Arbeit & SozialesGeschichte

„Kinderwille ist Kälberdreck“ – Die Geschichte der Kinderrechte

Aus: „Freidenker“ Nr. 3-10 September 2010, S.3-8, 69. Jahrgang

Von Thomas Mohrs

Kinder als Objekte – die Jahrhunderte vor der Kinderrechtsbewegung (1)

Über viele Jahrhunderte war die Geschichte der Kindererziehung vornehmlich eine Geschichte der Gewalt (außer den frühen Gesellschaften mit Gemeineigentum). Auch im „christlichen“ Abendland galt es bis weit in die Neuzeit hinein als Teil der natürlichen („gottgegebenen“) Ordnung, dass Kinder rechtlos und gegenüber ihren Eltern zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet waren, in rechtlicher Hinsicht in aller Regel Eigentum des Vaters.
Kinder galten als unreife, unfertige, untergeordnete Wesen, deren Wünsche im Zweifel belanglos waren und die man als Erwachsener nicht ernst zu nehmen brauchte – „Kinderwille ist Kälberdreck!“ (2)
Umgekehrt oblag den Eltern nach diesem Verständnis zwar einerseits die Obhut und Fürsorge für ihre Kinder, aber dabei war klar, dass die Eltern nach ihren eigenen Maßstäben zu beurteilen hatten, was für ihre Kinder das Beste war, da die Kinder definitionsgemäß dazu (noch) nicht in der Lage waren.
Ebenso ging mit dem Erziehungsrecht der Eltern das Recht zur körperlichen Züchtigung einher, die als legitimes und probates Mittel der Erziehung betrachtet wurde – nicht nur im Elternhaus, sondern auch in der Schule und anderen Erziehungsanstalten. Und es ist hinlänglich bekannt, dass dieses „Recht“ häufig nicht für erzieherische Zwecke eingesetzt wurde (und nach wie vor eingesetzt wird), sondern häufig auch zur Befriedigung der sadistischen Lust an der Unterdrückung der Kinder seitens entsprechend veranlagter Erwachsener.
Allerdings gab es in der Geschichte der Pädagogik von jeher immer auch Stimmen, die ein anderes Erziehungsverständnis dokumentieren. So ist beispielsweise von Platon die Aussage überliefert: „Das Gemüt des Kindes muß, fern von Verzärtelung, welche empfindlich, zornig und mürrisch macht, wie von zu großer Strenge, welche Kleinmut und Sklavensinn erzeugt, in einer möglichst heiteren Stimmung gehalten werden.“
Und bereits Seneca vertrat die vergleichsweise „moderne“ Auffassung: „Viel ist daran gelegen, dass man den Kindern freundliche Lehrer und Erzieher gibt; alles richtet sich nach seiner Umgebung, was noch nicht erstarkt ist, und wird ihnen immer ähnlicher.“ (3) Geht man von der Richtigkeit dieser Auffassung aus, dann ist umgekehrt allerdings auch klar, dass eine gewalttätige und auf Unterdrückung angelegte Erziehung – die ohne Zweifel der Regelfall war – sich regelmäßig in gleicher Weise in die nächste Generation fortpflanzen musste.

Das Zeitalter der „Aufklärung“ als historische Keimzelle der Kinderrechtsbewegung

Erst im Zeitalter der Aufklärung (4), also im 18. Jahrhundert, gab es im Zuge der Bemühungen, auch die Pädagogik (und mit ihr die Erziehungspraxis) auf eine rationale, wissenschaftliche Basis zu stellen, wirkmächtige Impulse zur Entwicklung eines neuen Verständnisses von Kindheit als einem eigenständigen Lebensabschnitts. Zu nennen sind hier vor allem aufklärerische Denker wie Johann Heinrich Pestalozzi, Wilhelm von Humboldt und Friedrich Fröbel (den „Erfinder“ des Kindergartens), deren pädagogische Entwürfe klare humanistische Züge trugen und über Generationen hinweg richtungsweisend waren.

Auch die „Déclaration des droits de l’homme“, die Menschenrechtserklärung der französischen Revolution vom 26. August 1789, kann als Meilenstein der Kinderrechtsbewegung angesehen werden. Zwar enthält sie keine spezifischen Angaben zur Kindheit, formuliert aber in Art. 1:
„Die Menschen werden frei und gleich an Rechten geboren und bleiben es.“
Und da sich diese Aussage auf die gesamte Lebensspanne bezieht, ist klar, dass bereits Kinder von Geburt an unveräußerliche (Menschen-)Rechte haben. Ausgehend von dieser Deklaration gab es dann weitere vereinzelte Verbesserungen wie z. B. die Forderung nach der Anerkennung spezifischer kindlicher Bedürfnisse und die Forderung nach der Trennung zwischen Erwachsenen- und Jugendstrafrecht. Dennoch ist im Hinblick auf die Errungenschaften der französischen Revolution einschränkend festzustellen, dass die „Menschenrechtserklärung“ streng genommen nur eine „Männerrechtserklärung“ war und dass die Entwicklung der Lohnarbeit ebenso wie der Kleinfamilie auch zu neuartigen Problemen bei der Kinderversorgung führten, etwa weil diese Versorgung während der Arbeitszeit schlechterdings nicht gewährleistet war, so dass es zur Vernachlässigung und Verwahrlosung der Kinder kommen konnte. Erste Formen der Fürsorgeerziehung und des Jugendschutzes sind also eher als ausdrückliche Reaktionen auf derartige Missstände zu interpretieren, weniger als Ausdruck der Anerkennung spezifischer Rechte der Kinder.

Wurzeln der Kinderrechtsbewegung im (späten) 19. und 20. Jahrhundert

Man kann sagen, dass sich ein echtes Bewusstsein für Kinderrechte im engeren Sinne erst rund 100 Jahre später im ausgehenden 19. und im frühen 20. Jahrhundert entwickelte und allmählich etablierte, wesentlich initiiert durch Ellen Key, Janusz Korczak, Alexander Sutherland Neill, Anton Makarenko (Bemerk.: war von großer Bedeutung für die Pädagogik in den entstehenden sozialistischen Staaten. Lebte von 1888-1939) und Eglantyne Jebb.
Die schwedische Reformpädagogin Ellen Key (5) (1849-1926) befasste sich – stark beeinflusst durch die Philosophie der Erziehung Rousseaus – vermutlich als Erste intensiv mit der rechtlichen und sozialen Situation der Kinder, forderte – mit eindeutigen anti-feministischen Untertönen (6) – erstmals die Anerkennung eigenständiger Rechte der Kinder, kritisierte massiv das autoritäre Schulsystem und die Praxis der körperlichen Züchtigung in Familie und Schule und forderte von den Erwachsenen, das Kind als eigene Persönlichkeit zu achten und nicht nur als Projektionsfläche elterlicher Wünsche und Erwartungen. In ihrem pädagogisch erfolgreichsten und einflussreichsten Werk proklamierte sie im Jahr 1900 das „Jahrhundert des Kindes“ (in deutscher Übersetzung 1902 erschienen).
Der polnische Kinderarzt Janusz Korczak (7) (1879-1942) forderte in seinen Werken ebenfalls eigenständige Kinderrechte und erprobte während seiner Tätigkeit als Leiter eines Waisenhauses in Warschau innovative reformpädagogische Modelle, zu denen beispielsweise die Einführung von Kindergerichten gehörten, in denen sich die Kinder über Vergehen ihrer Altersgenossen, aber auch der Erwachsenen eigenständig ein Urteil bildeten. Kerngedanke seiner Pädagogik ist das unbedingte „Recht des Kindes auf Achtung“ (polnische Erstausgabe 1928), die die Achtung vor der Unwissenheit des Kindes ebenso umfasst wie die Achtung vor der Wissbegierde des Kindes und sein Recht, so zu sein, wie es ist. Und ähnlich wie Key vertrat Korczak reformpädagogische Prinzipien wie die Abschaffung der Mentalität von Unterdrückung und Kadavergehorsam zugunsten einer Mentalität des selbstständigen Denkens, des gegenseitigen Respekts und des sozialen Lernens. Korczak wurde 1942 zusammen mit 192 Waisenkindern aus dem Warschauer Ghetto nach Treblinka deportiert (obwohl er selbst hätte entkommen können) und dort gemeinsam mit den Kindern ermordet.
Der schottische Pädagoge Alexander Sutherland Neill (8) (1883-1973) gelangte vor allem wegen seiner strikten Forderung nach einer antiautoritären Erziehung zu (höchst umstrittenem) Ruhm. Neill selbst hat sich freilich zeitlebens gegen den Begriff der antiautoritären Erziehung gewehrt, da er Fehlinterpretationen seiner Ideen und Missbrauch befürchtete. Und eine dieser Fehlinterpretationen lautete, dass es ihm um eine „Laisser-faire-Erziehung“ gegangen sei, die völlig ohne Regeln auskommt und die Kinder tun lässt, was immer sie wollen. Tatsächlich ging es ihm jedoch um eine selbstregulierte Pädagogik, in deren Rahmen die Kinder in einer Atmosphäre der Gewaltfreiheit aktiv an der Aufstellung und Kontrolle sozialer Regeln beteiligt sein sollten. Diese Kerngedanken einer demokratischen Erziehung setzte Neill in der 1924 gegründeten Internatsschule Summerhill im englischen Leiston um. In der Summerhill-School gab es keine Schulpflicht, alle Entscheidungen wurden demokratisch ausgehandelt (9) und die Kinder hatten auch die Möglichkeit, die Erwachsenen zu überstimmen. Von zentraler Bedeutung war in seinem Ansatz aber auch die Begründung für seine radikale Kritik an der traditionellen autoritären, auf unbedingten Gehorsam des Kindes abzielenden Pädagogik, die nach seiner Einschätzung kausal ursächlich war für die Anbahnung von Weltkriegen und dem Holocaust.
Von herausragender Bedeutung für die Entwicklung der Kinderrechtsbewegung war zweifelsohne die englische Historikerin und Sozialaktivistin Eglantyne Jebb (1876-1928), die zwar keinen eigenen pädagogischen Ansatz entwickelte, dafür aber 1923 die erste „Erklärung der Rechte des Kindes“ verfasste und im Magazin „The World’s Children“ veröffentlichte, das von dem von ihr gegründeten „Save the Children Fund“ herausgegeben wurde. Hintergrund dieser Erklärung war ihre Wahrnehmung des himmelschreienden Elends vieler Kinder in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg (vor allem auf dem Balkan und in Russland). Jebb sandte ihre „Children’s Charter“ auch an den Völkerbund in Genf, verbunden mit den Worten:

„Ich bin davon überzeugt, dass wir auf bestimmte Rechte der Kinder Anspruch erheben und für die allumfassende Anerkennung dieser Rechte arbeiten sollten.“
Und Eglantyne Jebbs Worte wurden in Genf gehört.

Internationale Abkommen (10)

Auf der Grundlage der „Children’s Charter“ von Eglantyne Jebb verabschiedete die Generalversammlung des Völkerbundes in Genf 1942 die „Genfer Erklärung“ der Kinderrechte als erstes internationales Kinderrechtsdokument. In der „Erklärung“ waren vor allem Schutzrechte der Kinder deklariert. Allerdings hatte das Dokument keine Rechtsverbindlichkeit und es verlor nach dem Zerfall des Völkerbundes 1939 bzw. 1946 mit dessen Auflösung seine Grundlage.
Die 1945 gegründete UNESCO trat für ein Grundrecht auf Bildung ein. Mit dem primären Ziel der Unterstützung der vom zweiten Weltkrieg betroffenen Kinder wurde 1946 die UNICEF gegründet, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UN), das seit 1953 fester Bestandteil dieser Organisation ist.
Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 sichert das Recht der Familie auf Unterstützung (Art. 25 Abs. 2) sowie das Recht auf Bildung (Art. 26) zu, erwähnt aber keine spezifischen Kinderrechte.
Am 20. November 1959 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen in der Tradition der „Genfer Erklärung“ eine „Erklärung der Rechte des Kindes“, die um einige Grundrechte wie etwa das Recht auf einen Namen, Staatsangehörigkeit und unentgeltlichen Unterricht erweitert war und von der besonderen Schutz- und Fürsorgebedürftigkeit der Kinder ausging. Allerdings war auch diese Deklaration völkerrechtlich nicht bindend und hatte somit ausschließlich appellierenden Charakter.
Im Zusammenhang mit dem 20. Jahrestag der Kinderrechtserklärung von 1959 feierten die UN das Jahr 1979 als das „Jahr des Kindes“. Bereits im Vorfeld hatte die polnische Regierung vorgeschlagen, die Erklärung von 1959 zu einem völkerrechtlich verbindlichen Vertrag des UN-Menschenrechtsschutzssystems auszuarbeiten.
Es dauerte jedoch weitere 10 Jahre des zähen „Ringen[s] um Kompromisse“ (11), bis am 20. November 1989 (dem „internationalen Tag des Kindes“ (12) schließlich die UN-Kinderrechtsdeklaration („Convention on the rights of the child“) (13) in der Generalversammlung der UN angenommen wurde, die am 20. September 1990 als völkerrechtlich verbindliches Dokument in Kraft trat. Inzwischen ist dieses Übereinkommen von allen Staaten der Welt – mit Ausnahme der USA und Somalias – ratifiziert (was natürlich nicht bedeutet, dass die offiziell anerkannten Kinderrechte auch in allen Staaten gleichermaßen beachtet würden).
Wichtige Ergänzungen (Zusatzprotokolle) der UN-Kinderrechtskonvention sind zum einen das Zusatzprotokoll über Kinder in bewaffneten Konflikten (Kindersoldaten-Protokoll) vom Februar 2002, in dem festgelegt ist, dass mindestens 16 Jahre alt sein muss, wer sich freiwillig zum Militär melden will und dass niemand unter 18 Jahren an Kampfhandlungen teilnehmen darf. Das zweite wichtige Zusatzprotokoll vom Januar 2002 betrifft den Kinderhandel, die Kinderprostitution und die Kinderpornografie, verbietet diese ausdrücklich und fordert die Staaten auf, diese Formen der Kinderausbeutung als Verbrechen zu verfolgen und unter Strafe zu stellen.

Verankerung der Kinderrechte in der Bundesrepublik Deutschland

Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland von 1949 sind einzelne auf Kinder bezogene Rechte verankert wie z. B. das Recht auf Schutz der Familie (Art. 6) und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2). Es fehlen jedoch explizite Kinderrechte und generell bleiben die Kinder unerwähnt.
Die körperliche Züchtigung in Schulen wurde 1973 gesetzlich verboten.(14) In der DDR war dieser Schritt bereits 1949 erfolgt.
In der Bundesrepublik Deutschland war das Recht der Eltern auf körperliche Züchtigung erst mit dem Inkrafttreten des § 1631/2 BGB, der das „Recht auf eine gewaltfreie Erziehung“ regelt, zum 1. Juli 2000 aufgehoben worden. Die Sicherstellung der Erziehung durch entsprechende umfassende Hilfeleistungen und Unterstützungsmaßnahmen ist durch Art. 1 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes von 1990/91 gewährleistet.
Trotz verstärkter entsprechender Bemühungen seit den 90er Jahren (zuletzt wieder im Jahr 2009 durch die UNICEF und das „Aktionsbündnis Kinderrechte“ (15) ist es bisher nicht gelungen, spezifische Kinderrechte ausdrücklich im Grundgesetz zu verankern.

Außerdem hatte die Bundesrepublik die UN-Kinderrechtskonvention zwar als einer der ersten Staaten der Welt bereits im Januar 1990 unterzeichnet und im April 1992 auch ratifiziert (die DDR hatte sie bereits 1989 uneingeschränkt ratifiziert) – allerdings unter einer Reihe von Vorbehalten, deren umstrittenster das Asyl- und Ausländerrecht betraf. (16) Dieser Vorbehalt besagt, dass die Kinderrechtskonvention nicht dahingehend ausgelegt werden kann, „dass die widerrechtliche Einreise eines Ausländers in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland oder dessen widerrechtlicher Aufenthalt dort erlaubt ist“. Darüber hinaus behält sich die Bundesrepublik Deutschland ausdrücklich vor, „Unterschiede zwischen Inländern und Ausländern zu machen.“
Nach heftigen politischen Auseinandersetzungen und Druck von UNICEF konnte erreicht werden, dass am 3. Mai 2010 die Vorbehaltserklärung der Bundesrepublik zurückgenommen werden musste. Das bedeutet, dass eine Reihe von Gesetzen im Asyl-, Aufenthalts- und Sozialrecht nun endlich angepasst werden müssen.
Die bekanntesten privat organisierten Kinderrechtsverbände sind der Deutsche Kinderschutzbund (17) (gegründet 1953) und das Deutsche Kinderhilfswerk (18) (gegründet 1972), wobei jedoch insbesondere für den Kinderschutzbund gilt, dass er im Wesentlichen den klassischen Ansatz von Schutz und Fürsorge der Kinder durch die Erwachsenen vertritt, weniger den Ansatz der Selbstbestimmung und demokratischen Gleichberechtigung bzw. Mitsprache der Kinder. (19)

Die Rechte der Kinder gemäß der UN-Menschenrechtskonvention

Art. 3 Abs. 1 der UN-Menschenrechtskonvention fordert: „bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.“ Und das „Wohl des Kindes“ geht demnach mit der Berücksichtigung der folgenden Grundrechte einher:

das Recht auf Gleichbehandlung und Schutz vor Diskriminierung unabhängig von Religion, Herkunft und Geschlecht (Art. 2);

 

das Recht auf einen Namen und eine Staatszugehörigkeit (Art. 7);

das Recht auf eine Familie, elterliche Fürsorge und ein sicheres Zuhause (Art. 9, 10);

das Recht auf Berücksichtigung des Kinderwillens (Art. 12)

das Recht, sich zu informieren, sich mitzuteilen, gehört zu werden und sich zu versammeln (Art. 12, 15);

das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit (Art. 14);

das Recht auf eine Privatsphäre und eine gewaltfreie Erziehung im Sinne der Gleichberechtigung und des Friedens (Art. 16, 19);

das Recht auf Schutz vor Gewaltanwendung, Misshandlung, Verwahrlosung (Art. 19);

das Recht auf Betreuung und Förderung bei Behinderung (Art. 23);

das Recht auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit (Art. 24);

das Recht auf Bildung und Ausbildung (Art. 28);

das Recht auf Freizeit, Spiel und aktive Erholung sowie Teilnahme am kulturellen Leben (Art. 31);

das Recht auf Schutz vor wirtschaftlicher Ausbeutung (Art. 32)

das Recht auf Schutz vor Suchtstoffen (Art. 33)

das Recht auf Schutz vor sexuellem Missbrauch (Art. 34) und Maßnahmen gegen Kinderhandel (Art. 35).

Art. 5 („Respektierung des Elternrechts“) verpflichtet die Vertragsstaaten zur Achtung der „Aufgaben, Rechte und Pflichten der Eltern [oder anderer Familienangehörigen oder gesetzlicher Vertreter; T. M.], das Kind bei der Ausübung der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte in einer seiner Entwicklung entsprechenden Weise angemessen zu leiten und zu führen.“
Nach Art. 44 sind alle Mitgliedsstaaten verpflichtet, „dem Ausschuss über den Generalsekretär der Vereinten Nationen Berichte über die Maßnahmen, die sie zur Verwirklichung der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte getroffen haben, und über die dabei erzielten Fortschritte vorzulegen, und zwar
a) innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Übereinkommens für den betreffenden Vertragsstaat,
b) danach alle fünf Jahre.“
Der Katalog der Kinderrechte der UN-Konvention ist also bereits sehr umfassend. Aber die Konvention ebenso wie die Zusatzprotokolle leiden nach wie vor zweifels-ohne an einem zentralen Manko: Trotz aller internationalen Bemühungen ist bislang unklar, wie die geforderten oder festgeschriebenen Rechte konkret umgesetzt und kontrolliert werden sollen. Und de facto ist es um die Umsetzung und tatsächliche Beachtung der Kinderrechte in vielen Staaten der Erde – und d. h. unweigerlich: in vielen Mitgliedsstaaten der Kinderrechtskonvention! – schlecht bestellt.
Es mag in unserer Gesellschaft nur sehr wenige Menschen geben, die konkret danach gefragt sagen würden, Kinderrechte und das Wohlergehen der Kinder seien ihnen egal, aber die allermeisten von uns tragen durch ihr „ganz normales“ Konsumverhalten – bzw. durch ihre Gleichgültigkeit und Ignoranz – viel eher zu dem bei, was Jean Ziegler, nicht zuletzt mit Blick auf das Schicksal von Millionen Kindern in vielen Ländern der Erde, völlig zu Recht als das „Imperium der Schande“ (20) bezeichnet.
Dr. Thomas Mohrs ist Lehrbeauftragter an den Universitäten Passau, München und Salzburg

 


1 Zu den nachfolgenden Angaben siehe z. B. http://www.schicksal-und-herausforderung.de/kinder-und-erziehung/zur-geschichte-der-kinderrechte.html, http://de.wikipedia.org/wiki/ Kinderrechte, http://assets.unicef.ch/downloads/ kinderrechte_geschichte_dt.pdf (Download 29.03.2010).
2 Eine Aussage, die der Verfasser in seiner eigenen Kindheit in den 60er und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts noch regelmäßig zu hören bekam.
3 Quelle beider Zitate: Knischek, Stefan: Lebensweisheiten großer Philosophen. 4000 Zitate von Aristoteles bis Wittgenstein, Hannover 2008, 154.
4 Deren Vertreter freilich ihre geistigen Wurzeln in aller Regel im Humanismus der griechischen und römischen Klassik sahen.
5 Eine Kurzbiografie bietet der „Humanistische Pressedienst“ unter http://hpd.de/node/3402.
6 Die sie in ihrer Schrift „Mißbrauchte Frauenkraft“ von 1896 u. a. damit begründete, dass die Emanzipation der Frauen mit Nachteilen für die Kinder verbunden sein konnte.
7 Siehe zur Einführung in sein Leben und Werk: http://de.wikipedia.org/wiki/Janusz_Korczak#Engagement_f.C3.BCr_Kinder 
8 Siehe zur Einführung in sein Leben und Werk: http://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Sutherland_Neill 
9 Mit Ausnahme weniger nicht verhandelbarer Grundregeln wie etwa einem strikten Alkoholverbot.
10 Siehe zum Folgenden Kittel, Claudia: Kinderrechte. Ein Praxisbuch für Kindertageseinrichtungen, München 2008. (pdf-download unter: http://www.bilandia.de/multimedia/randomhouse/koesel_wolf_kinderrechte.pdf)
11 Kittel, a. a. O., 23.
12 Der 20. November wird zwar von der UN als „Tag des Kindes“ gefeiert, der Termin ist aber für die Mitgliedsstaaten nicht verbindlich – siehe dazu: http://de.wikipedia.org/wiki/ Kindertag#Der_Kindertag_weltweit
13 Zu näheren und weiterführenden Informationen siehe http://de.wikipedia.org/wiki/ Kinderrechtskonvention. Den vollen Wortlaut der Konvention findet man auf den Seiten von „terre des hommes“ unter: http://www.tdh.de/content/themen/schwerpunkte/kinderrechte/kinderrechts-konvention.htm (pdf-download 30.03.2010)
14 In Bayern bestand nach einem OLG-Urteil ein „gewohnheitsrechtliches Züchtigungsrecht“.
15 Siehe www.kinderrechte-ins-grundgesetz.de
16 Siehe www.unicef.de/4953.html. Vorbehalte einzelner Staaten sind nach Art. 51 der Kinderrechtskonvention möglich, sofern sie nicht „mit Ziel und Zweck dieses Übereinkommens unvereinbar sind“.
17 Für nähere Informationen siehe www.dksb.de
18 Für nähere Informationen siehe www.dkhw.de
19 Einen radikal antipädagogischen Ansatz vertritt – in der Tradition von humanistischen Pädagoginnen und Pädagogen wie Charlotte Bühler, Carl Rogers, John Holt oder Alice Miller – beispielsweise die KRÄTZÄ-Gruppe (www.kraetzae.de/ ueber_uns) in Berlin, die Kinder nicht mehr als Objekte von Erziehung und Fremdbestimmung sieht, sondern als selbstbestimmte und vollständig gleichberechtigte Personen, die ihre Anliegen selbst aktiv einbringen und geltend machen sollen.
20 Ziegler, Jean: Das Imperium der Schande. Der Kampf gegen Armut und Unterdrückung, München 2005.


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