle im Leben der schwedischen Bürger. Von ihren eigenen Mitgliedern (immerhin 85 % der Bevölkerung) gehen nur noch 5 % sonntags in die Kirche. Und so beklagen viele, wie der Philosoph Torbjörn Tännsjö, dass die Staatskirche ihre „moralische Instanz“ eingebüßt habe und ihr Einfluss marginal sei. Die Meinung, dass sich das „veraltete Staatskirchensystem überlebt“ habe, ist aber so massiv verbreitet, dass selbst das Oberhaupt der Schwedischen Kirche, Karl Gustav Hammar, behauptet, er habe den Augenblick der Abschaffung der Staatskirche seit seiner Priesterweihe 1965 herbeigesehnt.

Dabei hat sich seine Kirche vehement gegen jeden Abbau ihrer Machtstellung gewehrt, der erst 1951 mit dem Gesetz über Religionsfreiheit begann:

  • Erstmals darf man aus der Staatskirche austreten!

(Dazu muss man wissen: Voraussetzung für eine Mitgliedschaft und somit auch für die Zahlung von Kirchensteuer war allein schon die Geburt als schwedischer Staatsbürger oder die Abkunft von Mitgliedern der Staatskirche, wenn man nicht rechtzeitig widersprach. Erst seit 1996 ist die Taufe Voraussetzung für den Beitritt.)

  • Nun darf man auch schwedischer Staatsbürger werden, ohne Mitglied einer christlichen Religionsgemeinschaft zu sein.

Es müssen nicht mehr alle Regierungsmitglieder Mitglied der Staatskirche sein.

Mit einer Gesetzesreform von 1958 hat die Staatskirche ihre Hoheit über das gesamte Schulwesen verloren.

In den siebziger Jahren wurden die theologischen Fakultäten in religionswissenschaftliche umgewandelt. Die Kirche hat auf diese keinen Einfluss mehr. Die praktische Pfarrerausbildung erfolgt an separaten Pastoralinstituten“.

Das gesamte Personenstandswesen wurde bis zum 1. Juli 1991 von der Staatskirche verwaltet. Geburten, Eheschließungen oder Todesfälle mussten von jedem Bürger bei den örtlichen Kirchenbehörden gemeldet werden. Diese Registrierung erfolgt nun bei den Finanzbehörden. Gerade gegen diesen Einschnitt wehrte sich die Kirche heftig, nicht zuletzt, weil dies Arbeitsplätze bei den Kirchenämtern kostete. Aber auch, weil dadurch der Kontakt zu den abtrünnigen Schäfchen verloren ging

Als unmittelbare Folgen der Abschaffung der Staatskirche werden genannt:

  • Der Staat darf nicht mehr den Erzbischof und die Bischöfe ernennen.
  • Das (staatliche) Kirchengesetz wird durch zwei Rahmengesetze mit Verfassungscharakter ersetzt.
  • Nur noch der König und der Thronfolger müssen Mitglied der Kirche sein.
  • Die rund 3.300 Pastoren und Bischöfe sind nicht mehr beim Staat angestellt. (Diese Regelung verursachte bei den Betroffenen großes Heulen und Zähneknirschen.)

Eine Abschaffung der Staatskirche führt aber nicht zwangsläufig zu einer kompletten Trennung von Staat und Kirche. Bestes Beispiel ist da unser Rechtssystem, das trotz der formalen Abschaffung der Staatskirche 1919 viele Privilegien und staatlichen Pfründe für die Kirchen zulässt. In Schweden könnte dies auch drohen: So wird zwar gemeldet, dass der schwedische Staat ab 2000 keine Kirchensteuer mehr einzieht, alle Religionsgemeinschaften dürfen jedoch künftig den Staat bitten, eine „Kirchenabgabe“ einzuziehen. Der einzige Unterschied zu vorher scheint zu sein, dass der Kirchensteuerabzug weniger offensichtlich war, denn „Skeptiker der Trennung befürchten ( … ) einen Massenaustritt, wenn die Schweden erst einmal sehen, was sie die Kirchenmitgliedschaft kostet“.

Das künftige Verhältnis von Staat und Kirche soll von einer Kommission aus Vertretern beider Organisationen geregelt werden. (Dass die Kirche hier mitreden darf, ist wieder typisch für die Mentalität, möglichen Konflikten aus dem Weg zu gehen.) Kernpunkte einer Regelung, die auch wichtiger sind, als die Frage, welcher Religionsgemeinschaft ein König angehören soll, wären beispielsweise: der schulische Religionsunterricht, die Militärseelsorge, die Staatsleistungen aufgrund der Abschaffung des Zehnten (!), die Finanzierung der Pastoralinstitute, sowie das Monopol der ehemaligen Staatskirche im Begräbniswesen. Letzteres führte bisher zu der absurden Konsequenz, dass auch Nichtmitglieder eine verringerte Kirchensteuer zahlen mussten.

Dass die Schwedische Kirche dafür sorgen wird, dass ihr einige liebgewonnene Privilegien erhalten bleiben, geht schon daraus hervor, dass ihre letztliche Zustimmung zur Scheidung nicht aus einem Unrechtsbewusstsein resultiert! Vielmehr will man schlicht und ergreifend verlorenes Ansehen in der Bevölkerung zurückgewinnen. Übrigens: arm geht die Kirche auch nicht aus dieser Ehe: Sie ist eine der größten Waldbesitzer des Landes, bedeutende Aktieninhaberin, Eigentümerin von über 3000 Kirchen und verfügt über ein Vermögen von umgerechnet rund 6,8 Milliarden Mark.

Die materielle Basis für eine Rechristianisierung ist also da, Mal sehen, ob sich die Schweden davon beeindrucken lassen.


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