Historische Balkan-Skizze
Aus: „FREIDENKER“ Nr. 1-24, März 2024, S. 30-42, 83. Jahrgang
von Klaus Hartmann
Wenn uns Nachrichten vom Balkan erreichen, geben sich auch manche schnell geschlagen, die ansonsten gewohnt sind, den Dingen auf den Grund zu gehen. Ratlosigkeit und das Gefühl, nicht „durchblicken“ zu können, ist auch bei Friedensfreunden und Linken weit verbreitet. Zu der in Kriegszeiten massiv gesteigerten Kriegspropaganda kommt hinzu, daß sich die Beteiligten auf historische Mythen oder „Rechte“ berufen bzw. behaupten, „die Anderen“ würden sich darauf berufen. Die folgende Skizze erhebt keinen analytischen Anspruch, sie muß sich auf eine stichwortartige Darstellung der Ereignisse beschränken; weiterführende Literatur wird am Ende genannt.
Erkundigungen nach der Geschichte der Balkanvölker führen zurück in die Zeit der Völkerwanderung, und sie müssen das Ende des Römischen Reiches mitsamt Erfolge-Auseinandersetzungen einbeziehen. Im Zuge von Völkerwanderungen besiedelten verschiedene von Norden kommende slawische Stämme den Balkan von der Mitte des 5. bis zur Mitte des 7. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung. Fortan unterschied man die in Zentraleuropa siedelnden „Nordslawen“ (einschließlich der Sorben!) von den auf dem Balkan siedelnden Süd(=Jugo)slawen. Nur waren die einzelnen Gruppen noch weit entfernt von irgendeiner staatlichen Organisationsform oder einem Kollektivbewußtsein. Vielmehr mußte man das Überleben organisieren und sich mit den umgebenden Mächten arrangieren.
Kampf zwischen West- und Ost-Rom
Bestimmend waren im 8. und 9. Jahrhundert die Auseinandersetzungen zwischen West-Rom und Ost-Rom, dem Fränkischen und Byzantinischen Reich. Bis 814 u.Z. werden die kroatischen und slowenischen Siedlungsgebiete durch die Franken erobert, der Südosten bleibt unter byzantinischer Herrschaft. Der starken byzantinisch-antipäpstlichen Opposition gelang es 878, die byzantinische Oberhoheit über Kroatien wieder zu erringen. Der aus Konstantinopel heimkehrende Fürst Zdeslav wird allerdings ein Jahr später von Fürst Branimir ermordet, der sofort dem Papst gegenüber seine Ergebenheit erklärt. Dies stellt für einige kroatische Historiker den Beginn eines frühmittelalterlichen „unabhängigen Kroatien“ dar, ignorierend, daß das Land rechtlich weiter ein Teil Ostroms blieb, und auch der folgende „König“ Tomislav nur kaiserlicher Prokonsul war.
In diesem Kampf hatte die Religion eine hervorragende Rolle zu spielen, die Anmaßung der „führenden Rolle“ durch die Römische Kirche zielte im weltlichen Machtpoker gegen das oströmische Reich. Die Ostkirche bestand weiterhin auf der bisher bestehenden Unabhängigkeit und lehnte eine Unterordnung unter den Papst ab. In der Folge profilierten die slawischen Apostel Kyrill und Method die slawisch-griechische, heute orthodox genannte Kirche; Deschner nennt sie „urprotestantisch“. 1054 wird das Schisma, die Kirchenspaltung, endgültig vollzogen.
Die Auseinandersetzungen unseres Jahrhunderts zwischen den „westlich orientierten“ Kroaten und den „asiatischen“ Serben wurden immer wieder als Fortsetzung jenes „ewigen Kreuzzugs“ zwischen Papstkirche und orthodoxen „Abtrünnigen“ inszeniert.
In den Kämpfen um Kroatien gewannen die Ungarn ab 1091 die Oberhand und gliederten es ihrem Staat ein, bis 1908 gehörte Kroatien zum ungarischen bzw. österreichisch-ungarischen Reich. Die ersten Versuche einer serbischen Staatsgründung (ca. 930-960 und 1020-1101) hatten keinen langen Bestand, unter Stefan Nemanja erkämpften die Serben ab 1166 endgültig ihre Unabhängigkeit von Ostrom, Zentrum des Reiches ist Raška und Kosovo-Metochien. In der Folgezeit, bis etwa 1355, erreicht Serbien eine Ausdehnung von Belgrad bis Mittelgriechenland, 1377 vereinigte es sich mit Bosnien. Hier zeigte sich auch die Schwäche von Byzanz. Es hatte sich im Norden dem papsttreuen Venedig zu erwehren, wurde von den durchziehenden fränkischen Kreuzrittern verwüstet, und wurde vom Osmanischen Reich von Südosten her bestürmt, das bald den ganzen Balkan erobern sollte.
Das unter Einfluß der Papstkirche stehende Ungarn wollte die Türkenangriffe auf das mit Bosnien vereinigte Serbien im Interesse des Katholizismus nutzen: Es griff von Norden her mit einer riesigen Streitmacht an, um die orthodoxe Häresie im päpstlichen Auftrag auszurotten. Dies mißlang zwar, schwächte aber die Widerstandskraft gegen die vorrückenden Türken.
Die Amselfeld-Schlacht
Ein Schlüsselereignis, zugleich Quelle von Geschichtsmythen, ist die legendäre Schlacht auf dem Amselfeld (Kosovo polje) am 28.6.1389, bei der die Osmanen das serbische Heer unter Fürst Lazar vernichtend geschlagen haben (sollen). „Sollen“ steht in Anführungszeichen, da manche Historiker die serbische Niederlage anzweifeln, und einen Verräter aus den eigenen Reihen, der mit den Türken paktieren wollte, für die Ermordung Lazars verantwortlich machen. Nach anderen Quellen fiel Fürst Lazar in der Schlacht, was unabhängig von deren Ausgang als Niederlage interpretiert wurde.
Die historische Wahrheit bezüglich des konkreten Ablaufs wird kaum zu Tage zu fördern sein, auf jeden Fall gilt die Schlacht auf Kosovo polje den Serben als ihre heroische Tat, ihr Opfer zur Verteidigung des christlichen Abendlandes gegen den Islam. Die Gefallenen wurden als Märtyrer verehrt, die Kosovo-Schlacht im Kampf gegen das Türkenjoch zum Mythos verklärt und zum konstitutiven Element serbischen Nationalgefühls.
Historische Tatsache ist jedenfalls, daß die Türken in den folgenden Jahren ihre Herrschaft auf große Teile des Balkans erweiterten. Das Osmanische Reich eroberte 1459 die serbische Festung Smederevo, 1463 Bosnien, 1521 Belgrad und 1526 Ungarn. Lediglich in den Gebirgsregionen Montenegros konnten sie zu keiner Zeit die völlige Herrschaft über die Serben erringen. In den übrigen Regionen konnten die Serben unter dem Dach ihrer orthodoxen Kirche Sprache und Kultur bewahren, die Künste entwickeln und dem andernorts wirksamen kulturellen Assimilationsdruck der Osmanen widerstehen.
Besonders in Bosnien traten kroatische und serbische Christen sowie Bogumilen in großer Zahl zum Islam über. Ausschlaggebend dafür waren weniger religiöse als praktische Gründe. Nur Muslime hatten uneingeschränkte Rechte, waren von der Kopfsteuer befreit, die den nicht Konvertierten, die als Raja (Herde des Sultan) bezeichnet wurden, auferlegt war. Vor Gericht galt die Aussage eines Muslimen so viel wie die von zwei „Fehlgläubigen“), nur Muslime durften ein Pferd reiten, Juden und Christen waren auf Esel oder Maultier angewiesen, nur Muslime durften Waffen tragen, öffentliche Ämter bekleiden etc.
Alljährlich mußten christliche Familien Söhne an die Besatzungsmacht ausliefern, die sie in der Türkei zum Islam „bekehrte“ und zu gefürchteten Kriegern ausbildete. Diese bildeten bald das Rückgrat der Besatzungsmacht auf dem Balkan.
Die nordgriechische Küste und die sich zum Landesinnern anschließenden Gebirgszüge waren schon vor Beginn der Völkerwanderung von nichtslawischen Stämmen, überwiegend Hirtenvölkern, besiedelt. Zu diesen Stämmen gehören auch die heutigen Albaner oder Skipetaren. Die hin und wieder anzutreffende Behauptung, sie seien Nachfahren der sagenhaften Illyrer, ist naturgemäß nicht verifizierbar; sie soll auch lediglich zur Untermauerung von Gebietsansprüchen in heutiger Zeit gegenüber den „erst“ mit der Völkerwanderung hier siedelnden Slawen dienen. Bei den Illyrern handelte es sich um ein Seefahrervolk, das sich vor über 3000 Jahren an der östlichen Adriaküste niederließ. Nach Niederlagen gegen das römische Heer in den Jahren 229 und 219 vor unserer Zeitrechnung kam es unter römische Herrschaft, seitdem sind keine eigenstaatlichen Regungen bekannt oder kulturelle Zeugnisse überliefert. Nach dem Zerfall des Römischen Reiches in „Ost-Rom“ und „West-Rom“ waren die in diesem Gebiet siedelnden Stämme zunächst dem Machtbereich von Byzanz zugehörig, und fielen schließlich ebenso wie die übrigen Balkanvölker unter osmanische Herrschaft.
Auf eine staatsähnliche Tradition können die Albaner nur bezüglich einer kurzen Episode, dem Aufstand unter Skanderbeg von 1444-1468, verweisen; eine eigene Staatlichkeit erhielten sie erst am Beginn des 20. Jahrhunderts. Der noch heute als Volksheld verehrte Skanderbeg hieß eigentlich George Kastriotis, und gehörte zu jenen, die von den türkischen Besatzungstruppen nach Istanbul entführt und zum Koran „bekehrt“ wurden. Nach seiner Rückkehr wurde er als hoher Adminstrator der Besatzungsmacht in seinem Heimatbezirk Kruja eingesetzt, nutzte aber bald die Unzufriedenheit albanische Feudalherren mit dem türkischen Landverteilungssystem zu einem Aufstand. Er überwältigt eine türkische Garnison, und verteidigt mit einem Bauemheer bis zu seiem Tod 1468 erfolgreich seinen Bezirk gegen die Besatzerübermacht.
Diese vierundzwanzigjährige Auflehnung gegen die Besatzungsmacht war also wesentlich einem ökonomischen Konflikt um die Zuteilung von Ackerland entsprungen, es war kein prinzipieller Aufstand gegen die Osmanische Herrschaft und insbesondere nicht gegen den Islam. Zu diesem konvertierten die Skipetaren in großer Zahl, und sie wurden als die „Polizei der Besatzer“ auf dem Balkan für ihre Gewalttätigkeit berüchtigt. Unter ihrem Druck verließen bis Anfang des 16. Jahrhunderts einige Zehntausend Serben das Zentrum ihres frühmittelalterlichen Reiches um Raska und das Amselfeld, um weiter nach Norden zu ziehen, die verlassenen Gebiete wurden von Albanern besiedelt.
1522-26 läßt Österreich eine schwer befestigte Militärgrenze (vojna Krajina) gegen das weitere Vorrücken der Türken errichten. Dieses „Bollwerk der Christenheit“ erstreckte sich von der nördlichen Adria bis westlich von Belgrad. Entlang der Grenze läßt das Habsburger Reich Wehrdörfer errichten, es entstehen geschlossene Siedlungsgebiete der Serben, die vor türkischen Heeren geflüchtet waren. Habsburg fördert diese Ansiedlung, da es in den Serben zuverlässige Kämpfer gegen weitere türkische Ansprüche sieht.
1690 scheitert ein serbischer Aufstand gegen die türkische Besatzung, woraufhin 90.000 Serben das Gebiet des Kosovo verlassen und sich auf habsburgische Einladung an der erwähnten Militärgrenze in der Vojvodina ansiedeln. In ihrer angestammten Heimat siedeln sich wiederum islamisierte Albaner an.
Nachdem das Osmanische Reich nie die Kontrolle über die Gebirgsregionen Montenegros erringen konnte, erkennt es 1799 die Autonomie des Fürstentums Montenegro an.
1804 beginnt ein neuer serbischer Aufstand unter Karadjordje Petrović gegen die Türken, der nach neun Jahren niedergeschlagen wird. Ein neuerlicher Aufstand beginnt 1815 unter Milos Obrenović, der nach russischer Unterstützung 1830 erfolgreich endet: Obrenović wird zum Fürsten Serbiens mit Sitz in Belgrad ernannt.
Kämpfe um die nationale Befreiung
Diese Aufstände (wie die folgenden in Bosnien und Bulgarien) waren als nationale Befreiungskämpfe stark von der Französischen Revolution inspiriert: Das Ideal der Gleichheit aller Bürger fand angesichts der konfessionell begründeten rechtlichen und ökonomischen Ungleichheit unter der türkischen Besatzung starken Widerhall und wurde zur Grundlage der serbischen Staatsidee.
Eine – vergebliche – kroatische Regung zwecks Unabhängigkeit von Ungarn fand ausgerechnet im Jahr 1848 statt: im Frühjahr 1848 hatte die bürgerliche Revolution in Ungarn gesiegt, sehr zur Beunruhigung des Habsburger Hofes. Im Einvernehmen mit Habsburg führt der kroatische Ban Josef Jelačić ein Heer gegen das revolutionäre Ungarn, das aber vernichtend geschlagen wird. Zwar werden die ungarischen Revolutionäre 1849 von habsburgischen Truppen besiegt, doch hat weder dieser Sieg der Konterrevolution noch die geflissentliche Bereitstellungkonterrevolutionärer Hilfstruppen kroatische Träume auf Selbständigkeit erfüllt.
1875 beginnt die slawische Bevölkerung in der Herzegovina und in Bosnien einen Aufstand gegen die türkische Besatzung, zu dessen Unterstützung Serbien und Montenegro 1876 der Türkei den Krieg erklären. Im gleichen Jahr finden in Bulgarien Aufstände gegen die türkische Besatzung statt, 1877 tritt Rußland auf serbischer Seite in den Krieg gegen die Türken ein. In dieser Situation kam es der Habsburger Monarchie und dem 1871 in Versailles gegründeten Deutschland darauf an, die Kontrolle über den Balkan zu erhalten. Dies war die Aufgabe des Berliner Kongresses vom 13. Juni bis 13. Juli 1878.
Vollberechtigte Teilnehmerländer waren Rußland, England, Österreich-Ungarn, Deutschland, Frankreich, Italien und die Türkei, hingegen waren die betroffenen Balkanländer nicht stimmberechtigt. Die Unabhängigkeit Serbiens und Montenegros sowie Rumäniens wurde international anerkannt, Bulgarien blieb jedoch dem Sultan tributpflichtiges Fürstentum, und insbesondere erhielt Österreich-Ungarn (gegen die „Gefahr“ südslawischer Einheitsbestrebungen) das Recht zur Verwaltung und militärischen Besetzung von Bosnien und Herzegovina, formell blieben diese weiterhin türkische Provinzen.
1878 tritt auch die „Liga von Prizren“ in Erscheinung, sie gilt separatistischen Kosovo-Albanern heute als „albanische Wiedergeburt“ und Begründung ihres Anspruchs auf Kosovo. Die damalige Bewegung albanischer Feudalherren war jedoch keine Unabhängigkeitsbewegung, sondern sie verlangte Autonomie innerhalb des Osmanischen Reiches, sie forderte nicht Gleichheit, sondern eine Garantie ihrer Privilegien durch den Sultan. Die Entwicklung eines albanischen Nationalbewußtseins war wegen dieser Fixierung auf die osmanische Herrschaft damit ebenfalls nicht verbunden.
1878 und 1882 kommt es in Bosnien- Herzegovina zu Aufständen gegen die Besatzung durch Österreich-Ungarn. Die Türkei als Ordnungsfaktor zur Niederhaltung slawischer Freiheitsbestrebungen fiel zunehmend aus: Das Wort vom „kranken Mann am Bosporus“ kam auf, und im Land selbst zeigte die erstarkende Bewegung der „Jungtürken“ den festen Willen, eine modernes, laizistisches Staatswesen zu errichten, aber keine Neigung, sich weiterhin aktiv auf dem Balkan zu engagieren.
Daraus zog 1908 Österreich-Ungarn seine Schlußfolgerung, nun selbst für „Ordnung“ sorgen zu müssen – es annektierte Bosnien-Herzegovina und verleibte es seinem Staatsgebiet ein. Vor diesem Schritt holte es sich allerdings die Zustimmung in Berlin, wobei der österreichische Außenminister Graf Ährenthal noch eine weitergehende Zielsetzung offenbarte: Serbien als dem Urheber des permanenten Strebens nach einem befreiten Staat aller Südslawen müsse die staatliche Unabhängigkeit wieder genommen werden. Auch dies fand heiße Zustimmung beim deutschen Generalstab, hatte doch der deutsche Imperialismus seine favorisierte Expansionsrichtung mit dem Bau der Bagdad-Bahn augenfällig gemacht. Für die Expansion im Vorderen Orient stellte der Balkan die Etappe dar, die unter allen Umständen gesichert werden mußte.
1912 gründeten Serbien, Bulgarien, Montenegro und Griechenland den Balkanbund. Er richtete sich gegen weitere Annexionspläne Habsburgs und insbesondere gegen die Reste türkischer Herrschaft in Südosteuropa. Mit russischer Unterstützung gewann der Bund 1912-1913 den 1. Balkankrieg, in dem die Türkei besiegt und endgültig vom Balkan verdrängt wurde. Die Sieger vergrößerten ihre Länder um die befreiten Gebiete, und sie vereinbarten die Gründung eines albanischen Staates. Österreich-Ungarn bemühte sich, Rivalitäten im Balkanbund um die Aufteilung der Beute zu fördern – in der Hoffnung, Bulgarien in eine antiserbische Frontstellung zu bringen. Dies gelang, im Juni 1913 eröffneten bulgarische Truppen einen Krieg gegen Serbien und Griechenland. Entgegen der Erwartungen blieb Rumänien nicht neutral, sondern trat in den Krieg gegen Bulgarien ein, ebenso die Türkei. Nach knapp sechs Wochen mußte Bulgarien um Frieden bitten, und verlor nach diesem 2. Balkankrieg alle Eroberungen aus dem ersten, und sogar Teile seines früheren Bestandes an Rumänien.
Für Österreich-Ungarn waren diese Balkankriege herbe Rückschläge und verschärften den Gegensatz zu Serbien auf das Äußerste. Diese Spannungen machten einen „großen Krieg“ zum Greifen nahe. Unmittelbar nach Ende der Balkankriege verschärfte der deutsche Generalstab die Spannungen weiter, indem er ein großes Kontingent Offiziere in die Türkei zwecks Reorganisation des türkischen Heeres schickte. Der deutsche Imperialismus wollte seine ökonomischen Interessen in der Türkei politisch und militärisch untermauern, sein Bestreben galt unverhohlen einer Neuaufteilung der Welt.
In den ersten Weltkrieg
Die Annexion Bosnien-Herzegovinas durch Österreich-Ungarn zwecks Verhinderung eines unabhängigen Staates aller Südslawen führte bei diesen zu einer heftigen und teils militanten Opposition. Geheimorganisationen entstanden, so auch die Verschwörerorganisation „Junges Bosnien“, die mit Überfällen auf Einrichtungen der Habsburger Fremdherrschaft hervortrat. Nach provokativen militärischen Großmanövern in Bosnien wollte der österreichische Kronfolger im Juni 1914 in Sarajevo die Huldigung der Bevölkerung entgegennehmen, fiel jedoch dem Attentat eines Mitglieds dieses „Jungen Bosnien“ zum Opfer. Dies bescherte Österreich-Ungarn endlich den heißersehnten Kriegsvorwand.
Der österreichisch-ungarische Botschafter in Berlin übergab am 5. Juli 1914 ein Schreiben von Kaiser Franz Joseph an den deutschen Kaiser und den Reichskanzler, in dem als Ziel die Ausschaltung Serbiens als politischer Machtfaktor auf dem Balkan formuliert war. Nach Gesprächen von Wilhelm II mit dem preußischen Generalstab und Kanonenkönig Krupp beschloß der Ministerrat in Wien am 7. Juli 1914, den Krieg durch ein Ultimatum an Serbien auszulösen. Der Text wurde am 19. Juli beschlossen, am 21. Juli in Berlin abgesegnet, am 23. Juli der Regierung in Belgrad überreicht. Serbiens Regierung, die in dem Ultimatum ohne Beweis für das Attentat verantwortlich gemacht wurde, sollte 12 Forderungen binnen 48 Stunden akzeptieren; darunter auch das Recht österreichisch-ungarischer Behörden auf Unterdrückung und Verfolgung slawischer Unabhängigkeitsbewegungen auf serbischem Staatsgebiet – also die Aufgabe der Souveränität!
Die Note „läßt eine Annahme Serbiens eigentlich überhaupt nicht zu“, freute sich der Mitautor Hoyo, die serbische Regierung lehnte von zwölf Punkten einen ab, und der ersehnte Krieg wurde durch österreichische Kriegserklärung am 27. Juli 1914 begonnen. Deutschland erklärte am 1. August Rußland den Krieg, marschierte ohne Kriegserklärung am 2. August in Luxemburg ein, die Kriegserklärung an Frankreich folgte am 3. August 1914.
Der 1. Weltkrieg endet mit der Niederlage Deutschlands und Österreichs, Serbien steht auf der Seite der Siegermächte. Der Preis allerdings war hoch: Serbien und Montenegro verloren in diesem Krieg 25% ihrer Bevölkerung. Gestützt auf die Tradition der Befreiungsbewegungen gegen die osmanische und habsburgische Besatzung, gestützt auch auf viele Intellektuelle und Freimaurerorganisationen in Kroatien und Slowenien wird 1918 ein gemeinsamer Staat aller Südslawen vereinbart, am 1. Dezember 1918 verkündet Prinzregent Aleksander Karadjordjević die Gründung des „Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen“, einer konstitutionellen Monarchie. Zu diesem Staat gehört auch die südserbische Provinz Kosovo und Metochien; Metochien bedeutet Kirchenland oder Kirchenbesitz, der orthodoxen Kirche gehörte rund 60% des Landes.
Im Versailler Friedensvertrag vom 28. 6. 1919 wurde das SKS-Königreich nicht als neuer Staat – wie die Tschechoslowakei und Polen – behandelt, sondern mit Serbien gleichgesetzt, und aus ihrer Sicht gaben die Serben und Montenegriner ihre Staatlichkeit zugunsten des neuen Staates auf, in dem sie ihre „historische Mission“, die Befreiung aller Südslawen, verwirklicht sahen. In den „Verliererstaaten“ Ungarn und Bulgarien entstanden revisionistische Bewegungen, die Ausgangspunkt faschistischer Strömungen und späterer Bündnisse werden sollten.
Sogleich und schließlich beim Verfassungskongreß 1921 trat im SKS-Königreich ein tiefer Gegensatz zwischen den Beteiligten auf: Kroatische und slowenische Parteien wollten eine lose Föderation, die Serben einen Zentralstaat mit föderalen Elementen. Die Serben befürchteten, daß separatistische Kräfte den gemeinsamen Staat wieder zerstören wollten, sobald die Gefahr, als Kriegsschuldige mitbelastet zu werden, vorbei ist. Die begrenzt föderalistische Verfassung des neuen Staates bot besonders bei Kroaten, Muslimen und Albanern einen günstigen Nährboden für die Agitation zugunsten ethnisch-religiös begründeten Separationstendenzen. Zudem setzte die herrschende Großbourgeoisie nach dem bekannten „Teile und Herrsche“-Motto auf eine Politik der nationalen Ungleichheit, soziale Gegensätze erschienen zunehmend als konfessionelle und ethnische Konflikte.
An der Spitze der separatistischen Bewegung in Kroatien stand die Partei von Ante Starcevic, eines „Rassetheoretikers“ aus der Schule von Gobineau. Er begründete die These von den arischen Kroaten als auserwähltem Völk gegenüber den slawisch-serbischen Untermenschen. Der katholische Klerus bildete die Hauptstütze dieser rassistischen und faschistischen Partei. Diese separatistischen Tendenzen wurden als Bedrohung des neuen Staates begriffen und unterdrückt, schließlich wurde 1929 das Parlament aufgelöst und eine Königsdiktatur eingeführt, zugleich wurde der Staat in „Königreich Jugoslawien“ umbenannt.
1934 fand die innerstaatliche Krise einen dramatischen Höhepunkt in der Ermordung von König Aleksandar während eines Staatsbesuchs in Marseille. Die Attentäter gehörten der Ustascha an, unter ihnen der spätere „Poglavnik“ (Führer) Ante Pavelić. Er wurde in Frankreich und in Jugoslawien in Abwesenheit zum Tode verurteilt, genoß aber in Italien die Gastfreundschaft Mussolinis, der nach Kräften den Ustascha-Terror zur Zerstörung Jugoslawiens unterstützte.
2. Weltkrieg
Im Vorfeld des Überfalls auf die Sowjetunion wollten die Faschisten die Unterstützung, mindestens das Stillhalten der Länder Südosteuropas erreichen. Mehr oder weniger freiwillig traten alle Länder dem Drei- Mächte-Pakt (Deutschland, Italien, Japan) bei, als letztes unter massivem deutschen Druck Jugoslawien am 25.3.1941.
Bei ihrer Rückkehr wird die jugoslawische Delegation in Belgrad von Massendemonstrationen Hunderttausender empfangen, am 27.3.1941 wird die verräterische Regierung verjagt, der König flüchtete, eine neue Regierung unter dem bisherigen Luftwaffenchef Dušan Simović schließt einen Freundschaftsvertrag mit Sowjetrußland.
Damit wurden die deutschen Faschisten gezwungen, ihren Überfall auf die Sowjetunion aufzuschieben, wodurch die deutschen Truppen in den Genuß des „russischen Winters“ kommen sollten.
Hitler beschloß, „Jugoslawien militärisch und als Staatsgebilde zu zerschlagen“. Am 6. April 1941 startete ohne Kriegserklärung das „Unternehmen Strafgericht“, bei der 611 deutsche Bomber Belgrad in Schutt und Asche legten. In Zagreb dagegen wurden die deutschen Truppen mit Jubel begrüßt, die meist von katholischen Priestern kommandierten Ustascha-Banden halfen bei der Entwaffnung der jugoslawischen Armee. Noch vor der Kapitulation rief die Ustascha das „selbständige“ Kroatien von Hitlers Gnaden aus, vergrößert um Bosnien-Herzegovina.
Das profaschistische Ungarn erhielt die serbische Vojvodina als Beute, das profaschistische Bulgarien erhielt Makedonien. Albanien, Kosovo und Montenegro wurde vom faschistischen Italien besetzt, „Rest“-Serbien wurde deutscher Sonderverwaltung unterstellt.
Am 17.4.1941 mußte die jugoslawische Armee bedingungslos kapitulieren, unmittelbar danach begannen neuformierte Einheiten unter Verteidigungsminister Draža Mihailović mit einem bewaffneten Aufstand. Sie waren politisch recht heterogen, verstanden sich verfassungsloyal gegenüber dem Königreich, ihre militärischen Formationen wurden unter dem Namen „Četniks“ bekannt, der noch heute besonders in Deutschland heftige antiserbische Ressentiments mobilisiert.
Am 4.7.1941 beschloß auch die Kommunistische Partei Jugoslawiens über den Beginn des bewaffneten Aufstandes, im Herbst vereinbarten Tito, Führer des kommunistischen Widerstands und Mihailović die militärische Zusammenarbeit gegen die Faschisten.
In der Folgezeit kommt es zu teilweise schweren Zerwürfnissen zwischen den Widerstandsgruppen und zur Freude der Nazis zu Kämpfen untereinander. 1943 entzog die Londoner Regierung den Četniči die Unterstützung, die sie fortan Titos Partisanen gewährte. (Hingegen unterstützte London weiterhin massiv den königstreuen Widerstand in Polen, der sich ebenfalls Kämpfe mit den kommunistischen Gruppen lieferte.)
In der kommunistischen Partisanenarmee kämpften Angehörige aller Nationalitäten. Der antifaschistische Widerstand sah sich den Besatzungstruppen der kroatischen Ustascha und der slowenischen Weißen Garde gegenüber, ebenso der SS-Division Handschar, gebildet aus bosnisch-muslimischen Freiwilligen, und der SS-Division Skanderbeg, die aus albanischen Freiwilligen bestand.
Im italienisch besetzten Kosovo massakrierten die faschistischen Milizen Tausende Serben, 70.000 wurden nach Norden vertrieben, an ihrer Stelle albanische Muslime angesiedelt. Allein im kroatischen Vernichtungslager Jasenovac, zeitweise von Franziskanerpatern kommandiert, wurden über 600.000 Serben und einige Zehntausend Roma und Juden ermordet. Von 1,8 Millionen Serben in Kroatien lebten 1945 noch 650.000.
Am 20.10.1944 befreiten die Partisanen der Volksbefreiungsarmee gemeinsam mit Einheiten der Roten Armee Belgrad.
Die Volksrepublik Jugoslawien
Jugoslawien als Mitglied der siegreichen Antihitlerkoalition, verlor im 2. Weltkrieg über 1,7 Millionen Menschen. Nach Wahlen erfolgte am 29.11.1945 die Abschaffung der Monarchie und die Proklamation der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien. Im Januar 1946 wird eine Verfassung beschlossen, die das Land als eine Föderation aus Bosnien-Herzegovina, Kroatien, Makedonien, Montenegro, Slowenien und Serbien definiert.
Innerhalb Serbiens werden mit der Vojvodina sowie Kosovo und Metochien zwei autonome Gebiete geschaffen, hingegen erhalten die Serben in Kroatien und die Kroaten und Serben in Bosnien-Herzegovina keine Autonomie. Die seit Beginn der faschistischen Besatzung aus Kosovo und Metochien vertriebenen Serben dürfen nicht zurückkehren, die Grundbesitzveränderungen werden für rechtens erklärt, die Grenze zu Albanien offen gehalten, sodaß sich über 100.000 Albaner neu in Kosovo und Metochien ansiedeln.
Bei allen Problemen und Fehlern im Einzelnen muß festgehalten werden, daß mit der Schaffung dieses „zweiten“ Jugoslawien objektiv ein wichtiger Faktor der heute so verächtlich gemachten „Nachkriegsordnung“ entstand, der dem Imperialismus, und speziell dem Expansionsdrang des deutschen Imperialismus, jahrzehntelang wirksam den Weg versperrte.
Bereits im Juni 1948 erfolgt der sogenannte Bruch Titos mit Stalin, gefolgt vom Ausschluß der KP Jugoslawiens aus dem Kominformbüro. Tatsächliche, „potentielle“ oder vermutete Stalin-Anhänger in Jugoslawien, schwerpunktmäßig „russenfreundliche“ Serben, aber auch internationalistische Partisanen anderer Nationalitäten wurden verfolgt, 50.000 starben auf der „Nackten Insel“. Es folgten „Soforthilfen“ und Kredite des Westens sowie 1950 die Einführung der „Arbeiterselbstverwaltung“, die statt „Staatseigentum“ die „Verantwortung der Produzenten“ fördern sollte, aber auch die Konkurrenz zwischen ihnen und Gruppenegoismen förderte.
Diese Politik wurde mit großzügiger westlicher Kreditvergabe honoriert – und mit weiteren Forderungen konfrontiert: 1965 wurden durch „Wirtschaftsreformen“ „marktwirtschaftliche“ Prinzipien eingeführt, und wirtschaftliche Vollmachten auf die Republiken übertragen – mit der Folge der Konkurrenz zwischen den Republiken. Deren ökonomisch ungleiche Entwicklung verschärfte sich, zugleich waren die Grundlagen gelegt, daß ökonomische Konflikte im Gewand nationaler Konflikte erscheinen konnten.
Ab Mitte der 1960er Jahre verlegt sich der Imperialismus auf eine neue Strategie zur Niederringung des „sozialistischen Weltsystems“. Die konfrontativen roll-back-Versuche waren gescheitert, jetzt war „Wandel durch Annäherung“ angesagt, respektive Unterminierung mit ökonomischen Mitteln und Propagierung ideologischer Koexistenz. In Deutschland wurde der „Neuen Ostpolitik“ zum Durchbruch verholfen, Prag stand kurz vor seinem „Frühling“, Rumänien erhielt großzügige Kredite zwecks einer künftig „eigenständigen Rolle“, und in Jugoslawien sollten den „marktwirtschaftlichen Reformen“ noch politische und eine Verfassungsreform folgen:
1966 wird der „2. Mann“ hinter Tito, Aleksandar Ranković, gestürzt, und der Nachrichtendienst, der bis dahin separatistische Bestrebungen unterdrückte, aufgelöst. An seine Stelle treten Geheimdienste der Republiken, in Kroatien kam Ivan Krajačić an dessen Spitze, er betrieb die geheimdienstliche Vorbereitung eines „Unabhängigen Kroatien“ in den Grenzen von 1941, er war Vertrauensmann des Pullacher BND, der die Zahl seiner Agenten in Jugoslawien ab 1966 massiv erhöht und die Kooperation mit der faschistischen Ustascha-Emigration entwickelt. Im kroatischen Geheimdienst wurde jugoslawisch gesinntes Personal gnadenlos abgeräumt und durch Ustascha-Sympathisanten ersetzt.
Eine neue Verfassung wurde ab Ende der 1960er Jahre diskutiert und im Februar 1974 in Kraft gesetzt – die Republiken wurden de facto zu Staaten, die autonomen Gebiete de facto Republiken, die Volksrepublik wandelte sich von der Föderation zur Konföderation. Die von Tito als „Stärkung der Brüderlichkeit“ gepriesene Verfassung bewirkte das Gegenteil – jeder Beschluß auf Bundesebene konnte durch das Veto einer Republik oder auch eines Gebiets verhindert werden. Auf Bundesebene verhinderte das jährliche Rotationsprinzip die Entwicklung allgemein anerkannter Persönlichkeiten, während sich Tito zum „Präsidenten auf Lebenszeit“ wählen ließ.
Am 4.5.1980 starb Tito, im März 1981 kommt es in Kosovo zu blutigen Unruhen, als albanische Separatisten die Forderung nach Umwandlung der Provinz in eine Republik, andere gar die staatliche Unabhängigkeit fordern. In den folgenden Jahren kommt der Begriff von der „ethnischen Säuberung“ in die Diskussion – als Kritik der Entwicklung: 700 multiethnisch besiedelte Dörfer werden „ethnisch rein“ – in keinem lebten noch Serben.
Kurs auf Zerstörung Jugoslawiens
Aufgrund immenser Auslandsschulden vergrößert sich die Abhängigkeit Jugoslawiens von Weltbank und Internationalem Währungsfonds immer mehr. 1960 betrug die Auslandsverschuldung 590 Mio. US- Dollar, 1975 6,5 Milliarden, 1991 16,5 Milliarden, allein der Schuldendienst zehrte die Exporterlöse auf, hingegen sank das Realeinkommen zwischen 1979 und 1985 um 30%. 1988 verweigerten Slowenien und Kroatien weitere Zahlungen an den Bundesfonds für unterentwickelte Gebiete, praktisch ein „Solidaritätszuschlag“, der seit Jahrzehnten hauptsächlich Kosovo und Metochien zufloß. Als Voraussetzung für die Gewährung sogenannter Stand-by-Kredite diktierte der Internationale Währungsfond eine restriktive Geldpolitik – Kroatien und Slowenien begrüßten dies, Jugoslawien widersetzte sich: Die Auflage hätte dazu geführt, die Löhne in der staatlichen Wirtschaft und insbesondere in den Bundesbehörden nicht mehr zahlen zu können, und damit zur Zerstörung der Bundesstrukturen.
In dieser zugespitzten Lage war die Republik Serbien durch die Verfassung von 1974 auf gesetzgeberischem Gebiet praktisch handlungsunfähig – die autonomen Gebiete hatten ein Veto-Recht in allen Entscheidungen. Um diese Lähmung der Handlungsfähigkeit zu beenden, wurde 1989 und 1990 in Serbien und in Jugoslawien der Autonomiestatus der beiden Provinzen wieder auf den Stand von 1974 zurückgefahren. Dies bedeutete keinesfalls die Aufhebung der Autonomie, sondern die Abschaffung des zum Mittel der Ostruktion gewordenen Vetorechts. Fortan sollten die Gesetze für alle Bürger der Republik gelten, Selbstverwaltung einschließlich dem Recht auf eigene Parteien, Medien, Parlament und muttersprachlichen Unterricht bis zur Universität blieben erhalten. Abgeschafft wurden auch die serbische Minderheit diskriminierende Bestimmungen, nach denen die Beherrschung der albanischen Sprache Voraussetzung für die Besetzung der meisten Arbeitsplätze war, oder die Verwendung von Schulbüchern aus Albanien, in denen Kosovo bereits als Teil Albaniens verzeichnet war.
Die Proteste in Kosovo gegen die Verfassungsänderung und die Nichtwahrnehmung der Autonomierechte in der Folgezeit waren von dem Ziel diktiert, vom Status der Quasi-Republik zur staatlichen Lostrennung „voranzuschreiten“.
Mit dem Untergang des „sozialistischen Lagers“ verlor Jugoslawien seine wichtigsten ökonomischen Partner, Jugoslawiens im Westen geschätzte Funktion hatte sich überholt. Dem in der Schuldenfalle zappelnden Land wurde keine EU-Beitrittsperspektive geboten, hingegen stellte der deutsche Außenminister Genscher Slowenien und Kroatien für den Fall der Trennung von den „ärmeren Nachbarn“ ein EU-Assoziierungsabkommen in Aussicht.
Slowenien führte die Zolleinnahmen von der österreichischen und italienischen Grenze nicht mehr ab. Der Vatikan gewährte Kroatien im Februar 1991 einen Kredit über 4 Milliarden Dollar, zum lächerlichen, symbolischen Zinssatz von 0,7%. Am 26. Juni 1991 erklärt Slowenien (verfassungswidrig) seine Unabhängigkeit, wonach der Krieg durch „Serbien“ ausgelöst worden sein soll.
Tatsächlich hat die jugoslawische Bundesarmee unter dem Kommando des kroatischen Vorsitzenden des Staatspräsidiums Ante Marković versucht, die von Slowenien übernommenen Hoheitsrechte an den Außengrenzen wiederherzustellen. In den dreitägigen Auseinandersetzungen starben 49 Menschen – alle Angehörige der jugoslawischen Armee.
Der kroatischen Unabhängigkeitserklärung, ebenfalls vom 26. Juni 1991, folgte unmittelbar die Vertreibung von rund 40.000 Serben – bevor es zu bewaffneten Auseinandersetzungen kam (von 1991 bis 1995 sank die Zahl der Serben in Kroatien von 650.000 auf unter 50.000).
Mit der Förderung der slowenischen und kroatischen Sezession, der ab dem Herbst 1991 immer massiver werdenden Drohung mit der selektiven Anerkennung dieser jugoslawischen Republiken und dem Vollzug der Anerkennung im Dezember 1991 löst Deutschland den Krieg auf dem Balkan aus. Diese Kriegseröffnung erfolgte in enger Abstimmung Genschers mit dem Vatikan und gegen die entschiedene Warnung aller europäischen Regierungen, Rußlands und der USA, und nicht zuletzt des UN-Generalsekretärs Perez de Cuellar.
Klaus Hartmann, stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbandes, ist Co-Vorsitzender – neben Michael Parenti (USA) und Sergej Baburin (Russland) –
sowie Vorsitzender des Vorstands des Internationalen Komitees Slobodan Milošević
Literaturhinweise
Arno Peters: Synchronoptische Weltgeschichte, Universum-Verlag, München-Solm, 1965; Deutsche Geschichte, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin, 1975;
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Reinhard Opitz (Hrg.): Europastrategien des deutschen Kapitals 1900-1945, Pahl-Rugenstein, Bonn, 1994;
Slobodanka Kovacevic, Putnik Dajic: Chronology of the Yugoslav Crisis 1942-1993, Institute for European Studies, Belgrad, 1994;
Peter Scholl-Latour: Im Fadenkreuz der Mächte, Goldmann Verlag, München, 1995
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Karlheinz Deschner, Milan Petrovic: Weltkrieg der Religionen, Weitbrecht Verlag, Stuttgart-Wien, 199′ Ralph Hartmann: „Die ehrlichen Makler”, Dietz Verlag, Berlin, 1998;
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Klaus Hartmann: Historische Balkan-Skizze (Auszug aus FREIDENKER 1-24, ca. 934 KB)
Bild oben: Die Schlacht auf dem Amselfeld 1389 – Russische Miniatur aus der Illustrierten Chronik Iwans IV. 1568-1576 (Ausschnitt)
Künstler Anonym – http://www.varvar.ru/arhiv/gallery/manuscripts_russian/lit_svod/14.html, Gemeinfrei
Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3571475