Frieden - Antifaschismus - Solidarität

Verwaltungsgericht: Stadt Freiburg muss abgesagte Nakba-Ausstellung zeigen

Nach ursprünglicher Zusage verweigerte die Stadt Freiburg kurzfristig die Räume für die Ausstellung „Die Nakba – Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948“– auf Druck dubioser „Israel-Freunde“. Auf Antrag des veranstaltenden Freiburger „Café Palestine“wies das Verwaltungsgericht die Stadt an, die Ausstellung doch stattfinden zu lassen. Die Ausstellung verstoße inhaltlich nicht gegen Strafgesetze und sei von der Meinungsfreiheit getragen. Eröffnung der bis zum 27.11. dauernden Ausstellung ist am Freitag, 12.11.10 um 20 Uhr, Stadtbibliothek.

Wir dokumentieren die Pressemitteilung der Stadt und den Protestbrief von Abi Melzer, Herausgeber und Chefredakteur von DER SEMIT – Unabhängige Jüdische Zeitschrift

Oberbürgermeister Dieter Salomon: „Einseitige Schuldzuweisungen und Freund-Feind-Schemata fördern nicht die Einsicht in die komplizierten Zusammenhänge im Nahen Osten und tragen nicht zu einer Verständigung und friedlichen Entwicklung in dieser Region bei.“

Der jüdische Verleger Abi Melzer: „Sie tragen zwar einen jüdischen Namen, haben aber offensichtlich eine philosemitische bzw. antisemitische Gesinnung, die zum Himmel schreit. Blinde Israel-Beschützer haben keine Ahnung von der Geschichte der Juden und der Geschichte des Nahost-Konflikts.“


Pressemitteilung, 4. November 2010

Stadt Freiburg sagt Ausstellung „Die Nakba – Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948“ in Stadtbibliothek wegen einseitiger Darstellung des Themas ab

Oberbürgermeister Dieter Salomon: „Einseitige Schuldzuweisungen und Freund-Feind-Schemata fördern nicht die Einsicht in die komplizierten Zusammenhänge im Nahen Osten und tragen nicht zu einer Verständigung und friedlichen Entwicklung in dieser Region bei.“

Die Stadtbibliothek Freiburg hatte geplant, vom 12. bis 27. November die Ausstellung „Die Nakba – Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948“ in ihren Räumen zu zeigen. Die Ausstellung wurde vom Verein „Flüchtlingskinder im Libanon e.V.“ erstellt und für Freiburg von Seiten des Vereins Café Palestine veranstaltet. Auf insgesamt 14 Tafeln stellt die Wanderausstellung die Nahostgeschichte seit den ersten jüdischen Einwanderungen über die Staatsgründung Israels, die Flucht der Palästinenser bis zur Situation der Flüchtlinge heute dar. Seit dem Jahr 2008 wurde sie in mehreren Dutzend Städten vor allem in evangelischen Kirchengemeinden gezeigt.

Nach kritischer Durchsicht der Ausstellungstafeln durch mehrere Stellen in der Stadtverwaltung ist deutlich geworden, dass die Ausstellung trotz vieler zutreffender Aussagen die Gesamtsituation zu einseitig darstellt. Oberbürgermeister Dieter Salomon hat daher die Ausstellung in den Räumen der Stadtbibliothek abgesagt. Die Stadtverwaltung bedauert allerdings, dass die Sichtung der Tafeln erst nach Zusage einer Ausstellung erfolgte.

Inhaltlich lastet die Ausstellung die Alleinverantwortung für die Vertreibung der Palästinenser den Israelis an. Die palästinensischen Araber als verantwortlich und aktiv Handelnde in diesem Konflikt kommen in der Präsentation nicht vor. Keine Rede ist beispielsweise von den antisemitisch motivierten arabischen Pogromen, die bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts und vor allem nach 1945 in den jüdischen Siedlungsgebieten des arabischen Raumes stattfanden. Diese andere “Nakba” (deutsch: Katastrophe) bedeutete Flucht und Vertreibung für Hunderttausende arabischer Juden, die ihre Heimat verlassen mussten und in Israel aufgenommen wurden.

Unerwähnt bleibt auch die Tatsache, dass Hitlerdeutschland die Gründung des Staates Israel verhindern wollte und dabei mit den palästinensischen Arabern, allen voran mit dem geistigen und politischen Führer und Großmufti von Jerusalem, Mohammed Amin al-Husseini, aufs engste kooperierte und sowohl ideologisch wie materiell unterstützte. Und keine Rede ist davon, dass die arabischen Anrainerstaaten die Palästinenser zur Evakuierung der Kampfgebiete vor dem Angriffskrieg auf Israel 1948 aufforderten. Seit Jahrzehnten bilden die palästinensischen Flüchtlinge eine politische Manövriermasse, die den arabischen Staaten als politisch-moralisches Druckmittel gegen Israel dient.

Ebenfalls ist nicht erwähnt, dass die PLO als politische Repräsentanz der Palästinenser das Existenzrecht Israels in ihrer Gründungserklärung verneinte, so wie es heute noch Hamas, Hisbollah oder manche arabische Staaten tun und mit Attentaten und Raketenagriffen auf Israel unterstreichen.

Die Ausstellung berücksichtigt überdies nur den Zeitraum vor 1949 sowie die Gegenwart, nicht jedoch die dazwischen liegenden 60 Jahre, in denen sich das Flüchtlingselend und die Unversöhnlichkeit der Lager noch verschärft haben. Auch an dieser Entwicklung waren die Palästinenser und ihre arabischen Unterstützer nicht unbeteiligt. Erst mit der Gründung des Staates Israel konnte die tausendjährige Zeit der Pogrome gegen das jüdische Volk beendet werden. „Dass Auschwitz sich nicht wiederholen darf und auch der Staat Israel hierfür ein Garant ist, ist die zentrale Lehre, die aus dem Nationalsozialismus zu ziehen ist“, so Oberbürgermeister Salomon. „Einseitige Schuldzuweisungen und Freund-Feind-Schemata fördern nicht die Einsicht in die komplizierten Zusammenhänge im Nahen Osten und tragen nicht zu einer Verständigung und friedlichen Entwicklung in der Region bei“, erklärt Salomon zur Absage der Ausstellung. Die Stadt möchte daher eine verzerrende und polarisierende Darstellung in einer ihrer wichtigsten Bildungseinrichtungen, der Stadtbibliothek, nicht zeigen.


Brief von Abi Melzer an den Freiburger Oberbürgermeister

Der jüdische Verleger Abi Melzer: „Sie tragen zwar einen jüdischen Namen, haben aber offensichtlich eine philosemitische bzw. antisemitische Gesinnung, die zum Himmel schreit. Blinde Israel-Beschützer haben keine Ahnung von der Geschichte der Juden und der Geschichte des Nahost-Konflikts.“

Sehr geehrter Herr Dieter Salomon,

ich kann leider nur mit den Worten des berühmten jüdischen Künstler und Präsident der Deutschen Akademie der Künste, Max Liebermann, beginnen. Angesichts Ihrer Presseerklärung muss ich seine berühmten Worte zu Adolf Hitler wiederholen: Ich kann gar nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte.

Ja, Herr Salomon. Sie tragen zwar einen jüdischen Namen, haben aber offensichtlich eine philosemitische bzw. antisemitische Gesinnung, die zum Himmel schreit. Ich schreibe „antisemitisch“ deshalb, weil inzwischen jeder weiß, dass Philosemitismus nichts anderes ist als Antisemitismus von Leuten, die die Juden lieben oder vor ihnen Angst haben oder die Moslems mehr verachten als die Juden. Ihr Philosemitismus ist uns Juden peinlich und widerlich.

Die Presseerklärung, die Sie verbreiten ließen, zeigt wieder einmal, dass Israel Beschützer hat, die keine Ahnung haben, was sie tun und erst Recht keine Ahnung von der Geschichte der Juden und besonders der Geschichte des Nahost-Konflikts. Sie lassen sich von blinden Israel-Beschützern gegen die Palästinenser aufhetzen und wissen gar nicht was Sie tun. Für solche Politiker wie Sie müsste sich die Stadt Freiburg schämen und eigentlich ganz Deutschland, so wie sich fast ganz Deutschland für Thilo Sarrazin schämt. Auch Sie diffamieren unschuldige Menschen. Ich jedenfalls schäme mich für Sie.

Sie bemängeln, dass die Ausstellung die Vertreibung der Palästinenser den Israelis anlastet. Können Sie mir sagen, wer anders als die Israelis für die Vertreibung der Palästinenser verantwortlich ist? Ich kann es Ihnen sagen: Sie, die Deutschen, die die Juden aus Deutschland und aus ganz Europa vertrieben haben. Die UN, als die Weltgemeinschaft, die den Juden ein Land geschenkt hat, das ihr gar nicht gehörte. Die anderen Europäer, die mit ihrem Judenhass dafür gesorgt haben, dass die Palästinenser die Zeche für die Europäer zahlen mussten.

Wie hätten Sie entschieden, wenn eine fremde Macht gekommen wäre und ihnen Ihr Land, Ihr Grundstück und Ihr Haus weggenommen hätte?

Sie wollen nicht, dass Auschwitz sich wiederholt und lassen zu, dass man ein Volk vertreibt, entrechtet, verfolgt und ihm heute noch eine Heimat verwehrt. Oder haben Sie schon gegen die völkerrechtliche unerlaubte Siedlungspolitik der Israelis protestiert oder gegen die sinnlose Ermordung von mehr als 1400 Menschen in Gaza.

Sie beklagen einseitige Schuldzuweisungen. Haben Sie schon eine Schuldzuweisung an die Israelis geschickt, nachdem Sie in Ihrer Presseerklärung die Palästinenser grundlos und widerwärtig beschuldigt haben?

Was haben denn die Palästinenser verbrochen? Sie haben den Israelis ihr Land nicht auf einem silbernen Tablett gereicht? Sie waren mit der ungerechten Teilung nicht einverstanden? Sie haben sich gegen ihre Vertreibung, Enteignung und Ermordung gewehrt?

Hätten Sie das nicht getan? Erst kürzlich hat der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak gesagt, dass er auch Widerstandkämpfer geworden wäre, wenn er als Palästinenser geboren wäre. Sie nicht? Was für ein Feigling sind Sie?

Ich hoffe, dass diese Affäre sich so ausweitet, dass Sie Ihren Stuhl ihretwegen verlieren. Weniger haben Sie wahrlich nicht verdient.

Abraham Melzer
Herausgeber und Chefredakteur von
DER SEMIT – Unabhängige Jüdische Zeitschrift


Weitere Stellungnahmen dokumentiert Hartmut Barth-Engelbarth, Freidenker aus Hanau, auf seiner Homepage: http://www.barth-engelbart.de/?p=748

Homepage der (sabotierten) Verranstalter: http://cafepalestinefreiburg.blogspot.com/


Foto: Palästinensische Flüchtlinge 1948 – By Hanini – hanini.org, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3632020