Arbeit & Soziales

Gegen das neue „Infektionsschutz-Ermächtigungsgesetz“

Dokumentiert: Stellungnahme der Gewerkschaft ver.di

Auch wenn die Regierung und die ihr ergebene Journaille anderes behaupten: Kritik am „Corona-Regime“ kommt keineswegs nur von „abseitigen Querdenkern“ und „obskurantistischen Verschwörungstheoretikern“ oder wie die Diffamierungsvokabeln zur Ruhigstellung jeder Kritik noch lauten; sie kommen auch von angesehenen Wissenschaftlern, Juristen und Fachinstitutionen.

Jüngster Anlass ist der Plan der Bundesregierung, quasi als „Blitzgesetz“ eine Novellierung des Infektionsschutzgesetzes durch das Parlament zu bringen, ausführlich: Entwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, Drucksache 19/23944, dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/239/1923944.pdf

Trotz des unspektakulären Namens und der harmlosen Begründung, damit wolle man die Maßnahmen „grundgesetzkonform“ machen, ist die Tragweite immens und eher das Gegenteil von verfassungskonform: das Gesundheitsministerium soll ohne Zustimmung des Bundesrates durch Ukase – pardon: Verordnungen durchregieren, und Grundrechte wie Gewerbefreiheit einschränken können. Sogar die ständig dementierte „Verschwörungstheorie“ einer Impfpflicht soll durch die Hintertür eingeführt werden.

Der Präsident des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz, Lars Brocker, nennt das ein „vom parlamentarischen Gesetzgeber abgekoppeltes Sonderrechtsregime… zunehmend in Konflikt mit den rechtsstaatlichen Vorgaben der Verfassung“. (https://www.n-tv.de/politik/Jurist-warnt-vor-Corona-Regelungsregime-article22101079.html) Der ehemalige Präsident des Karlsruher Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier sieht „die Gefahr einer ‚Erosion des Rechtsstaats‘ und stellt fest: „Das verfassungsrechtlich legitime Anliegen, die Gesundheit und das Leben der Bevölkerung zu schützen, berechtigt nicht zu Freiheitseinschränkungen jedweder Art.“ (www.nzz.ch/international/hans-juergen-papier-warnt-vor-aushoehlung-der-grundrechte-ld.1582544).

Zur Verdeutlichung der Breite der gesellschaftlichen Kritik dokumentieren wir die Stellungnahme der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di vom 10.11.2020 zum Gesetzentwurf. Wir stimmen nicht mit allen Einschätzungen überein, z.B. dass „die Pandemiebewältigungsstrategien in Deutschland weltweit Anerkennung erhalten“ hätten. Doch wo die Kritik konkret wird, ist sie äußerst treffend:

  • dass der Infektions-Schwellenwert viel zu unbestimmt und beliebig ist, um daran anknüpfend weitreichende Grundrechtseingriffe zu rechtfertigen;
  • die willkürliche Ausweitung von Tests auch asymptomatischer Personen;
  • regelmäßig falsch positive Befunde der PCR-Tests;
  • keine Differenzierung zwischen Regionen mit geringerer Ansteckungsgefahr und mit erhöhtem Infektionsrisiko („auch eine Gleichbehandlung von ungleichen Sachverhalten ist verboten“);
  • medizinischer Nutzen vieler Maßnahmen ist wissenschaftlich höchst umstritten;
  • viel zu weitgehende und unverhältnismäßige Einschränkung der Grundrechte von Beschäftigten und
  • die Gefahr von wirtschaftlichen und sozialen Kollateralschäden für von Schließung und Verboten betroffenen Branchen.

Weiterhin lehnt ver.di ab:

  • die Einführung eines Immunitätsnachweises durch die Hintertür in Form einer Impfdokumentation durch RechtsVO mit entsprechender Diskriminierung bei Nichtnachweis;
  • die Einführung einer Regelung, ärztliche Untersuchungen durch RechtsVO anweisen zu können – Beeinträchtigung des Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, ohne Einwilligung der Betroffenen liegt sogar eine strafbare Körperverletzung vor;
  • dass Beschäftigte von Verkehrsunternehmen und anderen verpflichtet werden sollen, Kontroll- und Überwachungsaufgaben (hoheitliche Aufgaben) auszuführen.

Nach einer Reihe detaillierter sozialpolitischer Forderungen kommt die Gewerkschaft zu dem Schluss: „die Verabschiedung eines formellen Gesetzes (kann) nicht über den materiellrechtlich gleichwohl andauernden, größten kollektiven und teilweise durchaus unverhältnismäßigen Grundrechtseingriff in der Geschichte der Bundesrepublik hinwegtäuschen“.


Stellungnahme der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft – ver.di

zum

Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD

Entwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (BT-Drs. 19/23944)

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Collage: Ralf Lux, unter Verwendung eines Fotos von Gerd Eichmann – Own work, CC BY-SA 4.0,
Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=90747511